Ich habe in meinem Schlusswort auf Türkisch gesprochen. Das ist eine Sprache, die ich nicht so richtig gut beherrsche. Ein paar Brocken beherrsche ich aber.
Herr McAllister, ein paar Brocken beherrsche ich schon. Ich habe da einmal studiert. Ich habe auf Türkisch gesagt: Frau Ministerin, meine Anerkennung für Ihre Aussage und Ihnen alles Gute.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz kurz zurückschauen, wie die Situation in Niedersachsen vor gut einer Woche, vor der Regierungsumbildung, war. Die Bildungspolitik in Niedersachsen war vor die
Wand gefahren, mit einer Ministerin, die Herr Wulff persönlich viel zu lange Zeit gestützt hatte. Es gab und gibt keine Gesprächsebene zwischen bildungspolitischen Akteuren und der Landesregierung. Die Hochschulpolitik und die Sozialpolitik glänzten in den letzten Monaten und Jahren eher durch Verwalten als durch Gestalten. Da war klar: Es musste der große Befeiungsschlag kommen. Herr Wulff hatte keine andere Wahl. Ein Befreiungsschlag für das Land Niedersachsen - das haben wir gestern in der Regierungserklärung gelernt - war das aber nicht. Es ging ihm bei diesem Befreiungsschlag leider nur um sich selbst.
Meine Damen und Herren, seine Selbstinszenierung schien zunächst gelungen. Ein Medienhype nicht gekannten Ausmaßes brach über Frau Özkan herein. Herr Wulff sonnte sich in den Schlagzeilen, welcher Überraschungscoup ihm da gelungen sei. Ihm war bei der Selbstinszenierung sogar völlig egal, wie es seiner Fraktion dabei ging, dass er keine Fraktionsmitglieder bei der Ministerauswahl berücksichtigt und die Fraktion noch nicht einmal eingebunden hatte.
Nun, meine Damen und Herren, haben wir die erste muslimische Ministerin in Deutschland. Ich kann feststellen: Erst wenn es kein besonderer Zustand mehr ist, eine muslimische Ministerin in Deutschland zu haben, ist uns die Integration wirklich gelungen.
Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten beurteilen die Ministerin übrigens nicht danach, woher sie kommt oder welcher Religion sie angehört, sondern wir werden sie danach beurteilen, was sie tut und wie sie handelt.
Da hat sie, als sie noch nicht Ministerin war, ein Thema in der Bildungspolitik zum Thema gemacht, was in Niedersachsen gar kein Thema war. Meine Damen und Herren, fragen Sie doch einmal die Schülerinnen und Schüler, welche Themen an Schule sie tatsächlich interessieren, oder die Lehrkräfte! Da ist das Verwenden von religiösen Symbolen nun weiß Gott nicht gefragt.
dann wäre es doch wichtig, zu thematisieren, welche Bildungschancen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund an niedersächsischen Schulen haben. Da sind die Zahlen in Niedersachsen nun allemal blamabel. Ich erwähne nur: 12,1 % der Kinder an den Hauptschulen in Niedersachsen haben einen Migrationshintergrund, 18 % an den Förderschulen und 3,1 % an den Gymnasien. Diese Zahlen stammen aus der offiziellen Statistik des MK. Die ungerechten Bildungschancen der Kinder, das wäre ein Thema, das Sie hätten ansprechen können, oder die Ausbildungssituation türkischstämmiger Jugendlicher. Was haben Sie, Frau Ministerin Özkan, bei Ihrer bisherigen Firma eigentlich gemacht, um tatsächlich Jugendliche mit Migrationshintergrund auszubilden, frage ich mich.
(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Was tun Sie denn eigentlich, außer zu reden?)
Nun müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass Herr Wulff Sie schon dafür, dass Sie sich auf der Basis eines Bundesverfassungsgerichtsurteils bewegen, gemaßregelt und zurückgepfiffen hat. Aber es war nicht nur Herr Wulff, es waren auch Herr McAllister und Herr Dr. Althusmann. Frau Özkan, in dieser Regierungsfraktion haben Sie nicht nur ein Problem mit modernen Ansätzen der Integrationspolitik, sondern werden als Frauenministerin auch hinsichtlich der Frauenpolitik und der Akzeptanz von Frauen ein Problem mit dieser Fraktion haben.
(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Warum sind Sie eigentlich nicht Landesvorsitzende geworden? - Weitere Zurufe von der CDU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Özkans Äußerungen sind an sich nicht spektakulär. Sie bewegen sich auf der Basis der Verfassung und - - -
Frau Kollegin, ich möchte Sie bitten, Ihre Rede kurz zu unterbrechen. - Hier im Plenarsaal ist es viel zu unruhig.
Sie bewegen sich auf der Basis der Verfassung und im Übrigen auch auf der Basis des Niedersächsischen Schulgesetzes, Herr Dr. Althusmann; denn wenn im Schulgesetz steht, dass es Auftrag der Schulen ist, die Schüler „auf der Grundlage des Christentums, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, demokratischen und sozialen Freiheitsbewegungen“ zu bilden, dann bedeutet „auf der Grundlage des Christentums“ eben nicht „auf der Basis des Christentums als Confessio“, sondern „auf der Basis des Christentums als historischer Grundlage und wesentlichen Bestandteils der europäischen Kultur und Lebensanschauung“. Das können Sie vielleicht noch nicht wissen; so lange sind Sie noch nicht Minister.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fasse zusammen: Das Spektakuläre an Frau Özkans Äußerungen waren nicht die Äußerungen an sich, sondern die Reaktion der CDU. Aber so ist das nun einmal, Herr Wulff, wenn man ausschließlich eine Show über eine moderne Kabinettsumbildung, über ein modernes Kabinett produzieren will, aber die altmodischen Inhalte die gleichen bleiben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst ein paar grundsätzliche Bemerkungen zum Kreuz im öffentlichen Raum machen. Dann werde ich auf den Unsinn eingehen, den wir hier gerade zum Teil hören mussten.
(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD - Kreszentia Flauger [LIN- KE]: Sehr unparlamentarisch!)
Herr Kollege, ich darf Sie kurz unterbrechen. - Wir hatten das Thema schon einmal. Ich bitte, bei der
Jetzt beruhigen Sie sich mal! - Sehr geehrte Damen und Herren, wenn man die Bedeutung des Kreuzes in unserer Gesellschaft analysiert, muss man sie an seiner Umgebung analysieren. Das haben Sie leider gerade nicht getan. Ich möchte in diesem Zusammenhang mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, die Analyse von Landesbischof Friedrich Weber zum Bundesverfassungsgerichtsurteil über die Kruzifixe in Schulen vom 16. Mai 1995 zitieren. Er hat gesagt:
„Der Wirbel um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die bayerischen Schulkreuze hat, jenseits der juristischen Probleme, die Frage nach der Bedeutung des Kreuzes in unserer Kultur aufgeworfen. Handelt es sich um ein religiöses Zeichen von provozierender Unmittelbarkeit, das die in der modernen Gesellschaft gern verdrängten Erfahrungen des Leides, des Todes und der Transzendenz festhält? Oder ist das Kreuz ein Kultursymbol, ein Ausdruck abendländischer Identität und historischer Erinnerungen, die zu den Voraussetzungen unseres Daseins auch dann noch gehören, wenn wir uns nicht mehr als Christen bekennen?“
Sehr geehrte Damen und Herren, im Grundgesetz, in der Niedersächsischen Verfassung und im Niedersächsischen Schulgesetz ist die Bedeutung des Christentums als Teil des Selbstbildes und kulturellen Gedächtnisses unserer Gesellschaft verankert. Also ist das Kreuz ein Kultursymbol und auch so definiert. Trotz der heutigen Pluralität von Kulturen, Lebenswelten und Auffassungen ist unsere Gesellschaft historisch wie aktuell überwiegend durch das Christentum in seinen verschiedenen konfessionellen Ausprägungen geprägt.
Es gibt für uns deshalb keinen Grund, alle religiösen Symbole aus dem öffentlichen Raum zu verbannen.