Das Anliegen, das wir haben, scheinen im Übrigen auch die Grünen zu haben. Frau Kollegin Staudte, die Vorbemerkungen zu unseren beiden Anträgen sind ja nahezu deckungsgleich. Was den ersten Teil angeht, sind wir doch sehr nah beieinander.
Uns kommt in der aktuellen Diskussion jedoch die gesamtgesellschaftliche Verantwortung viel zu kurz. Junge Menschen nehmen sich Vorbilder. Das sind entweder Gleichaltrige oder Erwachsene. Einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol lernen die jungen Menschen also nur dann, wenn die Erwachsenen und wenn die Gesellschaft ihnen das auch verantwortungsvoll vorleben.
Ein Jugendlicher oder sogar ein Kind, der bzw. das von einem Erwachsenen angestiftet wird, Alkohol zu trinken, muss schon ein sehr starkes Selbstbewusstsein haben, um dies dann auch abzulehnen. Deswegen gilt es nicht nur, die Jugendlichen bei dem Thema in den Fokus zu nehmen, sondern eben auch die Erwachsenen, die die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen gefährden, indem sie ihnen Alkohol zu trinken geben oder sie zum Alkoholtrinken anstiften.
Die jungen Menschen befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen ihrem Elternhaus, ihrer Schule, ihrem Freundeskreis und ihren freizeitlichen Aktivitäten. In diesem Feld der Beziehungen zueinander muss es unsere Aufgabe sein, mit Maßnahmen anzusetzen, die die Jugendlichen dort erreichen, wo sie sind. Dazu gehört, dass mit den Kindern in den Schulen beraten wird, welche Gefahren der Konsum von Alkohol mit sich bringt. Wichtig ist auch, dass wir in den gemeinsamen Dialog die Sportvereine und die Jugendringe mit einschließen; denn dort sind in Niedersachsen nämlich die meisten Jugendlichen organisiert.
Denen, die den Schutz der Kinder und Jugendlichen gefährden und missachten, müssen wir klarmachen, dass wir dies nicht tolerieren, sondern durch harte Strafen sanktionieren. Aufklärung, Prävention und konsequenter Gesetzesvollzug sind hier der richtige Weg, um Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen in den Prozess eines verantwortungsvollen Umgangs mit dem Alkohol einzubinden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Innenminister Uwe Schünemann hat mit der Initiative, Testkäufe in Niedersachsen durchzuführen, aufgedeckt, was wir alle so nicht erwartet hätten. Viele Verkaufsstellen oder Einzelhandelsgeschäfte, Tankstellen und Kioske sind bei Kontrollen durch Testkäufe ihrer Schutzverpflichtung gegenüber den Jugendlichen nicht nachgekommen. Alkohol wurde ohne Überprüfung des Alters an Jugendliche verkauft. Das ist eine ganz bittere Erkenntnis.
Inzwischen haben aber der Einzelhandelsverband, der Hotel- und Gaststättenverband sowie der Tankstellen- und Brauereiverband diese Problematik erkannt und die Kampagne „Alkohol nur, wenn’s Recht ist“ gestartet. Ich bin froh, dass unser Innenminister Schünemann hier die Schirmherrschaft übernommen hat.
Langsam, aber sicher beteiligen sich alle in der Gesellschaft daran, gemeinsam mit den Jugendlichen über den Alkoholmissbrauch zu reden und darüber, wie man Alkoholmissbrauch entgegentreten kann.
In unserem Antrag bitten wir daher die Landesregierung, sich auch weiterhin für die Testkäufe einzusetzen und die Kommunen dabei zu unterstützen. Weiter bitten wir darum, die Akteure der
Suchtprävention und der Suchtberatung einzubinden. Dazu gehören die Landesstelle für Suchtfragen, die Landesstelle Jugendschutz, die ja jetzt, wie Kollege Riese sagte, zu einem neuen Dialog eingeladen hat, der Landespräventionsrat, der Landesjugendring und die Niedersächsische Sportjugend.
Auch in der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte und der Sozialpädagogen wollen wir mit Blick auf den Alkoholmissbrauch die Präventionsarbeit stärken und hier diese Personengruppen mehr einbinden. In der Schule muss dieses Thema stärker als bisher behandelt werden und einen angemessenen Stellenwert bekommen.
Auch die Eltern, meine Damen und Herren, sind hier nicht zu vernachlässigen. Wir müssen die Eltern in den Prozess einbinden und sie in ihrer Erziehungsaufgabe stärken.
Die Weiterentwicklung des HaLT-Projekts „Hart am LimiT“ ist dabei ebenfalls ein wichtiger Bestandteil.
Alle die, die gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen, müssen empfindliche Strafen spüren. Daher bitten wir die Landesregierung zu überprüfen, ob die aktuellen Bußgeldvorschriften noch ausreichend sind. Komasaufen oder Flatratepartys sind nichts Neues, aber sie sind eine Gefahr, die erkannt ist und die vor Ort unterbunden werden muss. Dabei wollen wir die Kommunen unterstützen.
Ein weiterer Punkt, der ganz wichtig ist, ist die Überprüfung des § 1 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 des Jugendschutzgesetzes. Diese Vorschrift ermöglicht es den Eltern, ihre Aufsichtspflicht auf einen anderen Volljährigen zu übertragen. Das braucht man beispielsweise, wenn die Kinder oder Jugendlichen mit den Pfadfindern oder mit der Schule irgendwo hinfahren. Aber wir stellen fest, dass Partyveranstalter und Diskothekenbetreiber auf ihren Homepages solche Formulare zum Download anbieten; die werden dort als sogenannter „Mutti-Zettel“ beworben. Jugendliche, die noch nicht 18 sind, werden vor diesen Diskotheken gebeten, diese Zettel auszufüllen. Die Richtigkeit wird nicht überprüft. Stattdessen werden die Jugendlichen von den Diskothekenbetreibern und Partyveranstaltern zur Urkundenfälschung genötigt.
Leider - und das meine ich ernst - hat die Beratung im Ausschuss nicht zu einem einheitlichen Antrag geführt. Mit Ihnen, sehr geschätzter Herr Kollege Stefan Klein, waren wir inhaltlich auf einem guten
Weg. Leider ist eine abschließende Einigung nicht möglich gewesen. Auch der Änderungsvorschlag der Grünen führt Punkte auf, die sich mit unserem Antrag gut vereinen ließen.
Abschließend möchte ich mir wünschen, dass wir alle dafür sorgen, dass in der Öffentlichkeit kein verzerrtes Bild der Jugendlichen entsteht,
sondern dass wir in gemeinsamer Verantwortung der Erwachsenen und der Heranwachsenden über die Gefahren des Konsums von Alkohol aufklären und diejenigen, die bewusst junge Menschen direkt oder indirekt schädigen, eine klare Ablehnung durch die Gesellschaft spüren lassen.
Zu dem Beitrag von Herrn Focke hat sich Herr Perli zu einer Kurzintervention gemeldet. Herr Perli, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Focke, ich kann ja gut verstehen, dass Sie ein bisschen brüskiert sind, dass Ihre Sonntagsreden hier durch die Praxis bei der Jungen Union und der CDU enttarnt worden sind.
Ich möchte aber den Legenden, die Sie hier über den Jugendverband der Linken verbreitet haben, ein paar Fakten entgegensetzen. Die von Ihnen angesprochene Tour mit dem Namen „Schöner Leben mit Drogen“ hat einen sehr interessanten Namen - natürlich; denn er ist dazu da, Öffentlichkeit zu erzeugen. Aber worum ging es den Leuten da? - Genau um das, was Sie hier eingeführt haben: um Aufklärung an Jugendzentren, um Aufklärung an den Schulen über die Gefahren, über die Wirkungen von bestimmten Drogensubstanzen. Wir haben ja gestern von der Sozialministerin erfahren, dass es an den Schulen in Niedersachsen keine Aufklärung über die Wirkungen und Gefahren von Cannabiskonsum gibt. Das ist ein großes Problem.
Zweiter Punkt: Sie haben die völlig unsinnige Behauptung aufgestellt, dass eine Politikerin der Linken eine Heroinfreigabe für 14-Jährige gefordert hätte. Das ist grober Unfug, das habe ich noch nie gehört. Aber ich empfehle Ihnen einen Blick auf SPIEGEL ONLINE vom 28. Februar 2009. Überschrift „Drogenschmuggel“. Dort heißt es: CDUPolitiker mit 80 g Heroin erwischt, 5 000 Euro Bargeld gefunden. Meine Damen und Herren, bevor Sie hier austeilen, sollten Sie erst mal in Ihrem eigenen Laden aufräumen. Wir haben ein großes Problem mit Heroindealern.
Sehr geehrter Herr Kollege Perli, lassen Sie mich eines feststellen: Die sogenannte „Schöner Leben mit Drogen“-Tour der solid Sachsen sollte, wie Sie gesagt haben, in der Tat eine Aufklärungstour sein. Hauptreferentin dieser Tour aber war Julia Bonk, die, wie in den Printmedien oder im Internet zu lesen ist, die Abgabe von Heroin an 14-Jährige gefordert hat. Was soll das für eine Aufklärungstour sein, wenn dort eine Referentin auftritt, die 14Jährigen Heroin geben will? Tut mir leid, kann ich nicht nachvollziehen.
Im Übrigen, Herr Perli, weiß ich gar nicht, was Sie wollen. Wenn ein CDU-Politiker mit Drogen erwischt wird, muss er von Gesetzes wegen genauso hart bestraft werden wie jeder andere in diesem Land auch. Ganz einfach! Das hat überhaupt nichts mit Parteibuch zu tun, sondern einzig und allein damit, wie man sich in dieser Gesellschaft verhalten sollte und welche Regeln hier gelten. Und diese Regeln gelten für alle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt wieder ein bisschen Sachlichkeit in die Debatte bringen.
Meine Vorredner und auch Frau Staudte haben schon einiges zu der Problematik gesagt, die sich, lieber Herr Focke, allerdings nicht für Klamauk eignet. Das gilt aber genauso für die Auseinandersetzung zwischen solid und der Jungen Union. Auch die gehört hier nicht her. Die Besten sind eh bei den Jusos. Wir sind da sozusagen fein raus.
Die SPD-Fraktion hat im August letzten Jahres einen Antrag eingebracht, der sich mit dem Thema „Alkoholmissbrauch speziell bei Kindern und Jugendlichen“ befasst; denn die Folgen und Gefahren sind gerade für diese Personengruppe massiv. Ansatz für unsere Initiative waren Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, aber auch Forderungen des Drogen- und Suchtrates sowie viele andere Studien und Einzelfälle aus fast allen Regionen unseres schönen Landes.
Ich darf in Erinnerung rufen, dass nach einer Erhebung der eben genannten Bundeszentrale drei Viertel der 12- bis 17-Jährigen angeben, bereits Alkohol getrunken zu haben. 17,5 % dieser Jugendlichen trinken regelmäßig mindestens einmal in der Woche. 20 % tranken im Jahr 2008 in dem erfragten Monat bei mindestens einer Gelegenheit fünf oder sogar mehr Gläser Alkohol hintereinander. Die Zahl junger Menschen aller Altersgruppen, die in Krankenhäusern vollstationär aufgenommen werden mussten, ist ebenfalls massiv gestiegen.
Neueste Erhebungen der Techniker Krankenkasse, die letzten Monat veröffentlich wurden, belegen einen deutlichen Anstieg der Zahl der Alkoholvergiftungen bei Jugendlichen: in Niedersachsen um 23 % innerhalb der letzten drei Jahre.
Bedrohlich sind auch die Folgen. Alkohol stellt das drittgrößte Risiko für Krankheiten und vorzeitigen Tod dar. Pro Jahr sterben in Deutschland mehr als 70 000 Menschen an den Folgen des Alkoholkonsums. Die gesundheitlichen Folgen sind dabei gerade für Jugendliche beträchtlich. Exzessiver Alkoholkonsum kann zu massiven und zum Teil nicht reversiblen gesundheitlichen Schädigungen führen. Die Wahrscheinlichkeit einer frühzeitigen Abhängigkeit wächst gerade bei diesem Personenkreis deutlich. Zudem verlieren Jugendliche -
aber nicht nur Jugendliche - durch den Alkohol Hemmungen, was in erster Linie bei den Jungen zu einer Steigerung von Gewalttaten führt. Hinzu kommen Vandalismus und Sachbeschädigungen.
Das sind dramatische Entwicklungen, die nicht verharmlost werden dürfen, obwohl der Kollege Focke ja schon in der letzten Debatte angab, dass die allermeisten jungen Menschen anständig und strebsam seien.