Protokoll der Sitzung vom 10.06.2010

Meine Damen und Herren, wir sehen uns morgen früh um 9 Uhr wieder. Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 18.47 Uhr.

Anlagen zum Stenografischen Bericht

Tagesordnungspunkt 31:

Mündliche Anfragen - Drs. 16/2525

Anlage 1

Antwort

des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration auf die Frage 3 der Abg. Ursula Weisser-Roelle und Patrick HumkeFocks (LINKE)

Beabsichtigt die Landeregierung, das Niedersächsische Ladenöffnungsgesetz verfassungskonform zu überarbeiten?

Die Sonn- und Feiertagsruhe ist nach Einschätzung von Beobachtern im Bereich der Ladenöffnungszeiten in Niedersachsen in weitgehenden Bereichen faktisch ausgehebelt. Einerseits haben 294 niedersächsische Orte eine Genehmigung als Kur-, Erholungs-, Ausflugs- oder Wallfahrtsort, die das Sonn- und Feiertagsverbot an über 40 Sonn- und Feiertagen außer Kraft setzt; andererseits kann der niedersächsische Wirtschaftsminister per Erlass Sondergenehmigungen erteilen. Rechtlich verankert ist dies im Niedersächsischen Ladenöffnungsgesetz (NLöffVZG) vom 8. März 2007. Der Gesetzgeber hatte die Landesregierung verpflichtet, das Gesetz bis zum 31. März 2010 zu überprüfen.

Das Bundesverfassungsgericht gab am 1. Dezember 2009 einer Klage der Kirchen in BerlinBrandenburg gegen die sonntägliche Ladenöffnung recht. Die Verletzung der grundgesetzlich garantierten Sonn- und Feiertagsruhe sei demnach nur in sehr engen Grenzen und mit einem ausreichenden Sachgrund zu rechtfertigen. Die Gewerkschaft ver.di gab nach diesem Urteil eine Expertise zum NLöffVZG bei einem renommierten Arbeitsrechtler in Auftrag. Diese Expertise zeigt auf, dass hinlänglich der Maßstäbe der Verfassungsrichter auch das NLöffVZG verfassungsrechtlich sehr bedenklich ist, da für die Ausnahmen zur Sonn- und Feiertagsregelung (§§ 4 und 5 NLöffVZG) keine Gründe für eine Zustimmung oder Ablehnung definiert wurden.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Hat die Landesregierung die vom Gesetzgeber vorgegebene Überprüfung des NLöffVZG durchgeführt und, wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, beabsichtigt die Landesregierung, das NLöffVZG vor dem Hintergrund des Verfassungsgerichtsurteil und der ver.di-Expertise hinsichtlich seiner Verfassungskonformität zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten?

2. Auf Grundlage welcher Kriterien entscheidet das Wirtschaftsministerium über die Frage nach dem Status von Ausflugsorten und der damit verbundenen Ausnahmegenehmigung für den Sonn- und Feiertagsverkauf?

3. In welchen Orten hat das Wirtschaftsministerium per Erlass eine Ausnahmegenehmigung in den vergangenen drei Jahren erteilt (bitte voll- ständig auflisten)?

Die Niedersächsische Landesregierung hat - wie gesetzlich vorgesehen - nach drei Jahren die Auswirkungen des Ladenöffnungsgesetzes überprüft. Wir kommen zum Ergebnis, dass die neuen Öffnungszeiten vom Handel in moderatem Umfang genutzt werden. Die jetzige niedersächsische Regelung ist verfassungskonform.

Ein von ver.di vorgelegtes Gutachten zweifelt die Verfassungsmäßigkeit der niedersächsischen Regelung zu den Kur-, Erholungs-, Wallfahrts- und Ausflugsorten an. In Anlehnung an die zur Berliner Regelung ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot des Sonn- und Feiertagsschutzes behauptet.

Über Ausflugsorte hatte das Bundesverfassungsgericht aber gar nicht zu entscheiden; denn eine solche Regelung enthält das Berliner Gesetz gar nicht! Der Gutachter räumt auch deshalb selbst ein, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes einen erheblichen Interpretationsspielraum lässt.

Die vom Gutachter getroffene Schlussfolgerung wird nicht geteilt: In Niedersachsen gilt die 6 x 24-Stundenregelung an Werktagen. Der verfassungsrechtlich gebotene Sonn- und Feiertagsschutz wird gewährleistet. Lediglich in einer Reihe von Orten sowie für bestimmte Verkaufsstellen und Waren ist ausnahmsweise der Verkauf an Sonntagen gestattet.

Die Öffnung an vier Adventssonntagen wird im niedersächsischen Gesetz bei der Möglichkeit der Erteilung von Ausnahmen nach § 5 Abs. 1 ausdrücklich ausgenommen. Auch Verkaufsstellen in Kur-, Erholungs-, Wallfahrts- und Ausflugsorten dürfen nicht an allen Adventssonntagen öffnen.

Das niedersächsische Gesetz sieht generell weitergehende Einschränkungen als die Berliner Regelung vor.

In Niedersachsen gibt es rund 200 Orte bzw. Ortsteile, die als Kur-, Erholungs- und Ausflugsorte anerkannt sind, nicht wie in der Anfrage behauptet 294. Bei insgesamt rund 1 000 Gemeinden ver

deutlicht diese Zahl, dass das Regel-AusnahmeVerhältnis gewahrt ist.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Landesregierung hat die Auswirkungen des Gesetzes überprüft. Es hat sich in der praktischen Anwendung bewährt. Das Niedersächsische Gesetz über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten entspricht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Eine Überarbeitung ist nicht erforderlich.

Zu 2: Das Wirtschaftsministerium entscheidet auf Grundlage der in § 2 des Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten festgelegten Kriterien.

Zu 3: Das Wirtschaftsministerium hat seit dem 1. April 2007 jeweils per Bescheid - nicht per Erlass - 17 Orte oder Ortsteile als Ausflugsort anerkannt. Es handelt sich dabei um: Bückeburg, Celle, Damme, Dötlingen, Emmerthal (Hämelschen- burg), Emsbüren, Fürstenberg, Goslar, Hameln, Leer, Rinteln, Rosengarten, Springe, Stade, Wolfenbüttel, Wolfsburg und Worpswede.

Anlage 2

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 4 der Abg. Hans-Christian Biallas, JohannHeinrich Ahlers, Rudolf Götz und Angelika Jahns (CDU)

Gewalt gegen Polizeibeamte effektiv bekämpfen!

Seit Jahren sind kontinuierlich steigende Fallzahlen bei Übergriffen gegen die Polizeibeamtinnen und -beamten unseres Landes, aber auch im bundesweiten Schnitt festzustellen. Die Anzahl der Fälle von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist in Niedersachsen seit dem Jahr 2001 um etwa 60 % gestiegen. Im Jahr 2008 wurden beinahe 2 500 Fälle in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst.

Bundesweit ist in dem vergleichbaren Zeitraum ebenfalls eine deutliche Steigerung von mehr als 32 % zu verzeichnen. Die Fälle, in denen der Widerstand mit anderen Delikten gemeinsam verübt wurde, wie z. B. Körperverletzungsdelikte, sind hier noch gar nicht erfasst. Auch über die Qualität der Angriffe, d. h. zu der Frage, ob die Angriffe und Widerstandshandlungen gewaltintensiver wurden, trifft die Polizeiliche Kriminalstatistik keine Aussage.

Nachdem es bereits im Jahr 2000 eine Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts (KFN) hierzu gegeben hat, haben im März 2009 das KFN und das Landeskriminalamt Nie

dersachen vereinbart, diesen Phänomenbereich erneut zu untersuchen.

Die Frage, ob der aktuelle Sanktionsrahmen für Gewaltdelikte gegenüber Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten und anderen Amtsträgern verändert werden muss, wird schon seit einiger Zeit beraten. Wegen des deutlichen Anstiegs der Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte sowie auch wegen der wachsenden Anzahl von Übergriffen auf Feuerwehrleute und Rettungskräfte ist eine Novellierung der einschlägigen strafrechtlichen Sanktionsnormen geboten, um den strafrechtlichen Schutz dieses Personenkreises zu verbessern.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung vor diesem Hintergrund den vorgelegten Gesetzesentwurf des Bundesministeriums der Justiz?

2. Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus der Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts?

3. Welche weiteren Entwicklungen erwartet die Landesregierung bei der Gewalt gegen Polizeibeamte, insbesondere im Zusammenhang mit den bevorstehenden Castortransporten?

Das Phänomen der Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte ist ein drängendes innen- und gesellschaftspolitisches Thema. Ausführliche Darstellungen zu der Entwicklung erfolgten bereits u. a. zu der Mündlichen Anfrage „Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte: Wie geht die Landesregierung mit den aktuellen Entwicklungen um?“ der Abg. Jörg Bode und Jan-Christoph Oetjen (FDP), LT-Drs. 16/1335 (Frage 1), in der Beantwortung der Kleinen Anfrage des Abg. JanChristoph Oetjen (FDP), LT-Drs. 16/1441, und im Zusammenhang mit Befassung der mit großer Mehrheit von der CDU, FDP und SPD beschlossenen Landtagsentschließung „Gewalt gegen Polizeibeamte konsequent entgegentreten!“ vom 20. Januar 2010, LT-Drs. 16/1342 unter Einbeziehung der LT-Drs. 16/2002 und 16/2106. Insoweit wird darauf Bezug genommen.

Gegenüber dem Jahr 2008 ist im Jahr 2009 die Anzahl der in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für Niedersachsen erfassten Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte erneut auf dann 2 507 Fälle gestiegen.

Zu diesem Phänomenbereich hat Niedersachsen bereits vor gut einem Jahr eine eingehende Untersuchung initiiert. Dieser haben sich Anfang 2010 zehn Bundesländer - neben Niedersachsen die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen -

angeschlossen und das KFN mit einer repräsentativen Polizeibefragung „Gewalt gegen Polizeibeamte“ beauftragt. An der online durchgeführten Befragung haben mehr als 22 000 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte teilgenommen, fast 21 000 Fragebögen können für die Untersuchung ausgewertet werden. Dies ist eine valide Datenbasis, um mit Maßnahmen gezielt anzusetzen, die dem verbesserten Schutz der Polizei dienen sollen.

Erste Ergebnisse der Studie „Gewalt gegen Polizeibeamte“ wurden vom Innenminister gemeinsam mit Professor Dr. Pfeiffer (Direktor des KFN) zur 190. IMK-Sitzung vorgestellt. Die bisherigen Ergebnisse lassen noch keine landesspezifischen Schlussfolgerungen zu; sie beziehen sich auf die Gesamtheit der an der Befragung teilnehmenden Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten.

Ein erstes Ergebnis ist, dass ein sehr hoher Anteil der befragten Polizisten in ihrem Dienst im Jahr 2009 schon mehrfach Aggressionen ausgesetzt war. Das reicht von Beschimpfungen (81,9 %) über körperliche Attacken (26,5 %) bis hin zu Angriffen mit Waffen (8,6 %). Im Streifendienst liegen diese Werte sogar noch höher.

Schwere Verletzungen mit mindestens sieben Tagen Dienstunfähigkeit haben im Vergleich von 2005 zu 2009 um 60,1 % zugenommen. Am stärksten fällt der Anstieg bei Einsätzen aus, die wegen innerfamiliärer oder sonstiger Streitigkeiten, wegen Störungen der öffentlichen Ordnung oder wegen Demonstrationen erfolgt sind.

Bemerkenswert ist, dass besonders schwere Gewalttaten, die eine Dienstunfähigkeit von mindestens zwei Monaten hervorgerufen haben, seit 2007 um 28,8 % zurückgegangen sind. Das könnte dafür sprechen, dass die Beamten in den letzten Jahren durch verbesserte Ausrüstung, Schutzkleidung und Ausbildung effektiver als früher vor schweren Verletzungsfolgen geschützt sind.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Der vom Bundesministerium der Justiz am 25. Mai 2010 vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte -, der innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmt ist, sieht vor allem eine Erhöhung des in § 113 Abs. 1 StGB vorgesehenen Strafrahmens für Widerstand gegen Vollstreckungskräfte von zwei auf drei Jahre vor. Mit der Erweiterung des Sanktionsrahmens wird ein wichtiges Signal der gesellschaftlichen Ächtung

von Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamtinnen und -beamte im Einsatz gegeben und die Abschreckungswirkung des Straftatbestandes erhöht. Ebenfalls zu begrüßen ist die geplante Schließung einer Strafbarkeitslücke, indem Waffen und andere „gefährliche Werkzeuge“ künftig gleich behandelt werden. Schließlich soll der erhöhte strafrechtliche Schutz vor vollständiger oder teilweiser Zerstörung für Kraftfahrzeuge der Polizei und der Bundeswehr auch auf Kraftfahrzeuge der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder von Rettungskräften ausgeweitet werden.