Besser, Herr Försterling, hätten wir das gar nicht aufschreiben können. Die Süddeutsche Zeitung setzt heute noch einen drauf und schreibt zu den Konsequenzen:
„Das Desaster steht vor der Tür. Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und SachsenAnhalt werden zu ihrem Waterloo.“
Meine Damen und Herren, eigentlich könnte sich da eine Opposition doch zurücklehnen und zusehen, wie sich die Gladiatoren Merkel, Westerwelle und Seehofer in der Arena zerfleischen. Aber das wäre zu kurz gedacht. Mittlerweile ist das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit unserer parlamentarischen Demokratie so beschädigt, dass Schadenfreude hier fehl am Platze wäre.
Wer regieren will, der muss den Menschen die Wahrheit sagen. Realitätsverweigerung wird mit Abwahl bestraft. Das haben Sie, das haben CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen schmerzhaft erkennen müssen. Das hat im Bund zu einem Absturz bei den Umfragen geführt, der beispiellos ist. Wenn Sie, Herr McAllister und Ihre Koalition, einen Dominoeffekt vermeiden wollen, dann ist es Zeit für eine Kursänderung - und zwar jetzt!
Meine Damen und Herren, seit den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts war Wachstum eine Metapher für steigenden Wohlstand, für mehr Einkommen, für mehr Urlaub, für den Zweitwagen und für das Eigenheim. Jetzt rutscht unser Land in eine beispiellose Verschuldung. Gleichzeitig schrumpft aber auch die Zahl der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zur Krankenversicherung, zur Arbeitslosenversicherung und zur Rentenversicherung. Die demografische Entwicklung führt in vielen Gemeinden zur Halbierung der Kinderzahlen. Die Zahl der pflegebedürftigen hochbetagten Menschen wird sich im selben Zeitraum fast vervierfachen. Teilweise ist ein kompletter Umbau der Infrastruktur erforderlich.
Die Wirtschaft wird mit einem steigenden Fachkräftemangel kämpfen müssen. Schon heute fehlen Ingenieure, IT-Fachleute und andere Spezialisten. Auch das ist weitgehend Ihrem Bildungsversagen geschuldet.
Die Kommunen müssen Gebühren und Abgaben in einem schrumpfenden Gemeinwesen auf immer weniger Bürgerinnen und Bürger umlegen. Die anteiligen Kosten, die jede Einzelne und jeder Einzelne für die Grundversorgung mit staatlichen und kommunalen Dienstleistungen aufbringen muss, werden steigen. Sie haben nicht rechtzeitig gegengesteuert. Ich erinnere: Sie regieren in diesem Land seit sieben Jahren.
Meine Damen und Herren, diese Generation - unsere Generation - hinterlässt ihren Kindern trotz all der materiellen Errungenschaften, die es bei uns gibt, ein schweres Erbe. Das gilt in ganz besonderer Weise für das Thema Atomkraft und Atommüll. Künftige Generationen werden uns verfluchen, wenn wir den Wahnsinn dieser Technologie nicht endlich beenden.
Sie, Herr McAllister, haben eine klare Aussage zu Gorleben gescheut und sich verschämt zu einer Laufzeitverlängerung bekannt. Das ist ein Fehler. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Geben Sie Gorleben endlich auf! Schließen Sie Laufzeitverlängerungen aus!
(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Jens Na- cke [CDU]: Sie haben nur ein Thema! - Gegenruf von Olaf Lies [SPD]: Ihr habt gar kein Thema!)
Wer sich zuerst bewegt, der kann auch in schwieriger Zeit die Zukunft gestalten, Herr Nacke. Das ist, weiß Gott, ein schweres Thema. Und wer zu lange wartet, der wird am Ende jede Gestaltungsmacht verlieren und letztlich zum Getriebenen, wie Ihr Herr Försterling das für die Kanzlerin so treffend beschrieben hat.
Meine Damen und Herren, die Handlungsmöglichkeiten zur Verhinderung weiterer Finanzkrisen liegen oft jenseits der Landesebene, aber Sie entscheiden im Bundesrat mit. Wir haben vor Kurzem gesehen, welche Tragweite diese Entscheidungen haben können. Deshalb vermisse ich in Ihrer Rede klare Aussagen und Entscheidungen zu einer Politik, die die Finanzmärkte wieder zu Dienern der Realwirtschaft - unserer Handwerker, unserer Unternehmen, all derer, die die Realwirtschaft in unserem Land betreiben - macht.
Eine Finanzmarkttransaktionssteuer, eine europäische Ratingagentur, Transparenz bei staatlicher Verschuldung und auch eine juristische Aufarbeitung von Verstößen gegen geltendes Bilanzrecht sind das Mindeste, was wir erwartet hätten und was wir erwarten müssen.
Meine Damen und Herren, eine Schlüsselstellung für uns als Bundesland nimmt die Bildungspolitik ein. Hierbei haben wir besondere Kompetenzen. Chancengerechtigkeit unabhängig vom Status der Herkunftsfamilie ist ein konstituierendes Element unserer Demokratie.
Nicht zuletzt hat ein gutes Bildungssystem aber auch eine wichtige wirtschaftspolitische Funktion. Das gilt ganz besonders für ein Land ohne Rohstoffe. Deutschland lebt von guten Ideen, von guten Ingenieuren, von wegweisenden Patenten und
von kreativen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Aus all diesen Gründen wollen wir möglichst viele Kinder zu hohen Schulabschlüssen führen.
Auch deshalb ist das Modell „Bayern“ für uns kein Vorbild. Aus all diesen Gründen wollen wir bildungsferne Schichten viel stärker an höhere Schulabschlüsse heranführen. Die Zahl derjenigen, die ohne Schulabschluss eine Chance auf einen Arbeitsplatz haben, schrumpft immer mehr.
Ein wichtiger Maßstab ist für uns der Elternwille. Wenn sich Eltern für die Beschulung ihrer Kinder auf guten Gesamtschulen entscheiden, dann muss der Staat auch ein entsprechendes Angebot bereitstellen.
Es darf doch nicht sein, dass Niedersachsen über Jahre hinweg - und es sind wirklich viele, viele Jahre - der Hälfte der Eltern und der Kinder, die sich für dieses Modell entscheiden, einfach einen entsprechenden Platz verweigert. Da ist die Ankündigung einer neuen Arbeitsgruppe noch nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.
Und, Herr Ministerpräsident, Niedersachsen ist in weiten Teilen ländlicher Raum. Sie wissen das am besten. Sie zeigen aber keine Perspektiven für Schulen im ländlichen Raum. Bei schrumpfenden Schülerzahlen werden Sie nicht an jedem Mittelzentrum und erst recht nicht an jedem Grundzentrum alle fünf Schultypen vorhalten können. Entweder ist das Angebot zwangsläufig zu schmal, oder es ist zwangsläufig zu teuer. Auch hier bieten nur kleine Gesamtschulen einen Ausweg.
Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, wir wollen Effizienzreserven an den Schulen heben, wir wollen auch die demografische Rendite für bessere Bildung nutzen, aber wir wollen darüber hinaus unterstützende Finanzierungsbeiträge vom Bund. Grundlage ist eine Neubewertung der Prioritäten staatlichen Handelns.
Nicht die kinderlose Ehe ist aus unserer Sicht ein förderwürdiges Institut staatlichen Handelns, sondern vielmehr die bestmögliche Unterstützung von
Meine Damen und Herren, Frau Ernst, hier liegt der Denkfehler der Konservativen, die zu lange dachten, dass man das alte Rollenmodell konservieren könne. Längst ist die Realität eine andere. Junge Männer und Frauen brauchen Infrastruktur für gute Kinderbetreuung, um Familie und Beruf zu bewältigen. Hier sind Fehler gemacht worden, die langfristige Folgen haben. Die niedrigen Geburtenquoten gefährden heute unsere sozialen Sicherungssysteme, weil diese sozialen Sicherungssysteme auf Wachstum, bestenfalls auf Stagnation bei den Bevölkerungszahlen ausgelegt sind.
Drei Möglichkeiten sind denkbar, um die sozialen Sicherungssysteme zu erhalten: erstens die Steigerung der Geburtenquoten, zweitens die Hinnahme deutlicher Einkommensverluste durch höhere Beitragszahlungen bzw. niedrigere Leistungen oder drittens mehr Zuwanderung.
Der erste Weg ist kurzfristig wirkungslos, sagen Wissenschaftler, die sich mit Demografie befassen. Der zweite Weg ist zwangsläufige Folge, wenn man den dritten vermauert. Genau das tut die Landesregierung, wenn sie Kindern, die seit 17 oder 18 Jahren hier in Niedersachsen leben und aufgewachsen sind, eine Aufenthaltsgenehmigung und die Staatsbürgerschaft verweigert.
Die Folge dieser Politik - Herr Schünemann ist leider nicht da - ist: Die Abwanderung übersteigt gerade bei den jüngeren Jahrgängen die Zuwanderung. Das ist genau das Gegenteil dessen, was Länder, die dieses Problem erkannt haben, tun und wo sie ganz gezielt versuchen gegenzusteuern.
Wenn Sie nicht Integration und Einwanderung zur gelebten Praxis machen, verschärfen Sie das Problem zusätzlich. Deshalb müssen wir aus den unsäglichen Abschiebungsprogrammen endlich Ausbildungsprogramme machen.
Deshalb müssen wir die zweite und dritte Generation der Zuwanderer auf allen Ebenen besser integrieren, auch im Staatsdienst. Deshalb sollten wir Student-Working-Programs schaffen, um jun
Meine Damen und Herren, die Klima- und Energiepolitik ist eine gigantische Herausforderung, aber sie birgt auch große Chancen für Niedersachsen. Den größten Preis zahlen diejenigen, die jetzt abwarten und hoffen, dass der Kelch an ihnen vorübergeht. Sie werden ihre energieintensiven Industrien nicht sanieren. Sie werden ihre strom- und wärmefressenden Häuser nicht zu Passivhäusern umbauen. Sie werden von der Droge Erdöl nicht wegkommen, und sie werden weiterhin immens teure Dauersubventionen für den Irrweg Atomkraft bezahlen.
Herr McAllister, ich habe sehr wohl die Zwischentöne bei Ihnen gehört. Jetzt ist die Zeit der Entscheidungen. Gehen wir einen konsequenten Weg zu mehr Klimaschutz, mit engagierten Klimazielen und effizienten Technologien? Setzen wir auf Marktführerschaft und Technologieführerschaft bei erneuerbaren Energien, bei Suffizienz und Effizienz? Oder wollen Sie die alten Kämpfe um Atomkraft und Kohle ein weiteres Mal ausfechten?
Wer den zweiten Weg gehen will, Herr Dürr, der sollte sich schon mal harte Bandagen anschnallen. Die Laufzeiten im Atomkonsens waren ein Kompromiss, der nach 25 Jahren harter politischer Kontroverse entstand: von Wyhl in BadenWürttemberg über Gorleben nach Tschernobyl. Wer diese Laufzeiten in Frage stellt und Gorleben nach dem Asse-Desaster tatsächlich weiter bauen will, den kann ich nur warnen. Am Ende werden Unternehmen wie E.ON, Vattenfall, RWE oder auch BP nicht nur zerschlagen werden. Einige dieser Umweltterroristen werden am Ende hinter Gittern landen. Brunnenvergiftung ist immer noch ein Kapitalverbrechen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Haben Sie gerade „Terroristen“ gesagt? Und Sie meinen die Wirtschaftsunternehmen?)