Ich komme zum traurigsten Kapitel Ihrer Regierungsbilanz, ich komme zur Zukunft der Schule, zur Schul- und Bildungspolitik. Es geht hier, auch wenn Sie uns im Zweifel einmal anderes unterstellt haben, um mehr als nur individuelle Bildungschancen, für die wir uns hier einsetzen. Es geht uns um Teilhabechancen. Aber - und das mögen Sie uns wirklich abnehmen; auch wir können ökonomisch denken - es geht auch um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Deswegen: Bei uns werden soziale Gerechtigkeit und Innovation immer zusammen gesehen. Das gehört auch für die Schulpolitik dazu.
Aber ich frage mich: Wie gehen Sie mit den Talenten und mit dem Potenzial in Niedersachsen um? - Wenn ich mir allein die letzten beiden Wochen angucke: Drei Studien hintereinander weg haben das Scheitern Ihrer Politik belegt, und Sie nehmen es heute einfach nicht zur Kenntnis.
Der Bundesbildungsbericht, die erste Studie, bescheinigt Ihnen ganz eindeutig, dass Niedersachsen unter den westlichen Flächenländern den höchsten Anteil von Kindern in Risikolagen der Elternhäuser und Familien hat. Da geht es um Erwerbslosigkeit, um Alleinerziehende und um Migrationshintergrund. Wir sind ganz weit hinten.
Die zweite Studie, die Schulvergleichsstudie, die vor Kurzem auf den Markt gekommen ist, belegt, dass in Niedersachsen nach Baden-Württemberg und Bayern die Chancen eines Akademikerkindes, Abitur zu machen, mindestens fünfmal höher sind als bei einem Facharbeiterkind. Wohlgemerkt: bei gleicher Begabung! Diese große Abhängigkeit von
Er belegt wieder einmal - drei Jahre hintereinander; wir warten mal, ob sich die Kurve ändert - die Schlusslichtposition Niedersachsens in der frühkindlichen Bildung. Wie viele Negativzeugnisse und Beweise wollen Sie eigentlich noch haben, bevor Sie endlich anfangen zu handeln?
Meine Damen und Herren Abgeordnete, es geht wirklich um die Frage, welche Antwort wir jetzt auf den demografischen Wandel geben. Wir werden zukünftig weniger Kinder haben. Ihre Konsequenz ist, Kürzungen im Bildungsbereich nicht auszuschließen oder sie am Ende vielleicht sogar noch vorzuschlagen. Wir sagen: Machen Sie das nicht! Lassen Sie uns die Chancen des demografischen Wandels wirklich ausnutzen! - Wir haben zukünftig immer weniger Köpfe. Um die müssen wir uns jetzt intensiver bemühen. Deswegen muss das Geld in diesem Bereich erhalten bleiben.
Ich finde, das ist eine ganz einfache, verständliche Formel. Die kann jeder verstehen. Wir müssen aber bei den Kleinsten anfangen. In der frühkindlichen Bildung wird wirklich das Fundament gesetzt, auch für die Zukunftsfähigkeit dieses Landes. Wir fordern mehr Betreuungskräfte und kleine Gruppen und mehr Ganztagsplätze. Das bedeutet konkret: weniger Kinder, weniger Schülerinnen und Schüler, aber bitte bei gleichbleibenden Ressourcen in kleineren Gruppen und Klassen. - Das ist ein Zukunftsmodell für Niedersachsen!
Um diese Schlusslichtposition in Niedersachsen zu verlassen, ist es wirklich nötig, dass wir gemeinsam mit den kommunalen Trägern in den nächsten drei Jahren eine Aufholjagd starten. Starten Sie, und beginnen Sie jetzt damit! Denn es müssen noch 25 000 Plätze geschaffen werden, und es muss dort das notwendige Personal zur Verfügung
Aber Ihr Versagen setzt sich auch im Schulbereich fort. Nahezu zwei Drittel der bestehenden Hauptschulen - Sie haben es richtig beschrieben - werden im fünften Schuljahrgang unterhalb der vorgeschriebenen Mindestzügigkeit betrieben. Viele Hauptschulen müssen sogar jahrgangsübergreifenden Unterricht anbieten. Dann kommen noch die ganzen Wünsche der Eltern dazu, gerade was die Anwahl der weiterführenden Schulen angeht. Immer mehr Menschen wollen Schulen mit Abituroption. Wir finden, dass sich diesen Anforderungen auch Niedersachsen stellen muss. Sie als Niedersächsische Landesregierung und als die sie tragenden Fraktionen haben diese Rahmenbedingungen bisher einfach ignoriert. Wir wollen, dass das in Niedersachsen anders wird.
Eine SPD-geführte Landesregierung würde mit einer solchen verfehlten Schulpolitik relativ schnell Schluss machen.
Auch die Eltern haben das schon lange verstanden. Ebenfalls die Kommunen haben das verstanden. Das gegliederte Schulsystem in Niedersachsen hat wirklich keine Zukunft mehr. Nehmen Sie das bitte endlich zur Kenntnis!
Eine kleine Petitesse noch am Schluss - vielleicht haben Sie es mitbekommen -: Die beste Abiturientin kommt in diesem Jahr von der IGS Geismar. - Darauf wollte ich noch hingewiesen haben.
(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das gehört aber auch zu unserem Schulsystem!)
Weil Sie dazu bisher gar nichts gesagt haben, zum Schluss zur Schulpolitik noch Folgendes: Eine weitere große Herausforderung, die nicht erwähnt worden ist, und auch eine Herausforderung für soziale Gerechtigkeit ist die Inklusion. Das Thema wurde von Ihnen ausgelassen. Die UN-Menschen
rechtskonvention fordert einen Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik. Eine riesige Aufgabe! Das bedeutet jetzt aber: Es wird bei allen Schulformen und allen Beteiligten eine neue Haltung erforderlich. Wir fordern von Ihnen: Legen Sie endlich auch für Niedersachsen einen Aktionsplan zur Umsetzung der Inklusion auf den Tisch!
Die Energiepolitik und der Klimaschutz, ein besonderes Kapitel dieser Regierung. - Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie daran: Niedersachsen hatte früher die Spitzenposition im Bereich der Umweltpolitik. Dort hatte eine SPD-geführte Landesregierung Maßstäbe gesetzt. Mit Sicherheit wird Herr Jüttner Ihnen das bestätigen können; denn wir sind sehr stolz auf seine Arbeit damals, in den 90er-Jahren bis über das Jahr 2000 hinaus.
(Starker Beifall bei der SPD - Karl- Heinrich Langspecht [CDU]: Er ist niemals in der Asse gewesen!)
Diese Spitzenposition gehört aber mittlerweile wirklich der Vergangenheit an. Das Umweltressort wird buchstäblich nur abgewickelt. Dabei gilt doch: Zeitgemäße Umweltpolitik ist ein wesentlicher Faktor für eine zukunftsgewandte Wirtschaftspolitik. - Aber eine in die Zukunft gerichtete Wirtschaftspolitik findet in Niedersachsen nicht mehr statt. Was wir vor allem lösen müssen, ist das Problem mit den derzeitig einzigen Lagerstätten für radioaktiven Müll der Kernkraftwerke in Niedersachsen. Der Untersuchungsausschuss Asse steht jetzt wirklich sinnbildlich für die einseitigen und politisch motivierten Genehmigungsverfahren der Vergangenheit.
(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Um die ihr euch ja immer gekümmert habt! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Herr Jüttner war nie da!)
Meine Damen und Herren, auch ein Wort zu Gorleben: Nehmen Sie Ihre Eidesformel ernst, Herr Ministerpräsident! Wenden Sie Schaden vom Land ab!
Suchen Sie endlich nach Alternativen! Interessant fand ich wirklich, dass Sie sich hier überhaupt nicht festlegen wollten. Suchen Sie nach Alternativen
Sie können hier nicht auf der einen Seite die Energiepolitik und die Frage der erneuerbaren Energien als Zukunftsfeld für die wirtschaftliche Entwicklung beschreiben und auf der anderen Seite den Strukturwechsel in der Energieversorgung voranbringen, wenn Sie hier nicht gleichzeitig ein ganz fettes Stoppschild setzen, indem Sie an der Laufzeitenverlängerung von Kernkraftwerken festhalten. Kernkraftwerke und die Atomenergie sind keine Brücke für erneuerbare Energien. Das muss Ihnen jetzt endlich klar werden.
Was wir für Niedersachsen brauchen, ist ein klares Klimaschutzkonzept. Wir brauchen wirklich einen Strukturwechsel in der Energieversorgung. Wir hätten von Ihnen ein klares Ziel und eine Aussprache zum Ziel erwartet. Wir sagen: bis 2050 eine 100-prozentige Versorgung mit regenerativen Energien! Das ist die richtige Politik für Niedersachsen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch in Niedersachsen geht es um mehr soziale Gerechtigkeit. Die Menschen haben wirklich nicht das Gefühl, dass es hier gerecht zugeht. Sie haben Angst vor Abstieg, sie haben Angst vor Statusverlust. Das geht ganz tief in die Mittelschichten hinein, und das wird zur zunehmenden Spaltung der Gesellschaft führen. Kinder und Altersarmut sind auch in Niedersachsen heute keine Ausnahme mehr.
Aber damit das für uns keine politischen Phrasen sind: Wir wollen zwei Bereiche konkret ansprechen, die Sie nicht oder nur sehr wenig angesprochen haben.
Nicht ohne Grund laufen derzeit Kirchen und Sozialverbände Sturm gegen Ihre Pflegepolitik. Diese fordern, dass ein eigenständiges Leben im Alter auch dann möglich sein muss, wenn es durch
Krankheit und Pflegebedürftigkeit schwieriger wird. Dafür ist es nötig, dass endlich eine menschenwürdige und qualitativ hochwertige Pflege sichergestellt wird.