Protokoll der Sitzung vom 19.01.2011

Hierbei sollen die Grundsätze des § 54 des Versicherungsaufsichtsgesetzes beachtet werden. Sie haben das kurz angedeutet, Herr Dreyer.

Wir haben natürlich alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Paragrafen voll im Kopf. Für diejenigen, bei denen das zufälligerweise nicht der Fall sein sollte: § 54 des Versicherungsaufsichtsgesetzes besagt, dass Geldbestände so anzulegen sind, „dass möglichst große Sicherheit und Rentabilität bei jederzeitiger Liquidität des Versicherungsunternehmens unter Wahrung angemessener Mischung und Streuung erreicht wird“.

Trotz dieser klaren Vorschriften, Herr Dreyer, ist es in Niedersachsen so weit gekommen, wie es Herr Perli dargestellt hat: Die Stiftungsuniversität Göttingen hat Aktieninvestmentfonds gekauft, und aufgrund der Finanzkrise hat sie dabei 1,3 Millionen Euro Verlust gemacht.

Die Frage ist: Sollen und wollen wir dies so zulassen? - Darüber muss man diskutieren.

Der Verlust ist aufgrund der Bewältigung der Finanzkrise inzwischen reduziert.

(Aha! bei der FDP)

Aber es sind immerhin noch 400 000 Euro. Frau Below-Neufeldt, das ist keine Kleinigkeit!

Bemerkenswert finde ich in der Antwort der Landesregierung auf die entsprechende Anfrage von

Herrn Perli im Übrigen auch die Aussage der Landesregierung, dieser Verlust sei nicht von Bedeutung für die Vermögens- und Ertragslage der Universität. Ich finde, eine solche Einschätzung seitens einer Regierung ist unverantwortlich hinsichtlich des Umgangs mit dem Geld, für das diese Regierung verantwortlich zeichnet.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Die Menschen fragen sich natürlich: Was machen die Hochschulen eigentlich mit unserem Geld? Insbesondere fragen sich das die Studierenden und ihre Eltern, die Studiengebühren zahlen. Sie befürchten natürlich, dass das Geld nicht zweckentsprechend eingesetzt wird.

1 000 Euro Studiengebühren werden pro Jahr gezahlt. Und wo bleibt das Geld? - Derzeit wird es vielfach auf Konten gelagert. Zum Stand Juni 2010 lagen laut Auskunft der Landesregierung ca. 80 Millionen Euro gezahlter Studiengebühren auf den Konten unserer Hochschulen. Sie werden dort nicht genutzt. Sie sind zwar zinsbringend angelegt - das ist auch ganz schön -, aber der eigentliche Zweck, nämlich die Lehre zu verbessern, wird nicht erreicht. Ich finde, dies ist in der Tat ein Betrug an den Studierenden.

Wenn diese Menschen auch noch hören, dass nun sogar mit Hochschulgeldern spekuliert wird, dann fragen sie sich natürlich: Wofür zahle ich eigentlich die Studiengebühren? - Die Frage ist in der Tat: Wollen wir das zulassen oder nicht?

Schauen wir uns einmal die Vereinigten Staaten an, die immer gern herangezogen werden bei der Begründung, warum Studiengebühren ein tolles Modell seien. Gerade die amerikanischen Hochschulen haben nämlich in den letzten zwei Jahren erhebliche finanzielle Einbußen hinnehmen müssen.

Bei den amerikanischen Hochschulen ist es gang und gäbe, dass ihr Vermögen und ihre Rücklagen in Aktien und Investmentfonds angelegt werden. Über Jahre hinaus schien dies alles gut zu gehen, insbesondere bei Vorzeigeuniversitäten wie Harvard, Princeton und Yale.

Doch jetzt ist alles anders. Die US-Finanzkrise hat die amerikanischen Hochschulen voll erfasst. Im Januar 2009 stand bereits fest: In den USA haben die Universitäten in einem Zeitraum von sechs Monaten etwa ein Viertel ihres Vermögens eingebüßt. Zwar hat die Kurserholung bei den Aktien das inzwischen etwas gemildert. Aber trotzdem hat

beispielsweise die Universität Princeton einen Verlust von 25 % gemacht.

Was heißt das? - Für Princeton ist das real ein Verlust von 4 Milliarden Dollar. Das ist mehr, als ganz Deutschland für den Elitewettbewerb der Hochschulen ausgibt. Bei der Elite-Universität Harvard waren es 30 %, in Yale 25 %. Die Folge waren Entlassungen, Baustopps und Kürzungen bei den Förderprogrammen für die Studierenden.

Meine Damen und Herren, sieht man sich diese Entwicklungen an, dann stellt sich die Frage: Wollen auch wir dorthin? Heißt Autonomie der Hochschulen, dass man alles machen kann? - Ich glaube nicht, dass auch Sie diesen Weg gehen wollen. Selbst der FDP unterstelle ich das nicht.

Wir müssen diskutieren, ob die Regelungen, die wir hier in Niedersachsen haben, ausreichen, ob sie hinreichend sind, um Börsenspekulationen in diesem Maße zu verhindern. Wir wollen keine Vorkommnisse wie bei der oldenburgischen Landeskirche. Das darf an unseren Hochschulen nicht vorkommen.

Wir werden bei der Beratung des Antrags der Linken auch unter Hinzuziehung des Landesrechnungshofes darüber diskutieren, ob dies so geregelt werden sollte, ob das Sinn macht oder ob die Regelungen, die wir derzeit haben, hinreichend sind.

Meine Damen und Herren, eines ist jedenfalls klar: Es ist richtig, dieses Thema zu diskutieren. Die Erfahrungen aus der Finanzkrise zeigen uns: Auch bei den Hochschulen ist Vertrauen gut, aber klare Regelungen zu setzen und gegebenenfalls Verbote auszusprechen, ist möglicherweise besser.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Dr. Heinen-Kljajić. Sie haben das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag greift einen Vorfall auf, der glücklicherweise keinesfalls Normalität an unseren Hochschulen ist. Die Antwort auf eine Anfrage der Linken weist aus, dass das Gros der Hochschulen sein Guthaben aus Studiengebühren und Drittmitteln eher konservativ anlegt.

Der Vorgang an der Stiftungsuniversität Göttingen macht aber deutlich, dass es hier einen Regelungsbedarf gibt. Denn das Hochschulgesetz erlaubt Hochschulen, ihr Geld in Wertpapieren anzulegen. Wie hoch das Verlustrisiko sein kann, haben wir nicht zuletzt in der jüngsten Finanzmarktkrise gezeigt bekommen. Die Universität Göttingen hat in deren Folge - der Kollege Perli hat die Zahlen eben genannt - einen Buchungsverlust in Millionenhöhe ausweisen müssen, wenn auch zum Glück nur vorübergehend. Dass die Hochschulen bei ihren Geldanlagen die rechtlichen Vorgaben des Versicherungsaufsichtsgesetzes zu beachten haben, hilft da anscheinend nur wenig weiter. Denn in § 54 heißt es - der Kollege Wulf hat es schon zitiert -: Vermögen ist „so anzulegen, dass möglichst große Sicherheit und Rentabilität … erreicht wird“.

Das Fachministerium behauptet aber in seiner Antwort auf eine Anfrage des Kollegen Perli, der Verweis auf das Versicherungsaufsichtsgesetz biete größtmögliche Anlagesicherheit, und sah deshalb keinen Änderungsbedarf. Meine Damen und Herren, ich glaube, man muss kein Hermineutiker sein, um zu erkennen, dass zwischen „größtmöglicher“ Sicherheit und „möglichst großer“ Sicherheit Welten liegen. „Möglichst große Sicherheit … unter Wahrung angemessener Mischung und Streuung“, wie es im Versicherungsaufsichtsgesetz heißt, ist das Branchenmantra, auf das Tausende geprellter Kleinanleger hereingefallen sind, die heute finanziell ruiniert sind. Selbst Banken und Versicherungen haben demonstriert, dass „möglichst große Sicherheit“ leider häufig nicht sicher genug ist. Risikostreuung ist nämlich etwas anderes als risikoarme Anlage.

Es mutet, offen gestanden, schon perfide an, wenn Studierende Studiengebühren zahlen müssen, für die sie zur Not auch noch Kreditzinsen berappen müssen, damit das Geld dann von den Hochschulen im Zweifel an den Börsen wieder verzockt werden kann.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ob private Mittel der Studierenden oder öffentliche Mittel wie Drittmittel und Finanzhilfen des Landes - die Hochschulen haben sicherzustellen, dass diese Gelder zu 100 % für ihren eigentlichen Zweck eingesetzt werden; denn Bildungsausgaben sind für Bildung auszugeben.

Herr Dreyer, Sie sagen, Sie sind gegen zu viel Staat. Wir sagen, Autonomie der Hochschulen darf

aber auch nicht heißen, dass Studiengebühren und Drittmittel an der Börse verzockt werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Es mag besonders für Stiftungshochschulen verlockend sein, ihren großen amerikanischen Vorbildern nachzueifern, die den eigenen Betrieb ja auch aus Kapitalanlagen finanzieren. Aber manches dieser Vorbilder wäre heute froh, wenn es sein Geld auf Festgeldkonten angelegt hätte. Deshalb sollten wir den Vorschlag der Linken im Ausschuss ernsthaft prüfen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Frau von BelowNeufeldt das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Linken ist kein verspätetes Höhenfeuerwerk zu Silvester. Er ist bestenfalls eine Wunderkerze; denn man kann sich wundern. Die Universität Göttingen ist eine Stiftungsuniversität und eine Einrichtung, die mit Hilfe des eingesetzten Vermögens einen Zweck verfolgt. Der Zweck dürfte bekannt sein. Sie ist eine der renommiertesten Hochschulen Niedersachsens und bewirbt sich erfolgreich bei der Exzellenzinitiative II. Ich wünsche ihr von dieser Stelle aus noch einmal viel Erfolg.

(Beifall bei der FDP)

Die Stiftungsuniversität Göttingen darf und muss innerhalb eines gesetzlichen Rahmens handeln und entscheiden. Ihre Erfolge zeigen, dass sie diese Möglichkeiten zum Wohle von Forschung, Lehre, der Studierenden, der Internationalität und der Wissenschaften nutzt. Das ist zu begrüßen.

An dieser Stelle noch ein Wort zu dem Begriff „verzocken“: Ich meine, das Handeln der Universität Göttingen so zu bezeichnen, ist vollkommen unangemessen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir wollen keine Beschränkungen und nicht mehr Staat an der Stelle, an der Eigenverantwortung

und Eigeninitiative stehen. Wir wollen die Hochschulautonomie.

Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Was will die Linke eigentlich mit einer Novelle erreichen, die sie schon 2010 hätte einbringen können? - Sie will Beschränkungen für alle Hochschulen, die in Niedersachsen den besonderen Status der Stiftungsuniversität haben.

Die Hochschulen stehen im Wettbewerb. Das ist unsere Überzeugung und dient gerade im Hochschulbereich der Qualitätssteigerung. Das ist nicht nur das, was wir wollen, das ist auch das, was wir brauchen. Elemente der Marktwirtschaft und Wettbewerb sind ganz wichtige Bausteine, die der Motivation, dem Engagement und damit auch dem Zweck und Ziel der Stiftungsuniversität dienen.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von Victor Perli [LINKE])

Die Stiftungsuniversität Göttingen verfügt über Vermögen. Sie entscheidet in eigener Kompetenz und muss Rechenschaft ablegen. Das ist viel besser als die Einwirkung durch den Staat. Zum rechtlichen Rahmen gehören das Niedersächsische Hochschulgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und die Anlagenverordnung. Vorgeschrieben ist übrigens auch die Aufsicht über die Vermögensverwendung und -verwaltung. Jahresabschlüsse werden selbstverständlich von einem beauftragten Wirtschaftsprüfer geprüft.

Der von Ihnen bemühte Fall in Göttingen lässt Sie folgern, per Gesetz ein Wertverlustrisiko auszuschließen. Sie wollen Gürtel plus Hosenträger. Aber das geht so nicht. Wir haben eine Inflationsrate, bei der selbst ein Sparbuch schon Verlust brächte. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass selbst sogenannte mündelsichere Anlagen ein Risiko haben können. Geldanlage ist wahrscheinlich nie ohne Risiko. Sie wollen jedenfalls wegen einer Momentaufnahme ohne jegliche Folgen den Staat mit der Gießkanne. Das ist auf den ersten Blick bequem. Das bringt aber weder im Wettbewerb noch bei der erforderlichen Vermögensverwaltung Chancen auf Werterhalt oder -zugewinn.

Jedes Stück Beschränkung zieht im Übrigen Kontrolle nach sich. Das beginnt in Details, führt aber in ein völlig falsches Gesamtsystem. Freiheit und Eigenverantwortung müssen gestärkt werden. Sie sind die Werte, die zur verantwortlichen Zukunftsgestaltung dazugehören. Sie von der Linken werden es kaum glauben, aber es gibt genügend Menschen, die sich nicht vom Staat unnötig be

schränken lassen wollen, sondern die Entscheidungen verantwortungsvoll selber treffen wollen und auch können.

Stärken wir diese Werte weiter! Eigenverantwortung und weitgehender Wettbewerb der Hochschulen sind zu befürworten. Das Modell der Stiftungsuniversitäten ist bundesweit beispielgebend. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung der Linken wird von uns Liberalen abgelehnt.