„Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat spricht sich daher für die Durchführung eines wissenschaftlich begleiteten Modellversuchs aus, um zu gesicherten Erkenntnissen hinsichtlich der festgelegten Wirkungen, der Reduktionspotenziale von Unfällen und deren Übertragbarkeit zu gelangen.“
Wir begrüßen ausdrücklich die Initiative unseres Verkehrsministers in diesem Zusammenhang, der bereits im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz 2015 auf die Verbesserung der Verkehrssicherheit und eine erleichterte Möglichkeit für die Anordnung von Tempo-30-Zonen vor Kitas, Schulen und Seniorenheimen hingewiesen hat. Dem haben die
Verkehrsminister im Übrigen einstimmig zugestimmt. Auch die Umweltminister kommen 2015 insbesondere zum Thema „Lärmminderung“ zu dem gleichen Ergebnis.
Meine Damen und Herren, die Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrsordnung, die u. a. eine erleichterte tempobezogene Anordnungsmöglichkeit von Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsstraßen möglich macht, befindet sich im Bundesratsverfahren und wird voraussichtlich im Oktober 2016 in Kraft treten. Vor diesem Hintergrund unterstützt der Entschließungsantrag die Aktivitäten sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene und kommunaler Ebene.
Mehr Tempo-30-Versuche in den Kommunen und Landkreisen, auch an Bundes- und Landesstraßen, sind eine Chance für eine Verkehrspolitik, die die Sicherheit für die Menschen gegen Unfallgefahren, den Schutz gegen Lärm und gegen Schadstoffemissionen verbessert und noch stärker in den Mittelpunkt des politischen Handelns setzt.
Vielen Dank, Herr Kollege Will. - Es hat jetzt für die FDP-Fraktion Frau Abgeordnete Gabriela König das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist viel gesagt worden, vor allen Dingen zu Modellprojekten. Modellprojekte sind in unterschiedlichster Weise im Moment gerade in der Umsetzung, und man sollte vielleicht erst einmal abwarten, was die bringen. Denn im Antrag stand z. B. etwas von London. Aber London ist überhaupt nicht vergleichbar mit unseren Städten. Es gibt Celle - da gibt es Probleme -, und es gibt Bremen, wo der Oberbürgermeister im Prinzip ein bisschen hin- und herschwankt, ob er es lassen soll oder nicht, und Angst um seine Kaufmannschaft in der Innenstadt hat. Man sollte das also sehr vorsichtig begleiten.
Modellversuch Zero, CO2-Reduktion, weniger Lärm - das ist natürlich ein sehr gutes Omen. Das sollte man auch verfolgen. Ich glaube, da sind wir alle einer Meinung. Aber bei Unfallverhütung durch bessere Verkehrssicherheit muss man genauer hinschauen. Das ist so einfach nicht zu haben.
Wenn wir dieses Tempo 30 auf diese Ebene heben, dann reicht es uns vorn und hinten nicht aus; denn dann muss man die Straßen unterteilen in unfallträchtige und weniger unfallträchtige, in Spielstraßen, in Wohnstraßen, wie auch immer. Wenn man Autobahnen und Bundesstraßen mit Landesstraßen vergleicht, ergibt sich eine völlig unterschiedliche Situation.
Schauen wir uns einmal unfallträchtige Bereiche an! Sie schreiben z. B., dass Unfallträchtigkeit ein großes Problem sein kann. Klar ist es das. Da muss auch wirklich hingeguckt werden. Deswegen haben wir vor Schulen, vor Kindergärten, vor Krankenhäusern und vor Altenheimen überall schon Tempo-30-Zonen. Überall dort, wo es gefährlich ist und wo eine verkehrsreiche Situation ist, haben wir diese Dinge schon in der Umsetzung, und das muss schneller und vernünftiger funktionieren. Das hat ja auch die FDP in Schleswig-Holstein so gesehen und hat es im Bund eingereicht, und die haben darauf reagiert. Genau das ist richtig und vernünftig.
Jetzt schreiben Sie beispielsweise zu der CO2- bzw. Klimaproblematik, 50 Fahrzeuge, die 50 km/h fahren, verursachen mehr Lärm als 100 Autos, die 30 km/h fahren. Ja, wunderbar. Und dann? - Wenn in den Innenstädten kontinuierlich wie bei uns in Osnabrück eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km/h herrscht, dann kommen wir damit überhaupt nicht weiter. Das ist überhaupt kein Argument. Letztendlich ist das, wobei am meisten emittiert wird, natürlich die Situation vor den Ampeln, das Bremsen und das Starten. Sowohl lärmmäßig als auch emissionsmäßig kommt am meisten dabei heraus. Das heißt, fließender Verkehr ist eigentlich genau das, was wir brauchen. Man sollte nicht einfach den Verkehr herunterstufen und sagen: Wir können einmal mit 30 km/h durch die Gegend fahren, und dann haben wir alles erreicht. - Nein, so erreicht man es eben nicht.
Wir hatten vor Kurzem eine schöne Unterrichtung, die ich ausgezeichnet fand. Da war in einer Unterrichtung durch das MU die Rede z. B. von „blaue Plaketten: ja oder nein?“ - das hat der Bund gerade gestrichen -, und dabei ist von mir der Vorschlag gekommen: Warum kann man die Kommunen nicht dazu bringen, in andere Bereiche zu investieren, z. B. in eine Begrünung, die genau diese Schadstoffe aufnimmt und umwandelt wie Ligusterhecken?
trachten. Das ist eine Hochtechnologie, mit der drei Universitäten beschäftigt sind. Ein großes Unternehmen in Niedersachsen vertreibt mittlerweile diese ganzen Stoffe schon, mit denen beispielsweise die Wände bestrichen werden. Dazu gibt es an Autobahnen Pilotprojekte an Lärmwänden.
Schauen wir uns die Betontechnologie an! Ich zitiere dazu: Bei der Reduzierung von NO2, also die Konzentrationen innerorts, die Sie hier ganz ausgenommen haben, die überhaupt nicht besprochen worden sind - nur CO2 -, muss man einfach sehen, dass Zement nach der DIN EN 197 in Straßenbelägen viel mehr bringt, weil dafür eben richtig geforscht wird. Dazu gibt es auch Projekte. Solche Dinge muss man einfach mit aufnehmen, um den Kommunen zu helfen, aus dieser Situation herauszukommen, und um klimatechnisch weiter voranzukommen. Aber das wollen Sie nicht, da schauen Sie nicht hin, das ist Technologie, das ist für Sie Teufelszeug, rückwärtsgewandt ist besser. Das genau passt bei uns überhaupt nicht.
Vielen Dank, Frau Kollegin König. - Es liegt die Wortmeldung zu einer Kurzintervention von der Kollegin Dr. Gabriele Andretta vor. Bitte, Frau Kollegin!
Herr Präsident! Liebe Frau König, Sie haben jetzt einige Aspekte benannt, wie man hier zu einer deutlichen Lärmreduktion kommen und wie man CO2 verringern kann. Was sagen Sie denn einer Kommune wie z. B. meiner Heimatstadt Göttingen, die im Rat einen Lärmschutzplan beschlossen hat und händeringend auf die Chance hofft, die wir ihr mit diesem Antrag eröffnen wollen, endlich mit einem Modellprojekt Tempo 30 zu starten?
(Heiner Schönecke [CDU]: Ist das ein Göttinger Antrag? Nur für Göttingen? - Gegenruf von der SPD: Das ist ein Beispiel!)
Frau Kollegin, das hätten Sie noch laut sagen können. Sie haben nur die halbe Zeit von der Kurzintervention gebraucht. - Frau König möchte antworten. Bitte schön, Frau König, 90 Sekunden maximal!
Frau Andretta, ich glaube, das habe ich eben zumindest versucht. Man kann mehrere Möglichkeiten einräumen. Tempo 30 ist doch nur eine Möglichkeit, um beispielsweise klimatechnisch etwas zu bewirken. Unfalltechnisch ist es wieder eine völlig andere Sache. Dazu muss man die einzelnen Bereiche betrachten. Wenn unfallträchtige Straßen betrachtet werden - ich kenne das auch aus meiner Stadt -, dann sieht man, dass es an Abbiegevorgängen, an Vorfahrtsregelungen, die nicht beachtet werden, an Grünphasen, die nicht eingehalten werden, usw. liegt. Dabei gibt es wirklich ganz unterschiedliche Dinge, und die muss man in Augenschein nehmen, wenn man wissen will, an welchen Straßen man wie agieren muss.
Aber es gibt, um klimatechnisch etwas zu machen, unterschiedliche Dinge. Ich habe mich sehr gewundert, dass das MU sagte, dass das alles nichts bringt. Warum gehen dann das Fraunhofer-Institut und die BASt in diese Versuche hinein und erforschen das? - Wir müssen doch den Kommunen ein größeres Spektrum als nur Tempo-30-Zone bieten. Da, wo Tempo-30-Zone tatsächlich etwas bewirken kann, kann man sie dementsprechend umsetzen. Das wird der Bund demnächst noch weiter ermöglichen. Aber dazu braucht man meines Erachtens kein Pilotprojekt.
Vielen Dank auch Ihnen, Frau Kollegin König. - Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Karsten Heineking das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im März 2016 haben wir dieses Thema diskutiert, und ich hatte gesagt, dass wir einen gemeinsamen Antrag für vorstellbar halten. Auf Bundesebene hatte der Bundesverkehrsminister entsprechende Änderungen vorgeschlagen, was Tempo 30 in Städten auf Hauptverkehrsachsen, vor Schulen, vor Kindergärten und vor ähnlich sensiblen Bereichen betrifft.
Bis zur Sommerpause wurde dieser Tagesordnungspunkt dann im Ausschuss nicht mehr diskutiert, und in der letzten Sitzung kam dieser Punkt wieder auf die Tagesordnung. Mit Mehrheit wurde dann über den Antrag ohne große Diskussionen und Erklärungen abgestimmt. Auch Veränderungen des Antrags wurden nicht akzeptiert oder dis
kutiert, sodass wir Folgendes zu beachten haben: Der Bundesverkehrsminister hat zwischenzeitlich gesetzliche Veränderungen herbeigeführt, sodass sich Forderungen in diesem Antrag überholt haben. Die Möglichkeiten der Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Tempo 30 vor sensiblen Bereichen, auch auf Hauptverkehrsstraßen, durch Städte und Kommunen, ist jetzt leichter möglich. Weitere Tempo-30-Zonen sind nach wie vor ebenfalls möglich. Die Einrichtung von Modellversuchen ist bereits nach alter Lesart machbar.
Gestern Vormittag hat der Innenminister unseres Landes erklärt: Dinge, die auf den Weg gebracht worden sind, braucht man nicht mehr zu fordern. - Ich finde, das ist eine gute Idee.
Betrachten wir nun ein generelles Limit auf Tempo 30! Wir haben vorhin gehört, wer sich dazu schon in Gutachten geäußert hat. Auch der ADAC ist in verschiedenen Zeitungen zu Wort gekommen. Der ADAC bezeichnet das starre Limit bei 30 km/h als gefährlich, teuer und schlecht für die Umwelt. Die Verkehrssicherheit leide nach Einschätzung des Clubs, da der Schleichverkehr durch Wohngebiete dramatisch zunehmen würde, weil die Nutzung von Hauptverkehrsstraßen keinen Zeitgewinn mehr bringe. Damit entstehe für Fußgänger und Radfahrer eine größere Gefährdung. Ebenso werde Tempo 30 die Kommunen viel Geld kosten, weil die Straßen abseits der Wohngebiete baulich umgestaltet werden müssten, um die Geschwindigkeitsbegrenzung durchzusetzen. Zudem wird befürchtet, dass der Schilderwald nochmals wachsen würde. Nachteile für die Umwelt entstünden bei Tempo 30 durch das Fahren im niedrigen Gang.
Untersuchungen haben laut ADAC gezeigt, dass mit einer Begrenzung auf 30 km/h die Lärm- und Schadstoffemissionen nicht verringert werden könnten und der Kraftstoffverbrauch sogar ansteige. Des Weiteren wird ein Schaden für den öffentlichen Personennahverkehr befürchtet, weil der Aufwand für Personal, Fahrzeuge und Betriebskosten steige. Nicht zuletzt erhöhten sich damit die Kosten für die Nutzer.
Herr Kollege Heineking, ich nutze die Gelegenheit, allgemein zu ein bisschen mehr Ruhe aufzufordern. Es wird nämlich immer lauter. Wenn sich das ändert, redet Herr Heineking weiter. - Das ist jetzt der Fall. Bitte!
Wie man liest und hört, benötigt die Wirtschaft ein leistungsfähiges Netz von Hauptverkehrsstraßen. Grüne Wellen könnten hierfür ein geeignetes Mittel sein.
In Wohngebieten erscheint Tempo 30 dann sinnvoll, wenn ein Zonenbewusstsein entstehen kann und der Straßencharakter eine langsame Fahrweise unterstützt.
Dazu gehören eine überschaubare Gebietsgröße, gleichwertige Straßen und im Einzelfall unterstützende bauliche Maßnahmen.
Das Bundesverkehrsministerium erklärt bei der aktuellen Gesetzesänderung, dass das in Deutschland bereits erreichte hohe Sicherheitsniveau in Umsetzung der Halbzeitbilanz des Verkehrssicherheitsprogramms des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur weiter erhöht werden soll.
Ein Baustein zur Verbesserung der Verkehrssicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer, zu denen insbesondere Kinder und ältere Personen zählen, kann die erleichterte streckenbezogene Anordnung von Tempo 30 auch an innerörtlichen klassifizierten Straßen - Bundes-, Landes- und Kreisstraßen - sowie auf weiteren Vorfahrtsstraßen - angezeigt durch das Zeichen 306 - insbesondere vor allgemeinbildenden Schulen, Kindergärten, Kindertagesstätten, aber auch Senioren- und Pflegeheimen darstellen.
Herr Heineking, Sie bekommen die Zeit hinzu. Wir halten die Redezeituhr an. - Es gibt Kollegen im Hause, die lesen laut aus Papieren ihren Nachbarn vor. Das alles ist jetzt unangebracht; denn wenn hier jetzt einer redet, ist es Herr Heineking.
Wir warten wieder. Einige haben Zeit. Sie meinen, dass wir jetzt gut in der Zeit liegen, und wollen das unbedingt wieder einholen, sodass wir die ursprünglich veranschlagte Zeit doch benötigen. Ich warte jetzt, bis Ruhe ist - und dann wird sie auch beibehalten. Das war eben nur von kurzer Wirkung.