Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Es hat sich sodann für die Fraktion der SPD der Kollege Maximilian Schmidt gemeldet. Herr Schmidt, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Grascha, als Sie gerade gesprochen haben, habe ich an den Spruch von Heinz Erhardt gedacht:

„Das Reh springt hoch, das Reh springt weit. Warum auch nicht - es hat ja Zeit!“

(Jens Nacke [CDU]: Der Witz hat ja gezündet!)

Ich glaube nicht, dass man in dieser steuerpolitischen Debatte so holzschnittartig argumentieren kann. Ich glaube, dass man das insbesondere als FDP nicht tun kann.

Ich habe mir Ihre Pressemitteilungen aus der jüngsten Zeit angeguckt, gerade die von Ihnen. Die zeigen schon in den Überschriften das Dilemma auf. 9. August - wie heute -: Herr Grascha fordert Steuersenkungen. - 17. August: Herr Grascha fordert: 2017 - Nettokreditaufnahme null. - Ebenfalls 17. August: Herr Försterling fordert mehr Lehrerstellen. - 25. August: Herr Oetjen fordert 1 000 zusätzliche Stellen bei der Polizei. - 9. September: Herr Grascha fordert mehr Geld für Sprachförderung.

(Christian Dürr [FDP]: Wir haben Ihnen einen Haushalt vorgelegt! Sie haben dagegen gestimmt!)

Wissen Sie, es gibt nicht zwei oder drei Realitäten - es gibt eine. Man muss die Dinge in Verantwortung zusammenbringen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Man kann sich nicht auf der einen Seite hier hinstellen und Steuersenkungen in gigantischem Maße fordern und gleichzeitig jeden Tag - tagein, tagaus - Investitionen fordern und als Drittes noch sagen, dass wir die schwarze Null schneller schaffen sollen, als es überhaupt möglich ist. - Das passt einfach nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich finde, Sie sollten es unterlassen, so zu argumentieren.

Meine Damen und Herren, unser Weg in Niedersachsen ist klar: Wir werden den ersten Haushalt in der Geschichte ohne neue Schulden beschließen, und wir machen zugleich weiter mit Investitionen in Bildung, in innere Sicherheit und in die Unterstützung unserer Kommunen.

(Christian Dürr [FDP]: Sie finanzieren das aus der Rücklage! Das ist doch ein Unfug!)

Wir machen das mit einer Weitsicht, weil wir nicht glauben, dass es ewig niedrige Zinsen geben wird, und weil wir Vorsorge treffen und uns dort nicht überheben.

(Christian Dürr [FDP]: Sie finanzieren die schwarze Null mit neuen Schul- den!)

Alles das muss man zusammenbringen. Das ist ein klarer und realistischer Kurs in der Haushaltspolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Sie nehmen 800 Millionen Euro aus der Rücklage!)

Zu dem, was hier heute in Rede steht, und zu dem, was Herr Schäuble vorgeschlagen hat, möchte ich aber auch sehr deutlich sagen - an dieser Stelle stimme ich Ihnen ausdrücklich zu -: Ich halte den Vorschlag zur Erhöhung des Kindergeldes um 2 Euro für eine Farce. Ich glaube, dann kann man es auch lassen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Sie wollen es lieber lassen!)

Gerade gestern ist im Tagesspiegel ein wirklich sehr eindringlich mahnender Kommentar erschienen: Knapp jedes siebte Kind in Deutschland unter 18 Jahren lebt in Armut, lebt in einer Familie, die auf staatliche Leistungen angewiesen ist.

(Christian Dürr [FDP]: Genau! Das hat die Große Koalition sauber hinbe- kommen!)

Der Tagesspiegel hat das kommentiert mit: „Armut in einer reichen Gesellschaft ist der manifestierte Egoismus der Besitzenden“.

(Christian Dürr [FDP]: Mann, Sie re- gieren in Berlin!)

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen eines: Solange es in Deutschland Kinderarmut gibt und solange es nicht gleiche Bildungschancen für alle gibt, können wir nicht pauschal über Steuersenkungen diskutieren. Wir müssen in unserem Land über Bildungsinvestitionen reden!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Elke Twesten [GRÜNE]: Genau! Richtig!)

Sie haben auch das Thema Generationengerechtigkeit angesprochen. Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Jungen Menschen bringt heute ein ausgeglichener Haushalt nichts, wenn zugleich Schulen nicht saniert sind, wenn es keine Schulsozialarbeit gibt, wenn man sich Bildung schlicht deshalb nicht leisten kann, weil man den ÖPNV nicht bezahlen kann, und vieles andere mehr. Wir müssen heute investieren. Die schwarze Null auf dem Papier bringt der jungen Generation gar nichts, wenn sie heute keine Chancen hat. - Auch das ist von Ihnen holzschnittartig argumentiert.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Sie machen die schwarze Null auf dem Papier! Das stimmt!)

In der Debatte zur Steuerpolitik, die jetzt kommt, muss man, glaube ich, eines nach dem anderen tun.

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schönecke zu?

Nein. - Bitte!

Ich glaube, man muss das in der richtigen Reihenfolge tun. Herr Schäuble hat etwas gemacht, was einigermaßen skurril ist. Er hat, schon bevor die Zahlen des Existenzminimumsberichts vorliegen, Vorschläge für Steuerrechtsänderungen gemacht. Man muss sich im Dezember angucken, wie der Existenzminimumsbericht aussieht, und auf dieser Sachgrundlage muss man dann den Einkommensteuertarif anpassen. Das ist so auch verfassungsrechtlich geboten. Wir als Sozialdemokraten meinen aber, dass es dabei nicht bleiben kann. Wir müssen, wenn wir über steuerliche Entlastungen reden, über diejenigen reden, die sie wirklich brauchen.

(Christian Grascha [FDP]: Sie sind doch dagegen!)

Das sind in unserem Land Familien und insbesondere Alleinerziehende, aber eben nicht die Besserverdienenden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deswegen: Wenn Sie pauschal über Steuersenkungen reden, dann reden Sie doch auch einmal ehrlich über diejenigen, die sie wirklich brauchen. Wenn wir Kinderarmut bekämpfen wollen, wenn wir Bildungschancen verbessern wollen, dann müssen wir Familien und gerade Alleinerziehende entlasten.

(Glocke des Präsidenten)

Das hätte ich mir von Ihnen in Ihrer heutigen Rede gewünscht.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Sie sind doch dagegen, Herr Schmidt!)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmidt.

Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich Sie über einen besonderen Sachverhalt informieren, damit er bei Ihnen keine unnötige Unruhe auslöst.

Ich möchte Sie darüber informieren, dass in diesem Moment eine verdachtsunabhängige Kontrolle der Landtagsbaustelle durch etwa 50 uniformierte Beamte des Hauptzollamtes durchgeführt wird. Hierzu wird die Baustelle am heutigen Tage während der Aktion rundherum von Beamten der Zollbehörden gesichert und jede Arbeitskraft auf der Baustelle überprüft. Die dort wirkenden Betriebe sind gemäß § 2 des Gesetzes zur Bekämpfung von Schwarzarbeit zur Mitwirkung verpflichtet. Das Staatliche Baumanagement kommt bereits umfänglich seiner Verpflichtung zur Überprüfung der auf der Baustelle tätigen Firmen nach dem Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetz nach.

Die jetzt vorgenommenen Überprüfungen nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung gehen noch darüber hinaus, da die Einhaltung der sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Verpflichtungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in den Fokus genommen werden, welche außerhalb der Prüfmöglichkeiten des SBH liegen.

Das Hauptzollamt wird das Ergebnis der Überprüfungen nach der Auswertung in eigener Zuständigkeit zu gegebener Zeit bekannt geben.

Ich lege sehr großen Wert darauf, dass hier in allen Bereichen - auch auf unserer Baustelle - nach Recht und Gesetz gearbeitet wird, und begrüße daher ausdrücklich die heutige Prüfung durch die Zollverwaltung.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Dieser Hinweis nur, damit Sie nicht irritiert sind, wenn sehr viele Uniformierte um uns herum sind. Es besteht keine Gefahr für Leib und Leben. Das ist ein, wie ich finde, ausgesprochen angebrachter, normaler Vorgang.

Meine Damen und Herren, es hat sich jetzt zu diesem Tagesordnungspunkt der Aktuellen Stunde Herr Kollege Hilbers gemeldet. Bitte!