Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

Sehr geehrter Herr Bode, erstens: Ich bin Grüner.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der FDP und der CDU)

- Ich freue mich ganz außerordentlich, dass die Erkenntnis, welcher Partei ich angehöre - was wirklich überall bekannt ist -, bei Ihnen so viel Heiterkeit auslöst Herzlichen Dank, dass Sie heute Morgen schon zu so viel Erkenntnis in der Lage sind!

Zweitens würde ich Sie einfach bitten, der Rede bis zum Ende zuzuhören. Vielleicht erschließen sich Ihnen dann auch meine Aussagen.

(Zurufe von der FDP und der CDU - Unruhe)

Herr Kollege, einen Moment! Wir stoppen die Uhr, bis wieder Ruhe eingekehrt ist.

(Zuruf von Jens Nacke [CDU])

- Herr Nacke, Sie haben noch zahlreiche Wortmeldungen gut.

Jetzt geht es weiter. Bitte!

Weil Sie eine Sachfrage gestellt haben, die aber mit meinen Ausführungen nicht viel zu tun hat: Wie sieht es denn mit dem Wohnungsmarkt aus? Wie sieht es denn mit der Kinderarmut aus? - Dazu stellen Sie leider keine Frage. Vor allem geben Sie keine Antworten darauf.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Für uns ist es an dieser Stelle wichtig, in diese Politikfelder zu investieren, und nur die Finanzierung dorthin ist für uns Grüne ein richtiger Weg, mit Steuermehreinnahmen umzugehen. Denn in allen diesen Bereichen ist der Finanzbedarf unter Fachleuten doch völlig unstrittig. In der Vergangenheit ist aber in vielen der genannten Bereiche gespart worden mit Hinweis auf den Konsolidierungsbedarf und vor allen Dingen auf die Schuldenbremse. Aber spätestens nun, wo diese Konsolidierung bundesweit absehbar zu schaffen ist, müssen doch die genannten Themen mit Augenmaß wie

der auf die Agenda kommen. Nur so geht soziale Politik für uns Grüne. So muss es gehen.

Anstatt über diese Bedarfe zu sprechen, liebe FDP - und auch die CDU -, sprechen Sie wieder einmal nur über Steuersenkungen. Sie können offensichtlich Ihre Mövenpick-Klientelpolitik - wir hatten das ja schon - einfach nicht sein lassen. Aber alle, die über Steuersenkungen fabulieren, sollten sich einmal die genannten Ungerechtigkeiten und Bedarfe vor Augen führen. Parteien, die davor die Augen verschließen, sind schlicht unsozial.

Herr Kollege Heere, Herr Hilbers möchte eine Zwischenfrage stellen.

Ja, heute ist Fragestunde. Herr Hilbers, ich bin nett.

Vielen Dank, Herr Kollege.

Wenn Steuersenkungspolitik Klientel- und Mövenpick-Politik ist, werfen Sie dem Ministerpräsidenten denn auch Mövenpick-Politik vor?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Jens Nacke [CDU]: Der ist doch Grü- ner!)

Sehr geehrter Herr Hilbers, Sie haben nicht richtig zugehört. Ich habe der FDP die Mövenpick-Politik vorgeworfen, die sie nämlich in der Vergangenheit gemacht hat. Der Ministerpräsident hat sich nie dafür eingesetzt, Hotelsteuern zu senken. Da sollten Sie jetzt bitte keinen Unsinn erzählen.

(Christian Grascha [FDP]: Sie können es doch sogar abschaffen!)

- Entschuldigung, jetzt darf ich wieder.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Das stimmt nicht mal! - Unruhe)

Ruhe, bitte! Herr Heere hat noch eine knappe Minute Redezeit. Die wollen wir nutzen. - Bitte!

(Anhaltende Unruhe)

- Noch einen Moment, Herr Kollege! - Bitte!

Weil wir mehrfach über die Fragen sprachen - hören Sie genau zu! Vielleicht lernen Sie daraus.

(Jörg Bode [FDP]: Ich höre die ganze Zeit zu! Es ist lustig!)

Das heißt für uns ausdrücklich nicht, dass man das Steuersystem nicht gerechter machen kann. Jetzt kommen wir nämlich zu dem Punkt. Zum Beispiel können sinnvolle Entlastungen bei niedrigen und mittleren Einkommen - ich glaube, da habe ich den Ministerpräsidenten sehr gut verstanden - aus Sicht von uns Grünen sehr leicht über die Umwandlung der Steuerstufe zwischen 42 und 45 % in eine Progressionskurve finanziert werden. Auch Entlastungen bei Sozialversicherungen sind durch eine paritätische, faire Ausgestaltung möglich. Bei diesen und anderen Maßnahmen sind wir Grünen ganz sicher gesprächsbereit.

(Christian Grascha [FDP]: Das sind aber keine Entlastungen! Das sind Belastungen! Das ist das Gegenteil!)

Aber so, wie Sie es mit Ihrer Aktuellen Stunde vorhaben, nämlich einfach größere Steuerausfälle zu provozieren, nicht darüber nachzudenken und einfach alle Einkommen und vor allem höhere Einkommen zu entlasten - denn unten werden ja kaum Steuern gezahlt; das ist ja eines der Probleme -, das ist mit uns Grünen nicht zu machen.

Abschließender Satz: Die beste Prävention gegen Rechtspopulismus sind soziale Gerechtigkeit, funktionierende staatliche Strukturen, Bildungsgerechtigkeit und entsprechende Aufstiegschancen.

(Christian Dürr [FDP]: Übrigens auch eine gute Politik, nebenbei gesagt!)

Gerade in der aktuellen Lage muss der Staat deutlich machen, dass er in der Lage ist, hierzu einen entscheidenden Beitrag zu leisten. Ihre Forderung nach Steuersenkungen schadet diesem Ziel. Unsere Zukunftsinvestitionen sind hingegen der richtige Weg.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Heere. - Für die Landesregierung hat sich jetzt, wie erwartet, der Finanzminister gemeldet. Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort.

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Zunächst eine Klarstellung: Ich bin kein Grüner.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Jens Nacke [CDU]: Und Sie wollen mit denen auch nichts zu tun haben! Stellen Sie auch das bitte klar!)

Aber nun zur Sache. Die öffentlichen Haushalte - das ist unbestritten - sind dank guter Konjunktur, daraus resultierender hoher Steuereinnahmen und angesichts niedriger Zinsen in einem überwiegend guten Zustand. Das gilt nicht für jede Kommune im Lande - das wissen wir -, aber insgesamt haben wir gute Zeiten. Dadurch erwachsen natürlich Handlungsspielräume. Allerdings muss man über die Nutzung dieser Handlungsspielräume sorgfältig nachdenken. Das ist in der Debatte schon deutlich geworden. Man muss mit den Handlungsspielräumen verantwortungsvoll umgehen.

Wir haben krisenbewegte Zeiten in der ganzen Welt, bei denen wir nie sicher sein können, dass sie nicht auch auf Finanzierungsbedarfe in den öffentlichen Haushalten durchschlagen. Nehmen Sie nur das Beispiel Flüchtlingskosten: 2014 waren 172 Millionen Euro im Haushalt, mit dem Nachtrag, den wir nachher beraten werden, werden es 1,9 Milliarden Euro sein. Das sind gewaltige Aufwüchse, die vor zwei Jahren niemand vorhersehen konnte.

Konjunkturbedingte Mehreinnahmen, meine Damen und Herren, sind kein Maßstab für langfristig wirksame Steuergesetze. Das ist auch ein fundamentales Thema. Steuergesetzgebung braucht eine gewisse Stetigkeit. Da kann man sich nicht an einer momentan sehr gut sprudelnden Konjunktur ausrichten. Die staatlichen Aufgaben müssen auch bei nachlassender Konjunktur finanzierbar bleiben. Das übersieht die FDP.

Mit dieser Art Politik, Herr Grascha, kommt man, wenn man Glück hat, in die Schlagzeilen, meistens aber eher an das Ende eines Artikels. Die Wählerinnen und Wähler merken, dass das am Ende nicht solide ist. Sie entwerfen mal wieder das Zerrbild des gefräßigen Staates.

Die Bürger hingegen schätzen solide finanzierte öffentliche Haushalte,

(Christian Grascha [FDP]: Das ma- chen Sie ja auch nicht! Das ist ja das Problem! Sie entlasten die Bürger nicht und machen trotzdem Schulden! Das ist der Skandal!)

die den Staat in die Lage versetzen, seine Aufgaben schnell und gut zu erfüllen und auch unvorhergesehene Situationen zu meistern. Das haben wir gerade alle miteinander nachgewiesen: Der Staat ist auch in einer Krisensituation handlungsfähig geblieben.

Was die Bürgerinnen und Bürger weniger schätzen, sind Wahlversprechen ins Blaue hinein. Und „Skandal!“ zu dem Vorgang in Berlin zu rufen - diesbezüglich ist schon einiges richtiggestellt worden -, ist völlig unangebracht.

Was der Bundesfinanzminister vorhatte, war ein etwas skurriles Vorgehen. Der Existenzminimumsbericht liegt noch gar nicht vor. Anstatt das in einem geordneten Verfahren auf den Weg zu bringen, war beabsichtigt, das Ganze über eine Formulierungshilfe an den Deutschen Bundestag an ein laufendes Gesetzgebungsvorhaben anzudocken, also das normale Verfahren außer Kraft zu setzen.

Das geht so nicht, muss ich Ihnen ehrlich sagen, aus der Sicht der Länder schon einmal gar nicht. Die Hälfte des Geldes, um das es dabei geht - rund 3 Milliarden Euro -, ist durch Länder und Kommunen zu tragen. Deswegen muss auch der Bundesrat ordnungsgemäß einbezogen werden. Wir werden das natürlich machen. Dann wird man weiter darüber diskutieren, was die Steuerpolitik angeht.

Es gibt eine lebhafte Debatte bei der Union und bei den Grünen mit öffentlichem Widerhall. Von der FDP hört man dazu qualitativ wenig außer den üblichen Floskeln. Herr Hilbers hat fälschlicherweise den Eindruck erweckt, die Union habe ein geschlossenes Konzept. Das ist natürlich falsch. Das, was Sie eben zum Unionsthema erklärt haben, war der Diskussionsbeitrag der Mittelstandsvereinigung. Es gibt eine Menge Stimmen aus Ihrer Partei, die anderer Ansicht sind. Herr Spahn, immerhin Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, hat vor wenigen Tagen die Frage aufgeworfen, ob man nicht über den Spitzensteuersatz reden muss.

(Christian Dürr [FDP]: Was ist denn Ihre Haltung, Herr Schneider? Haben Sie auch eine?)