b) 1 Million nicht erteilte Stunden, 500 unbesetzte Stellen, eine überforderte Ministerin: Wie lange sollen unsere Schulen das rot-grüne Bildungsversagen noch ertragen? - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/6443
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kein Thema bewegt unsere Schulen, bewegt Eltern, bewegt Schülerinnen und Schüler so sehr wie die derzeit dramatisch schlechte Unterrichtsversorgung in Niedersachsen. Nach den eigenen Prognosen dieser Landesregierung liegt die aktuelle Unterrichtsversorgung über alle Schulformen hinweg bei unter 98 %. Die Zahlen für die einzelnen Schulformen aufgegliedert sind in dieser Prognose dramatisch.
Die Grundschulen liegen bei 99,9 %. Damit kann von „verlässlicher Grundschule“ wirklich keine Rede mehr sein. Wir werden auch einmal der Frage auf den Grund gehen, wie viel Unterricht eigent
Die Haupt- und Realschulen liegen bei 97 %, Oberschulen sogar nur bei 96 % und die Förderschulen beispielsweise bei 93 %. Wir alle wissen auch: Die Realität vor Ort an den Schulen sieht häufig noch viel dramatischer aus, als diese Zahlen es zeigen.
Die Realität, wie wir sie in diesen Schulen erleben, wird durch die Ministerin ausgeblendet. Die Realität wird auch konsequent von der SPD und den Grünen ausgeblendet.
Im Kultusausschuss war, als wir die Debatte über die Unterrichtsversorgung geführt haben, von SPD und Grünen sogar vom „Märchen über den Unterrichtsausfall“ die Rede. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wissen Sie, was ein Märchen ist? - Die sogenannte Bildungsoffensive dieser Regierung, das ist ein Märchen. Hier macht die Regierung den Menschen in Niedersachsen etwas vor. Aber diese „Bildungsoffensive“ ist mittlerweile deutlich als Märchen enttarnt.
Herr Strümpel und auch Herr Politze erzählten hier in der letzten Plenarwoche ganz stolz, dass die Schulen viel mehr Ausstattung bekommen würden. Die Ausstattung in den Schulen werde besser. Der Ganztagsbereich werde besser ausgestattet.
Beide haben auch gesagt, die Schulen erhalten eine bessere Sollstundenzuweisung. - Ja, auf dem Papier erhalten die Schulen tatsächlich eine bessere Sollstundenzuweisung. Aber mit Soll und Haben ist das ja immer so eine Sache. Kennt jeder den Unterschied zwischen Soll und Haben? - Genau darin liegt das Problem: Sie füllen dieses Soll, das Sie den Schulen auf dem Papier zuschreiben, eben nicht mit Leben.
Allein im vergangenen Schuljahr lag das Fehl im Soll/Ist-Abgleich pro Woche bei über 7 000 Unterrichtsstunden - und das war bei einer Unterrichtsversorgung von damals 99,5 %. Jetzt liegen wir bei unter 98 %. Da summiert sich dieser Soll/IstAbgleich auf über 1 Million Stunden. Sie stellen zwar nach außen dar, dass diese Schulen eine Mehrausstattung bekommen. Aber über 1 Million Stunden kommen in unseren Schulen nicht an und können nicht erteilt werden. Das ist die Realität in Niedersachsen! Aber vermutlich wird das alles noch viel schlimmer werden, wenn wir dann die genauen Zahlen haben werden.
In den 98 %, die die Regierung bisher genannt hat, sind noch alle Stellen eingerechnet, die ausgeschrieben worden sind. Wie aber die Ministerin letzte Woche im Interview mit der NordwestZeitung bekannt gegeben hat, sind von diesen Stellen nach wie vor 500 unbesetzt. 500 Stellen, die in die Unterrichtsversorgung eingerechnet sind, sind nach wie vor unbesetzt. 500 Stellen sind sechs Wochen nach dem Schuljahresbeginn nach wie vor unbesetzt.
Ich vermute aber, die Ministerin hat sich in dem Interview wahrscheinlich nur versprochen. Die Stellen sind nicht unbesetzt, sondern es sind unbesetzbare Stellen. Die Regierung sollte endlich einräumen, dass sie diese Stellen zum Schuljahresbeginn schon längst abgeschrieben hat.
Sie bejubeln sich hier immer wieder selbst - das haben Sie auch in der letzten Plenarwoche getan - und verkünden eine neue und bessere Ausstattung, wobei wir sehen, dass dies mit Leben und Realität gar nicht gefüllt werden kann. Sie bejubeln sich aber auch immer wieder selbst für neue Maßnahmen. Aber dabei hat diese Regierung etwas ganz Entscheidendes aus dem Blick verloren - nämlich das Kerngeschäft, die Leistung von Pflichtunterricht für unsere Schülerinnen und Schüler. Dies ist bei dieser Regierung völlig aus dem Blick geraten.
Für die Zusatzbedarfe, die in der Ganztagsschule jetzt geleistet werden sollen, rauben Sie sich die Stunden beim Pflichtunterricht zusammen. Man kann es auch bildlich so beschreiben: Den Kredit, den Sie brauchen, um diese Zusatzausstattung zu geben, rauben Sie beim Pflichtunterricht. Diesen Kredit holen Sie sich beim Matheunterricht und bei den anderen Pflichtfächern. - Es kann aber nicht sein, das auf dem Rücken unserer Schülerinnen und Schüler auszutragen!
Deswegen können wir auch heute wieder deutlich festhalten: Ihre Bildungsoffensive ist gescheitert. Sie ist ein Märchen. Die Braunschweiger Zeitung schrieb am 29. August: „Von der Bildungsoffensive zum ‚Offenbarungseid‘“. Ich glaube, besser kann man es nicht beschreiben.
Vielen Dank, Herr Kollege Seefried. - Es folgt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kollege Heiner Scholing. Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Unterrichtsversorgung sicherzustellen, ist in diesem Schuljahr eine große Herausforderung. Das haben wir hier schon häufiger diskutiert. Wir haben im Übrigen auch schon eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um mit dieser Situation angemessen umzugehen.
Im letzten Plenum hatten wir zweimal den Punkt Unterrichtsversorgung auf der Tagesordnung, dieses Mal wird es auch zweimal sein. Da fragt man sich natürlich: Was hat sich in den letzten vier Wochen eigentlich geändert?
Ich sehe eine geänderte Zahl. Im August haben wir von 242 000 nicht erteilen Stunden gesprochen. Jetzt sind es 1 Million. Das sind natürlich schrille Zahlen.
Meine Damen und Herren, ich habe gestern Abend ein bisschen im Internet recherchiert und mich gefragt: Wie definiert man eigentlich „Milchmädchenrechnung“, von mir aus auch „Milchbubenrechnung“? - Ich zitiere aus Wikipedia:
„Eine Milchmädchenrechnung … ist die spöttische Bezeichnung für eine naive Betrachtung oder Argumentation, die wesentliche Rahmenbedingungen nicht beachtet oder falsch in Ansatz bringt und deshalb zu einem nur scheinbar plausiblen, tatsächlich jedoch unzutreffenden Ergebnis kommt.“
(Christian Dürr [FDP]: Das können Sie als Koalitionspartner Frau Heiligen- stadt doch nicht an den Kopf werfen!)
Schrille Zahlen sind z. B. Teil einer Milchmädchenrechnung. Ihre Behauptung, dass 1 Million Stunden nicht erteilt würden, unterschlägt alle Maßnahmen, die Schulen ergreifen, um Unterrichtsausfall zu verhindern.
Ich kann Ihnen aus langjähriger Erfahrung sagen: Schulen nutzen diese Möglichkeiten seit eh und je. Förderschulen haben z. B. über Jahre hinweg mit
93 % gearbeitet und haben auch mit diesen 93 % gute Arbeit gemacht. Aber das war natürlich schwierig und herausfordernd.
So erfasst Ihre Betrachtung nicht, dass Kollegen Stunden aufstocken. Das kommt bei Ihrer Zahl - 1 Million Stunden - nicht vor.
Ihre Zahl - 1 Million Stunden - erfasst nicht, dass Schulen Vertretungskräfte einstellen können und dies natürlich auch getan haben.
Bei dieser Gelegenheit - das ist in diesem Zusammenhang wirklich von hoher Bedeutung - möchte ich mich bei allen bedanken, die - vor allen Dingen in den Schulen, aber auch in der Landesschulbehörde - vielfältige und konstruktive Wege finden, um mit der tatsächlich schwierigen Situation umzugehen. Vielen Dank dafür!
Meine Damen und Herren, das unterscheidet die Schulen von der Opposition: Die Schulen suchen nach kreativen Lösungen - bei Ihnen habe ich bisher keinen einzigen Vorschlag gehört, obwohl wir nun bereits zahlreiche Debatten zu diesem Thema geführt haben.
Herr Seefried hat auf den Zusammenhang mit der Ganztagsschule hingewiesen. Richtig, wir haben Ganztagsschulen besser ausgestattet, d. h. den Bedarf an Lehrerstunden erhöht. Das war übrigens keine politische Kür, meine Damen und Herren, das war eine politische Pflichtaufgabe. Durch den
erhöhten Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern haben wir rechtlich und pädagogisch fragwürdige Verhältnisse beendet.
Es ist richtig: Wir haben das Problem, dass nicht alle Stellen besetzt werden können, weil nicht genügend Lehrkräfte auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Selbstkritik ist mir bisher nicht als Ihre Stärke aufgefallen. Aber hier wäre einmal eine Möglichkeit gewesen, selbstkritisch festzustellen, dass Sie in den vergangenen Jahren - nicht während unserer Regierungszeit - zu wenig dafür getan haben, junge Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Die Be- werber waren 2013, 2014 und 2015 da! Sie haben sie weggeschickt!)