Also folgende Dringliche Anfrage: Missionieren Salafisten unter Anleitung Pierre Vogels in Niedersachen?
Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 8. Juni 2016 („Hat Prediger Pierre Vogel in Cloppenburg um Anhänger geworben?“), dass eine Gruppe um den bekannten islamistischen Prediger Pierre Vogel in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft in Cloppenburg am Montag, den 6. Juni 2016, auf offener Straße Flüchtlinge angesprochen habe.
In der Braunschweiger Zeitung vom 5. September 2016 („Salafisten auf dem Vormarsch“) wird von einer Veranstaltung des Braunschweiger Integrationsausschusses berichtet. Eine Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes berichtete in dieser Veranstaltung, dass der Verfassungsschutz Hinweise habe, dass Salafisten versuchten, in Flüchtlingsheimen für ihre Ideologie zu werben.
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) vom 4. August 2016 berichtete („Staatsschutz sucht Gruppe von Muslimen“), dass mutmaßlich radikale Muslime in Hannover versucht hätten, für den Islam zu missionieren. Demnach sollen am Abend des 3. August 2016 drei bärtige Männer mit langen Gewändern im Stadtteil List nach 21 Uhr von Mehrfamilienhaus zu Mehrfamilienhaus gegangen seien, um an Türen mit ausländischen Nachnamen zu klingeln. Eine Zeugin informierte über diesen „Anwerbeversuch“ per Notruf die Polizei.
In der Leitstelle der Polizei erklärte laut HAZ ein Beamter der Anruferin, das Phänomen sei der Polizei nicht neu und als ungefährlich einzustufen. Inzwischen soll jedoch der Staatsschutz Ermittlungen aufgenommen haben.
Die HAZ schreibt hierzu, dass das Verhalten der Polizei vor dem Hintergrund des Messerangriffes der 15-jährigen Safia S. auf einen Bundespolizisten im Februar im Hauptbahnhof, aber auch nach den jüngsten Anschlägen in Bayern mit islamistischem Hintergrund und der Großrazzia gegen den radikalen Deutschsprachigen Islamkreis in Hildesheim Fragen aufwerfe. Dazu gehöre auch die Frage, warum die Polizei nach dem Anruf keinen Streifenwagen schickte, um die Identität der Männer zu klären und sie nach ihren Absichten zu befragen. Nun gestaltet sich die Fahndung nach diesen Männern laut HAZ wesentlich schwieriger.
Die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) berichtete am 7. September 2016 („Islamistischer Gefährder aus Hannover taucht unter“), dass seit dem 11. Juli 2016 der Salafist Ahmed Feredaws A. trotz Meldeauflage nicht mehr bei der Polizei vorstellig geworden sei. Demnach sei der Polizei der Aufenthaltsort des wahrscheinlich 24-Jährigen nicht bekannt. Laut NOZ soll auch er zu der Terrorzelle in Hannover gehören, zu der auch Safia S. und ihr Bruder Saleh zählten.
2. Wie oft und in welcher Form ist der salafistische Prediger Pierre Vogel seit Anfang des Jahres 2016 in Niedersachsen in Erscheinung getreten?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Nacke, die Niedersächsische Landesregierung ist sich der Gefahr, die der Salafismus in sich birgt, sehr bewusst und stellt sich entschlossen den damit verbundenen Herausforderungen. Daher liegt naturgemäß ein starker Fokus der Landesregierung auf der Ausstattung der Sicherheitsbehörden und auf der ressortübergreifenden Salafismusprävention.
Der Polizeiliche Staatsschutz im Landeskriminalamt Niedersachsen und den Polizeidirektionen wurde personell deutlich aufgestockt. Auch die Stellen beim niedersächsischen Verfassungsschutz wurden bereits in diesem Jahr um zwölf Planstellen erweitert, und im nächsten Jahr werden sechs zusätzliche Dienstposten geschaffen. Der Bereich Islamismus wird mit einer zusätzlichen Stelle für einen Wissenschaftler gestärkt.
Die Landesregierung hat weiterhin dafür gesorgt, dass ein breit gefächertes Angebot an Präventions-, Deradikalisierungs- und Ausstiegsformaten in Niedersachsen im Bereich des Islamismus/Salafismus entstanden ist und weiterentwickelt wird. Wesentliche Präventionsakteure sind u. a. der Verfassungsschutz, die Polizei und das LKA, der Landespräventionsrat, das Justizministerium, das Sozialministerium mit dem Verein beRATen e. V. und das Kultusministerium. Sie alle engagieren sich in Sachen Salafismusprävention und vernetzen ihre Aktivitäten immer enger. Seit 2014 gibt es darüber hinaus eine Präventionsstelle PMK.
Die Vernetzung von Verfassungsschutz und Polizei in Niedersachsen im Themenfeld Islamismus-/Salafismusprävention ist eng. Beispielhaft dafür ist der „Standardisierte Maßnahmenkatalog der nie
dersächsischen Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit salafistischen Brennpunkten sowie Dschihad-Ausreisenden und -Rückkehrern“.
Das LKA und der Verfassungsschutz haben diesen Maßnahmenkatalog im letzten Jahr gemeinsam erarbeitet. Mit diesem Katalog werden die Handlungsweisungen der Sicherheitsbehörden zusammengefasst und stetig aktualisiert. In dem Maßnahmenkatalog ist neben dem abgestimmten gefahrenabwehrenden und repressiven Vorgehen der Sicherheitsbehörden an salafistischen Brennpunkten auch die koordinierte Präventionsarbeit festgelegt.
Mit diesen Maßnahmen ist im Jahr 2016 das Beratungsangebot in Sachen Deradikalisierung und Ausstieg im Vergleich zu 2013 deutlich vielfältiger und fachlich qualitativer geworden als jemals zuvor.
Der Versuch von islamistischen Gruppierungen, durch Missionierungsaktivitäten neue Mitglieder anzuwerben, ist ein bundesweites Phänomen. Dies kann beispielsweise bei der Tablighi Jama‘at beobachtet werden, deren Anhänger in sogenannten Jama‘ats reisen, um ihre Lehre zu verbreiten.
Nach wie vor ist der Salafismus die dynamischste islamistische Bewegung weltweit. Dies macht sich in zunehmendem Maße auch in Niedersachsen bemerkbar; denn auch im Salafismus ist die Missionierung, die sogenannte Da‘wa-Arbeit, ein Kernbestandteil der Ideologie. Den ohnehin schon regen Zulauf insbesondere in salafistischen Zentren im Umfeld größerer Städte versuchen Salafisten auch durch sogenannte Street-Da‘wa, Koranverteilstände und Anwerbeversuche, auch in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften zu erweitern. Dementsprechend treten Salafisten häufig mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie Infoständen oder mobilen Verteilaktionen in Erscheinung, bei denen Personen angesprochen werden und salafistische Literatur angeboten wird. In Niedersachsen sind hierbei im Jahr 2016 insbesondere die regelmäßigen Koranverteilaktionen von „Siegel der Propheten“ in Hannover und die 14-tägig stattfindenden Aktionen mit Islam-Infoständen der Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft in Braunschweig zu nennen.
Für das Jahr 2016 sind bislang etwa 114 Anmeldungen zu Koranverteilungskampagnen bei den örtlichen Ordnungsbehörden bekannt geworden.
Ob alle angemeldeten Koranverteilungen tatsächlich durchgeführt wurden, ist den Sicherheitsbehörden nicht bekannt.
Hier wollen wir den Kommunen empfehlen, solche Koranverteilungsaktionen zukünftig zu verbieten. Einen entsprechenden Erlass lasse ich zurzeit prüfen.
Darüber hinaus sind den Sicherheitsbehörden seit Beginn dieses Jahres bislang vier Sachverhalte bekannt geworden, die auf ein mögliches Anwerben oder auf Anwerbeversuche durch Islamisten bei Flüchtlingen hindeuten.
Zu Frage 2: Bereits im Februar 2008 erfolgte im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen einen anderen Personenkreis erstmals die Kenntnisnahme von einem im Internet gespeicherten Video mit Pierre Vogel und Safia S. durch das Landeskriminalamt Niedersachsen. Es handelte sich um ein Video zu einer Veranstaltung am 2. Februar 2008 mit Pierre Vogel und der damals siebenjährigen Safia S. in - wie anschließende Ermittlungen ergaben - den Räumlichkeiten des DIK in Hannover.
Ein entsprechender Bericht wurde vom LKA am 29. April 2008 der Kriminalfachinspektion 4 der Polizeidirektion Hannover übersandt. Zu diesem Zeitpunkt hat niemand Anhaltspunkte für einen staatsschutzpolizeilichen Hintergrund gesehen.
Sowohl im Jahr 2008 als auch im Jahr 2010, als dem niedersächsischen Verfassungsschutz insgesamt drei Videos, u. a. zu einer Veranstaltung mit Pierre Vogel und Safia S. am 18. April 2010, bekannt geworden sind, wurde kein Anfangsverdacht für eine islamistische Radikalisierung der neunjährigen Safia S. gesehen, sodass leider auch keine konkreten Ermittlungen oder eine Weitergabe von Informationen an das Jugendamt oder an die Grundschule erfolgten.
Zu Pierre Vogel lagen 2008 und 2010 zwar Erkenntnisse als salafistischer Redner und Prediger vor - eine Speicherung im Verfassungsschutzverbund als salafistischer Prediger erfolgte ab 2006 -, es wurden jedoch keine darüber hinaus vorliegenden Erkenntnisse auf ein salafistisches Gefahrenpotenzial in Bezug auf Gewalt gesehen.
Der bundesweit bei verschiedenen Veranstaltungen der islamischen oder islamistischen Szene als Redner auftretende und in Nordrhein-Westfalen wohnhafte Pierre Vogel ist nach Erkenntnissen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden im Jahr 2016 zweimal in Niedersachsen in Erscheinung getreten. Sein erster Auftritt fand vom 31. Dezember 2015 bis zum 1. Januar 2016 in der Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft in Braunschweig statt. Dort hielt er am Silvester einen Vortrag und am Neujahr die Freitagspredigt.
Darüber hinaus veröffentlichte Vogel am 8. März 2016 ein Video auf YouTube mit dem Titel - ich zitiere - „Lügen über Safia aus Hannover!“. In diesem Video, welches Vogel am Maschsee in Hannover zeigt, äußert er sich zu dem Messerangriff von Safia S. auf einen Bundespolizisten im Hauptbahnhof Hannover sowie zu seiner Beziehung zu Safia S. Vogel habe sich extra in Hannover - Zitat - „zur Sache“ erkundigt, um seinen Abonnenten die „Wahrheit über die Tatverdächtige“ zu berichten. Er selber habe sie nur viermal in seinem Leben gesehen und zweifelt deren versuchte Ausreise in Richtung Syrien im Kontext eines möglichen Anschlusses an den sogenannten Islamischen Staat an. Ebenso werden die Umstände der Tat sowie die Folgen für den verletzten Beamten der Bundespolizei von Vogel heruntergespielt.
Vogel räumt zwar ein, dass Safia S. hier möglicherweise „einen Fehler“ begangen habe, sichert ihr jedoch trotzdem jegliche Unterstützung zu.
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung veröffentlichte hierzu ebenfalls am 11. März 2016 einen entsprechenden Onlineartikel auf ihrer Homepage.
Am 6. Juni 2016 hatte eine Gruppe traditionell islamisch gekleideter Männer in Cloppenburg eine Missionierung durchgeführt. Laut Presseberichterstattung soll sich darunter auch Pierre Vogel befunden haben. Diese Information hat sich aber nicht bestätigt. Es handelte sich bei dieser Person um einen Konvertiten aus Bochum, der eine große Ähnlichkeit mit Pierre Vogel aufweist.
Zu Frage 3: Nach Bekanntwerden des Verschwindens von Ahmed A. mussten sich die niedersächsischen Sicherheitsbehörden leider erneut in der politischen Landschaft dem Vorwurf einer Panne aussetzen; ein Vorwurf, den auch Polizeipräsident Binias gestern in der Sondersitzung des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, zu der auch die Mitglieder des Innenausschusses sowie des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen hinzugeladen worden wa
ren, nachdrücklich zurückwies. Er persönlich und zwei weitere führende Beamte hätten alle Vorgänge überprüft. Man habe keinen Anhaltspunkt für einen Fehler gefunden. Es habe keine rechtliche Grundlage für einen Haft- oder Unterbringungsbefehl gegen Ahmed A. gegeben.
Seit dem 11. Juli 2016 kommt Ahmed A. seiner Meldeverpflichtung bei der Polizei, die ihm seitens der Landeshauptstadt Hannover auferlegt worden war, nicht mehr nach. Gegen ihn besteht ein Ausreiseverbot. Die Ausweispapiere sind ihm entzogen worden. Die Sicherheitsbehörden fahnden mit Hochdruck nach ihm auf der Grundlage des Gefahrenabwehrrechts.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Pistorius, aufgrund der Tatsache, dass Sie in der vorhergehenden Antwort ja Personalmangel als Grund für die Einstellung der Observation von Ahmed A. ausgeschlossen haben, zu der Frage der bundesbehördlichen Zustimmung zur Einstellung der Observation hier die Aussage verweigert und eben erklärt haben, dass nach Ahmed A. mit Hochdruck gefahndet wird, frage ich Sie: Wenn Sie Ahmed A. als so gefährlich einschätzen, dass Sie mit Hochdruck nach ihm fahnden, warum haben Sie überhaupt die Observation beendet?