Protokoll der Sitzung vom 26.10.2016

Sie haben sich in Ihrer Regierungszeit mit einem Federstreich von einer Aufgabe mit Verfassungsrang - das wird hier mittlerweile zum dritten Mal gesagt - verabschiedet, indem Sie die Gleichstellungsbeauftragten in vielen Kommunen - auch solchen mit mehr als 20 000 Einwohnern - einfach abgeschafft haben.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Stimmt doch nicht! Wir haben doch Gleich- stellungsbeauftragte, auch in Scheeßel!)

Wenn Sie Überzeugungstäter wären, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, wäre Ihnen das nicht passiert.

Die Empörung der Frauenverbände war groß, und sie war berechtigt. Ich weiß, wovon ich rede; ich habe diese Zeit der Empörung und des Aufschreis miterlebt. Wir haben uns in vielen Gesprächen fachkundig gemacht, warum das jetzt an dieser Stelle einfach nicht mehr geht.

Es ist höchste Zeit, gegenzusteuern. Ich betone noch einmal: Der Verfassungsauftrag gilt für alle politischen Ebenen, mit Binnen- wie auch mit Außenwirkung.

Ich freue mich sehr, dass Niedersachsen jetzt wieder up to date ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Oetjen, bitte schön!

Verehrte Frau Kollegin, ja, Gleichstellung ist ein Verfassungsauftrag. Aber auch in kleineren Kommunen, verehrte Frau Kollegin, sind die Gleichstellungsbeauftragten nicht abgeschafft worden, sondern sie haben weitergearbeitet. Es gibt sehr viele Ehrenamtliche, die sich in diesem Bereich sehr engagiert haben. Die Frage ist doch: Warum muss das hauptamtlich passieren?

(Johanne Modder [SPD]: Weil die Frauen es satt haben, immer nur ins Ehrenamt geschoben zu werden!)

Und wenn das hauptamtlich passieren muss: Warum muss das ab 20 000 Einwohnern hauptamtlich passieren und nicht schon ab 10 000 oder 5 000 Einwohnern?

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich sage hier sehr deutlich: Ob wir Gleichstellung zwischen Mann und Frau erreichen, hängt nicht davon ab, ob Kommunen mit 20 000 Einwohnern Gleichstellungsbeauftragte haben. Wer glaubt, dass diese Frage dadurch entschieden wird, glaubt auch, dass in Kuckucksuhren Kuckucke wohnen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es sind ganz andere Fragen, die an dieser Stelle betrachtet werden müssen: die Frage der Vereinbarkeit von

Familie und Beruf, aber auch gesellschaftliche Fragen, beispielsweise nach dem Wert der Tatsache, dass Frauen einer eigenen Beschäftigung nachgehen können, und anderes.

Ich höre immer noch Diskussionen auf der kommunalen Ebene, in denen gesagt wird: Wir brauchen keine Krippenplätze, die Frauen, die dort ihre Kinder hinbringen, gehen nachher gar nicht zur Arbeit. Solange wir noch solche Diskussionen haben - das ändern auch keine Gleichstellungsbeauftragten -, haben wir an anderer Stelle viel zu tun, aber nicht im Zusammenhang mit der Bestellung von Gleichstellungsbeauftragten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Oetjen. - Jetzt hat sich der Herr Innenminister zu Wort gemeldet. Herr Minister Pistorius, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf wird das niedersächsische Kommunalverfassungsrecht abschließend und vor allen Dingen modern reformiert. Es ist der dritte Gesetzentwurf im Rahmen der Reform.

Er hat drei Schwerpunkte, die ich gerne einmal nenne. Da ist zum einen die eben schon diskutierte Rolle der Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen. Da ist zum Zweiten das bürgerschaftliche Engagement vor Ort, also die Bürgerbeteiligung. Da ist schließlich, drittens, die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen.

Meine Damen und Herren, es ist ein erklärtes Ziel der Regierungskoalition, die Gleichstellung von Mann und Frau zu stärken. Dazu gehört ein gleichberechtigtes und partnerschaftliches Miteinander von Frauen und Männern. Die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten leisten dafür einen wichtigen Beitrag. Wer wollte das nach den Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre ernsthaft bestreiten?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb soll es mehr hauptberufliche Gleichstellungsbeauftragte als bisher geben. Die Verpflichtung, eine hauptberufliche Gleichstellungsbeauftragte zu beschäftigen, wird zukünftig an die Einwohnerzahl der Kommunen gekoppelt sein.

Lieber Herr Oetjen, wenn Sie der Auffassung sind, dass wir schon bei 10 000 Einwohnern beginnen sollten, hätte ich mich über einen entsprechenden Änderungsantrag seitens der FDP-Fraktion gefreut.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ansonsten muss man festhalten, dass eine solche Grenze weniger willkürlich ist, als die Frage der Bestellung von Gleichstellungsbeauftragten am Status der Städte als große selbstständige oder kreisfreie festzumachen. Das macht nun gar keinen Sinn,

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Doch!)

deshalb ist dieser Schritt ein Schritt in die richtige Richtung.

Die Gleichstellungsbeauftragten sollen auf Verbesserungsbedarf und Missstände hinweisen. Dadurch macht man sich bekanntermaßen nicht nur Freunde. Deshalb ist es richtig, davon abzugehen, sie wie bisher mit einfacher Mehrheit abwählen zu können. Wir halten es für richtig, dass das künftig nur noch mit absoluter Mehrheit möglich sein soll.

Meine Damen und Herren, mit einem zweiten Schwerpunkt im Gesetzentwurf wollen wir dafür sorgen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger bei politischen Entscheidungen stärker einbringen können als bisher. Deshalb senken wir die Quoren für Bürgerbegehren, allerdings maßvoll. Die Quoten waren mit bisher durchgehend mindestens 10 % der Wahlberechtigten auch im Ländervergleich viel zu hoch angesetzt. Das gilt vor allem in größeren Städten. Für größere Kommunen senken wir deshalb das Quorum gestaffelt auf bis zu 5 % ab.

Auch beim Bürgerentscheid wollen wir Erleichterungen einführen. Es bleibt natürlich dabei, dass bei der Abstimmung die Mehrheit der gültigen Stimmen „Ja“ lauten muss. Diese Mehrheit muss zukünftig aber nur noch 20 % statt wie bisher 25 % der Wahlberechtigten betragen.

Die größte Erleichterung für Bürgerbegehren wird die Abschaffung des Kostendeckungsvorschlags mit sich bringen. Ich verstehe, ehrlich gesagt, die Kritik an diesem Punkt nicht. An dem Kostendeckungsvorschlag scheitern bislang viele Verfahren, weil diese Hürde nur mit umfangreichen haushaltsrechtlichen Fachkenntnissen zu meistern ist.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das stimmt nicht!)

Ich behaupte einmal, dass auch unter uns nur wenige in der Lage wären, einen belastbaren Kostendeckungsvorschlag vorzulegen, der vor Gericht Bestand hätte. Deshalb ist es richtig, diese insgesamt nicht besonders bürgerfreundliche Regelung als zwingende Voraussetzung für ein Bürgerbegehren abzuschaffen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde die Befürchtung geäußert, eine stärkere Bürgerbeteiligung schwäche die Rolle der kommunalen Mandatsträger. Dazu möchte ich Folgendes anmerken: Ich bin fest davon überzeugt, dass sich in der heutigen Zeit wichtige Maßnahmen nur noch realisieren lassen, wenn wir die Bürgerinnen und Bürger auch als Partner ansehen. Wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, mitzureden und mitzugestalten; nur dann werden politische Entscheidungen von den Bürgerinnen und Bürgern auch akzeptiert und mitgetragen.

Lassen Sie mich hinzufügen: Gleichzeitig glaube ich - nein: ich bin davon überzeugt -, dass unsere neuen gesetzlichen Regelungen genau die notwendige Balance einhalten, die wir brauchen, um das Instrument sicher anwenden zu können. Natürlich darf es niemals darum gehen, die repräsentative Demokratie, die sich bewährt hat, durch zu niedrige Quoren und Partikularinteressen zu relativieren. Da bin ich völlig bei den Kritikern. Aber unser Mittelweg ist genau das richtige Instrument, und deswegen bin ich froh, dass wir hierfür klare Mehrheiten geschaffen haben.

Mit dem dritten Schwerpunkt des Gesetzentwurfes, meine Damen und Herren, der Reform des kommunalen Wirtschaftsrechts, werden die Möglichkeiten der Kommunen, sich den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen auf den Märkten zu stellen, endlich verbessert. Die Deregulierung einiger Märkte und viele andere Veränderungen führen dazu, dass sich unsere Kommunen längst im Wettbewerb befinden und ihre Stellung auf dem Markt behaupten müssen. Das betrifft die Energieversorgung, aber auch viele andere Bereiche. Deshalb ist hier ein Umsteuern dringend notwendig.

Der Widerstand der FDP dagegen überrascht mich naturgemäß nicht, da sie es ja war, die seinerzeit

in der schwarz-gelben Koalition für die jetzt abzuschaffende Regelung gesorgt hat.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen jetzt zur Einzelberatung. Ich rufe auf:

Artikel 1. - Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer ihr zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das Erste war die Mehrheit.

Artikel 2. - Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer ihr zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das Erste war die Mehrheit.

Artikel 3. - Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer ihr zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das Erste war die Mehrheit.

Artikel 4. - Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer ihr zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Auch hier ist der Änderungsempfehlung gefolgt worden.

Artikel 5. - Unverändert.