Protokoll der Sitzung vom 26.10.2016

Entschuldigung. Ich beziehe mich nicht auf den Ausschlusskatalog, sondern darauf, dass es in anderen Gesetzen im Zusammenhang mit Bauleitplanverfahren sehr wohl Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bürger gibt. Darauf wollte ich hinaus. Da haben die Bürger sehr wohl vielfach die Möglichkeit, ihre Meinungen, Anregungen und Bedenken vorzutragen. Diese müssen in die Abwägung mit eingestellt und gerichtsfest abgewogen werden.

Das ist vollkommen richtig. Das ist übrigens auch dem Umstand geschuldet, dass das Baugesetzbuch gerade eine Abwägung vorsieht. Das heißt, diese ständige Kommunikation muss gerade im Baubereich sehr intensiv erfolgen, damit diese Abwägung vorgenommen werden kann. Aber die von uns vorgesehenen Änderungen ergänzen ja im Grunde diesen Trend, den Sie lobend - so habe ich es jetzt herausgehört - herausstreichen. Das geht in dieselbe Richtung wie das, was wir hier gerade machen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Wir erleichtern nämlich Bürgerbegehren, Bürgerentscheide, also Bürgerbeteiligung, indem wir u. a.

die Quoren absenken. So wird das Unterschriftenquorum bei Bürgerbegehren als erste Hürde, die man nehmen muss, auf 10 %, 7,5 % und bei größeren Kommunen mit über 200 000 Einwohnern im Ergebnis sogar auf 5 % gesenkt. Das ist, glaube ich, auch was den Bürgerentscheid angeht, bei dem die Zustimmungsquote bei 20 % liegen muss, ein sehr gutes und gesundes Maß für die Kommunen, um dort arbeiten zu können und eben auch mit den Bürgerinnen und Bürgern kommunale Fragen klären zu können.

Wir haben außerdem eine Sperrwirkung für Bürgerbegehren vorgesehen - das noch einmal zu betonen, ist auch wichtig -, um zu verhindern, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, wenn ein Bürgerbegehren auf den Weg gebracht würde, es aber noch nicht zum Bürgerentscheid gekommen ist.

Darüber hinaus ist der Kostendeckungsvorschlag weggefallen. Das war in der Vergangenheit einer der Hauptgründe für die Unzulässigkeit von Bürgerentscheiden und Bürgerbegehren. Das haben wir hier gestrichen. Ich halte das nach wie vor für richtig; denn solche detaillierten Kostenaufstellungen zu machen, das schaffen teilweise noch nicht einmal kommunale Verwaltungen. Das Bürgerinnen und Bürgern aufzubürden, war unverhältnismäßig. Ich glaube, gerade in den Diskussionen um Einzelprojekte, um einzelne Fragen wird sich die Kostenfrage selbstverständlich stellen, und sie wird auch diskutiert werden müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Befragung der Einwohnerinnen und Einwohner. Mit der Eröffnung dieser Möglichkeit können endlich alle Einwohnerinnen und Einwohner über 14 Jahre von den Kommunen befragt werden. Das ist eine wichtige Neuerung. Dies gilt auch für Bürgerinnen und Bürgern aus Nicht-EU-Staaten. Nichtsdestotrotz - das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich sagen - bin ich der festen Überzeugung, dass wir ein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger in Niedersachsen und in Deutschland insgesamt brauchen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Thema Gleichstellung; auch das wurde schon angesprochen. Das ist ein Thema von Verfassungsrang, also keine Lappalie, meine sehr geehrten Damen und Herren. Von daher werden 80 Kommunen in Niedersachsen neu verpflichtet, hauptberufliche Gleichstellungsbeauftragte einzustellen. Zu dem

Argument, hier sei die Konnexität nicht beachtet worden, hat der GBD in den Beratungen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die herrschende Meinung von einem anderen Standpunkt ausgeht und eine andere Auffassung teilt, sehr geehrter Herr Kollege Hiebing.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Im Ergebnis bedeutet das, dass Kommunen mit über 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte einstellen müssen. Die Abberufung wird schwieriger. Da wird es in Zukunft eine absolute Mehrheit brauchen. Das stärkt die Gleichstellungsbeauftragten in ihren Tätigkeiten noch einmal.

Als letzten wichtigen Punkt möchte ich die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen ansprechen.

Da wird es eine Erleichterung geben - das ist richtig und wichtig -: Zukünftig ist es Kommunen nur dann untersagt, ein wirtschaftliches Unternehmen zu gründen oder zu übernehmen, wenn ein privater Dritter den damit verfolgten öffentlichen Zweck besser oder wirtschaftlicher erfüllen kann.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Ohne Waffengleichheit!)

Nicht die Gewinnerzielung steht dabei im Fokus, sondern die Erfüllung öffentlicher Aufgaben.

Außerdem stellen wir klar, dass Betätigungen in den Bereichen Telekommunikation, Energieversorgung, öffentlicher Personennahverkehr, Wasserversorgung und Versorgung mit Breitbandkommunikation grundsätzlich einem öffentlichen Zweck dienen. Das ist eine sehr wichtige Klarstellung, gerichtet auf die Zukunftsaufgaben, die den Kommunen bevorstehen.

Schließlich wollen wir die Kommunen in die Lage versetzen, die Energiewende zu unterstützen. Mit der Novelle des NKomVG senken wir daher auch in diesem Bereich die Hürden für die Kommunen und streichen die Voraussetzung, dass eigene oder örtliche Versorgungszwecke vorliegen müssen, um erneuerbare Energien zu erzeugen oder zu gewinnen.

Alles in allem kann man abschließend sagen: Das ist ein sehr gutes Gesetz, das unsere Kommunen zukunftsträchtig aufstellt - und das pünktlich zum Beginn der neuen kommunalen Wahlperiode.

Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, den neu gewählten kommunalen Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern - den Mitgliedern der Gemeinderäte, Kreistage usw. - viel Kraft und Energie für die zukünftige Arbeit für lebenswerte, weltoffene, solidarische, demokratische Kommunen in Niedersachsen zu wünschen.

Dafür liefert dieses Gesetz meines Erachtens eine super Grundlage.

Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Onay. - Für die FDP-Fraktion hat sich Jan-Christoph Oetjen gemeldet. Bitte schön, Herr Oetjen!

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie so oft im Leben gibt es auch bei diesem Gesetz Licht und Schatten: Dinge, die ich loben kann, aber auch viele Dinge, die ich hier kritisieren muss.

Ich möchte mit dem Positiven anfangen.

Wir Freie Demokraten haben stets die Bemühungen der regierungstragenden Fraktionen, beim Thema „direkte Demokratie“ Verbesserungen zu erringen, unterstützt. Das ist auch bei den hier vorliegenden Vorschlägen im Wesentlichen der Fall.

Positiv will ich hier die Absenkung der Quoren erwähnen. Dankenswerterweise ist der Ausschuss auf meinen Vorschlag eingegangen, im mittleren Bereich auf 7,5 % zu gehen und nicht auf eine feste Zahl.

Die Landesregierung hatte anfangs vorgeschlagen, die Kommunen nicht mehr zu verpflichten, die Bürgerinnen und Bürger zu benachrichtigen, wenn ein Bürgerbescheid stattfindet, sondern darauf zu vertrauen, dass die schon irgendwie mitkriegen, wann und wo sie ihre Stimme abgeben können. Das ist aus dem Gesetzentwurf herausgenommen worden. Das ist in Ordnung; alles andere wäre ein Schlag ins Kontor gewesen.

Ich persönlich finde es schlecht, dass die Antragsteller sich bei einem Bürgerbegehren keine Gedanken mehr darüber machen müssen, was das

Ganze denn kostet und woher das Geld dafür kommen soll.

Aber insgesamt ist der Bereich „direkte Demokratie“ eigentlich ganz gut gelungen.

Auch das Thema „Livestream von Ratssitzungen“ ist sicherlich positiv zu bewerten.

Aber damit ist das Positive dann auch schon zu Ende.

Sie verpflichten die Kommunen ab 20 000 Einwohnern, Gleichstellungbeauftragte zu beschäftigen, und gleichen die Kosten nicht zu 100 % aus. Einen solchen Eingriff in die Organisationshoheit halten wir für den falschen Weg. Ich kann verstehen, dass große Kommunen - das hatten wir im Gesetz behalten -, Landkreise beispielsweise, die einen Gleichstellungsplan für 600 Mitarbeiter erarbeiten können, hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte brauchen. Aber kleine Kommunen mit knapp über 20 000 Einwohnern zu verpflichten, eine hauptamtliche Kraft einzustellen, hilft am Ende auch der Gleichstellung nicht weiter. Da wären andere Dinge viel wichtiger.

(Zustimmung bei der FDP - Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Die Kom- munen, die jetzt schon hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte haben, haben positive Erfahrungen gemacht!)

Ich will, verehrte Frau Kollegin Janssen-Kucz, nun auf den Bereich kommen, der aus meiner Sicht den Kern dieses Gesetzes bildet: auf die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie streichen an dieser Stelle die drittschützende Wirkung des Gesetzes. Er wird also ein zahnloser Tiger. Ein Unternehmen, das in Konkurrenz mit der öffentlichen Hand steht, hat im Prinzip keine gesetzliche Möglichkeit mehr, sein Recht einzuklagen. Das ist aus meiner Sicht eine Aushöhlung des Rechtsstaats und eine Aushebelung des Subsidiaritätsprinzips. So formuliert es auch der Bund der Steuerzahler.

(Beifall bei der FDP)

Sie sprechen immer davon, dass Sie eigentlich nur Waffengleichheit zwischen der kommunalen Ebene und der private Ebene herstellen wollten. Ich habe in der Anhörung die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und des VKU gefragt: Sind Sie denn auch für Gleichberechtigung, wenn es darum geht, Mehrwertsteuer zu zahlen? Sind Sie auch für Gleichberechtigung, wenn es darum geht, Mitarbei

ter nach den Branchentarifen zu bezahlen, die im privaten Bereich gelten, aber für die öffentliche Hand nicht? - Da war Schweigen im Walde. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie gehen hier aus meiner Sicht den völlig falschen Weg.

(Zustimmung bei der FDP)

Dass die Kommunen sich künftig auch über das Gemeindegebiet hinaus wirtschaftlich betätigen können sollen, ist doch wirklich

(Jörg Bode [FDP]: Verfassungswidrig!)

verfassungswidrig. Der GBD sagt, dass das rechtlich hoch bedenklich ist. Auf Nachfrage sagt sogar das Innenministerium, dass eine absolute Rechtssicherheit für diese Regelung wohl nicht bestehe.

Wenn schon das Innenministerium so etwas eingesteht und der GBD ganz klar sagt, dass das der falsche Weg ist, dass das rechtswidrig ist, können wir Freie Demokraten einem solchen Gesetz, das grundlegende Prinzipien der freien und sozialen Markwirtschaft aushebelt, nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Oetjen. - Frau Kollegin Twesten hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Verehrter Kollege Jan-Christoph Oetjen, Herr Hiebing, zum Stichwort „Eingriff in die Organisationshoheit der Kommunen“: Es ist richtig, die Kommunen auf den richtigen Weg zu bringen. Denn das schlichte Bekenntnis reicht offensichtlich nicht aus.

Sie haben sich in Ihrer Regierungszeit mit einem Federstreich von einer Aufgabe mit Verfassungsrang - das wird hier mittlerweile zum dritten Mal gesagt - verabschiedet, indem Sie die Gleichstellungsbeauftragten in vielen Kommunen - auch solchen mit mehr als 20 000 Einwohnern - einfach abgeschafft haben.