Protokoll der Sitzung vom 27.10.2016

Aus meiner Sicht ist es die Aufgabe eines Landespolitikers, die unterschiedlichen Positionen abzuwägen und eine bestmögliche Lösung zu finden - und die haben wir bereits.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das hat uns auch das Wirtschaftsministerium mit seiner Unterrichtung im Ausschuss ausführlich dargelegt. Wie uns die Schaubilder und die Statistiken gezeigt haben, verläuft die Auftragskurve in Niedersachsen ähnlich wie die im Bund. Die Zahl der Auftragsvergaben nimmt tatsächlich in der zweiten Jahreshälfte zu. Das liegt aber nicht am Unvermögen der öffentlichen Auftraggeber, wie der CDU-Antrag suggeriert, sondern an nachvollziehbaren Faktoren, auf die Bund, Land und Kommunen zum Teil keinen Einfluss haben. So lassen sich Schäden durch Frost erst nach dem Winter erfassen, und erst anschließend können Sanie

rungs- und Erhaltungsarbeiten in Auftrag gegeben werden.

Frost führt ferner dazu, dass sich viele Baustoffe nicht verarbeiten lassen. Das beinhaltet logischerweise, dass Arbeiten im Winter oft über eine längere Zeit aufgrund der Witterung nicht möglich sind.

Der öffentliche Auftraggeber hat die Pflicht, dafür zu sorgen, dass Baustellen rechtzeitig abgeschlossen werden, um zu verhindern, dass Baustellen nach dem Wintereinbruch für Monate brachliegen, aber für Monate zu Behinderungen führen.

All diese Unwägbarkeiten und vieles mehr klammern Sie in Ihrem schlichten Antrag komplett aus, so auch die Tatsache, dass der öffentliche Auftraggeber nur das Geld ausgeben kann, über das er wirklich verfügt, in der Regel also nach Verabschiedung des Haushalts.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sehen in dem Antrag der CDU nicht nur keinen Mehrwert, sondern er enthält aus unserer Sicht fragwürdige Positionen und Forderungen. An einem unterschwelligen Bashing von Bund, Land und Kommunen als öffentliche Auftraggeber beteiligen wir uns nicht. Wir sind überzeugt, dass die öffentlichen Auftraggeber verantwortungsvoll und gewissenhaft handeln. Wenn sie das im Einzelfall nicht machen sollten, dann muss das im Einzelfall geklärt werden.

Für sehr zweifelhaft halten wir den Vorstoß unter Nr. 3, für das Baugewerbe die kommunale Selbstbestimmung aufzukündigen; denn das Land ist nicht befugt, den Kommunen vorzuschreiben, was sie in diesem Fall tun sollen. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Kollegin Westphely. - Frau Kollegin Gabriela König, Sie haben das Wort für die FDPFraktion. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Beschäftigung im Baugewerbe ganzjährig zu sichern, ist ein hehres Ziel. Mitarbeiter drei Monate nicht vollends beschäftigen zu können, belastet Unternehmen außerordentlich. Davon kann ich ein Lied singen. Das kann ich nämlich aufgrund der Erfahrungen in meinem eigenen Betrieb nachempfinden, der durch stärkere Winter eine wirtschaftli

che Belastung zu verzeichnen hatte. In harten Wintern ist es schwierig, wenn wir z. B. eine Halle produzieren, weil wir dann die Baustoffe gar nicht bekommen konnten. Wenn im Winter ordentlich Frost herrscht, kann man Baustoffe in der Form einfach nicht verarbeiten. Das ist im Tiefbau ganz besonders stark der Fall. Wie gesagt, die Baustoffe sind dann zum Teil gar nicht lieferbar.

Im Straßenbau ist es ähnlich wie im Tiefbau. Hier kommt hinzu, dass die Arbeiten im Freien stattfinden und bei Frost nicht fortgesetzt werden können. Egal, ob es um eine Verdichtung des Bodens oder um den Einsatz des Materials geht, es ist sehr schwierig. Auch im Hochbau ist es ähnlich, weil man dort frostsichere Mauerwerke vorweisen muss.

In dem Antrag geht es auch darum, dass Aufträge so vergeben werden sollen, dass auch noch im Herbst mit neuen Baustellen angefangen werden kann, auf denen es dann im Winter zum Einsatz kommt, sofern die Witterungsbedingungen dies zulassen. Es sollen auch Vergaben im Winter durchgeführt werden. Dieser Impuls ist wichtig und richtig. Es wird von den Vergabestellen in Bund und Land in der Regel auch schon so praktiziert.

Auch viele größere Kommunen sind dem bereits nachgekommen. Hannover ist eine der Städte, die das schon in die Mittelfristige Planung aufgenommen haben, wodurch schon eine bestimmte Summe bereitgestellt worden ist, die nicht erst durch den jeweiligen Jahreshaushalt genehmigt werden muss. Anders agierende Kommunen sollte man in den Fokus nehmen, und man sollte ihnen nahelegen, diesem Beispiel zu folgen; da haben Sie recht. Aber das aus dem Landtag heraus so ohne Weiteres umzusetzen, erscheint mir relativ schwierig.

Geld ist vorhanden, sagt man. Das sagt z. B. auch die Bauindustrie. Aber es fehlen baureife Projekte. Das ist richtig. Wir müssen daran arbeiten, dass die Vergaben dann auch schnell erfolgen können. Sie müssen direkt erfolgen, damit keine großen Leerläufe entstehen.

Im Moment haben wir eine fantastische Wirtschaftslage, gerade im Bau. So sind die Maßgaben im ersten Halbjahr sogar übertroffen worden, und es konnte ein Auftragsplus von 18,1 % erreicht werden. 10 % der Bauunternehmen sagen, die Lage sei eher günstig, und 80 % sagen, die Lage sei auf diesem hohen Niveau gleichbleibend. Von daher ist die Situation im Moment eigentlich relativ entspannt. Die Unternehmen können viele Aufträ

ge nur annehmen, wenn sie mehr Personal einstellen. Viele der mir bekannten Unternehmen sagen sogar, sie bräuchten ganz neue Kolonnen, aber sie wissen nicht, woher sie sie nehmen können.

Also, der Antrag hat eine Grundsubstanz, die ich durchaus befürworten kann. Aber er kommt leider zu einem falschen Zeitpunkt, da die Auftragslage im Moment so gut ist, dass wir das nicht benötigen. Deswegen werden wir uns in der Abstimmung der Stimme enthalten.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von der CDU: Immerhin!)

Vielen Dank, Frau König. - Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Ronald Schminke das Wort. Bitte, Herr Kollege!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es wäre klug gewesen, wenn dieser Antrag zurückgezogen worden wäre; denn die Unterrichtung und die inhaltliche Debatte im Ausschuss haben uns deutlich aufgezeigt, dass nicht das Land entscheidet, sondern dass die Kommunen eigenverantwortlich entscheiden, wann welche Aufträge ausgeschrieben werden. Die Kommunen haben - so haben sie das ja auch selber gesagt - die VOB zu beachten. In der VOB steht drin, dass anzustreben ist, die Aufträge so zu erteilen, dass eine ganzjährige Bautätigkeit gefördert wird.

Die Kommen haben selbst ein großes Interesse an einer ganzjährigen Beschäftigung; denn damit können erhebliche Lohnersatzleistungen eingespart werden. Es gibt daher auch einen kontinuierlichen Kontakt mit den Baubetrieben in örtlichen Ausschüssen, Herr Bley. Da sind Baubetriebe, kommunale Vertreter, Berufsschullehrer, Gewerkschaften und auch die Kreishandwerkerschaft regelmäßig beteiligt. Ich dachte eigentlich, dass ein Handwerkspräsident so etwas weiß.

Auch die Arbeitnehmerseite ist natürlich an einer ganzjährigen Beschäftigung interessiert; denn Schlechtwettergeld bedeutet enorme Einkommenseinbußen. Umgekehrt: Wenn gearbeitet werden kann, gibt es für jede tatsächlich geleistete Stunde als Anreiz oder als Belohnung sozusagen das sogenannte Wintergeld - Frau König, Sie wissen das -, das auf den Stundenlohn oben draufkommt. Daher ist es für die Arbeitnehmer ganz gut, wenn sie im Winter arbeiten.

Der sogenannte Winterbau wird also bereits heute ermöglicht und sogar finanziell gefördert. Aber es gibt eben auch Grenzen; denn im Straßenbau kann und darf man z. B. nicht Asphaltmischgut einbauen, wenn die Temperatur unter 7 °C liegt.

(Glocke des Präsidenten)

Also: Bei unter 7 °C geht so etwas gar nicht; sonst leidet die Qualität, und durch Bindemittelveränderungen entstehen sonst Schäden. Auch der Werkstoff Beton und der Betoneinbau finden Temperaturgrenzen. Es gibt dafür klare technische Vorgaben.

Auch die Arbeitsstättensicherheit ist zu beachten, Herr Bley, und zwar im Sinne der Arbeitnehmer. Eis- und Schneeglätte sind eine echte Gefahr für Leib und Leben.

Ich möchte ferner auf Folgendes hinweisen: Beim Berufs- und Schülerverkehr gibt es durch Bautätigkeit Behinderungen, die zu vermeiden sind. Darum werden viele Projekte in die Ferienzeiten gelegt; das wird ganz bewusst gemacht. Das wurde im Ausschuss auch so vorgetragen. Das sind die wahren Hindernisse. Städte und Kommen beachten das aber.

(Glocke des Präsidenten)

Das Wirtschaftsministerium hat das exakt so eingeschätzt und auch so vorgetragen. Es wird sehr stringent darauf geachtet, auch den Winterzeitraum zu nutzen, wann und wo immer es möglich ist. Das Land hat auf die Entscheidungen der Kommunen gar keinen Einfluss, weil sie selbstständig über Vergaben und Bauzeiten beschließen.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Auch haushaltsrechtlich gibt es keine Pferdefüße; denn Verpflichtungsermächtigungen und frühzeitige Bekanntgaben der Haushaltsansätze sowie eine mittelfristige Finanzplanung garantieren mehrjährige Projekte.

Zum Schluss: Frau König, wir waren uns einig. Dass Sie sich heute der Stimme enthalten werden, überrascht ein wenig. Wir können dem Antrag nicht zustimmen, weil er keinen Sinn macht; denn wir können nicht vermeiden, dass es Winter gibt. Kälte und Frost können wir nicht abschaffen.

Herr Kollege, Sie müssen Ihre Rede jetzt wirklich beenden. Gucken Sie einmal auf die Uhr vor sich!

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Der Winter kann von uns nicht abgeschafft werden.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schminke. - Für die Landesregierung hat Herr Minister Olaf Lies das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich deutlich machen: Der Antrag der CDU-Fraktion beschreibt schon das Problem, das wir haben, nämlich dass Straßen- und Tiefbau besonders witterungsabhängig sind, was natürlich damit verbunden ist, dass die Beschäftigten in dem Gewerbe der Situation ausgesetzt sind, im Winter Kurzarbeit oder im schlimmsten Fall sogar den Verlust des Arbeitsplatzes zu erfahren. Also: Wir sind uns sozusagen in der Analyse einig. Das Problem ist ja auch nicht neu.

In § 2 Abs. 3 VOB - Herr Bley hat es zu Recht zitiert - heißt es ja auch, es ist anzustreben, die Aufträge so zu erteilen, dass die ganzjährige Bautätigkeit gefördert wird. Das ist auch ein elementares Ziel. Ich will in Anlehnung an die Diskussion, die wir heute Morgen hatten, noch einmal sagen: Wir würden ja die Vielzahl der Projekte bzw. Aufträge sowohl im Landesbereich als auch im kommunalen Bereich gar nicht mehr abarbeiten können, wenn wir uns auf einen kurzen Zeitraum beschränken würden. Das heißt, der Grundwille, die Grundüberzeugung, dass wir das volle Jahr nutzen müssen, ist bei allen da. Mit Blick auf die Beschäftigten ist das ein besonderes Anliegen, das wir verfolgen sollten.

Das ist - Sie haben es angesprochen - natürlich auch der Stellungnahme des Baugewerbes zu entnehmen. Es ist aber deutlich geworden, dass zu unterscheiden ist zwischen den einzelnen Beispielen in den Kommunen - ich glaube, das ist sehr unterschiedlich - und der Landesbehörde mit dem Satz: Anhand der Straßenbauämter lässt sich belegen, dass es mit mehr Einsatz auch besser geht. Die Landesbehörde hat eben ein elementares Interesse daran hat, den Zeitraum so weit wie

möglich auszunutzen, auch mit Blick darauf, dass sie das viele Geld auch ausgeben will.

Die anderen Punkte sind genannt; natürlich geht es nicht immer:

Straßenbaumaßnahmen müssen in das Straßennetz, in die Verkehrssituation passen.

Auch das Thema Tageslicht spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wir debattieren heute sehr intensiv über 24-Stunden- und Wochenendbaustellen. Das hat alles seine Berechtigung. Aber wir müssen überlegen, wie effizient dann gearbeitet werden kann und wie sicher es für den Beschäftigten auf der Baustelle ist. Auch ob mit Nachtarbeit überhaupt ein Mehrwert erzielt werden kann, muss die öffentliche Hand, die dafür Geld ausgibt, berücksichtigen.

Zusammengefasst wird deutlich, dass sich das Land wirklich sehr bemüht - das wird auch an der Stellungnahme deutlich -, Baustellen möglichst ganzjährig in Betrieb zu halten - in geeigneter Form, abhängig von der Witterung.

Wir fördern kommunale Straßenbauvorhaben - das ist gesagt worden - zwar, haben aber natürlich keinen direkten Einfluss auf sie. Völlig losgelöst von dem Beschluss, der heute zustande kommt, ist es sicherlich richtig, das, was wir hier diskutieren - das Jahr möglichst effizient auszunutzen und die Menschen in Beschäftigung zu halten -, auch in den Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden zur Sprache zu bringen und so - unabhängig von dem Beschluss - vielleicht auch bei den kommunalen Vorhaben einen kleinen Schritt voranzukommen.

Herzlichen Dank für die Beratung. Ich glaube, sie hat unser wieder einen Schritt nach vorne gebracht.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)