Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau König, zum einen muss man sich klarmachen: Es geht nicht die Landesbehörde in eine Bundesbehörde über, sondern die Bundesbehörde bzw. die zu gründende Gesellschaft würde Aufgaben übernehmen, bei deren Erfüllung sie auf Personal angewiesen wäre. Erst mal ist das ja eine leere Hülle. Das heißt, man
würde versuchen, das Personal aus der Landesbehörde für die entsprechenden Aufgaben in die Bundesbehörde zu übernehmen. Ob die das dann machen, wird man sehen. Denn das müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter natürlich selber entscheiden.
Wenn es einen guten Grund gibt, eine solche Entscheidung nicht zu treffen, dann ist das, glaube ich, Niedersachsen. Denn Niedersachsen hat es in den letzten Jahren geschafft, mehrere Dinge parallel zu machen. Es hat dafür gesorgt, dass Zukunftsprojekte konsequent auf den Weg gebracht wurden. Wir können die Diskussion über die A 39 und die A 20 gerne führen. Aber schauen Sie sich bitte einmal den Plan zur Abarbeitung der Planfeststellungsabschnitte in den nächsten Jahren an, den wir aufgelegt haben, damit die Planfeststellungsbeschlüsse und die Umsetzung erfolgen können. Das ist ein klar strukturierter Plan, der eine zügige Umsetzung vorsieht. Ich glaube, das hätten viele andere Bundesländer nicht geschafft.
Zweitens waren wir auch immer in der Lage, den Mitteleinsatz sicherzustellen. Wir konnten in Niedersachsen zum Teil 90 Millionen Euro mehr ausgegeben, als Niedersachsen eigentlich zugestanden hätte, weil wir so effizient geplant haben, weil unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hoch qualitativ arbeiten und weil wir in den letzten Jahren in hohem Maß Mittel in die Planung gesteckt haben. Ich erinnere mich daran, dass ich im letzten Jahr hier gestanden habe und mir Ihre schlimmen Vorwürfe mit Blick auf die zusätzlichen 15 Millionen Euro anhören musste. Sie haben dabei sicherlich über die Frage der Herkunft gesprochen, aber Sie sehen jetzt die Konsequenz.
- Ja, ich will das nur noch einmal beschreiben; das halte ich aus. Wir haben diese zusätzlichen 15 Millionen Euro genau deshalb in die Planung gesteckt, damit wir diesen konsequenten Weg zügig gehen können.
Wenn es also einen Grund gegeben hätte, eine solche Entscheidung im Bund nicht zu treffen, dann wären es die guten Argumente Niedersachsens und die gute Arbeit gewesen, die hier in Niedersachsen vor allem durch die Kolleginnen und Kollegen der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr geleistet wird.
Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, zu dem Komplex „Auftragsverwaltung“ liegen keine weiteren Zusatzfragen vor, sodass wir ihn als erledigt betrachten können.
a) Linksextremismus - Wie geht es weiter mit der Prävention? - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 17/6724
Laut dem Jahresbericht 2015 des niedersächsischen Verfassungsschutzes weist Niedersachsen ein Linksextremismuspotenzial von 1 060 Personen auf, wovon 625 gewaltbereit sein sollen. Im Jahr 2015 ist die Zahl politisch links motivierter Gewaltdelikte um ca. 26 % auf 146 Fälle gestiegen und damit sogar höher als die Zahl politisch rechts motivierter Gewaltdelikte.
In den letzten Monaten kam es in Göttingen vermehrt zu linksextremistisch motivierten Übergriffen. Insbesondere Mitglieder von Studentenverbindungen wurden dabei Opfer. Spiegel Online schrieb am 27. Juli 2016 hierzu unter der Überschrift „Kleinkrieg an deutschen Unis“, dass in Deutschlands Uni-Städten verstärkt Burschenschaften und Verbindungen angegriffen würden. Besonders in Göttingen „knalle“ es laut Spiegel Online „gewaltig“.
Der Leiter der Göttinger Polizeiinspektion wünschte sich laut Göttinger Tageblatt vom 4. August 2016 die Distanzierung von „massiver Gewalt linksextremer Demonstranten“. Er habe kurz zuvor während einer Demonstration auf dem Göttinger Albaniplatz gegen eine Demonstration des „Freundeskreises Thüringen/Niedersachsen“ „Hass und menschenverachtende Anfeindungen“ aus dem linksextremen Spektrum erlebt.
In einer Plenardebatte zum Linksextremismus sagte Innenminister Pistorius am 23. Januar 2014, dass es bei seinem Amtsantritt leider kein Konzept
für die Prävention im Bereich Linksextremismus gegeben habe. Die Prävention des Verfassungsschutzes im Bereich Linksextremismus bedürfe einer neuen konzeptionellen Planung. Diese solle künftig schwerpunktmäßige Angebote beinhalten, die auf den ganz speziellen Adressatenkreis in den bekannten Autonomen Zentren in Niedersachsen ausgerichtet seien.
Unter der Rubrik „allgemeine Broschüren und Flyer“ sind inzwischen auf der Internetseite des Verfassungsschutzes zwei Broschüren zum Linksextremismus und zur autonomen Szene zu finden. Unbekannt ist, was für die Verbreitung dieser Broschüren in den bekannten Autonomen Zentren getan wird.
Weitere Präventionspläne oder konkrete Projekte zur Prävention des Linksextremismus wurden bislang nicht von der Landesregierung oder dem Verfassungsschutz veröffentlicht.
Inzwischen kam es laut Presseberichten zu mehreren weiteren Gewaltdelikten mit wahrscheinlich linksextremistischer Motivation. Am 12. Juni 2016 wurde ein Mitglied einer Studentenverbindung von einer linksgerichteten Gruppe angegriffen, geschlagen und mit einer Reizflüssigkeit besprüht. Am 31. Juli 2016 wurden bei Ausschreitungen linker Aktivisten anlässlich einer Demonstration gegen Rechtsextremismus sieben Polizeibeamte verletzt und diverse Polizeifahrzeuge beschädigt.
1. Wann wird die neue konzeptionelle Planung der Landesregierung für die Prävention gegen den Linksextremismus abgeschlossen sein, die Innenminister Pistorius im Januar 2014 ankündigte?
2. Wie viele der politisch linksmotivierten Gewaltdelikte in Niedersachsen aus den Jahren 2015 und 2016 konnten aufgeklärt werden, und wie viele Verurteilungen gab es deswegen?
3. Was wird der nächste Schritt in der Prävention des Linksextremismus sein, etwa durch Verteilaktionen der beiden Broschüren in den bekannten Autonomen Zentren oder konkrete Projekte zur Entradikalisierung?
Vielen Dank, Frau Kollegin Jahns. - Die Antwort der Landesregierung erteilt Herr Innenminister Pistorius. Bitte!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht der Tatsache, dass wir uns in diesem Hohen Haus bereits im Juni 2016 im Rahmen einer Dringlichen Anfrage mit dem Themenbereich Linksextremismus beschäftigt haben, erscheint mir die erneute Auswahl und Schwerpunktsetzung dieser Thematik vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse in der bundesweiten Lage gerade im Bereich des Rechtsextremismus - wir haben alle die Meldungen in den letzten Tagen verfolgen können - und natürlich auch des Salafismus als etwas gewollt.
Ich möchte an dieser Stelle nur beispielhaft die aktuelle Diskussion über die Geschehnisse der sogenannten Reichsbürger oder den zweiten Jahrestag von Pegida nennen, meine Damen und Herren.
Ich werde an dieser Stelle nicht müde zu betonen - das habe ich bereits im Juni getan und auch davor; das werde ich auch in Zukunft immer betonen -, dass jegliche Form des Extremismus die Demokratie, die Sicherheitsbehörden sowie den Staat vor große Herausforderungen stellt und dass die Landesregierung jegliche Form des Extremismus - ganz gleich, aus welcher Motivation heraus er entsteht und sich verbreitet - sehr ernst nimmt. Dies umfasst sowohl den Rechts- und Linksextremismus als auch den salafistischen Extremismus, meine Damen und Herren.
Ich betone auch hier noch einmal ganz deutlich: Jede Form von Gewalt - egal, von wem auch immer begangen - ist kriminell, muss vom Rechtsstaat in aller Deutlichkeit geahndet und von der Gesellschaft als Ganzes geächtet werden, meine Damen und Herren.
Im Gegensatz zum Rechtsextremismus existieren zum Linksextremismus bisher leider sehr wenige aussagekräftige sozialwissenschaftliche Analysen beispielsweise zu den dort stattfindenden Radikalisierungsprozessen, auf deren Grundlage wirkungsvolle Konzepte z. B. zu den stattfindenden Radikalisierungsprozessen entwickelt werden könnten. Die Radikalisierungsprozesse verlaufen im Bereich links äußerst unterschiedlich. Die Übertragbarkeit von Präventionsansätzen vom Rechts- auf den Linksextremismus wird in der Fachwelt insgesamt kontrovers diskutiert und ist nicht nur aus der Sicht der Landesregierung aufgrund der diametralen Ideologien und Einstellungen der je
Im Rahmen ihrer Präventionsarbeit, die Ihnen durch die umfassende parlamentarische Befassung weitläufig bekannt sein dürfte, bekämpft die Landesregierung deshalb den Linksextremismus in erster Linie durch Aufklärung. Verfassungsschutz und Polizei in Niedersachsen informieren die Öffentlichkeit vor allem durch Publikationen, Fachinformationen, Tagungen, Vortragsveranstaltungen, Beratung von Funktionsträgerinnen und Funktionsträgern in den Ministerien, den Landesbehörden, Städten und Kommunen, in den Präventionsräten usw. sowie durch Fortbildung über die Gefahren, die vom Linksextremismus ausgehen. Sie will so zur weiteren Auseinandersetzung mit der Thematik anregen.
Für die überwiegende Zahl der in Niedersachsen tätigen Multiplikatoren in den Regelstrukturen der Schule und der außerschulischen Jugendbildung stellt der Linksextremismus keine aktuelle Priorität in den präventiven und pädagogischen Handlungsfeldern dar. So lagen dem niedersächsischen Verfassungsschutz für die Jahre 2014 bis 2016 insgesamt 56 Vortragsanfragen aus Schulen zur Extremismusprävention vor, davon zum Rechtsextremismus 29 Anfragen, zum Islamismus 21 Anfragen und zum Linksextremismus 6 Anfragen.
Meine Damen und Herren, linke Gewalt wird hauptsächlich von Heranwachsenden und jungen Erwachsenen begangenen. Bisherige Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden beschreiben die Personengruppe folgendermaßen: Die Hälfte der Tatverdächtigen war zum Tatzeitpunkt zwischen 18 und 24 Jahre alt. Dabei sind die Tatverdächtigen überwiegend Männer, nämlich 81 %. Linke Gewalt ist daher im Keim auch als Jugendphänomen zu begreifen.
Vieles deutet darauf hin, dass die Ausübung linker Gewalt bei den meisten Tatverdächtigen an eine bestimmte Lebensphase gebunden ist. Mit zunehmendem Alter spielt dann Gewalt als Ausdrucksform eine geringere Rolle.
Niedersachsen gewährleistet hinsichtlich der Fallzahlen der politisch motivierten Kriminalität aufgrund der vereinbarten Erfassungsvorgaben eine ständige Aktualität auch für bereits zurückliegende Zeiträume. Ergebnisse aus Ermittlungsverfahren oder Gerichtsurteilen finden auch für vergangene
Jahre Berücksichtigung in der Statistik. Dies führt dazu, dass Änderungen bzw. Nacherfassungen notwendig werden, die die Vergleichbarkeit von Daten, insbesondere in Abhängigkeit vom Erhebungszeitpunkt, beeinflussen.
Zu Frage 1: Die Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus in einer Demokratie und einer sich ständig verändernden offenen Gesellschaft ist niemals ein abgeschlossener Prozess, sondern befindet sich dauernd in der Fortentwicklung. Konzepte - wie oben beschrieben - müssen daher fortlaufend angepasst werden. Die momentanen Entwicklungen im Linksextremismus sind geprägt von Auseinandersetzungen mit dem Rechtsextremismus. Der Antifaschismus steht für die Autonomen hierbei in den letzten Jahren im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten.
Dies darf allerdings nicht zum Generalverdacht gegenüber einem Engagement von jungen Menschen in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus führen. Aus der Sicht der Sozialwissenschaften erscheint hier die Frage nach den Attraktivitätsmomenten - wie es genannt wird - linksmilitanter Szenen für die überwiegend jugendlichen Akteure. Weitet man den Blick entsprechend, dann zeigt sich, dass neben dem Interesse an gesellschaftlicher Mitgestaltung auch viele jugendspezifische Motive eine Rolle spielen, z. B. Selbstwirksamkeitserfahrung, radikale Hinterfragung des Bestehenden, das Bedürfnis nach Grenzerfahrungen.
Neue Formen einer zeitgemäßen staatlichen Prävention gegen Linksextremismus sind daher auf eine ganzheitliche Kooperation mit allen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Akteuren angewiesen. Daher strebt die Landesregierung hierzu die Fortsetzung des gesellschaftlichen Dialogs mit den Sozialwissenschaften an. Dies ist u. a. in der Fortsetzung der Veranstaltungsreihe „Aktuell und Kontrovers“ des niedersächsischen Verfassungsschutzes vorgesehen.
Seitens des Landeskriminalamts Niedersachsen wurden - überwiegend unter Federführung der Präventionsstelle Politisch motivierte Kriminalität - eine Reihe von Maßnahmen hauptsächlich mit der Zielrichtung einer Sensibilisierung durch Aufklärung zur Prävention der politisch motivierten Kriminalität links ergriffen. Dies war u. a.: Rollout des Films „Radikal“ am 13. Oktober 2016 im LKA Niedersachsen, der auch das Thema der Radikalisierung in der gewaltbereiten linksextremen Szene jugendgerecht aufbereitet und an Schulen, in Ju
gend- und vergleichbaren Einrichtungen eingesetzt wird. Der ca. 60 Personen umfassende Zuhörerkreis bestand aus Polizeibeamten, Staatsschutz und Prävention, Mitarbeitern des kommunalen Sozialdienstes, Vertretern der Niedersächsischen Landesschulbehörde, der Agentur für Arbeit, des Landessozialamts und der Polizeiakademie.
Zweitens. Fachliche Unterstützung bei der Fertigstellung des Internetleitfadens vom Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes zum Thema Linksextremismus und Bekanntgabe desselben per elektronischem Rundschreiben durch die PPMK am 28. November 2014 an die Polizeibehörden.
Drittens. Übersendung des durch die ProPK entwickelten und seit November 2015 angebotenen Konzepts „Demo ja - Gewalt nein“, einsatzbegleitende Materialien mit deeskalierendem Ansatz an die Polizeibehörden, mit Präventionsmaterialien. Es handelt sich dabei insbesondere um Plakate, Faltblätter und Postkarten, mit denen verhindert werden soll, dass sich ansonsten rechtstreue Bürgerinnen und Bürger in besonderen Demonstrationssituationen, wie wir sie ja kennen, mit gewaltbereiten Teilnehmerinnen und Teilnehmern solidarisieren oder zu Straftaten verleiten lassen.
Viertens. Planung und Durchführung von bislang zwei Fortbildungsveranstaltungen im Oktober 2015 und im September 2016 für Lehrer und angehende Lehrer in Hildesheim, u. a. zum Thema Linksextremismus, hier in Kooperation des LKA Niedersachsen mit der Stiftungsuniversität Hildesheim, Fachbereich Geschichte.
Fünftens. Planung und Durchführung von bislang zwei Fortbildungsveranstaltungen für angehende Justizvollzugsbedienstete in Wolfenbüttel im September 2015 und im Mai 2016, u. a. zum Thema Linksextremismus. Eine dritte Veranstaltung identischen Inhalts ist für November 2016 geplant.