Protokoll der Sitzung vom 27.10.2016

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorrangiges Ziel des Gesetzentwurfs der FDP-Fraktion ist es - dazu zitiere ich aus der Begründung -,

„dem besonderen Informationsanspruch der Öffentlichkeit bei öffentlichen Unternehmen Rechnung zu tragen. Unternehmen in der Rechtsform juristischer Personen des öffentlichen Rechts werden im Regelfall aus Steuergeldern finanziert. Auch bei anderen Unternehmen der öffentlichen Hand trägt zumeist letztlich die Allgemeinheit mit finanziel

len Mitteln wesentlich zur Unternehmensexistenz bei bzw. die öffentliche Hand trägt das Risiko unternehmerischen Handelns.“

Das trifft in der Tat auf eine Reihe öffentlicher Unternehmen zu. Der Grundgedanke, an der Stelle mehr Transparenz zu schaffen, wird von uns unterstützt. Bei aller grundlegenden Sympathie für mehr Transparenz möchte ich aber gleich zu Beginn feststellen, dass nach dem Wegfall der Gewährträgerhaftung für die niedersächsischen Sparkassen vor rund zehn Jahren alle dort aufgeführten Anhaltspunkte für einen besonderen Informationsanspruch der Öffentlichkeit bei den Sparkassen ausdrücklich nicht zutreffen.

Natürlich gibt es ein öffentliches und auch ein mediales Interesse an Gehältern anderer. Bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen ist das ganz besonders der Fall. Transparenz ist gefragt, und Neugier ist menschlich.

Die Berichterstattung über den Gesetzentwurf der FDP in den letzten Tagen war für die einbringende Fraktion bereits ein schöner medialer Aufschlag. Über diesen populären Ansatz hinaus verdient der Gesetzentwurf eine genaue Betrachtung und letztlich eine sorgsame Abwägung.

Ja, wir brauchen eine Diskussion und eine Abwägung über die Rahmenbedingungen des Wunsches nach mehr Transparenz, über bundesrechtliche Vorgaben, über Transparenzansprüche auf der einen und Persönlichkeitsrechte auf der anderen Seite, und auch Markt- und Wettbewerbsauswirkungen sind zu beachten.

In § 284 Abs. 4 HGB - der Kollege Heere hat diese Regelung vorhin angesprochen - sind die Ausnahmen von der Offenlegung der Bezüge geregelt. Wenn auf eine Einzelperson Rückschlüsse gezogen werden können, muss gemäß HGB keine Angabe der Bezüge im Jahresabschluss erfolgen. Hier überwiegen für den Bundesgesetzgeber also die Persönlichkeitsrechte gegenüber dem allgemeinen Transparenzanspruch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 90 % der Sparkassen in Niedersachsen haben drei oder zwei Vorstände. Selbst wenn man die Bezüge in der Gesamtsumme angibt, kann man das auf zwei Leute relativ schnell herunterbrechen. Die FDP schlägt ja sogar vor, die Gehälter und Versorgungsansprüche auf Ebene der Einzelperson zu veröffentlichen. Das, was Sie vorschlagen, steht also offensichtlich im Konflikt zur bewussten Ausnahme im HGB mit Blick auf die Persönlichkeits

rechte. Im Weser-Kurier von gestern wird hierzu Herr Finanzminister Schneider dahin gehend zitiert, dass er angesichts der bundesgesetzlich nicht gegebenen Verpflichtung wenig Spielraum für einen Zwang zur Offenlegung auf landesrechtlicher Ebene sieht.

Dass für die FDP-Fraktion in dieser Debatte die Persönlichkeitsrechte und der Datenschutz offensichtlich keine gewichtige Rolle spielen, überrascht uns. In diesem Landtag und in vielen deutschen Parlamenten hat sich die FDP immer wieder gegen zu viel Transparenz mit Blick auf den gläsernen Bürger ausgesprochen. Gläserne Vorstände von Sparkassen und anderen öffentlich-rechtlichen Unternehmen scheinen dagegen keinen besonderen Schutz ihrer Individualrechte zu verdienen.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, auch ordnungspolitisch kann ich Ihren Antrag deshalb nur schwerlich innerhalb des Koordinatenkreuzes liberaler Politik verorten.

(Beifall bei der CDU - Dr. Stefan Birk- ner [FDP]: Das überlassen Sie mal uns!)

Einmal veröffentlichte Bezüge werden im Internet bleiben, immer für jeden sichtbar, für interessierte Bürger, Geschäftspartner und Medienvertreter, aber auch für Menschen mit anderen Motiven. Auch das muss man beachten.

Wir werden uns im Zuge der Ausschussberatungen, für die wir uns übrigens eine Anhörung gut vorstellen können, wohl auch mit dem Vergleich zu anderen öffentlichen Funktionen befassen - das ist angesprochen worden -: Bürgermeister, Abgeordnete, Landräte. Ich sehe aber schon einen Unterschied zu einem angestellten Geschäftsführer eines öffentlich-rechtlichen Krankenhauses oder einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse. Diese Geschäftsführer sind nämlich nicht vom Volke gewählt.

Wichtig ist natürlich eine Transparenz der Bezüge für die jeweiligen Träger. Das ist in Niedersachsen auf Grundlage des Sparkassengesetzes z. B. so geregelt, dass die vom Träger sowie die von den Beschäftigten gewählten Aufsichtsorgane darüber befinden. Die Transparenz ist also dort, wohin sie gehört, dort, wo die Verantwortung liegt, und nicht dort, wo sie vorrangig auch Bestandteil einer öffentlichen Neidkultur sein könnte. Sparkassen sind nicht Teil kommunaler Haushalte, nicht Teil der

kommunalen Verwaltung. Auf den Wegfall der kommunalen Haftung bin ich eingegangen.

Deshalb: So schön die Transparenz vordergründig ist. In meinen Augen steht sie hier schon im Konflikt zur geltenden Rechtslage in Deutschland und in Niedersachsen.

(Zustimmung bei der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch zwei kurze Anstöße für die anstehende Ausschussberatung geben.

Professor Hitz von der Georg-August-Universität in Göttingen spekuliert im NDR-Fernsehen zu diesem Thema am 26. September über eine persönliche Haftung der Verwaltungsräte von Sparkassen. Überdurchschnittliche Vorstandsbezüge - überdurchschnittlich! - sollen eine private Haftung ehrenamtlicher Aufsichtsorganmitglieder auslösen. Das betrifft neben unseren Kommunalos, die in den Gremien sind, auch die gewählten Arbeitnehmervertreter. Über dem Durchschnitt dürfte rechnerisch so ungefähr die Hälfte der Fälle liegen. Hier eine persönliche Haftung der ehrenamtlichen Mitglieder von Aufsichtsgremien einzuführen, halte ich für maßlos.

(Beifall bei der CDU)

Das sollte im weiteren Verlauf unserer Beratungen aufgearbeitet werden; denn die Verwaltungsräte vor Ort müssen wissen, ob weitere Steine in den Weg zu dieser anspruchsvollen Arbeit gelegt werden sollen. Die Arbeit der Aufsichtsorgane ist angesichts der Markt- und Wettbewerbslage sowie angesichts der sukzessive verschärften und intensivierten aufsichtsrechtlichen Bestimmungen und Auflagen in den letzten Jahren sicher nicht einfacher geworden. Das gilt sicher auch für die Arbeit der Sparkassenvorstände, die sich längst nicht mehr auf stetig steigende Zinsen und Zinsüberschüsse verlassen können. Die Zeiten auf dem Sonnendeck der Sparkassen sind vorbei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt bei dem Gesetzentwurf der FDP sicherlich nicht nur um die Sparkassen, sondern um alle öffentlichrechtlichen Unternehmen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: So ist es!)

Da sind viele Gedanken in Ihrem umfangreichen Vorschlag richtig.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist aber neu!)

Das sollten wir vertieft diskutieren. In der Begründung führen Sie übrigens aus, dass von dem Ziel des Gesetzentwurfs der Landesregierung, dem besonderen Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zum Umgang mit öffentlichen Mitteln Rechnung zu tragen, auch öffentliche Unternehmen umfasst sind. Das finde ich sehr spannend; denn der Gesetzentwurf hier ist ja nicht von der Landesregierung, sondern von der FDP. Ein fast gleichlautender Gesetzentwurf ist in Schleswig-Holstein von der Landesregierung in den Landtag eingebracht worden.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Nordrhein- Westfalen, Herr Kollege!)

Insofern ist beim Abschreiben dieser Formulierung ein kleiner Fehler durchgerutscht. Das kann passieren. Uns ist es immerhin aufgefallen.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sicher können Gehälter der Mitglieder von Geschäftsführungsorganen öffentlich-rechtlicher Unternehmen überhöht sein. Das subjektive Empfinden darüber ist so unterschiedlich wie die Jahresbeträge, um die es geht. Eine sachliche Beurteilung wird nicht erleichtert, wenn die Bezüge von örtlichen Wettbewerbern der öffentlich-rechtlichen Unternehmen nicht offengelegt werden und auch nicht offengelegt werden müssen.

Insofern sollten wir bei einer etwaigen Anhörung darüber auch beachten, was z. B. der Verband kommunaler Unternehmen mit seinem Blick auf regionale Wettbewerbsstrukturen beizutragen hat. Auf diesen Austausch im Ausschuss und auf die hoffentlich stattfindende Anhörung freue ich mich.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Mohr. - Jetzt hat sich Frank Henning, SPD-Fraktion, gemeldet. Bitte schön, Herr Henning.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ziel des Gesetzentwurfes der FDP-Fraktion ist es, dem besonderen Informationsanspruch der Öffentlichkeit bei öffentlichen Unternehmen Rechnung zu tragen; das hat auch Herr Mohr gerade gesagt. Es soll für mehr Transparenz bei den Gehältern der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane gesorgt

werden. Die Chefgehälter in den Unternehmen mit Landesbeteiligung sowie die in den Sparkassen Niedersachsens sollen künftig offengelegt werden. Dies soll für Unternehmen des privaten Rechts gelten, an denen das Land unmittelbar oder mittelbar mehrheitlich beteiligt ist. Bei Minderheitsbeteiligungen von mindestens 25 % soll auf eine Veröffentlichung der Bezüge zumindest hingewirkt werden.

Gleiches soll für die niedersächsischen Sparkassen gelten. Hier soll der Träger - im Regelfall also die Kommune - über seine jeweiligen Verwaltungsratsmitglieder darauf hinwirken, dass die Vorstandsgehälter und die Vergütungen der Aufsichtsratsmitglieder veröffentlicht werden. Im Kern gilt es also, abzuwägen zwischen einerseits dem Anspruch der Öffentlichkeit auf Transparenz bei Geschäftsführungsgehältern öffentlicher Unternehmen und Sparkassen, da es hier auch immer wieder um die zweckentsprechende Verwendung öffentlicher Mittel geht, und andererseits dem Recht der betroffenen Unternehmensvorstände und Mitglieder der Kontrollgremien wie Aufsichts- und Verwaltungsräten auf informationelle Selbstbestimmung. Oder anders ausgedrückt: Was ist höher zu bewerten, die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Vorstände oder der Anspruch der Öffentlichkeit auf Transparenz?

Beim ersten Lesen des Gesetzentwurfs, Herr Grascha, habe ich mir verwundert die Augen gerieben. Stammt dieser doch sehr weitgehende Gesetzentwurf tatsächlich von der FDP-Landtagsfraktion hier im Hause, die sich doch sonst immer als Hüterin der individuellen Freiheitsrechte versteht und sich auf die Bürgerrechte beruft? - Erst gestern bei der Aktuellen Stunde hat sich die FDP für das Recht auf freie Fahrt für freie Bürger mit dem Golf GTI und für das Recht auf Spaß in einer Spaßgesellschaft starkgemacht, als es um mögliche Einschränkungen des Autoverkehrs im Zusammenhang mit hohen Emissionswerten ging. Und heute will die FDP diese individuellen Bürgerrechte wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf dem Altar der weitestgehenden Transparenz opfern?

(Christian Grascha [FDP]: Gilt das jetzt eigentlich auch für Bürgermeister und für Abgeordnete?)

Stünde nicht als Antragsteller die FDP-Fraktion auf dem Gesetzentwurf, Herr Grascha, könnte man beim ersten Lesen tatsächlich glauben, der Gesetzentwurf stamme von der eher sozialistisch

ausgerichteten Linkspartei im Kampf gegen das internationale Kapital.

(Zustimmung bei der SPD - Christian Grascha [FDP]: Können Sie auch einmal etwas zur Sache sagen?)

Vielleicht, Herr Grascha, war mir der FDPGesetzentwurf beim ersten Lesen gerade deshalb so sympathisch.

(Heiterkeit)

Aber im Ernst: Bei genauerer Betrachtung wirft der Gesetzentwurf aus meiner Sicht mehr Fragen auf, als dass er Lösungen aufzeigt. Wir werden diese offenen Fragestellungen im Haushaltausschuss intensiv erörtern und einer Klärung zuführen.

Natürlich ist die Fragestellung: „Will ich mehr Transparenz, mehr Klarheit und mehr Information für die Öffentlichkeit über die Höhe von Geschäftsführungsvergütungen?“ mit einem klaren Ja zu beantworten, wenn man das Thema politisch betrachtet. Ich habe ja bereits gesagt, dass ich persönlich große Sympathien für diesen scheinbar sozialistischen Gesetzentwurf der Liberalen hier im Hause habe.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das hörte sich aber eben anders an, Herr Kolle- ge! - Christian Grascha [FDP]: Damit haben Sie nicht gerechnet! Was?)

Allerdings muss der politischen Debatte natürlich auch eine rechtliche Debatte folgen. Geht das Ganze rechtlich überhaupt, was die FDP hier will? Ist es möglicherweise verfassungswidrig? - Mit diesen Fragen werden wir uns im Haushaltsausschuss beschäftigen müssen. Wir als SPDFraktion werden jedenfalls eine intensive Anhörung der betroffenen Verbände im Haushaltsausschuss dazu beantragen.