Protokoll der Sitzung vom 22.11.2016

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie namens des Präsidiums und bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen.

Gemeinsam mit den beiden Schriftführern wünsche ich Ihnen einen guten Morgen!

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsident!)

Tagesordnungspunkt 1: Mitteilungen des Präsidenten

Ich darf bereits jetzt die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.

Es gibt ein besonderes Ereignis, meine Damen und Herren: Geburtstag hat heute der Abgeordnete Björn Thümler.

(Beifall - Björn Thümler [CDU] nimmt Glückwünsche und Präsente entge- gen)

Lieber Herr Thümler, ich übermittle Ihnen im Namen des ganzen Hauses herzliche Glückwünsche. Gesundheit und Wohlergehen für das vor Ihnen liegende neue Lebensjahr! Auf dass es heute nicht zu anstrengend wird!

(Zuruf)

- Der Tag ist ja noch nicht zu Ende!

Meine Damen und Herren, zur Tagesordnung: Die Einladung für diesen Tagungsabschnitt sowie die Tagesordnung einschließlich des Nachtrages und der Informationen zu den von den Fraktionen umverteilten Redezeiten liegen Ihnen vor. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen geänderten Redezeiten fest, da ich keinen Widerspruch sehe. Die heutige Sitzung soll demnach gegen 19.15 Uhr enden.

Wie Sie der gestern Abend versandten Tagesordnung mit den aktualisierten Redezeiten entnehmen konnten, hat die Fraktion der CDU in Abstimmung mit den übrigen Fraktionen des Hauses sowie der Landesregierung die zunächst irrtümlich eingereichte Dringliche Anfrage in der Drucksache 17/6935 zurückgezogen - die Zurückziehung liegt als Drucksache 17/6942 vor - und durch die Anfra

ge in der Drucksache 17/6943 ersetzt. Diese soll morgen im Rahmen der Dringlichen Anfragen behandelt werden.

Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, dass sie beantragt, die Tagesordnung um die abschließende Beratung des Antrages der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 17/6589 „Die Alpha-Variante steht!“ zu erweitern und diesen Beratungsgegenstand am Donnerstag als letzten Tagesordnungspunkt - also nach Tagesordnungspunkt 29 - zu behandeln.

Wie mir weiter mitgeteilt wurde, sind die übrigen Fraktionen mit der Erweiterung der Tagesordnung einverstanden. Darf ich das Einverständnis des Hauses hierzu feststellen? - Dem ist offenbar so. In Anlehnung an die übliche Handhabung bei abschließenden Beratungen schlage ich für diesen Punkt folgende Redezeiten vor: CDU acht Minuten, SPD acht Minuten, Grüne vier Minuten, FDP vier Minuten und Landesregierung vier Minuten.

Meine Damen und Herren, bevor wir gleich im Rahmen dieser Sitzung das 70-jährige Bestehen des Landes Niedersachsen würdigen, weise ich darauf hin, dass das Archiv des Niedersächsischen Landtages im Foyer Originaldokumente aus der Entstehungszeit des Landes und seiner Volksvertretung zeigt, die zum Teil erstmals öffentlich zu sehen sind. Außerdem werden Unterlagen zur Entstehung des Niedersächsischen Landeswappens und der Landesfahne präsentiert. Ergänzend stellt die Bibliothek des Landtages eine Auswahl von historischer und aktueller Literatur zur Landesgeschichte aus ihrem Bestand vor. Ich denke, dass Sie von diesem Angebot heute, morgen oder übermorgen Gebrauch machen.

Für die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ werden in den kommenden Tagen Schülerinnen und Schüler des Gymnasium aus Neustadt mit einer Onlineredaktion live aus dem Landtag berichten. Die Patenschaft dafür hat der Abgeordnete Dr. Stefan Birkner übernommen.

(Beifall - Jörg Bode [FDP]: Er ist nicht da, also schon sehr beschäftigt!)

- Wir werden ihm von dem Beifall berichten.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr Herr Klein als Schriftführer mit.

Guten Morgen! Das geht schnell: Für heute liegen keine Entschuldigungen vor.

Danke schön. - Meine Damen und Herren, ich komme zu dem

Tagesordnungspunkt 2: 70. Jahre Land Niedersachsen

Wie Sie der Tagesordnung entnehmen können, soll das 70-jährige Bestehen unseres Bundeslandes auch im Rahmen dieser Plenarsitzung mit verschiedenen Redebeiträgen - des Landtagspräsidenten, des Ministerpräsidenten und der Vertreter, in der Regel der Vorsitzenden, der vier Fraktionen - gewürdigt werden. Mit Ihrer freundlichen Erlaubnis möchte ich sozusagen den Anfang machen.

Redebeitrag des Landtagspräsidenten

Bernd Busemann, Landtagspräsident:

Meine Damen und Herren! Zu Beginn des Monats haben wir uns in Niedersachsen an ein besonderes Datum erinnert. Am 8. November 1946 gründete die britische Militärregierung rückwirkend zum 1. November das neue Land Niedersachsen. In der Verordnung Nr. 55 der britischen Militärregierung heißt es:

„Mit Inkrafttreten dieser Verordnung verlieren die Länder Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe ihre Selbstständigkeit als Länder und werden Teile eines neuen Landes, welches die Bezeichnung ‚Niedersachsen‘ führt. Die Hauptstadt Niedersachsens ist Hannover.“

Obgleich der Niedersächsische Landtag als erste Gewalt dieses Staates erst im April 1947 gewählt wurde, möchte ich es doch nicht versäumen, im Namen des ganzen Parlaments zu diesem runden Geburtstag zu gratulieren.

Meine Damen und Herren, heute ist die allgemeine Lage, in der das Land gegründet wurde, kaum mehr vorstellbar: Die großen Städte des Landes lagen in Trümmern. Niemand konnte mehr übersehen, dass die NS-Ideologie, an die viele Menschen

bis zum Ende geglaubt hatten, eine Schande ohne Beispiel über Land und Volk gebracht hatte. Das niedersächsische Bergen-Belsen wurde zu einem der Synonyme für das schlimmste aller Menschheitsverbrechen. Landwirtschaft, Industrie, Arbeitsmarkt und Wohnungswesen lagen danieder. Die Versorgung mit Nahrung, Medikamenten, Heizmaterial usw. war weiterhin außerordentlich schwierig.

Gleichzeitig musste Westdeutschland viele Millionen Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten aufnehmen, versorgen und integrieren. Der Bevölkerungsanteil der Vertriebenen betrug 1946 in Niedersachsen 23,4 % bzw. knapp 1,5 Millionen Menschen.

Das war die Lage, in der das zweitgrößte Flächenland der späteren Bundesrepublik entstanden ist. Damals wurde eine große preußische Provinz mit langer eigenstaatlicher Vorgeschichte, nämlich Hannover, mit drei Bundesstaaten des untergegangenen Deutschen Reichs zusammengelegt. Ob das damals von einer Mehrheit gewünscht war, spielte zunächst gar keine Rolle. Entsprechend schwer fiel es vor allem den traditionsbewussten Oldenburgern und Braunschweigern, sich mit der Zugehörigkeit zum neuen Land Niedersachsen unmittelbar anzufreunden. Schaumburg-Lippe hingegen hat sich in die neue Gemeinschaft geradezu hineingekämpft, weil es nicht zu Nordrhein-Westfalen gehören wollte.

Doch vieles von dem, was man in Niedersachsen zunächst als Nachteil empfand, wandelte sich im Verlauf der letzten sieben Jahrzehnte zu einem Vorzug. Zum einen ist das unsere geografische Lage: im Norden die Küste, im Osten - damals - der Eiserne Vorhang und im Westen die damals noch relevante Grenze zu den Niederlanden. Die Küste mit ihren Häfen und vorgelagerten Inseln ist längst zum Wirtschaftsmotor und Standortvorteil geworden. Durch den Fall des Eisernen Vorhangs ist Niedersachsen aus einer Randlage in das Zentrum Europas gerückt, und die Grenze zu den Niederlanden trennt uns heute von den Nachbarn dort kaum stärker als die Grenzen zu Hessen, Thüringen oder Nordrhein-Westfalen.

Auch die zunächst schwierige Heterogenität erwies sich immer mehr als Vorteil. Obwohl Braunschweig, Oldenburg, Schaumburg-Lippe und Hannover keine gemeinsame Geschichte hatten, gelang es den Gründervätern und -müttern, einen innerniedersächsischen Föderalismus zu etablieren. Er ermöglicht eine gemeinsame Identität ge

rade dadurch, dass die besonderen Belange der früheren Länder besonders gefördert werden und gewahrt bleiben.

Das gilt im Übrigen nicht nur für die vier unmittelbaren Vorgängerstaaten Niedersachsens, sondern auch für ältere Landesteile mit eigener staatlicher und parlamentarischer Geschichte. Deren Weiterleben innerhalb Niedersachsens garantieren u. a. die Landschaften und Landschaftsverbände. Sie gehören zu den von Artikel 56 bzw. seit 1993 Artikel 72 der Verfassung geschützten überkommenen Institutionen der Vorgängerländer. Es war eine kluge Entscheidung der Verfassungsgeber, die Traditionsklausel als Auftrag zu formulieren. Damit ist dauerhaft sichergestellt, dass die Vorgängerländer nicht nur in der Erinnerung und in der Folklore fortleben, sondern weiterhin politische Realität sind.

Das Land Niedersachsen - meine Damen und Herren, ich glaube, das darf man sagen - ist eine Erfolgsgeschichte. Unsere Aufgabe als Volksvertretung ist es, die Fortsetzung dieser Erfolge zu gestalten. Das kann in meinen Augen nur gelingen, wenn wir erkennen, dass Landespolitik mehr ist als Verwaltung. Gerade bei der weiteren Entwicklung aller Landesteile stellt uns die demografische Entwicklung vor große Herausforderungen. Um Niedersachsen als Ganzen voranzubringen, brauchen wir eine ausgeglichene Entwicklung aller seiner Regionen. Die lebendige Vielfalt des Landes ist auch dabei kein Nachteil, sondern wahrscheinlich die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg.

Meine Damen und Herren, nach 70 Jahren kann man fragen. Was würden Hinrich Wilhelm Kopf, Theodor Tantzen, Alfred Kubel, Heinrich Hellwege, Georg Diederichs oder Adolf Cillien zu dem Land sagen, dessen erste Jahre sie an führender Stelle gestaltet haben? - lch denke, sie wären sich genau wie wir jenseits aller politischen Unterschiede darüber einig: Niedersachsen ist geglückt. Darauf dürfen wir bei aller norddeutschen Bescheidenheit und Unaufgeregtheit auch ein bisschen stolz sein.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich darf jetzt Herrn Ministerpräsidenten Weil um seinen Redebeitrag bitten.

Redebeitrag des Ministerpräsidenten

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir vor zwei Jahren, am 3. Oktober, in unserer Landeshauptstadt Hannover den Tag der Einheit für ganz Deutschland ausrichten durften, stand dieses Fest in Anlehnung an Gottfried Wilhelm Leibniz unter einem Motto, das die Bundesrepublik insgesamt gut beschreibt: Einheit in Vielfalt. - Einheit in Vielfalt - das ist vielleicht auch so etwas wie das heimliche Landesmotto, 70 Jahre nach der Gründung Niedersachsens.

Unser Land ist durchaus unterschiedlich: geschichtlich, landschaftlich und auch kulturell. Die verschiedenen Regionen unseres großen Flächenlandes haben bis heute alle ihren eigenen Charakter bewahrt, und sie haben ihr eigenes Profil. Auch innerhalb unserer Gesellschaft gibt es die unterschiedlichsten Ausprägungen, vor allen Dingen übrigens auch im Zusammenhang mit der Zuwanderung, die buchstäblich von Beginn des Landes Niedersachsen an die Entwicklung bei uns geprägt hat.

Dennoch oder vielleicht auch gerade deswegen ist Niedersachsen im 70. Jahr seines Bestehens so stark wie vielleicht noch niemals zuvor. Wir verzeichnen einen historischen Rekord bei der Beschäftigung. Noch niemals hatten in Niedersachsen so viele Menschen einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz. Die Arbeitslosigkeit ist wieder etwa auf das Niveau zurzeit der Wiedervereinigung zurückgegangen. Wir sind Vorreiter bei den erneuerbaren Energien. Wir tun viel für Bildung und Qualifizierung der jungen Leute. Und zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes kommt unser Land ohne neue Schulden aus.

Aber am schönsten finde ich, wenn Umfragen immer wieder bestätigen, dass die Menschen in Niedersachsen im Durchschnitt um einiges zufriedener sind als in anderen Teilen Deutschlands.

Diese Zwischenbilanz nach 70 Jahren zeigt einerseits, wie sehr sich Niedersachsen, das ja aus Trümmern heraus entstanden ist, nach vorn entwickelt hat. Sie bestätigt zum anderen das Erfolgsrezept, nicht alles über einen Kamm scheren zu wollen, sondern bewusst auch Verschiedenheit als Stärke zu sehen. Zum Dritten, meine ich, können wir uns aus diesen Erfahrungen heraus auch die Zuversicht und das Selbstbewusstsein nehmen, anstehende Herausforderungen zu meistern.

An solchen Herausforderungen wird es nicht mangeln; daran besteht gar kein Zweifel. Zu nennen sind vor allen Dingen die beiden großen D: Demografie und Digitalisierung. Auch Niedersachsen wird diesen großen Trends der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland begegnen müssen. Aber nach all den Erfahrungen der letzten 70 Jahre: Warum sollten wir uns eigentlich davor fürchten? - Im Gegenteil. Wir haben Grund zu Mut und zu Selbstvertrauen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)