Protokoll der Sitzung vom 22.11.2016

Meine Damen und Herren, mit dem Zukunftspakt stellt sich Volkswagen so auf, dass die hohen Sozialstandards des Konzerns langfristig gehalten werden können. Hier zeigt sich einmal mehr, was verantwortungsvolle, aber auch unnachgiebige Gewerkschaftsarbeit bewirken kann. Dafür vielen Dank an den Gesamtbetriebsrat!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es ist angesprochen worden: Mit dem Zukunftspakt wird die Kernmarke Volkswagen wieder profitabler werden. Das war dringend erforderlich. Die Zahlen sprechen für sich.

Das ist ebenfalls eine gute Nachricht für Niedersachsen. Denn VW-Pkw - das ist Wolfsburg, das sind die Standorte Braunschweig und Salzgitter, das sind die Werke in Emden, Osnabrück und natürlich auch in Hannover. Nur wenn die Kernmarke VW auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt, werden wir die Zehntausenden von Arbeitsplätzen an diesen niedersächsischen Standorten auch langfristig erhalten können.

(Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann übernimmt den Vorsitz)

Vor allem aber wird die neue Konzernstrategie dafür sorgen, dass Volkswagen Antworten auf die Frage nach der Mobilität der Zukunft findet: mit großen Investitionen in eine eigene Batterieproduktion in Braunschweig und Salzgitter als Probelauf, mit einem verstärkten Fokus auf IT- und Softwareanwendungen in Wolfsburg, aber auch mit einer verbesserten Auslastung des Werkes in Emden durch das lange geforderte vierte Modell. Was Emden angeht, fordern wir schon seit Jahren eine Auslastung des Werkes und das vierte Modell. Endlich hat Emden hier eine Zukunftsperspektive.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Insgesamt werden diese Investitionen ein Volumen von 3,5 Milliarden Euro erreichen; ein Großteil davon in Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, verantwortliches Handeln bedeutet, die richtigen Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit zu ziehen. Es bedeutet, in der Gegenwart die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen. In diesem Sinne stellt der Zukunftspakt für Volkswagen einen Meilenstein in der Firmengeschichte dar. Er wird sicherstellen, dass der Erfolgsgeschichte des Konzerns noch viele weitere Kapitel hinzugefügt werden. Das ist ein großer Verdienst des Betriebsrates, der Unternehmensführung und auch - das will ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen - der Landesregierung, die immer in einem engen Schulterschluss mit dem Betriebsrat stand und steht.

Allerdings - und das sage ich an dieser Stelle auch ganz deutlich - habe ich nach den Erfahrungen der letzten Wochen und Monate überhaupt kein Verständnis für die Aussagen des Vorstandvorsitzenden Matthias Müller, der auf kritische Fragen und Anmerkungen mit Unverständnis und „mangelnder Kundennachfrage“ antwortet. Meine Damen und Herren, in der Kommunikationsstrategie bei Volkswagen ist, um es freundlich zu sagen, noch viel Luft nach oben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich bin unserem Ministerpräsidenten Stephan Weil sehr dankbar, dass er auch die Zulieferfirmen nochmals angesprochen und deutlich gemacht hat, dass die Landesregierung hier schon längst den Gesprächsfaden aufgenommen hat. Unser Wirtschaftsminister Olaf Lies steht schon seit längerer Zeit mit den Zulieferbetrieben in Kontakt. Anfang Dezember wird noch einmal eine große Zulieferkonferenz einberufen werden, damit auch die, die von diesem gewaltigen Umbruch betroffen sein werden, hier mitgehen können.

Meine Damen und Herren, das Thema der Bonizahlungen muss aus meiner Sicht auch nochmals deutlich angesprochen werden. Auch das hat der Ministerpräsident gemacht. Natürlich müssen die Bonizahlungen erneut und sehr ernsthaft auf den Prüfstand gestellt werden. Da gibt es, glaube ich, überhaupt kein Vertun. Das ist gegenüber den Beschäftigten mehr als recht und billig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn VW verlorengegangenes Vertrauen wirklich ernsthaft zurückgewinnen will, dann braucht es eine andere Unternehmenskultur. Daran ist aus meiner Sicht dringend zu arbeiten.

Meine Damen und Herren, Zitat:

„Der Zukunftspakt hat Licht und Schatten. Er stellt nach langem Ringen einen tragbaren Kompromiss für beide Seiten dar. Wir haben jetzt ein Ergebnis der Vernunft.“

So Bernd Osterloh auf der PK am vergangenen Freitag.

Meine Damen und Herren, ja, Volkswagen geht durch eine schwere Zeit, und auch der nun verhandelte Zukunftspakt wird in der Umsetzung noch schwer genug werden, weil wir erst am Anfang stehen. Aber unser großes gemeinsames Ziel in diesem Haus muss doch wie in der Vergangenheit

sein, Volkswagen wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Wir stehen zu VW - wie VW zu Niedersachsen!

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Modder. - Ich erteile jetzt für die FDP-Fraktion Herrn Kollegen Jörg Bode das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident Weil, Herr Minister Lies, was wir gestern im Wirtschaftsausschuss und heute hier im Plenum anlässlich der Regierungserklärung erlebt haben, war keine Information des Landtages durch die Landesregierung, sondern ein Wettbewerb im Vorlesen von VolkswagenPressemitteilungen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Ach, Herr Bode! - Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Und ich würde sagen - wenn Sie mir die Bewertung erlauben -: Herr Minister Lies hat ihn gewonnen, weil er auch noch die Meldung des Betriebsrats vorgelesen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, stellen wir uns doch einmal vor, die Mitteilungen der letzten Woche wären nicht von Volkswagen gekommen, sondern von Conti in Bezug auf das Werk in Gifhorn, aus der Ernährungswirtschaft, etwa von der Wesjohann-Gruppe, oder von irgendeinem anderen niedersächsischen Unternehmen. Was wäre dann heute hier in diesem Haus los gewesen? - Von der Regierungsbank hätte es einen Aufschrei gegeben, und Herrn Will und Herrn Schminke hätte es nicht auf den Stühlen gehalten.

Es hätte Aufruhr gegeben - denn es geht um den Abbau von 30 000 Arbeitsplätzen und um das Feuern von 5 000 Leiharbeitern. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Sachlage, über die wir hier reden!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Und wir wissen ja ungefähr, was dann passiert wäre. Herr Lies wäre gekommen und hätte, wie er das schon seit Jahren tut, wieder gesagt: „Leiharbeiter müssen nach einer gewissen Einarbeitungs

zeit vollständig gleichbehandelt und automatisch übernommen werden.“ - Aber das gilt für ihn nur für Unternehmen, in denen er selbst nicht an der Entscheidungsfindung beteiligt ist, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Herr Ministerpräsident Weil hat sich sogar selbst zu der Situation bei Volkswagen geäußert. Am 8. März dieses Jahres sagte er auf der Betriebsversammlung zu allen Mitarbeitern und auch zu den Leiharbeitern um 11.00 Uhr - ich zitiere hier aus dem manager magazin -:

„Zur Bewältigung der Abgas-Krise bei Volkswagen darf es nach Ansicht von Aufsichtsrat Stephan Weil keinen Stellenabbau bei Leiharbeitern ohne neue Job-Alternativen geben.“

Das ist deutlich, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Weil, Sie haben bei Ihrem eigenen Anspruch versagt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir reden über den Abbau von 30 000 Arbeitsplätzen in der Stammbelegschaft. Natürlich wird das für die einzelnen Beschäftigten sozial verträglich ausgestaltet werden. Aber für das Land Niedersachsen und für strukturschwache Regionen ist dieser Verlust von Arbeitsplätzen ein Verlust von Zukunftsperspektiven.

Für die 5 000 Arbeitsplätze der Zeitarbeiter, über die wir hier reden, gibt es keine Perspektive - außer der Aussage, die wir gestern und auch heute wieder gehört haben, dass Autovision zu einer besseren Transfergesellschaft werden soll. Obwohl Sie alle etwas anderes versprochen haben!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Ministerpräsident ist im Aufsichtsrat und hier im Landtag ein Weltmeister im Lippenspitzen. Aber wenn man die Lippen spitzt, Herr Weil, dann muss man irgendwann auch einmal pfeifen, sonst wird man nicht mehr ernst genommen. - Bei Volkswagen im Vorstand nimmt Sie anscheinend keiner mehr ernst!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es ist doch unstrittig, dass ein Unternehmen eine Rendite erwirtschaften muss, damit es vernünftig am Markt agieren kann. Das gilt auch für Volkswagen. Deshalb haben sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon vor Jahren gemeinsam mit dem Betriebsrat aufgemacht, Vorschläge zu sammeln,

wie man die Rendite auf ein vernünftiges Maß erhöhen kann. Das hat damals noch Martin Winterkorn angestoßen, weit vor Dieselgate. Es ist dann allerdings nicht dazu gekommen, dass man in der Umsetzung wirklich schnell gehandelt hat. Und dann kam auch noch Dieselgate hinzu.

Wenn man unter Ertragsdruck steht und die Rendite nicht stimmt, dann hat man unternehmerisch zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit ist, mit der gleichen Mannschaft, mit den gleichen Arbeitnehmerinnen und -nehmern, zu wachsen, besser zu werden und mehr Produkte zu verkaufen. Die andere Möglichkeit ist, mit dem, was man verkauft, zufrieden zu sein, die Kosten zu senken, zu schrumpfen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kündigen.

Der Aufsichtsrat und der Vorstand von Volkswagen haben sich diesmal für die zweite Variante entschieden - und damit einen anderen Weg eingeschlagen, als es Volkswagen in der Vergangenheit getan hat.

Ich will hier gerne einmal an das Jahr 2007 erinnern, als es Volkswagen ähnlich schlecht ging und sogar der Abbau von über 50 000 Arbeitsplätzen in Rede stand. Damals haben Ferdinand Piëch und Martin Winterkorn mit der Strategie 2018 einen sehr mutigen Weg beschritten. Viele haben daran gezweifelt, dass Volkswagen es schaffen könnte, zu wachsen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tatsächlich zu halten. Aber diese Strategie war sehr erfolgreich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht nur gehalten worden, es konnte sogar noch mehr Personal eingestellt werden, und VW konnte weiter wachsen.

(Anja Piel [GRÜNE]: Das ist nur die Hälfte der Wahrheit! - Johanne Mod- der [SPD]: Vielleicht war das der Aus- gangspunkt der Umstrukturierung, Herr Bode! Sie müssen mal zu Ihrer eigenen Verantwortung stehen! - Nicht zu fassen, dass der mal Wirt- schaftsminister war!)

Was allerdings unentschuldbar war, war der Betrug bei Dieselmotoren. Das ist aber kein Fehler der Wachstumsstrategie. Die Wachstumsstrategie ist trotzdem eine Option, die man richtigerweise hätte wählen können. Sie haben sich allerdings entschieden, einen anderen Weg zu gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie hätte man es machen können? - Ein richtiger Umgang mit dem Kunden, eine transparente Aufklärung,

eine vernünftige Kommunikation, das Schaffen von Vertrauen, eigene Leistung hätten es möglich gemacht, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter zu halten.

Aber es war noch nie ein gute Idee, den Kunden zu betrügen, und es war noch nie eine gute Idee, den Kunden zu beschimpfen. Aber wenn der Kunde zuerst betrogen und danach beschimpft wird, dann muss man nicht 5 000 Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter feuern, sondern dann muss man den Vorstand in die Wüste schicken, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Christian Dürr [FDP]: Richtig!)