Protokoll der Sitzung vom 13.12.2016

Vielen Dank, Frau Kollegin Joumaah. - Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Dr. Christos Pantazis zum gleichen Themenkomplex das Wort. Die Gesamtrestredezeit der SPD beträgt 8:03 Minuten. Bitte, Herr Kollege!

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Joumaah, Sie haben recht, Integration kostet Geld. Aber teurer ist keine Integration. Das alles überlagernde Thema gerade auch bei der Aufstellung der Haushalte in den entsprechenden politischen Ebenen, vom Land bis zu jeder einzelnen Kommune, war in den vergangenen Haushaltsjahren die Entwicklung der Aufgaben für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen. Der Anstieg der Zugangszahlen, insbesondere seit Anfang September 2015 und in den ersten Monaten des laufenden Jahres, stellte auch unser Land vor große Herausforderungen. Dabei stand und steht außer Frage, dass Schutzsuchende in Niedersachsen die erforderliche Hilfe erhalten und Belastungen der Kommunen abgefedert werden.

In dieser historischen Phase unseres Landes gilt es, sich dieser Verantwortung zu stellen und diese auch zu meistern; denn die Menschen in unserem Land haben eine klare Erwartungshaltung an die Politik. Sie wollen, dass wir Orientierung geben und klar sagen, wie es weitergehen wird. Das tun wir auch mit diesem Haushalt.

Während wir in 2015 und 2016 unsere ganze Kraft auf die Versorgung und Unterbringung der vielen Flüchtlinge verwendeten, folgt nun die weitaus größere Aufgabe: die Integration und Teilhabe der vielen neuen Menschen in unserer Gesellschaft. Diese neue Aufgabe wird uns über lange Zeit sehr intensiv fordern, weit über die laufende Legislaturperiode hinaus, und hat natürlich auch erhebliche Auswirkungen auf den folgenden Landeshaushalt 2017/2018, und zwar auf sämtliche Einzelpläne. Betrug der kumulierte Haushaltsansatz für den Politikbereich Migration und Teilhabe im Jahre 2014 beispielsweise noch 172 Millionen Euro, so wird er sich für die kommenden Haushaltsjahre 2017 und 2018 auf 1,5 bzw. 1,4 Milliarden Euro belaufen. Damit wird Niedersachsen in den beiden nächsten Jahren zusammen ca. 3 Milliarden Euro für vielfältige Maßnahmen zur Bewältigung des erhöhten Zuzuges von Flüchtlingen zur Verfügung stellen und so den Weg für eine erfolgreiche Integration ebnen.

Hinsichtlich der Beteiligung des Bundes erhält das Land im Zeitraum 2017/2018 rund 690 Millionen Euro. Folglich trägt das Land bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen mehr als zwei Drittel der Kosten selbst. Es kann trotz dieser fi

nanziellen Herausforderungen für die kommenden Jahre einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bei der Integration und Teilhabe ist das Sozial- und originäre Integrationsministerium zuallererst gefordert. Im Einzelplan 05, für den ich mich auch bei Ihnen und Ihrem Haus, Frau Ministerin Rundt, herzlich bedanken möchte, kann dieses bereits auf gute Strukturen aufbauen, wie beispielsweise den landesweit flächendeckend bestehenden Koordinierungsstellen für Migration und Teilhabe oder der Beratungsförderung im Rahmen der Flüchtlingssozialarbeit sowie der allgemeinen Integrationsberatung.

Für die diesjährigen Haushaltsplanungen sind insbesondere die Aufwendungen für die Unterbringung, Versorgung und Betreuung der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen von hoher Bedeutung, da die Zahl der aus ihrer Heimat geflüchteten Kinder und jungen Menschen seit dem letzten Jahr immens angestiegen ist. Mit diesem Anstieg stiegen auch die Kosten von 44 Millionen Euro in 2015 auf aktuell 280 Millionen Euro in diesem Haushalt respektive 204 Millionen Euro in den Jahren 2017 und 2018.

Aber sowohl die Integration durch Arbeit - hier sei an die Novellierung des Niedersächsischen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes erinnert - als auch die Kofinanzierung des IQ-Netzwerks mit entsprechender verdoppelter Landesförderung sind unverzichtbar.

Gesellschaftspolitisch gilt es, dem Neosalafismus als derzeit dynamischste fundamentalistische Bewegung weltweit entschlossen und frühzeitig entgegenzutreten. So wurde unter Federführung des Sozialministeriums eine Beratungsstelle zur Prävention neosalafistischer Radikalisierung beratend eingerichtet, die mit ca. 400 000 Euro vollständig vom Land getragen wird. Erste Erfahrungen zeigen, dass sich der ganzheitliche Beratungs- und Begleitungsansatz hier bewährt hat und dass die Zahl der Beratungsfälle auch weiterhin ansteigt.

Auch die die Regierung tragenden Fraktionen haben ferner über die politische Liste in einem erheblichen Umfang migrationspolitische Schwerpunkte für die kommenden zwei Jahre gesetzt. Dazu zählen beispielsweise die Erhöhung von Maßnahmen zur Prävention salafistischer Radikalisierung um weitere 200 000 Euro jährlich, die Förderung eines psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge im Um

fang von 3 Millionen Euro, die Unterstützung jugendlicher Flüchtlinge in Beruf und Gesellschaft mit 2,5 Millionen Euro, aber auch Mittelaufstockungen bei Dolmetscherleistungen für Flüchtlinge von 1,7 Millionen Euro, bei der Unterstützung von Migration 1 Million Euro, der Flüchtlingssozialarbeit und dem bürgerschaftlichen Engagement in der Flüchtlingshilfe von jeweils 1 Million Euro pro Jahr.

Neben der Finanzierung einer unabhängigen Asylverfahrensberatung - 400 000 Euro - möchte ich abschließend die Beteiligung an einer humanitären Maßnahme im Nordirak bzw. im Libanon im Umfang von 1 Million Euro nicht unerwähnt lassen.

Ich fasse noch einmal zusammen: Wir geben Orientierung und sagen auch migrationspolitisch klar, wie es weitergehen wird.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Pantazis. - Meine Anerkennung den Kolleginnen und Kollegen des Stenografischen Dienstes angesichts dieser Herausforderung eben!

(Heiterkeit und Beifall)

- Wir haben das hier verfolgt.

Das Wort hat jetzt für die FDP-Fraktion mit einer Restredezeit von 5:57 Minuten die Kollegin Hillgriet Eilers. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mich gerade an die Redegeschwindigkeit gewöhnt, da kam das Ende doch etwas abrupt. Nun wird es etwas bedächtiger bzw. langsamer.

Der Haushalt für Migration und Teilhabe ist, wenn man ihn genau studiert, ein Flickenteppich. Es finden sich Maßnahmen in allen Ressorts. Diese wiederum sind sehr unterschiedlich zu betrachten und auch zu bewerten. Dabei stellt niemand infrage, dass wir große Summen der verfügbaren Mittel für die Integrationsarbeit einsetzen müssen. Das wollen wir so, und das wollen wir auch alle miteinander so; denn es ist eine große Aufgabe. Da sind wir uns einig. Wir wollen vielen Menschen in Niedersachsen ein sicheres Lebensumfeld bieten und ihnen Chancen ermöglichen, Teil unserer Gesellschaft zu werden.

Aber wenn wir über den Haushalt sprechen, ist doch der wichtigste Eckpfeiler etwas, was mit Geld nicht zu bezahlen ist, nämlich das großartige ehrenamtliche Engagement, für das die Anerkennung auch durch die Unterstützung von professionellen Kräften nicht hoch genug sein kann.

(Beifall bei der FDP)

Wir reden also heute nicht über das Warum, sondern wir reden über das Wie und das Was. Sie kennen die Position der Freien Demokraten - ich kann es mir an dieser Stelle natürlich nicht verkneifen -: Die Landesregierung muss sich stärker für eine gesteuerte Zuwanderung einsetzen, und wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, um zwischen Flüchtlingen und Zuwanderern klar zu unterscheiden.

(Zustimmung bei der FDP)

Wichtig sind nämlich schnellstmögliche Entscheidungen darüber, wer mit welchem Status bleibt und wer nicht. Das ist genau die Grundlage für passgenaue effektive Integrationsmaßnahmen. Diese müssen nachvollziehbar und klar im Haushalt verankert sein. Daran hapert es bei einigen Posten. Deswegen gilt auch: Nicht viel hilft viel, sondern gezielt hilft viel. Nur eine Förderung auf Basis nachvollziehbarer Konzepte hilft viel.

Einiges im Haushalt ist klar zuzuordnen und sehr zu begrüßen. Ich will an dieser Stelle nur die Initiative für den Zugang zum Arbeitsmarkt nennen. Die handwerkliche Ausbildung und damit verbundene Qualifizierungsmaßnahmen sind ein sehr positives Beispiel.

Sorgen machen uns andere Versäumnisse, z. B. im Bildungsbereich, bei den Sprachkursen, bei der Einstellung von Lehrkräften, bei der sozialpädagogischen Betreuung usw. Dazu hat die FDP-Fraktion immer wieder Vorschläge gemacht.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich meine, die Landesregierung weiß durchaus, was zu tun wäre. Aber sie handelt nicht stringent. Und wenn sie handelt, dann handelt sie im Schneckentempo, im Übrigen auch bei der Weiterleitung der Mittel an die Kommunen. Dies ist insbesondere stark zu kritisieren; denn dort - Frau Joumaah hat es gerade gesagt - wird die Herkulesarbeit geleistet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Schnell ist die Landesregierung woanders, nämlich bei den repräsentativen Veranstaltungen, die in der Regel gut gepolstert durchgeführt werden, mit Finanzmitteln, die auch der direkten Flüchtlingshil

fe zugutekommen könnten. Die damit verbundenen Ziele der Landesregierung, nämlich sich ins rechte Licht zu setzen, sind sehr durchsichtig.

An anderer Stelle allerdings bleiben die Ambitionen eher im Trüben. So lautet das Credo im Ressort für Landwirtschaft und Verbraucherschutz offensichtlich - Herr Meyer ist leider nicht hier; sonst könnte ich ihn persönlich danach fragen -: Wir machen auch einmal etwas für Flüchtlinge. - Da heißt es nämlich im Haushalt: Infobedarf und Beratung der Flüchtlinge zum Thema Verbraucherschutz. - Inhaltliches wird nicht weiter erläutert. Ich bin gespannt, wie Minister Meyer die Ergebnisse später erklären wird.

(Christian Grascha [FDP]: Sehr inte- ressant!)

Dasselbe gilt für das Ministerium für Umwelt. Es hat ein Projekt zur Bachrenaturierung und zur Sicherung der biologischen Vielfalt mit Flüchtlingen auf den Weg gebracht, bzw. ein solches Projekt soll auf den Weg gebracht werden, muss ich korrekterweise sagen.

Sehr geehrte Damen und Herren, einiges ist von einem klaren Konzept so weit entfernt wie die Erde vom Mond.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Inhaltsschwerer allerdings ist Folgendes: Es gibt ein Aktionsprogramm zur Erarbeitung kultursensibler Rollenbilder mit dem Ziel - ich zitiere -, weder Demokratie noch Grundrechte infrage zu stellen. Sollte das nicht selbstverständlich sein?

Außerdem wird ausgeführt, dass die Mehrheitsgesellschaft den Gleichstellungsgrundsatz verstehen soll - das muss man erst einmal sacken lassen - und - ich zitiere - „Ansichten sogenannter ‚minderwertige Frauenbilder‘ fremder Kulturen korrigieren“ soll. Das können Sie in der mittelfristigen Finanzplanung, Seite 64, nachlesen. Dafür gibt es 200 000 Euro pro Jahr, zunächst für zwei Jahre und dann fortfolgend.

Dieses Beispiel zeigt doch sehr deutlich, dass wir genau hinschauen müssen, ob das Geld für fragwürdige Nullkonzepte ausgegeben wird; denn nicht viel hilft viel, sondern nur eine gezielte Förderung auf Basis klarer Konzepte hilft viel.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU])

Vielen Dank, Frau Kollegin Eilers. - Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt in der zweiten Runde als Rednerin die Kollegin Filiz Polat angezeigt, der ich das Wort erteile. Die gesamte Restredezeit der Fraktion beträgt 7:15 Minuten. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich werde mich auf die Bereiche Pflege, Migration und Queer-Politik konzentrieren.

Meine Damen und Herren, das Leben kann sich von der einen Minute auf die andere schlagartig ändern: ein Schlaganfall, ein Sturz im Alter oder die Diagnose Alzheimer. Jeder Mensch, der dann pflegebedürftig wird, hat zu diesem Zeitpunkt seine eigene ganz persönliche Lebenssituation. Dennoch wünschen sich fast alle Menschen dasselbe, nämlich ein weiterhin selbstbestimmtes und würdiges Leben. Dafür bedarf es der Unterstützung von pflegenden Angehörigen sowie guter und zufriedener Pflegekräfte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das sind unsere Leitlinien, das ist unser Maßstab. Danach richten wir unsere Pflegepolitik im Land aus. Daran orientiert sich die Ministerin, auch gegenüber dem Bund im Bundesrat.

Zur Fachkräftesicherung in der Pflege. Ich möchte wiederholen, dass wir im Februar letzten Jahres die Schulgeldfreiheit in der Altenpflegeausbildung gesetzlich abgesichert haben. Das ist eine wichtige Aufgabe. Hierfür sind im Haushalt knapp 7,7 Millionen Euro verankert. Im Jahr 2018 steigt der Betrag auf 8,5 Millionen Euro.

Ein wichtiges Vorhaben, das wir hier im Landtag einstimmig unterstützen, ist das Reformvorhaben zur Zusammenführung der Fachkraftberufe in der Pflege zu einer einheitlich generalistischen Pflegeausbildung. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass auch hier die Ministerin unermüdlich Druck auf Bundesebene macht und aktuell eine Bundesratsinitiative mit Bremen und Hamburg unterstützt, die am Freitag im Bundesrat noch einmal eindringlich an den Bund appelliert, die Gesetzesinitiative zum Pflegeberufereformgesetz zum Abschluss zu bringen; denn das ist auch für eine verlässliche Planung der Ausbildungsbetriebe, der Auszubil

denden und vor allem auch unserer Fachschulen im kommenden Jahr notwendig.