Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zum

Tagesordnungspunkt 2: Erste Beratung: Feststellung eines Sitzverlustes gemäß Artikel 11 Abs. 2 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung i. V. m. § 8 Abs. 2 des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes - Antrag des Landtagspräsidenten - Drs. 17/7245

In dieser Drucksache liegt Ihnen der Antrag vor, entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen den Mandatsverlust von Herrn Ansgar-Bernhard Focke festzustellen.

Über einen solchen Tagesordnungspunkt wird traditionell ohne Aussprache abgestimmt. - Ich höre keinen Widerspruch und lasse daher gleich abstimmen.

Wer dem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei einer angetäuschten Enthaltung

(Heiterkeit)

hat das Parlament einstimmig so entschieden.

Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Ansgar-Bernhard Focke, der sich in der Plenarsitzung im Dezember schon im Rahmen einer Rede von uns verabschiedet hat, ist damit aus dem Landtag ausgeschieden. Herr Focke, für Ihr neues Leben - wenn ich das so bezeichnen darf - im benachbarten Bundesland wünschen wir Ihnen und Ihrer Familie für die Zukunft alles Gute - auch für das Berufliche, vielleicht auch doch das Politische.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, gemäß § 38 Abs. 2 in Verbindung mit Absatz 5 Satz 2 des Landeswahlgesetzes hat die Landeswahlleiterin inzwischen festgestellt, dass der frei gewordene Sitz auf Frau Anette Meyer zu Strohen übergeht. Frau Meyer zu Strohen hat ihre Bereitschaft erklärt, das Landtagsmandat als Nachrückerin anzunehmen. Ich hätte die neue Kollegin am liebsten gleich hier begrüßt. Aber wie ich höre, hängt sie noch ein bisschen im Verkehr.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ich habe sie aber heute schon gesehen! - Wei- tere Zurufe)

- Sie ist im Hause? - Wir sind in Hoffnung bzw. in freudiger Erwartung. Die Begrüßung werden wir gleich nachholen. Vielen ist die Kollegin Meyer zu Strohen ja noch aus der letzten Wahlperiode bekannt.

Meine Damen und Herren, ich gehe über zum

Tagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde

Für diesen Tagesordnungspunkt sind mir vier Themen benannt worden, deren Einzelheiten Sie der Tagesordnung entnehmen können.

Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich bei allen Beteiligten als bekannt voraus - auch bei der Landesregierung.

Ich eröffne die Besprechung zu

a) Der Rechtsstaat muss für alle gelten - aktuelle Sozialbetrugsfälle lückenlos aufklären und klare Konsequenzen ziehen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/7314

Dieser Antrag wird vom Abgeordneten Dr. Stefan Birkner begründet. Herr Birkner, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorkommnisse in der Landesaufnahmestelle in Braunschweig und der Umgang der Landesregierung damit offenbaren, dass in Niedersachsen mit zweierlei Maß gemessen wird.

Auf der einen Seite werden Ordnungswidrigkeiten ganz konsequent bis ins Letzte verfolgt; da kann sich jeder von uns ganz sicher sein. Und auf der anderen Seite hören und erleben wir, dass ein massenhafter Sozialhilfebetrug begangen wird - offensichtlich oder mindestens anscheinend besteht ein entsprechender Verdacht -, dass die staatlichen Stellen diesen aber nicht mit der notwendigen Konsequenz verfolgen.

Das Eingeständnis, meine Damen und Herren, dass dies aus Angst vor Rassismusvorwürfen nicht erfolgt ist, dass also staatliche Stellen ein Auge zudrücken, mindestens aber zurückhaltend agieren und sich nicht trauen, dem nachzugehen, be

stätigt unsere Befürchtung, die wir in diesem Parlament schon vielfach geäußert haben, dass nämlich die Angst davor, mit dem, was man tut, am Ende nicht der rot-grünen Gesinnung zu entsprechen, und die Angst davor, dass man, wenn man sich nach Recht und Gesetz verhält, in bestimmten Situationen tatsächlich damit rechnen muss, gesellschaftlich, wenn nicht sogar dienstlich, in irgendeiner Weise Nachteile zu erfahren und geächtet zu werden, dazu führt, dass in Niedersachsen Recht und Gesetz unterschiedlich angewandt werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das, meine Damen und Herren, ist aus unserer Sicht ein dramatischer Befund. Es ist ein dramatischer Zustand, in dem sich Niedersachsen, in dem sich unser Land im fünften Jahre der rot-grünen Regierung befindet. Unausgesprochene, aber durchaus vorhandene Erwartungen bestimmen das Verwaltungshandeln in Niedersachsen, auch wenn dadurch gegen Recht und Gesetz verstoßen wird.

(Gerald Heere [GRÜNE]: Das ist eine Frechheit!)

Das Primat des Rechts wird immer wieder infrage gestellt und am Ende politischer Opportunität geopfert. Politische Opportunität wird über Recht und Gesetz gestellt. Damit, meine Damen und Herren, wird der Rechtsstaat in seinen Grundzügen infrage gestellt. Das ist ein dramatisches Verständnis und hat dramatische Folgen für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unserem Staat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Petra Tiemann [SPD]: Unglaublich! Ihr Verständnis ist dramatisch!)

- Frau Kollegin, die Fakten sind dramatisch. Sie müssen sich dem stellen.

Minister Pistorius wird dem im Zweifelsfall entgegenhalten, das seien natürlich alles nur bloße Unterstellungen ohne jeglichen faktischen Hintergrund.

(Petra Tiemann [SPD]: Mit etwas an- derem können Sie ja auch nicht arbei- ten!)

Es sei das Wunschdenken der Opposition, und am Ende gebe es dafür keine Beweise. Meine Damen und Herren, das Gegenteil ist der Fall.

Wir haben ein Eingeständnis des Landeschefs der Landesaufnahmebehörde, der, nachdem in der Pressekonferenz davon nicht die Rede war, im Ausschuss deutlich gesagt hat: Ja, die Angst vor Rassismusvorwürfen war eine der treibenden Kräfte dafür, dass man sich diesen Dingen nicht in der Konsequenz gestellt hat, wie es notwendig gewesen wäre.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht! - Klaus-Peter Bach- mann [SPD]: Das hat er so nicht ge- sagt! - Petra Tiemann [SPD]: Un- glaublich!)

Wir haben in dem Prozess bezüglich der Wolfsburger Terrorzelle in Celle einen Polizeibeamten erlebt, der gesagt hat, dass es eben ein Politikum sei, in und in Bezug auf Moscheen zu ermitteln, weshalb man lieber die Finger davon lasse. Und wir haben eine Vorwegnahme der von Rot-Grün beabsichtigten Änderung des Verfassungsschutzgesetzes erlebt, indem man die unter 16-Jährigen eben nicht mehr gespeichert hat und gesagt hat: Das wird ja kommen und deshalb machen wir das nicht. - Und genau eine unter 16-Jährige begeht am Ende einen Anschlag auf einen Polizeibeamten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

All das sind konkrete Beispiele dafür, dass diese rot-grüne Gesinnung das Verwaltungshandeln bestimmt und am Ende Recht und Gesetz untergepflügt werden. Das ist unverantwortlich, und das ist die Verantwortung dieser Landesregierung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Anstatt dieses Problem zu realisieren und sich dieser Problematik zu stellen, wird einfach darüber hinweggegangen. Es wird nicht wahrgenommen, dass hier grundlegend etwas schief läuft, wofür die Regierung die Verantwortung trägt. Zu den jeweiligen Fällen wird dann erklärt, es seien einzelne Vorfälle oder Missverständnisse gewesen. So wird auch hier versucht zu relativieren. Mitarbeiter seien in völlig unerklärlicher Art und Weise über das Ziel hinausgeschossen. Man könne das überhaupt nicht nachvollziehen. Es wird versucht, die Dinge zu bagatellisieren und kleinzureden und über die grundlegenden strukturellen Probleme hinwegzutäuschen.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das stimmt überhaupt nicht! - Petra Tiemann [SPD]: Purer Populismus!)

Das, meine Damen und Herren, ist verantwortungslos.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es ist besonders verantwortungslos, weil Sie mit dieser Politik genau denjenigen in die Hände spielen, die versuchen, z. B. die Frage, was in der LAB in Braunschweig geschehen ist, die genau solche Fragen zu Flüchtlingen in Deutschland für ihre Zwecke zu instrumentalisieren,

(Glocke des Präsidenten)

die genau auf solche Fälle warten, um am Ende populistisch auf dem Rücken der Flüchtlinge Politik zu machen. Wenn man sich diesen Herausforderungen nicht stellt, wie die Landesregierung das tut, betreibt man das Geschäft derer, die nur auf solche Gelegenheiten gewartet haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Herr Minister, sorgen Sie dafür, dass diese Missstände abgestellt werden. Stellen Sie sich dem einmal grundlegend, und versuchen Sie nicht immer, einfach darüber hinwegzutäuschen.

Herr Ministerpräsident, wenn der Minister dazu nicht in der Lage ist, dann sorgen Sie dafür, dass zumindest der ehemaligen Mitarbeiterin dieses Landes Gerechtigkeit widerfährt!

(Glocke des Präsidenten)

Entschuldigen Sie sich bei ihr, und sorgen Sie dafür, dass sie wieder eine ordentliche Anstellung in der Landesverwaltung erhält und nicht, einfach weil sie nicht Ihren politischen Vorgaben entsprochen hat, ihren Job verliert und bestraft wird.