Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

Angesichts dieser Leistung und dieses außerordentlichen Engagements finde ich es mehr als beschämend, wenn auf dem Rücken aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LAB NI pauschal Kritik geübt wird.

(Beifall bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Wer hat das getan?)

Viele scheinen aktuell zu vergessen - oder vielleicht ist es auch bequem, es vergessen zu wollen -, wie die Situation vom Sommer 2015 bis zum Frühjahr 2016 während des enormen Zuzugs von Flüchtlingen überhaupt war. Scheinbar gibt es Fälle von temporärer Amnesie.

In den Erstaufnahmeeinrichtungen mussten Menschen teilweise in den Gängen und Büros untergebracht werden, weil keine Räume mehr vorhanden waren. Kellerräume mussten genutzt werden.

Der Innenausschuss des Landtages war im Oktober 2015 zu Besuch in Braunschweig und lobte einmütig die dort geleistete Arbeit. Die Überschrift der Braunschweiger Zeitung lautete - ich zitiere -: „Politiker loben LAB: Schwierige Lage wird gut gemanagt.“

(Christian Grascha [FDP]: Was hat das mit dem Thema zu tun?)

Die jetzt geäußerte unverhältnismäßige Kritik an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Verantwortlichen dort erscheint mir als scheinheilig.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur damaligen Zeit - und auch das haben Sie offenbar vergessen - hatte ich mich ausdrücklich dafür eingesetzt, Kriminalität unter Asylsuchenden nicht zu tabuisieren. Es war und ist uns ein wichtiges Anliegen, eine falsch verstandene Toleranz im Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerberinnen und Asylbewerbern von vornherein zu verhindern. Wir haben entsprechend gehandelt.

Ich habe beispielsweise veranlasst, dass der sogenannte Flüchtlingsmerker in das polizeiliche Vorgangsbearbeitungssystem Nivadis aufgenommen wurde. Darüber hinaus wurden an allen sechs Standorten der Landesaufnahmebehörde Sonderkommissionen nach dem Vorbild der Soko Zerm eingerichtet. Zentrales Anliegen dabei war und ist es, dass es einen möglichst engen Draht zwischen

der Polizei und der Landesaufnahmebehörde gibt. Die Einrichtung dieser Sonderkommission hat sich ausgezahlt.

Ich habe damals übrigens bereits frühzeitig auf die Probleme bei der Registrierung der Flüchtlinge hingewiesen, gerade damit Identitätsmissbrauch verhindert werden kann. Dazu folgendes Zitat von mir aus einer dpa-Meldung vom 7. November 2015:

„Wir brauchen viel schneller die Kompletterfassung aller relevanten Daten jedes Flüchtlings, auch mit Fingerabdrücken, damit wir wissen, wer das ist, und auch, wo er sich aufhält.“

Zu diesem Zeitpunkt - auch das sei Ihnen in Erinnerung gerufen - wurden durch das BAMF keine Fingerabdrücke genommen.

(Johanne Modder [SPD]: So ist es!)

Ein elektronischer Datenaustausch fand praktisch nicht stand.

(Johanne Modder [SPD]: Ja, genau!)

Ich erinnere daran, dass zu dieser Zeit das BAMF den Datenaustausch mit CDs per Post organisiert hatte, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD - Petra Tiemann [SPD]: Ja, so war das! - Johanne Modder [SPD]: So ist es!)

Das Anfang 2016 vom Bund eingeführte Datenaustauschverbesserungsgesetz hat diese Situation dann endlich verbessert.

In diesem Zusammenhang verärgert es mich nun sehr, dass behauptet wird, mein Ministerium habe die Kommunen angewiesen, keine Registrierungen vorzunehmen.

(Jens Nacke [CDU]: Sie haben das gemacht!)

Mit der Wahrheit nimmt es anscheinend nicht jeder genau.

(Jens Nacke [CDU]: Sie tragen die Verantwortung!)

Hierzu wird vonseiten der Opposition auf einen Fragenkatalog, einen sogenannten FAQ, für die Amtshilfe Bezug genommen.

(Petra Tiemann [SPD]: Ja, genau!)

Mit diesem Fragenkatalog haben wir allein den Umfang der Amtshilfe eingegrenzt, die zum Ziel

hatte, die Menschen vor Obdachlosigkeit zu schützen. Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, es gilt die alte Regel: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von Jens Nacke [CDU])

In diesem Papier steht weiter - ich zitiere -: Einer Aufnahme der Flüchtlinge in den Datenbestand der LAB NI durch die Ausländerbehörden in Amtshilfe wird nicht widersprochen.

(Zuruf von Jens Nacke [CDU])

Ich wiederhole, weil Herr Nacke nicht zugehört hat: Einer Aufnahme der Flüchtlinge in den Datenbestand der LAB NI durch die Ausländerbehörden in Amtshilfe wird nicht widersprochen.

(Jens Nacke [CDU]: Das schlicht un- wahr!)

Ich kann es noch einmal sagen. - Einen Satz weiter heißt es: Voraussetzung dafür ist eine Vereinbarung mit dem Land sowie eine Schulung des Personals. - Es kann also überhaupt nicht die Rede davon sein, dass wir den Kommunen eine Registrierung untersagt hätten. Das Gleiche gilt übrigens für den von Ihnen erhobenen Vorwurf der Vertuschung von Sozialleistungsbetrugsfällen in Braunschweig. Diesen Vorwurf, meine Damen und Herren, weise ich an dieser Stelle noch einmal mit Nachdruck zurück.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das haben Vertreter meines Hauses, der Landesaufnahmebehörde und ich in der vergangenen Woche anhand der Chronologie der Ereignisse auch deutlich gemacht. Der Standortleiter hatte im Februar Kontakt mit der Sonderkommission aufgenommen, nachdem es die ersten Verdachtsfälle von Sozialbetrug gegeben hatte. Wie bitte, meine Damen und Herren, begründen Sie bei diesem Vorgehen des Standortleiters den Versuch der Vertuschung? - Es wäre nämlich genau kontraproduktiv gewesen, wenn er dies hätte tun wollen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ich denke, das wird erst aufgeklärt! - Weitere Zu- rufe von der CDU und von der FDP)

Es ist aufgrund von Missverständnissen und Kommunikationsfehlern dann zu Verzögerungen in der Aufklärung gekommen - ja, das bedauern wir -, die aber auch den vorhin beschriebenen Begleit

umständen geschuldet sind. Sie können aber sicher sein, meine Damen und Herren, dass wir die Betrugsfälle in Braunschweig und an allen anderen Standorten lückenlos aufklären. Wir sind auch längst dabei.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Na klar!)

Auch die Landesaufnahmebehörde arbeitet intensiv und aktiv an der Aufklärung des Identitätsmissbrauchs. So wurde im Herbst 2016 eine Projektgruppe eingesetzt, die ein Verfahren entwickelt hat, um die Nutzung von Mehrfachidentitäten in der Vergangenheit aufzuklären - was nach derzeitiger Erkenntnislage bundesweit übrigens einmalig ist. Es gibt sogar Bundesländer, die ernsthaft von sich behaupten, sie hätten keine Fälle von Sozialleistungsbetrug.

An allen Erstaufnahmeeinrichtungen werden Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter mit besonderer Expertise für den Bereich Mehrfachidentitäten eingesetzt. Inzwischen sind mehrere hundert Fälle der Polizei gemeldet worden, wie ich weiß.

Sehr geehrte Damen und Herren der Opposition, Sie sprechen häufig - und damit komme ich zum Schluss - von einem bestimmten Klima, von einer rot-grünen Gesinnungspolitik.

(Editha Lorberg [CDU]: So ist es doch aber!)

Diesen Ausdruck verwenden Sie in verschiedenen Variationen - so, wie es Ihnen gerade gefällt - immer dann, wenn Sie keinerlei Belege für Ihre absurden, abwegigen Behauptungen haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Als ob in Braunschweig nichts gewesen wäre!)

Meine Damen und Herren, wahrscheinlich ist Ihnen das gar nicht bewusst, und wahrscheinlich machen Sie das auch nicht mit Absicht. Was Sie aber damit tun, ist Folgendes: Sie unterstellen damit gut ausgebildeten, langjährig beschäftigten und loyalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesverwaltung, sie stünden wie das Kaninchen vor der Schlange vor einer rot-grünen Gesinnungspolitik und würden sich dadurch zu rechtswidrigem Verhalten verführen lassen.

(Christian Dürr [FDP]: Wir unterstel- len, dass Sie die nicht unterstützen! Ihnen unterstellen wir das, nicht den Mitarbeitern!)

Was ist das eigentlich für ein Bild, das Sie von der niedersächsischen Beamtenschaft haben?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Ihnen werfen wir das vor! Schieben Sie es doch nicht dauernd auf Ihre Mitarbeiter! Sie sind der Minister! Nichts gesehen, nichts gehört!)

Meine Damen und Herren, es nützt Ihnen ja nichts. Wenn Herr Dr. Birkner hier andeutet - ich habe das Zitat aus seinem Vortrag nicht mehr genau in Erinnerung; ich lese es aber gerne nach -, rot-grüne Gesinnungspolitik pflüge den Rechtsstaat unter, dann kann ich Ihnen nur zurufen, Herr Dr. Birkner: Geht es nicht eine Nummer leichter? - Dann würden Sie nämlich nicht das tun, was Sie anderen vorwerfen, nämlich Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten und der Gegner dieses Staates zu gießen.