Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

Aber dem Vorwurf eines politischen Vertuschungswillens, gar einer politischen Opportunität rot-grüner Art, von dem in den Ausführungen von Herrn Birkner die Rede war, muss man ausdrücklich widersprechen. Von Beginn an hat der Innenminister Boris Pistorius entgegen der Blockadehaltung des BAMF - - -

(Ulf Thiele [CDU]: Woher wissen Sie das?)

- Das wissen auch Sie, Herr Thiele! Das haben wir alle in den Debatten hier im Landtag immer wieder diskutiert.

(Jörg Bode [FDP]: Wo ist denn da der Beweis? - Ulf Thiele [CDU]: Sie be- haupten das!)

Während der chaotischen Situation beim BAMF hat man hier in Niedersachsen Fingerabdruckscanner eingesetzt, als beim BAMF noch in Postkutschenmanier die Datenträger, die CDs, auf dem Postweg verschickt wurden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Erst auf Druck der Länder und insbesondere dieses Innenministers wurde das Datenaustauschverbesserungsgesetz endlich auf den Weg gebracht, sodass man überhaupt eine Grundlage hatte, um die unterschiedlichen Daten miteinander vernetzen und kommunizieren zu können, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Hinsichtlich der Verdachtsfälle zu Mehrfachidentitäten, die als Altfälle auftreten könnten, gibt es schon seit Herbst 2016 eine Projektgruppe, die an den Altfällen arbeitet. Das geregelte Verfahren hinsichtlich Situationen, die jetzt auftreten, habe ich bereits erwähnt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Insofern muss man hier ausdrücklich die insbesondere von Herrn Birkner vorgetragenen Vorwürfe, wonach es Vertuschungen gegeben habe, von der Hand weisen. Das hat es nicht gegeben. Ganz im Gegenteil, wenn es genau zu dieser Zeit ein Problem hinsichtlich von Daten, von Mehrfachidentitäten gab, dann ist das dem BAMF geschuldet. Dazu sollten Sie sich über Frau Schröder an Herrn de Maizière wenden. Da gilt das Zitat zum Rechtsstaat ganz besonders.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der CDU: Ablenken!)

Vielen Dank, Herr Onay. - Es folgt für die SPDFraktion Kollege Watermann. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Überschrift dieses Antrages zur Aktuellen Stunde sagt ganz deutlich: Der Rechtsstaat fordert ein, da konsequent zu ahnden, wo Sozialmissbrauch betrieben wird von denen, die Leistungen erschleichen, oder von denen, die Zahlungen als Anbieter fälschlicherweise beziehen, und auch mit denjenigen genauso konsequent umzugehen, die dazu beitragen, indem sie Wissen, über das sie verfügen, nicht weitergeben.

Das ist für Sozialdemokraten vollkommen klar.

(Zuruf von Jörg Bode [FDP])

Ich sage Ihnen, Herr Birkner: Da brauchen wir keine Belehrungen - weder von CDU noch von der FDP.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der FDP: Die Praxis sagt leider etwas an- deres!)

- Das glaube ich ganz bestimmt nicht.

Zu unserem Rechtsstaatsverständnis gehört allerdings auch etwas anderes. Vielleicht sollten Sie sich das als Liberale vor Augen führen: Da gibt es jemanden, der verdächtig ist. Gegen ihn wird ermittelt.

(Christian Dürr [FDP]: Leider nicht! - Zuruf: Nein!)

- Moment, Moment. Einfach einmal in Ruhe abwarten.

(Christian Dürr [FDP]: Der Idealzu- stand! Erzählen Sie mal!)

Da wird gegen jemanden ermittelt. Der Verdacht steht jetzt im Raum. Dann gibt es eine Justizinstanz, eine Disziplinarinstanz, die feststellt, was gewesen ist. Erst dann, wenn das festgestellt ist, kann man davon ausgehen, dass dies auch stattgefunden hat. - Punkt 1.

(Zuruf von der [SPD]: Das nennt man Rechtsstaat! - Zurufe - Unruhe)

Punkt 2. Gegen jemandem, der diese Sachen nicht weitergegeben hat - - -

(Anhaltende Unruhe)

Herr Watermann, einen Moment! Ich möchte Ruhe herstellen. Sekunde!

Ja, das ist unangenehm. Das weiß ich. Dann werden die immer lauter.

(Unruhe)

Herr Watermann, halten Sie einen Moment inne! Wenn das Parlament wieder aufmerksam ist, geht es weiter. - Bitte sehr!

Wenn es jemanden gibt, der über Wissen verfügt hat, dieses aber möglicherweise nicht weitergegeben hat, dann wird auch gegen ihn ermittelt und dann wird auch bei ihm geprüft, ob es den Tatsachen entspricht, dass er dies nicht getan hat.

Mein Wissen - ich würde gern von Ihnen hören, woher Sie ein anderes haben - ist, dass das jetzt passiert, dass in dem Fall, in dem unterstellt wird, dass jemand sein Wissen nicht weitergegeben hat, ein Disziplinarverfahren läuft und eine strafrechtliche Bewertung erfolgt.

(Jörg Bode [FDP]: Der Minister hat schon erklärt, dass das ein Missver- ständnis ist!)

Wenn das abgeschlossen ist, dann kann ich feststellen, ob dieser Tatbestand stattgefunden hat.

(Zurufe von der CDU)

Sie durchlöchern die Rechtsstaatlichkeit, indem Sie Dinge voraussetzen, die bis jetzt nur ein Verdacht sind.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bode zu?

Nein, das kann nicht hilfreich sein.

(Jörg Bode [FDP]: Doch!)

Ich werde in keinem Fall irgendjemandem, der sich bei einem anderen Tatbestand, der diesen Staat auch schädigt - nämlich bei Steuerbetrug -, gegen den Ankauf von Steuer-CDs ausspricht, unterstel

len, etwas unterdrücken zu wollen, meine Damen und Herren.

(Zuruf von SPD: Genau!)

Sie sollten gelegentlich einfach einmal die Kirche im Dorf lassen. Es ist ein klares Verfahren. Es gibt vielfachen Sozialmissbrauch. Es gibt vielfachen Steuerbetrug. Dem muss nachgegangen werden.

(Christian Grascha [FDP]: Das ist komplett am Thema vorbei!)

Hier ist ein Verfahren im Gang, nicht mehr und nicht weniger. Sie wollen hieraus politisches Kapital schlagen. Sie unterstützen die AfD und andere damit. Ich sagen Ihnen: Das wird Ihnen nicht gelingen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ulf Thiele [CDU]: Unfass- bar! - Gudrun Pieper [CDU]: Das ist so unter der Gürtellinie! - Christian Dürr [FDP]: Wie kann man so blöd sein?! - Unruhe)

Meine Damen und Herren, wenn wieder Ruhe eingekehrt ist, hat die Landesregierung das Wort. Herr Minister Pistorius. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gegenstand dieser Aktuellen Stunde sind die Verdachtsfälle von Sozialleistungsbetrug durch Mehrfachidentitäten von Asylsuchenden in der Landesaufnahmebehörde Niedersachen am Standort Braunschweig.

In der vergangenen Woche haben Vertreter meines Hauses und ich über diese Fälle und die Umstände dezidiert informiert. Dabei haben wir deutlich gemacht - und ich betone es noch einmal -, dass es nach derzeitigem Stand keine Vertuschung durch die Landesaufnahmebehörde gegeben hat. Sämtliche Verdachtsfälle wurden bereits im Juni 2016, genauer gesagt am 1. Juni 2016, an die Soko Zerm weitergegeben.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle zunächst einmal den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesaufnahmebehörde herzlich danken. Sie haben in einer absoluten Ausnahmesituation, in der bis zu 2 000 Flüchtlinge pro Tag nach Niedersachsen kamen, hervorragende Arbeit geleistet und dazu beigetragen, Obdachlosigkeit von Flüchtlingen zu verhindern.

(Petra Tiemann [SPD]: So ist es!)

Angesichts dieser Leistung und dieses außerordentlichen Engagements finde ich es mehr als beschämend, wenn auf dem Rücken aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LAB NI pauschal Kritik geübt wird.