Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

(Björn Thümler [CDU]: Wir haben das nicht angekündigt! Das war Ihr Minis- terpräsident!)

Hier verweise ich auf die Vereinbarung des Konzerns mit der amerikanischen Justiz, die den derzeitigen Erkenntnisstand im Wesentlichen dokumentiert. Wer hier anfängt, zu spekulieren, gefährdet unverantwortlich das Unternehmen und die Arbeitsplätze nicht nur bei VW, sondern auch bei den Zulieferern.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir erwarten allerdings, dass die Ermittlungen gegen Herrn Winterkorn schnell für Klarheit sorgen; denn der Rücktritt vom Amt mit der Übernahme der Verantwortung - daran kann ich mich auch ausdrücklich erinnern - erfolgte bereits im September 2015.

In diesem Zusammenhang wünsche ich mir, dass die Themen Vorstandsvergütungen und BoniRegelungen gerade am Beispiel Winterkorn noch einmal ergebnisoffen diskutiert werden, damit in Zukunft gegenüber der interessierten Öffentlichkeit und den betroffenen Arbeitnehmern im Konzern die Regelungen nachvollziehbarer werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wichtig ist das Bekenntnis in der Abgaskrise von VW zu einem Kulturwandel gewesen. Verträgt sich das mit dem Ausscheiden der Ethik-Chefin Christine HohmannDennhardt, die gerade für den bewusst gewollten Kulturwandel, den sie bei DaimlerChrysler ja wohl erfolgreich mit bewerkstelligt hat, nach Wolfsburg geholt worden ist? Sie verlässt den VW-Vorstand bereits nach einem Jahr - und das gegen Fortzahlung der Bezüge. Das lässt ein ungutes Gefühl zurück.

(Lachen bei der CDU und bei der FDP - Jörg Bode [FDP]: Nein! Das ist ein Skandal!)

Die Durchsetzung einer neuen Unternehmenskultur wird nach so kurzer Zeit nicht auf den Weg gebracht worden sein.

Meine Damen und Herren, Grundsatz für meine Fraktion bleibt: erstens weiter konsequente Aufklärung durch den Konzern nach innen, zweitens weiter konsequente Aufklärung von außen und drittens konsequente Ahndung auch von Fehlverhalten Einzelner, wobei auch mögliche Schadenersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder zu prüfen sind.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Im Übrigen haben wir bei der Aufarbeitung vollstes Vertrauen in die zuständigen Justizbehörden des Landes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, reden wir über die Herausforderungen des Marktes! In Zukunft geht es im Kern darum, dass VW auf dem Weltmarkt technologisch den Anschluss findet, wenn z. B. in China das Ziel „33 % der Fahrzeuge mit Elektromobilität“ in den nächsten Jahren vorgegeben wird. Es gibt also eine Menge operativer Arbeit für das Unternehmen.

Reden wir über unsere gemeinsame Verantwortung gegenüber dem führenden mitbestimmten Unternehmen VW hier in Niedersachsen mit einer Landesbeteiligung in enger Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern nicht nur im Aufsichtsrat des Unternehmens! Ich erinnere an die gemeinsame Abwehr einer unfreundlichen Übernahme. Wenn es diese Konstruktion nicht gegeben hätte, wäre VW in Niedersachsen Geschichte, meine Damen und Herren.

Wir müssen uns also entscheiden. Entweder: Beteiligung ja; dann auch im Aufsichtsrat; dann aber auch die Spielregeln einhalten; wenn ja, dann Vertraulichkeit und dann auch kein Bruch von Gesetzen und Vorschriften. Die andere Möglichkeit ist, sich aus der Verantwortung und der Mitwirkung zu verabschieden. Ich sage: Besser drin, aber mit klarer Einhaltung der Spielregeln.

Meine Damen und Herren, auch der Landtag trägt herausragende Verantwortung für die Anteilseignerseite, für eine innovative Industriepolitik für das und mit dem Unternehmen VW und für die Sicherheit der Arbeitsplätze. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Daran sollten Sie aber bei Ihren Anträgen auch immer denken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Will. - Für die Landesregierung nimmt jetzt Herr Ministerpräsident Weil das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Seit September 2015 hat Volkswagen den Niedersächsischen Landtag immer wieder beschäftigt. In einem waren wir uns dabei durchgängig einig: Es ist richtig und gibt gute Gründe dafür, dass sich das Land in den Gremien bei Volkswagen engagiert.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jörg Bode [FDP]: Wenn es sich mal engagieren würde! - Jörg Hillmer [CDU]: Tun Sie es doch mal!)

Dafür gibt es gerade in der jüngsten Zeit viele Belege. „Dieselgate“ hat Volkswagen bekanntlich in eine wirklich tiefe Krise geführt. Inzwischen - und darüber bin ich sehr froh - ist das Unternehmen Volkswagen insgesamt wieder stabil und auch erfolgreich, wie das letzte Geschäftsjahr zeigt.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Vertreter der Landesregierung haben sich von Anfang an für eine konsequente Aufklärung eingesetzt. Inzwischen können wir mit dem „Statement of Facts“ einen wesentlichen Fortschritt verzeichnen. Der wesentliche Inhalt der gegen Volkswagen erhobenen Vorwürfe wird auf der strengen Basis des US-amerikanischen Rechts und aus der strengen Sicht der US-amerikanischen Behörden zusammengefasst, also nicht etwa durch eine VWBrille. Damit ist in einem Kernbereich die versprochene Aufklärung nachweislich geleistet. Der VWAufsichtsrat hat durch die in seinem Auftrag durchgeführten Untersuchungen dazu nachhaltig beigetragen. Das betrachte ich als großen Fortschritt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Drittens. Durch den Zukunftspakt gibt es inzwischen Klarheit für die Perspektiven der niedersächsischen Standorte und die Zukunft des Unternehmens insgesamt. Die positive Resonanz innerhalb des Unternehmens von Volkswagen spricht an dieser Stelle Bände. Auch das ist für mich ein wesentlicher Fortschritt des Jahres 2016.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt aber auch eine Kehrseite: Die Vertreter des Landes innerhalb der VW-Gremien sind strikt an die damit verbundenen Pflichten gebunden. Dazu zählt ganz selbstverständlich die Bindung an gültige Verträge, auch wenn es sich beispielsweise um Bonuszahlungen oder um Ruhestandsbezüge handelt. Es gibt hierzu viele und meines Erachtens auch richtige Hinweise für die Zukunft. Bekanntlich arbeitet der Aufsichtsrat derzeit an einem neuen Vergütungssystem.

(Beifall bei der SPD)

Die Vergangenheit ist aber nun einmal auf der Grundlage der bestehenden Vereinbarung zu regeln. Beispielsweise der Vertrag des früheren Vorstandsvorsitzenden ist mitnichten von Mitgliedern des Aufsichtsrats zu verantworten, die dieser Landesregierung angehören. - Herr Kollege Bode, Sie sitzen im Glashaus!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: Genau so ist es, Herr Bode!)

Zu den Pflichten, die wir zu beachten haben, zählt insbesondere auch das Verschwiegenheitsgebot. Im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten unterrichtet Olaf Lies kontinuierlich den Ausschuss. Er wird dies auch weiterhin tun. Zu laufenden Untersuchungen ist das aber nicht möglich. Die Aufklärung geht nämlich weiter. Ob es Haftungsansprüche gegen Mitglieder des Vorstands gibt, ist Gegenstand einer solchen Prüfung, die derzeit wiederum im Auftrage des VW-Aufsichtsrats durchgeführt wird. Es versteht sich von selbst, dass vor einem Ergebnis keine Zwischenbewertung oder Zwischeninformation erfolgen kann. Das ist so ähnlich wie bei laufenden staatsanwaltschaftlichen Verfahren.

Ebenso verhält es sich schließlich auch bei der aktuell diskutierten Personalangelegenheit. Auch in dieser Hinsicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, verstehe ich viele kritische Hinweise. Zu den Erwägungen, die dieser Entscheidung zugrunde liegen, können Mitglieder des Aufsichtsrats aber schlichtweg nicht Stellung nehmen, auch nicht, wenn wir wollten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: So ist es! - Jens Nacke [CDU]: Ach, Sie wollen gar nicht, oder was?)

Eines ist aber völlig unstrittig: Der eingeschlagene Weg zu einer besseren Unternehmenskultur bei

Volkswagen wird konsequent fortgesetzt werden. Darin sind sich alle Beteiligten innerhalb des Vorstands und des Aufsichtsrats einig, meine sehr verehrten Damen und Herren, und die Mitglieder der Landesregierung vorneweg.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Mitglieder des Aufsichtsrats, aber auch die Landespolitik insgesamt haben eine große Verantwortung gegenüber Volkswagen. Es handelt sich um das wichtigste Unternehmen in unserem Land. Es geht für Tausende von Menschen um ihren Arbeitsplatz. Wir können froh sein: Volkswagen macht Fortschritte. Aber ebenso richtig ist auch: Das Unternehmen steht vor großen Herausforderungen. Ich persönlich bin überzeugt: Volkswagen wird diese Herausforderungen meistern. Die Vertreter des Landes, Olaf Lies und ich, werden das Unternehmen dabei engagiert auf seinem Weg unterstützen, und wir werden - darauf können Sie sich verlassen - unserer Verantwortung in vollem Umfang gerecht werden.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Meine Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt 3 b liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich zu dem Punkt 3 c übergehen kann:

c) Kein Steuergeld für verfassungsfeindliche Parteien! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 17/7316

Hierzu möchte die Fraktionsvorsitzende Frau Modder sprechen. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor ziemlich genau zwei Wochen, am 17. Januar, hat das Bundesverfassungsgericht den Antrag des Bundesrats auf Verbot der rechtsextremen NPD abgelehnt. In ihrer Urteilsbegründung haben die Karlsruher Richter - stark verkürzt - zwei zentrale Punkte festgehalten:

Erstens. Die NPD verfolgt als Partei klar verfassungsfeindliche und gegen die Menschenwürde gerichtete Ziele.

Zweitens. Die NPD, die aktuell in keinem Landesparlament mehr vertreten ist und auch sonst im Großteil des Landes nur noch ein Nischendasein fristet, kann diese klar verfassungsfeindlichen Ziele derzeit keinesfalls erreichen und deshalb auch nicht verboten werden.

Die Karlsruher Richter attestierten der NPD, verfassungswidrige Ziele aktiv zu verfolgen. Nach alter Rechtsprechung wäre die NPD damit verfassungswidrig und verboten worden. Das Gericht hat jedoch das neue, zusätzliche Merkmal der Potenzialität eingeführt.

Vor diesem Hintergrund kann ich nicht leugnen, meine Damen und Herren, dass mich das Urteil und die Urteilsbegründung des höchsten deutschen Gerichts enttäuschen.

(Zustimmung bei der SPD)

Angesichts der Tatsache, dass die Ziele und Inhalte der NPD als klar verfassungsfeindlich eingestuft wurden, hätte ich mir ein deutlicheres Signal aus Karlsruhe gewünscht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aber die Demokratie muss es aushalten können, wenn Menschen Ansichten äußern, die mit den Werten der freiheitlichen Grundordnung nicht in Einklang zu bringen sind. Gerade darin liegt ja auch die Stärke unserer Demokratie, die von Meinungs- und Pressefreiheit geprägt ist, auch wenn gerade diejenigen, die am meisten von ihr profitieren, häufig so tun, als gäbe es sie gar nicht mehr. Wie oft hören wir das Argument von Rechtspopulisten oder auch Rechtsextremen, dass sie ihre Meinung ja nicht mehr sagen dürften! Natürlich verwechseln sie dabei die Freiheit, etwas sagen zu dürfen, mit der Annahme, dass sie alles sagen dürfen, ohne Widerspruch dafür zu erhalten. Jeder und jede Einzelne kann in diesem Land seine freie Meinung äußern. Dank der sozialen Medien und des Internets kann das mittlerweile sogar jeder öffentlich zu jeder Zeit und vor Zuschauern tun.

Aber die freie Meinungsäußerung schützt einen nicht vor Widerspruch, und sie schützt auch nicht davor, meine Damen und Herren, für menschenfeindliche, rassistische und antisemitische Aussagen als rechtsextrem und rechtspopulistisch bezeichnet zu werden.

Meine Damen und Herren, wir erleben in den letzten Monaten und Jahren, dass die Rechtspopulisten ihre Ideologie immer offensiver nach außen tragen. Wenn ein Herr Höcke von der AfD im Zusammenhang mit dem Gedenken an den Holocaust von einer - Zitat - „dämlichen Bewältigungspolitik“ spricht, die um 180 Grad gedreht werden müsse, dann darf man das als Demokrat nicht so stehen lassen.