Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung, bevor ich zum Antrag meiner Fraktion spreche. Ich habe den Stenografischen Bericht über die gestrige Sitzung nachgelesen und möchte darauf hinweisen, dass Herr Minister Pistorius am Schluss seiner Rede zu Tagesordnungspunkt 10 Folgendes gesagt hat:
„Was wir ebenfalls nicht brauchen, ist ein Antrag einer CDU, deren innenpolitische Sprecherin unsere Vorschläge aus dem Maßnahmenpaket kommentiert, ohne sie gelesen zu haben. Sie wusste nicht einmal, dass in dem Entwurf Kontaktverbote und die Beschlagnahmung von Handys enthalten sind.“
Jetzt zu unserem Antrag, meine Damen und Herren. Auch wenn es gegenwärtig einen erheblichen Rückgang bei der Zahl der Flüchtlinge gibt, steht Deutschland dennoch vor großen Herausforderungen. Insbesondere müssen wir eine hohe Zahl von Asylbewerbern aus den unterschiedlichsten Ländern aufnehmen und die Asylanträge prüfen lassen. Wir wollen dabei denjenigen Menschen, die einen Anspruch auf Asyl aus humanitären Gründen haben, helfen und sie unterstützen.
Allerdings muss auch klar sein, dass diejenigen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, unser Land wieder verlassen müssen. Dabei haben wir es mit unterschiedlichen Rechtsstrukturen zu tun. Es gibt Menschen, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, deren Asylanträge aber abschließend beschieden wurden und die ausreisepflichtig sind, oder andere, die, aus welchen Gründen auch immer, geduldet sind, aber nicht rückgeführt werden können.
Ich möchte mich, wie in unserem Antrag aufgeführt, auf die Asylbewerber aus Tunesien, Algerien und Marokko konzentrieren, deren Zahl in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Die Schutzquote dieser Asylbewerber ist sehr gering. Nahezu alle Asylanträge werden abgelehnt.
Darüber hinaus gibt es Auffälligkeiten bei der Kriminalität. Es besteht der Eindruck, dass unter Asylbewerbern aus diesen Staaten einige kriminell sind. Laut Bundeskriminalamt sollen Tatverdächtige aus diesen Herkunftsländern insbesondere mit Diebstahls-, Vermögens- und Fälschungsdelikten, aber auch mit den Angriffen in Köln in Verbindung gebracht werden. Auch das Attentat in Berlin hat ein Tunesier begangen. Gerade erst gestern wurde in Hessen ein Tunesier verhaftet, der einen Terrorakt in Deutschland geplant haben soll.
Das bedeutet, dass nicht nur wegen der hohen Anzahl an abgelehnten Asylanträgen viele dieser Menschen rückgeführt werden müssen. Da aber die Maghreb-Staaten noch nicht als sichere Herkunftsstaaten eingestuft sind, ist dies nur bedingt möglich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Bundesregierung und der Bundestag haben die Maghreb-Staaten schon im vergangenen Jahr als sichere Herkunftsstaaten gemäß § 29 a des Asylgesetzes eingestuft. Jetzt geht es darum, dass auch der Bundesrat zustimmt. Hierdurch würden das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und auch die Verwaltungsgerichte deutlich entlastet.
Leider gab es dafür bisher aufgrund der Verweigerungshaltung der rot-grün regierten Länder keine Mehrheit. Auch Niedersachsen hat sich bisher der Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer verweigert, wobei diese Landesregierung ständig Forderungen an die Bundesregierung stellt, aber nichts dazu beiträgt, eine effektive Steuerung der Zuwanderung zu erreichen und
Lediglich die Baden-Württembergische Landesregierung mit ihrem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann hat angekündigt, im Bundesrat zuzustimmen.
Wenn Sie, Herr Ministerpräsident Weil, Ihre Blockadehaltung aufgeben würden, könnte man eine erheblich höhere Akzeptanz des Asylrechts in der Bevölkerung erreichen.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass es natürlich unterschiedliche Auffassungen im Rahmen der Bewertung eines Staates als sicherer Herkunftsstaat geben kann. So gibt es nicht nur bei den Parteien unterschiedliche Auffassungen hierzu, sondern auch bei verschiedenen Organisationen, wie z. B. beim Flüchtlingsrat, der die Fraktionen jetzt auch noch einmal angeschrieben hat. Eine Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer wird vom Flüchtlingsrat abgelehnt.
Wie bereits gesagt, kann man hier unterschiedlicher Auffassung sein. Aber pauschal zu bewerten, dass es unter den Asylbewerbern aus diesen Ländern keine Kriminalität gibt, ist zu einfach. Zahlen des Bundeskriminalamtes belegen das.
Aber selbstverständlich ist die Einstufung eines Staates als sicheres Herkunftsland keine Blaupause, keinen einzigen Antrag mehr positiv zu bescheiden. Selbstverständlich wird auch weiterhin jeder Antrag individuell geprüft und nach den entsprechenden Kriterien bewertet.
Das wird genauso praktiziert wie auch bei Angehörigen aus den Balkanstaaten. Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Jeder Asylbewerber, der nach der Prüfung seines Antrags Anspruch auf Asyl hat, soll dies auch bekommen.
Wenn also z. B. eine Verfolgungslage bestätigt ist, werden die Betroffenen selbstverständlich auch unterstützt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, sollte also ein Asylgrund bei Menschen aus diesen Ländern bestehen, so wird auch weiterhin ein Aufenthaltsrecht gewährt, genau wie auch bei den Betroffenen aus dem Kosovo.
Die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer hätte aber eine erhebliche Signalwirkung auf die Anzahl der Asylanträge, wie am Beispiel der Balkanstaaten zu erkennen ist. Man kann auch den Umkehrschluss aufstellen und aus der rückläufigen Zahl von Asylbewerbern aus den Balkanstaaten schließen, dass die Asylgründe durch die Einstufung dieser Staaten als sichere Herkunftsstaaten bereits im Heimatland doch noch einmal überlegt werden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, durch die Einstufung eines Landes als sicherer Herkunftsstaat wird das Asylrecht keineswegs ausgehebelt.
Deutschland ist das Land, welches humanitäre Hilfe in einem sehr hohen Maß gewährt und in der ganzen Welt als vorbildlich gilt. Das zeigt auch der Wunsch vieler Menschen, nach Deutschland zu kommen. Unserer Bundesregierung muss aber auch zugestanden werden, klare Regelungen für die Zuwanderung zu schaffen und sie zu steuern. Denn sonst besteht die Gefahr, dass die breite Akzeptanz, die es bisher in unserer Bevölkerung für die Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen und Asylbewerbern gegeben hat, nachlässt. Ich bin fest davon überzeugt, dass niemand diesen Rückgang von Akzeptanz für Flüchtlinge und Menschen in Not möchte. Wie viele Menschen haben sich gerade in den letzten Monaten mit hohem ehrenamtlichen Engagement für die Menschen eingesetzt, die unserer Hilfe und Unterstützung bedürfen! Dafür müssen wir dankbar sein. Das dürfen wir aber auch nicht aufs Spiel setzen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, mit der Einstufung als sicheres Herkunftsland lässt sich nicht alles lösen. Aber auch für uns besteht damit die Chance, die Zuwanderung zu steuern.
Meine Damen und Herren, damit ist die Problematik bei den Abschiebungen aber noch nicht behoben. Der neue Bundesaußenminister Gabriel muss diese Staaten dann auch zur Rücknahme ihrer Landsleute bewegen. Deshalb, Herr Ministerpräsident Weil, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, stimmen Sie der Einstufung der Demokra
tischen Volksrepublik Algerien, des Königsreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Herkunftsländer im Bundesrat zu!
Dadurch würden wir auch erreichen, dass für andere Personen aus anderen Staaten die Asylverfahren hier in Deutschland beschleunigt werden. Dieser Schritt könnte dann auch in den Landesaufnahmebehörden sehr, sehr entspannend wirken, sodass wir auch dort nicht mehr mit derartigen Vorkommnissen rechnen müssen, über die wir in den letzten Tagen diskutiert haben. Gehen Sie ein Stück in sich, meine Damen und Herren! Stimmen Sie der Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat zu! Sie tun damit auch unserer Bevölkerung einen großen Gefallen
und einen Schritt in die richtige Richtung. Auch die Akzeptanz in der Bevölkerung, von der ich gerade gesprochen habe, ist wichtig. Denn wenn wir hier in Deutschland nicht mehr in die Lage versetzt werden, den Menschen zu helfen, dann möchte ich wissen, was in der Welt passiert und welche anderen Staaten dann so aktiv helfen werden wie wir.
Vielen Dank, Frau Jahns. - Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort Frau Kollegin Doris SchröderKöpf.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen, an denen eine der großen Demokratien der Welt Menschen allein wegen ihrer Religionszugehörigkeit den Zutritt verweigert, Flüchtlinge pauschal zurückweist und sogar mit dem Bau einer Mauer zum Nachbarland beginnt, entdecken manche Bürgerin und mancher Bürger den Wert der Grundwerte Europas wieder. In diesen Tagen, an denen die Wirkungskreise von Demagogen und Despoten bis an die Grenzen unseres Landes heranreichen, erkennen vielleicht viele zum ersten Mal den Wert von verlässlichem Recht, den Wert des Grundgesetzes.
Dieses Grundgesetz regelt im sogenannten Asylrechtsartikel 16 a Abs. 3 auch die Frage nach den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten. Darin heißt es - ich zitiere -:
„Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.“
Seit mehr als 20 Jahren ist dieses Konzept der sicheren Herkunftsstaaten ein fester Bestandteil des Asylrechts und wird vom Grundgesetz - ich habe es gerade gesagt - ebenso anerkannt wie von der EU in ihrer Asylverfahrensrichtlinie, in der Mindestnormen für die Durchführung von Asylverfahren festgelegt sind.
In einer Analyse beschreibt Professor Dr. Daniel Thym, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht an der Universität Konstanz, die Intention. Es gehe immer auch - Zitat -
„um eine symbolische Wirkung. Der Gesetzgeber will der eigenen Bevölkerung zeigen, dass er etwas unternimmt, und vor allem auch ein Signal in die Herkunftsstaaten senden, damit weniger Personen ohne Asylberechtigung sich auf den Weg nach Deutschland machen.“
„Tatsächlich zeigen ethnologische Studien, dass Wanderungsentscheidungen häufig durch eine unklare Informationslage geprägt sind, sodass öffentlichkeitswirksame Maßnahmen etwas bewirken können.“
Aus Sicht des Ko-Direktors des Konstanzer Forschungszentrums für Ausländer- und Asylrecht gibt es weitere Vorteile: „die leichtere Begründung der Asylentscheidung, weil die Behörden und Gerichte sich nur noch auf den Einzelfall beziehen und nicht mehr die allgemeine Situation im Land beschreiben müssen“, und „die Verfahrensbeschleunigung“, weil kürzere Bearbeitungsfristen und Klagefristen von nur noch einer Woche gelten. Ich sage das einmal ganz wertfrei.