Protokoll der Sitzung vom 03.02.2017

Ich komme nun zur Antwort auf die erste Frage des Abgeordneten Will: Welche Maßnahmen zur Stärkung der Mobilität im ländlichen Raum hat die Landesregierung seit 2013 bisher ergriffen?

Meine Damen und Herren, Mobilität ist ein großes Stück Lebensqualität. Der Maßstab des Handelns der Landesregierung ist insoweit der Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen für die 17. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtags. Ich will dazu etwas zitieren. Unter dem Unterpunkt „Öffentlicher Nahverkehr“ heißt es - ich zitiere -:

„Die rot-grüne Koalition wird alle Regionen des Landes bedarfsgerecht in den öffentlichen Nahverkehr einbeziehen und an die überregional bedeutsamen Bahnknoten anbinden. Sie wird deshalb umgehend prüfen, welche Schienenstrecken und Haltepunkte mit wirtschaftlicher Vernunft reaktiviert werden können und wo Strecken ausgebaut werden müssen, um dem Verkehrsbedarf gerecht zu werden. Wo eine Ausweitung des schienengebundenen Nahverkehrs in die Fläche wirtschaftlich nicht vertretbar ist, wird ergänzend die Einführung eines LandesBusliniennetzes geprüft.“

Ich glaube, man kann schon jetzt, wenn man das im Überblick sieht, erkennen, dass wir alle Punkte sehr strategisch abgearbeitet haben. Ich will deshalb ein paar Dinge zu den Punkten sagen.

Zunächst zu dem ersten Punkt: zur Reaktivierung von Schienenstrecken.

In einem dreistufigen Verfahren wurden insgesamt 74 Strecken im Rahmen des landesweiten Reaktivierungsuntersuchungsverfahrens geprüft. Die besten 28 Strecken, also die erste Stufe, wurden in eine Nutzwertanalyse einbezogen. Die besten acht wiederum wurden dann in einer Standardisierten Bewertung untersucht, sodass wir, finde ich, ein einmaliges objektives Verfahren dazu hatten, an welcher Stelle wirklich das Thema Reaktivierung greift, sodass es keine Willkürentscheidung gewesen ist, sondern die Entscheidung wirklich nachvollziehbar war. Dadurch war klar: Wenn der Wert von 1,0 erreicht wurde, sozusagen der volkswirtschaftliche Nutzen belegt wird, ist die Reaktivierung dieser Strecke möglich und soll umgesetzt werden.

Dabei haben folgende Strecken einen positiven Wert erreicht: Bad Bentheim–Neuenhaus, EinbeckSalzderhelden–Einbeck-Mitte, Salzgitter-Lebenstedt–Salzgitter-Fredenberg. Aber auch bei der

Strecke Buchholz–Jesteburg–Maschen–HamburgHarburg liegt ein positives Ergebnis vor. Wir haben erst gestern mit Vertretern aus der Region zusammen gesessen, die noch einmal deutlich gemacht haben, wie wichtig gerade die Anbindung Buchholz Richtung Hamburg-Harburg ist. Daher gehört diese Strecke zu denen, die reaktiviert werden sollen. Da wir die Schwierigkeit der Umsetzung aufgrund einer Reihe von Infrastrukturkonflikten, die gerade bei dem Güterverkehr bestehen, kennen, wird es noch Arbeit geben. Es ist uns jedoch gelungen - und das ist ein gemeinsamer Erfolg -, in dem Bundesschienenwegeausbaugesetzes - das ist aus dem Bundesverkehrswegeplan sozusagen heruntergebrochen - dafür zu sorgen, dass der Knoten Hamburg vernünftig ausgebaut wird. Der Ausbau des Knoten Hamburgs sorgt dann auch dafür, dass wir in Niedersachsen den schienengebundenen Personennahverkehr weiter in der Qualität steigern können. Auch das kommt den Menschen in unserem Land zugute.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Unruhe)

Herr Minister, einen Moment, bitte! - Meine Damen und Herren, ich darf darum bitten, den Geräuschpegel herunterzufahren und Ihre Gespräche zu beenden. Herr Kollege Schönecke, es geht gerade um den Knoten Hamburg.

(Heiner Schönecke [CDU]: Das habe ich gehört!)

Weiter geht’s!

Herr Präsident, vielen Dank.

In der konkreten Umsetzung befinden sich bereits die Planungen zur Reaktivierung der Strecken Bad Bentheim–Neuenhaus und Einbeck-Salzderhelden –Einbeck-Mitte. Die Reaktivierung der Strecke Salzgitter-Lebenstedt–Salzgitter-Fredenberg ist ebenfalls grundsätzlich förderfähig. Für dieses Projekt wäre jedoch, wie bei den anderen bereits dargestellten Reaktivierungsprojekten auch, Voraussetzung, dass ebenfalls die Kommunen und der zuständige Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr hinter dem Projekt stehen und das auch weiter voranbringen. Ich denke, die Voraussetzungen dazu sind gegeben, weil auch die Mittelausstattung des Zweckverbandes inzwischen so ist, dass die Möglichkeit besteht; denn

auch dort wird das Land die Streckenreaktivierung grundsätzlich mit 75 % der zuwendungsfähigen Kosten fördern.

Nun zum zweiten Auftrag aus dem Koalitionsvertrag: der Reaktivierung von Stationen und Bahnhaltepunkten.

Auf der einen Seite geht es um Linien, die wir wieder in Betrieb nehmen können, und auf der anderen Seite geht es um die Frage, ob wir in bestehenden Netzen dafür sorgen können, dass der Zugang zur Bahn, der hoch attraktiv ist, weiter verbessert wird.

Auch hier hat die Landesregierung Wort gehalten. Insgesamt können nach dem landesweiten Vorprüfungsverfahren rund 30 Stationen in den kommenden Jahren reaktiviert werden. Davon liegen im Bereich der Region Hannover 4 Stationen, im Bereich des Zweckverbandes Großraum Braunschweig 5 Stationen und im Bereich des Aufgabenträgers der Landesnahverkehrsgesellschaft 23 Stationen. Bei den zuletzt genannten 23 Stationen sind an 11 Umsetzungen vergleichsweise kurzfristig möglich, während es bei 12 erst mittel- bis langfristig möglich ist. Das hängt teilweise von der Ertüchtigung der Schienenstrecke ab: Wenn es mehr Haltepunkte gibt, aber es keine Fahrzeitverlängerung geben soll, muss die Geschwindigkeit erhöht werden, um an den Knotenpunkten die Umstiege zu erreichen. Das bedeutet eine sehr enge Abstimmung mit der Bahn. Wir merken aber schon jetzt an der großen Nachfrage, dass es wirklich ein großes Interesse der Regionen und der Menschen an den Zugangspunkten zur Bahn gibt.

Die Reaktivierung der Station Jaderberg ist hier schon vergleichsweise weit vorangeschritten. Ein Baubeginn wird für dieses Jahr angestrebt.

(Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: Sehr gut!)

- Sehr gut, finde ich auch.

Insgesamt werden rund 3,5 Millionen Euro dafür investiert. Grundsätzlich werden dabei wie bei den Streckenreaktivierungen 75 % der zuwendungsfähigen Kosten vom Land übernommen.

Die Reaktivierung von Strecken und Stationen im Schienenpersonenverkehr, die - das muss man offen sagen - von der Vorgängerregierung leider immer wieder abgelehnt worden war,

(Karsten Heineking [CDU]: Das stimmt ja gar nicht!)

ist von besonderer Bedeutung auch für den ländlichen Raum. Denn gerade hier sind in der Vergangenheit leider vielfach Schienenverkehre eingestellt oder Bahnhöfe und Haltepunkte geschlossen worden. Die Reaktivierungen helfen deshalb, ländliche Räume besser anzubinden und sie - salopp gesagt - ran an die Schiene zu bringen. Denn das ist das, was die Menschen wollen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dies ermöglicht mehr Menschen den Zugang zum Schienenpersonenverkehr und trägt dazu bei, dass der öffentliche Verkehr für die Anwohnerinnen und Anwohner an Attraktivität deutlich zulegt. Gerade eine Stationsreaktivierung macht eine ländliche Gemeinde attraktiv für neue Einwohnerinnen und Einwohner. Und das ist gut so. Das erleben wir hier in der Region Hannover mit dem Ausbau des Stadtbahnnetzes. Aber wir erleben es eben genauso mit dem schienengebundenen Personennahverkehr im ländlichen Raum.

Hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben Rot-Grün und das Wirtschaftsministerium einen wirklichen Politikwechsel in der Nahverkehrspolitik in Niedersachsen eingeleitet, auf den wir alle, glaube ich, insgesamt wirklich stolz sein dürfen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Neben den Reaktivierungen sind dem Land auch die Modernisierung sowie der barrierefreie Ausbau von Stationen sehr wichtig. Im Rahmen des Programms „Niedersachsen ist am Zug! III“ - NiaZ III; Sie kennen das aus den Vorgängerprogrammen - werden insgesamt 41 Stationen modernisiert und voraussichtlich 144 Millionen Euro investiert. Das Programm läuft bis 2025, und der Startschuss erfolgte im März 2016 in Bad Bentheim. 50 % der Investitionskosten werden dabei vonseiten Bahn bzw. des Bundes übernommen. Die übrigen 50 % werden zu 75 % vom Land Niedersachsen übernommen, sodass am Ende dem Aufgabenträger vor Ort 12,5 % der Investitionssumme verbleiben.

Stark vertreten, meine Damen und Herren, ist das Land Niedersachsen auch im Rahmen des sogenannten Zukunftsinvestitionsprogramms des Bundes für den barrierefreien Ausbau von kleinen Schienenverkehrsstationen. Wir haben das immer wieder diskutiert. Die Debatte war in der Vergangenheit immer: Wird auch der barrierefreie Ausbau von Stationen gefördert, die weniger als 1 000 Ein-

und Aussteiger täglich aufweisen? - Ich glaube, das muss geschehen. Unser Ziel muss sein, dass alle Stationen barrierefrei ausgebaut werden. Dabei hilft dieses Programm sehr. Insgesamt werden im Zeitraum von 2016 bis 2020 rund 34 Millionen Euro in Niedersachsen investiert. Damit sollen 16 kleine Stationen barrierefrei ausgebaut werden. Die Finanzierungsaufteilung erfolgt dabei ähnlich bei beim gerade erläuterten Programm NiaZ III.

Kommen wir nun zum dritten Punkt aus unserem Koalitionsvertrag, der insbesondere für die ländlichen Räume ohne Schienenanbindung von Bedeutung ist: dem Prüfauftrag für die Einführung von Landesbuslinien.

Ich glaube, wichtig ist dabei, das Gesamtkonzept für Mobilität im Land im Blick zu haben. Der schienengebundene Personennahverkehr soll Oberzentren und große Mittelzentren zügig miteinander verbinden. Wo es keine Schiene gibt, soll das Landesbusliniennetz diese Rolle übernehmen. Unterhalb dieser Ebene gibt es die normalen regionalen Busliniennetze des öffentlichen Personennahverkehrs, darunter die flexiblen Angebote und darunter das ehrenamtlich organisierte Bürgerbussystem. Ich glaube, nur in dieser Struktur kann in einem Flächenland wie Niedersachsen eine wirklich gleichwertige Versorgung mit öffentlichem Personennahverkehr gelingen.

Der Prüfauftrag für die Einführung von Landesbuslinien ist abgearbeitet. Ich kann betonen: Wir prüfen nicht nur, sondern handeln ganz konkret im Interesse für mehr Mobilität in der Fläche. Diese Landesregierung macht Niedersachsen mobil. Seit dem 1. Januar 2017 hat mein Haus ein neues Förderprogramm für landesbedeutsame Buslinien aufgelegt. Was sind die wichtigsten Eckpunkte dieses Förderprogramms?

Die Handlungshoheit für die Einrichtung von Landesbuslinien liegt - das ist ganz entscheidend - bei den Landkreisen, den kreisfreien Städten und den Zweckverbänden als ÖPNV-Trägern. Dort, meine Damen und Herren, gehört sie auch hin; denn die wissen am besten, welche Verbindungen vor Ort wichtig sind. Sie können sie auch am besten einplanen, sodass eine Landesbuslinie nicht zu einer Konkurrenz für den vorhandenen öffentlichen Personennahverkehr wird, sondern zu einer klugen und sinnvollen Ergänzung.

Gefördert werden Betriebsleistungen, die für mindestens drei Jahre bestellt werden. So etwas muss länger laufen. Wir alle wissen doch, dass der An

fang durchaus ein bisschen schwierig ist und sich ein solches Angebot erst etablieren muss.

Die Finanzierung erfolgt aus den dem Land zustehenden Regionalisierungsmitteln.

Landesbuslinien dürfen keine Konkurrenz zu bereits bestehenden Verkehren auf der Schiene oder im Busbereich schaffen. Das ist, glaube ich, ganz entscheidend; denn wir wollen ja mehr Mobilität schaffen und nicht für die gleiche Qualität von Mobilität mehr ausgeben.

Wann, meine Damen und Herren, ist denn eine Buslinie landesbedeutsam? - Diese Frage wird durchaus immer wieder gestellt.

Räumlich ist das der Fall, wenn sie Mittelzentren ohne eigenen Schienenanschluss an Oberzentren bzw. an SPNV-Haltepunkte anbindet oder wenn sie Lücken im Netz des schienengebundenen Nahverkehrs schließt. Eine Förderung ist außerdem möglich zur Verknüpfung mit Fährverbindungen sowie zur Anbindung von Orten aufgrund touristischer Belange oder besonderer regionaler Bedeutung.

Weiterhin ist die Einhaltung hoher qualitativer Standards bei der Förderung von landesbedeutsamen Buslinien vorgegeben.

In zeitlicher Hinsicht erfordert das Prädikat der Landesbedeutsamkeit einen konsequenten Stundentakt, Betriebszeiten an allen Wochentagen von 6 bis 23 Uhr sowie schnelle und möglichst direkte Verbindungen. Eine Landesbuslinie - man kann sie auch Schnellbus nennen - soll eben nicht an jeder Milchkanne halten. Das ist gerade das Angebot, das wir aus dem SPNV-Bereich kennen und das wir bei den Landesbuslinien auf die Straße übertragen.

Nicht zuletzt sollen die Fahrzeuge einen herausgehobenen Qualitätsstandard haben: Barrierefreiheit, die Möglichkeit der Nutzung von WLAN, bequeme Überlandbestuhlung sowie die Einbindung in Echtzeitsysteme zur Anschlusssicherung und Fahrgastinformation, um nur einige dieser Vorgaben zu nennen. Gerade Fahrgastinformation in Echtzeit ist sehr entscheidend für die weitere Vernetzung im ÖPNV-Bereich.

Die Einführung von Landesbuslinien ist übrigens eine der Empfehlungen des Zukunftsforums Niedersachsen und damit ein gutes Beispiel für die umfassenden Demografieaktivitäten der rot-grünen Landesregierung, gerade auch für die ländlichen Räume in unserem Land.

Das Zukunftsforum hatte sich in der ersten intensiven Arbeitsperiode mit den Bereichen Bildung und Mobilität auseinandergesetzt und dazu auch noch weitere Empfehlungen für den Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs erarbeitet, derer sich mein Haus als Verkehrsministerium ebenfalls angenommen hat.

So ist z. B. seit Mitte September 2016 bei der Landesnahverkehrsgesellschaft eine landesweite Mobilitätszentrale eingerichtet. Mit dieser neuen zentralen Beratungs- und Informationsstelle für Mobilität im ländlichen Raum erhalten ÖPNV-Aufgabenträger, Kommunen, Vereine oder auch Bürgerinitiativen erstmals einen landesweiten Ansprechpartner in den Fragen des Aufbaus und Betriebs von ländlichen Mobilitätsangeboten. Dazu zählen z. B. flexible Bedienformen wie Anruftaxi- oder Rufbussysteme, die den klassischen Linienverkehr in Verkehrsräumen und in Zeiten mit schwacher Nachfrage bedarfsorientiert ergänzen können. Auch für Fragen der finanziellen Förderung oder der genehmigungsrechtlichen Einordnung solcher Mobilitätsangebote steht die neue Informations- und Beratungsstelle zur Verfügung.

Von grundlegender Bedeutung für den öffentlichen Nahverkehr in den ländlichen Räumen ist auch die Novellierung des Niedersächsischen Nahverkehrsgesetzes, die auf meine Empfehlung von den Koalitionsfraktionen in den Landtag eingebracht und am 26. Oktober 2016 beschlossen worden ist. Ich hatte darauf bereits in meiner Vorbemerkung hingewiesen.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Ist das jetzt eine Regierungserklärung?)

Ich will noch einmal sagen: Worum geht es dabei?