Da werden am 18. August letzten Jahres die offiziellen Daten zur Unterrichtsversorgung erhoben, und heute - ein halbes Jahr später und zu einem Zeitpunkt, zu dem sogar schon das zweite Schulhalbjahr begonnen hat - ist dieses Ministerium immer noch nicht in der Lage, diese Daten offiziell vorzulegen.
Die letzten offiziellen Daten zur Unterrichtsversorgung, die Schüler, Eltern und Lehrkräfte in Niedersachsen kennen - das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen -, stammen aus dem Herbst 2015 und sind mittlerweile über anderthalb Jahre alt.
Man kann heute feststellen: Wenn die Regierung mit der Vorlage dieser Daten so weitermacht, dann werden die Daten, auf die wir jetzt gerade warten, auch die letzten sein, die von der rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen überhaupt vorgelegt werden.
Meine Damen und Herren, es ist tatsächlich lächerlich, was uns hier vorgelegt wird. Denn intransparenter geht es wirklich nicht. Ein Schelm, der etwas Böses dabei denkt, dass sich die Regierung nicht traut, diese Daten der Öffentlichkeit vorzulegen!
Es wird deutlich, dass die Kultusministerin die wesentliche Aufgabe in ihrem Verantwortungsbereich, die Unterrichtsversorgung, nach wie vor nicht in den Griff bekommt.
Die Unterrichtsversorgung ist seit dem Regierungswechsel von 102 % auf jetzt gut 98 % gefallen. Um das noch einmal in Stunden zum Ausdruck zu bringen: Die Versorgung, die wir heute haben, bedeutet, dass in unseren allgemeinbildenden Schulen in Niedersachsen über 1 Million Unterrichtsstunden, die erteilt werden sollten, nicht erteilt werden können. 1 Million Unterrichtsstunden, die den Schülerinnen und Schülern in Niedersachsen vorenthalten werden!
Wie viel bräuchten wir eigentlich, um unsere berufsbildenden Schulen von heute rund 88 % auf 100 % zu bringen? - 29 500 Unterrichtsstunden werden dort benötigt. Das bedeutet, dass unseren berufsbildenden Schulen in Niedersachsen derzeit 1 180 Lehrerstellen fehlen. Das ist die Situation, die wir in unserem Bundesland haben.
All diese Zahlen kennen wir aber natürlich nicht, weil die Regierung so transparent ist, wie sie immer darstellt, und sie selber vorlegt, sondern weil wir sie alle nur mit entsprechenden Anfragen immer wieder herausarbeiten müssen. Hier im Land
Hier im Landtag erleben wir immer wieder die Märchenstunde von Rot-Grün, wenn sich die Kultusministerin an dieses Rednerpult stellt und gebetsmühlenartig immer wieder behauptet, in Niedersachsen falle nicht eine einzige Stunde Pflichtunterricht aus.
Wir erleben das auch im Kultusausschuss, wenn die Kollegin Hamburg zu mir sagt: Nun hören Sie endlich auf mit dem Märchen vom Unterrichtsausfall!
So betrachtet Rot-Grün hier im Landtag die Situation. Das versteht da draußen in unseren Schulen aber niemand mehr, weil die Realität in Niedersachsen eine ganz andere ist.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, man kann den Vergleich ziehen, was es bedeuten würde, wenn unsere Fußballmannschaften so ausgestattet wären wie unsere Schulen im Bereich der Unterrichtsversorgung. Es ist ja immer ein bisschen schwierig mit den statistischen Werten.
Eine Versorgung von über 100 % bedeutet im Fußball: Zehn Mann sind auf dem Feld, ein Mann ist im Tor, und auf der Reservebank sitzt eine ganze Reihe von Spielern, die eingreifen können, wenn Unterstützung notwendig ist.
Wenn die Versorgung auf 100 % sinkt, sind immer noch zehn Mann auf dem Feld, und ist immer noch ein Mann im Tor, aber ich habe eben keinen mehr auf der Reservebank, der unterstützen kann.
Komme ich dann auf 98 %, dann habe ich noch neun Mann auf dem Platz und vielleicht in einer Halbzeit einen im Tor. Auf der Reservebank sitzt dann schon lange keiner mehr.
Komme ich aber in eine Situation, wie wir sie heute in unseren Schulen haben, dann habe ich nur nach acht Mann auf dem Platz und gar keinen mehr im Tor stehen. Eine solche Mannschaft kämpft nicht um den Aufstieg. Eine solche Mannschaft kämpft um den Abstieg.
Meine Damen und Herren, diese Situation hat Folgen für unsere Schülerinnen und Schüler. Sie hat Folgen für die Eltern und die Familien. Ob das Rot-Grün jetzt wahrhaben will oder nicht: In Niedersachsen fällt reihenweise Unterricht aus, fällt reihenweise Pflichtunterricht aus.
Der Vater einer Grundschülerin hier aus Hannover hat in dieser Woche einen Fall geschildert: Jetzt zum Halbjahr konnten an der Grundschule seiner Tochter in drei Fächern keine Noten mehr vergeben werden, weil die Klasse in diesen drei Fächern nachweislich nicht von Lehrkräften unterrichtet und gebildet, sondern nur noch von pädagogischen Mitarbeitern betreut worden ist. - Das ist die Situation!
Ein weiteres Beispiel, das allen schulpolitischen Sprechern in diesem Haus bekannt sein sollte - denn eine Elternvertreterin aus Bad Harzburg hat sich letzte Woche an die Sprecher aller Fraktionen gewandt und die Situation an der Gerhart-Hauptmann-Grundschule geschildert -:
Diese Grundschule hat derzeit eine Unterrichtsversorgung von 64 %. Das war die Lage letzte Woche. Jetzt haben wir ein neues Halbjahr. Jetzt ist zum Halbjahr auch die stellvertretende Konrektorin versetzt worden, und an dieser Schule sind alle Förderstunden für Kinder mit Inklusionsbedarf ersatzlos gestrichen worden. - Auch das ist die Realität an den Schulen in Niedersachsen!
Meine Damen und Herren, der Kollege ruft es zu Recht: Hier wird immer davon geredet, dass es eine Bildungsoffensive geben sollte. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Situation, die wir erleben, ist hausgemacht. Sie liegt einzig und allein in der Verantwortung von SPD und Grünen und einzig und allein in der Verantwortung der Kultusministerin Heiligenstadt.
(Beifall bei der CDU - Heinrich Scho- ling [GRÜNE]: Ach so! - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wer hat denn die Lehrkräfte nicht ausgebildet, obwohl die GEW das schon 2011 angemahnt hat?)
Die Aneinanderreihung der Fehler, Herr Scholing, die diese Regierung seit dem Regierungswechsel gemacht hat, ist so offenkundig.
Gleich nach dem Regierungswechsel haben Sie erst einmal die Unterrichtsverpflichtung der Gymnasiallehrer erhöht, haben im Gegenzug aber keine neuen Lehrkräfte in Niedersachsen eingestellt.
Ein Jahr später haben Sie vor Gericht verloren und haben dann den Lehrerbedarf gar nicht mehr decken können.
Es gibt bei dieser Regierung keine konsequente Einstellungspolitik. Auch das muss man sich immer wieder vor Augen führen.
Was haben wir letztes Jahr in Bezug auf den Einstellungstermin zum Schuljahresbeginn erlebt? - Im Frühjahr werden die ersten Stellen ausgeschrieben. Im Juni schreibt die Regierung noch einmal 900 Stellen aus. Im August wundert sie sich, dass sie 500 davon nicht besetzen kann. Man muss kein Fachmann sein, um zu wissen, dass man Stellen, mit denen man so kurzfristig kommt, nicht besetzen kann.
Jetzt geht es weiter mit dem Wahnsinn, den wir gerade in diesen Tagen erleben. Zum Einstellungstermin 1. Februar sind an unseren Studienseminaren rund 700 Referendare mit gymnasialem Lehramt fertig geworden. Diese Lehrkräfte, die wir in Niedersachsen ausgebildet haben und die gute Qualifikationen mitbringen, könnten bei uns eingestellt werden. Diesen 700 fertigen Referendaren werden aber nur 360 Stellen an Gymnasien oder mit gymnasialem Lehramt angeboten, wobei die meisten Stellen auch noch für Grundschulen oder Gesamtschulen umgewidmet wurden. Die Gymnasien selbst bekommen nur 165 Stellen.
Ich will es ganz deutlich sagen: Der Vorsitzende des Philologenverbandes, der das als Skandal bezeichnet, oder der Verband der Elternräte an Gymnasien, der sagt, dass es unverantwortlich ist, was hier stattfindet, haben recht. Es ist ein Skandal, dass in der Situation, die wir haben, diese Regierung 340 Lehrer auf der Straße stehen las
Und das passiert in einer Situation, in der wir 98 % Unterrichtsversorgung haben, in der 1 Million Stunden nicht erteilt werden können. Wir brauchen diese Lehrkräfte in unserem Bundesland. Wir können doch nicht so verrückt sein, die woanders hingehen zu lassen!
Beide Verbände, der Philologenverband und die Elternräte an Gymnasien, kritisieren zu Recht auch die Intransparenz bei der jetzigen Landesregierung. Diese Landesregierung von SPD und Grünen - ich sage es noch einmal - redet so viel von Transparenz. Sie ist es aber gerade gewesen, die den Halbjahresstatistiktermin zum Schulhalbjahr gleich nach dem Regierungswechsel abgeschafft hat. Dies geschah mit der Begründung, man hat jetzt eine tolle Software, die die Unterrichtsversorgung steuert und die genau steuert, wo man nachbessern und Lehrer einstellen muss. Es wurde damals gesagt, dass diese Software so toll ist, dass sie einem sogar ermöglicht, mehr oder weniger tagesaktuell zu schauen, wie an jeder Schule im Land die Lage ist, und man wisse dann ganz genau Bescheid. So toll sollte das sein! Heute sehen wir, man ist nicht einmal in der Lage, uns die Daten von vor einem halben Jahr vorzulegen.