Protokoll der Sitzung vom 01.03.2017

Ein Mammutprojekt: 18 000 Beschäftigte sollen bundesweit davon betroffen sein. Umso verwunderlicher ist es, dass es im Schlepptau der Neuaufstellung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auf den letzten Drücker auf den Tisch kommt.

Damit eines klar bleibt: Wir haben die Infrastrukturgesellschaft damals nicht gewollt. Wir wollen sie nach wie vor nicht - so, wie sie geplant ist. Sie birgt viele Risiken. Sie entzieht uns qualifizierte Beschäftigte und Strukturen, die sich seit vielen Jahren bewähren.

Und damit auch das klar ist: Wir haben es Bundesfinanzminister Schäuble zu verdanken, dass er zu einem Zeitpunkt, da er den Ländern noch nicht einmal ein Umsetzungskonzept vorlegen konnte, die Länder diese Kröte hat schlucken lassen.

Inzwischen liegen einige Vorschläge für Gesetzesänderungen vor. Der Bundesrat hat eine Reihe von Änderungsvorschlägen gemacht. Viele bezogen sich darauf, die Situation der Beschäftigten zu verbessern - Vorschläge, die ebendieser Bundesminister vom Tisch gewischt hat. Das werden wir so nicht stehen lassen.

Schließlich tragen wir viel Verantwortung. Rund 1 000 der insgesamt 3 200 Beschäftigten des Landes sind von dieser Reform betroffen. Diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ihren Familien gegenüber haben wir eine Fürsorgepflicht. Für sie fordern wir einen Übergangs- und auch einen Grundtarifvertrag für die alten und für die neu einzustellenden Beschäftigten. An diese Tarifverträge haben sich die neue Gesellschaft und eventuell zu gründende Töchter zu halten.

Anhand eines Beispiels will ich ausführen, warum wir ein riesiges Problem mit den aktuellen Planungen der Bundesregierung haben. Schon die A 7 wird derzeit unwirtschaftlich in ÖPP gebaut.

(Zustimmung von Ronald Schminke [SPD])

A 20 und A 39 sind jetzt schon unwirtschaftlich;

(Zuruf von der CDU: Quatsch!)

mit der neuen Bundesautobahngesellschaft würden nur noch mehr Steuergelder versenkt werden.

(Zuruf von Astrid Vockert [CDU])

Aber zurück zur A 7: In den letzten Monaten mussten wir verfolgen, welche Unsicherheiten für die Beschäftigten der Straßenmeisterei in Seesen durch den Ausbau der A 7 in ÖPP entstanden sind:

(Ronald Schminke [SPD]: Richtig!)

ob die Meisterei aufgelöst oder nur verkleinert wird.

Die derzeitige Landesregierung hat sich maximal gegen dieses ÖPP-Projekt aufgelehnt. Der Bund hat es durchgedrückt, obwohl ÖPP den Bau langsamer und teurer gemacht hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich möchte mir nicht vorstellen, welche Auswirkungen es hat, wenn nicht nur Einzelvorhaben, sondern sogar ganze Teilnetze im Rahmen von ÖPP privatisiert werden können. Das ermöglicht nach wie vor der Bundesvorschlag für die Autobahngesellschaft. Das lehnen wir entschieden ab.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Toepffer, hier - auf Landesebene - geben Sie vor, für die Beschäftigten zu kämpfen. Auf Bundesebene sorgen Sie mit ÖPPProjekten dafür, dass die Jobs der Landesbeschäftigten auf dem Spiel stehen. Das ist doppelbödig.

Aber auch eine versteckte Privatisierung, wie sie sich die Versicherungskonzerne wünschen - über die Kreditfähigkeit der Gesellschaft oder ihrer Töchter -, ist immer noch nicht vom Tisch. Auch sie lehnen wir entschieden ab, u. a. weil sie nichts anderes wäre als die Vorbereitung einer Umgehung der Schuldenbremse.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der Bundesrechnungshof und die Gewerkschaften kritisieren die aktuellen Pläne des Bundes zu Recht. Auch das Baugewerbe haben wir in dem Punkt der Ablehnung von ÖPP an unserer Seite.

Viele der aktuellen Formulierungen sind zu schwammig. Zu viele Fragen sind im Moment offen. Wir werden die Katze nicht im Sack kaufen.

Eine Grundgesetzänderung kommt für uns auch dann nicht infrage, wenn die Rechtsform der Gesellschaft Transparenz und politische Kontrolle unmöglich macht. Denn die Rechtsform wird darüber entscheiden, ob die neue Gesellschaft ausreichend transparent arbeiten wird, ob sie Auskunft geben kann und ob die Politik wirksam parlamentarische Kontrolle ausüben kann.

Noch einmal: Alle Auswüchse der Privatisierung müssen gesetzlich ausgeschlossen werden, auch um die Interessen der Beschäftigten und die Interessen des Landes Niedersachsen wahren zu können.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Westphely. - Jetzt kommt die FDP-Fraktion. Herr Abgeordneter Jörg Bode, bitte sehr!

(Zuruf von Ronald Schminke [SPD])

- Herr Schminke, Sie sind noch nicht dran.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Er be- reitet sich vor!)

Sie können sich noch melden.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Will, es ist schon ganz erstaunlich, dass die SPD diese Aktuelle Stunde beantragt hat. Denn die heutige Aktuelle Stunde macht noch

einmal deutlich, dass der Ministerpräsident eine einstimmige Positionierung des Niedersächsischen Landtags bei seinen Verhandlungen in der Ministerpräsidentenkonferenz und in Debatten im Bundesrat schlicht und ergreifend ignoriert und genau das Gegenteil getan hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Gerd Ludwig Will [SPD])

Dass Sie das heute noch einmal nach vorne bringen, das zeugt wirklich von einer gewissen Abnabelung der SPD von dieser Landesregierung.

(Lachen bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist vollkommen klar, dass das Bundesvorhaben der Infrastrukturgesellschaft dazu führt, dass es ineffizienter wird, weil Doppelstrukturen aufgebaut werden, dass Planungen länger dauern werden, dass erfolgreiche Synergien, die - gerade auch in Niedersachsen - in der Verwaltung, in der Planung geschaffen worden sind, aufgelöst und zerschlagen werden, dass also Infrastruktur teurer und später kommen wird.

Obwohl man dies alles weiß und durchaus im Gespräch mit den Ländern war, die nicht so gut aufgestellt sind - auch kleinen Ländern wie beispielsweise Bremen und dem Saarland -, um zu Veränderungen zu kommen und das System zu optimieren, ist man den anderen Weg gegangen.

Herr Will, Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen: Es ist Ihr Ministerpräsident, der dies goutiert und ihm in der Ministerpräsidentenkonferenz zugestimmt hat. Es war tatsächlich die Politik Ihrer Landesregierung, die zu dieser schrecklichen, schlimmen Situation geführt hat.

Sie, Herr Will, zählen jetzt auf, was diese Landesregierung alles noch neuverhandeln soll. Aber alle Ihre Forderungen sind von dieser Landesregierung und den anderen Landesregierung bereits abschließend verhandelt worden. Es gibt 70 - nein: 71 - Ziffern, die der Bundesrat ergänzend zu der Erklärung vom 8. Dezember gefordert hat, und die Bundesregierung hat am 15. Februar geantwortet.

Um einmal zu sagen, was das Ergebnis der Verhandlungen im Bereich Personal ist, zitiere ich hier einmal aus der Antwort der Bundesregierung:

„Dort“

- in der Erklärung vom 8. Dezember -

„werden gerade nur die ‚ausgeprägten Organisationsstrukturen für Autobahnen an ih

ren Standorten‘ garantiert … und eine grundsätzliche Verwendung am bisherigen Arbeitsort festgeschrieben, dies bedeutet aber nicht zwangsläufig eine Beibehaltung aller von Ländern möglicherweise genannten bzw. aller bisherigen Standorte.“

Es gibt eben keine Garantie, dass alle an ihrem Arbeitsort verbleiben können. Das Gegenteil wird tatsächlich der Fall sein. Natürlich wird der Bund auch von Versetzungsmöglichkeiten in der Bundesverwaltung Gebrauch machen.

Auch auf die Frage der Pensionslasten gibt es eine eindeutige Antwort. Genau das Gegenteil Ihrer Forderung ist am 8. Dezember festgelegt worden.

Der Bund besteht bei allen Forderungen auf der Vereinbarung vom 8. Dezember, die Ihr Ministerpräsident tatsächlich unterschrieben hat. Er hat alles, was Sie gefordert haben, am 8. Dezember bereits verkauft. Es gibt keine Möglichkeiten mehr, dies zu verändern. Das ist die Wahrheit - und nicht die Nebelkerzen, die Sie heute geworfen haben.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Deshalb müssen Sie sich schon einmal die Frage gefallen lassen - Frau Westphely hat das hier eben mit einem Nebensatz angedeutet; das ist eine spannende Frage an die Landesregierung -: Was bedeutet es für Sie, welche Konsequenz hat es, wenn Sie feststellen, dass Sie in dieser Frage bisher immer gegen den Willen des gesamten Landtags gehandelt haben, und dass alle Forderungen, die Herr Will hier aufgeführt haben, nicht umgesetzt werden? - Ich glaube, es gab zwei, drei Punkte, an denen die Bundesregierung Ihnen entgegenkam. Bei der Frage des Inkrafttretens des Gesetzes z. B. hat man Ihre Änderungsvorschläge akzeptiert. Bei allen materiellen Änderungsvorschläge übrigens nicht. Alle materiellen Änderungsvorschläge wurden nicht akzeptiert!