Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

Ich denke, hier ist es an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen, dass kein Atomkraftwerk in der Bundesrepublik Deutschland länger als bis zum Jahr 2022 laufen soll, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Diese Debatte muss ein für alle Mal beendet sein.

(Zuruf von den GRÜNEN: So ist es!)

Ich möchte an dieser Stelle allen Beteiligten aus den Ministerien und natürlich auch darüber hinaus allen, die bei dieser riesigen Aufgabe, bei diesem langen Prozess, der geführt worden ist, mitgewirkt haben, meinen ausdrücklichen Dank aussprechen. Mein ausdrücklicher Dank geht an den Ministerpräsidenten und seinen Stellvertreter, den Umweltminister Stefan Wenzel.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich denke, für Niedersachsen wurden die besten konstruktiven Vorschläge herausgearbeitet und der bestmögliche Konsens erzielt. Dafür Dank, Anerkennung und Respekt!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Vergangenheit zeigt auch, dass es mit Blick auf die 60er- und insbesondere 70er-Jahre nicht ausreicht, irgendwo mit dem Finger auf die Landkarte zu tippen und zu sagen: Da ist der Ort! - Das hatten wir bei der Asse so. Das war in Gorleben so. Dieser Prozess ist falsch. Hier bedarf es eines grundsätzlichen Abwägungsprozesses. In der Vergangenheit wurden hier viele Fehler gemacht - unter Sicherheitsaspekten, unter finanziellen Aspekten -, und es wurden insbesondere auch politische Fehler gemacht.

Gorleben - das haben alle Redner ausgeführt - ist nicht ausgeschlossen. Das hat auch Frau Hendricks am letzten Freitag gesagt. Ich möchte aber auch betonen, dass der Bundestag zum Thema Gorleben einen Untersuchungsausschuss hatte. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Erkenntnisse, die wir über Gorleben haben, ausreichen, um Gorleben ein für alle Mal auszuschließen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In einem solchen Prozess ist es auch wichtig, nicht nur Experten zu benennen. Am Anfang wurde ja

gesagt: Lasst das nur die Experten machen! Niemand anderes als die Experten können in die Kommission benannt werden! - Ich denke, das ist ein Irrweg. Warum sage ich das? - Wir haben uns gerade im Bereich der Kernenergie und der Endlagerung in den letzten Jahren ein bisschen zu viel auf die Experten verlassen. Alle diejenigen, die im Asse-Untersuchungsausschuss gewesen sind, wissen sehr wohl, dass man sich da zu sehr auf die Experten verlassen hat. Es bedarf eines hohen bürgerschaftlichen Engagements. Man tut gut daran, die Kommission so zusammengesetzt zu haben, dass alle gesellschaftlichen Bereiche vertreten sind. Experten können sich irren, sie haben sich geirrt.

Meines Erachtens ist es bei diesem Thema ganz wichtig, dass wir uns nicht einer Technikhörigkeit hingeben. Auch das ist ein Prozess, den wir alle in vielen Jahren haben lernen müssen, insbesondere in den 60er- und 70er-Jahren. Damals wurde immer gesagt: Wir haben das im Griff! Wir können das bewältigen! - Wir alle wissen heute: Genau das Gegenteil ist der Fall. Und die Arbeit der Kommission hat sich gelohnt - das sage ich ganz deutlich -, sie hat sich wirklich gelohnt. Die Kommission hat nicht nur das Parlament, sondern auch die verschiedensten Gruppen geeint.

Wenn wir aus der Geschichte der Atomkraft eines mitnehmen können, dann das: dass wir an neue Technologien äußerst vorsichtig herangehen müssen, dass wir sie erst einmal in Ruhe erforschen müssen und dass wir - aber das sollte man ja bei allen Dingen tun - grundsätzlich das Ende bedenken müssen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir haben vor wenigen Wochen gelernt: verschiedene Länder - verschiedene Suchverfahren. Manchmal standen uns die Haare zu Berge, als wir gesehen haben, wie einige Länder an den Suchprozess herangehen. Manche Länder suchen relativ schnell, andere Länder, so auch die Bundesrepublik Deutschland, nehmen sich für den Suchprozess sehr viel Zeit.

Ich glaube, es ist richtig, in Ruhe zu gucken und in Ruhe zu forschen. Aber dabei darf man das Ziel nicht aus dem Blick verlieren. Das Ende dieses Suchprozesses muss absehbar sein. Wir dürfen das Problem der Endlagerung nicht von der einen Generation auf die nächste und auf die übernächste Generation verschieben. Die Bürgerinnen und Bürger, die in der Nähe eines Zwischenlagers leben, müssen die Gewissheit haben, dass das

Zeug irgendwann wegkommt und dass es irgendwann ein Endlager in Deutschland gibt - oder auch zwei.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Mit Blick auf Niedersachsen ist klar: Schacht Konrad ist für 303 000 m3 genehmigt. Dafür ist er geplant, und damit ist er auch ausgereizt; das sage ich hier in aller Deutlichkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Vergangenheit lehrt, dass in einem solchen Prozess nur glasklare Transparenz, Beteiligung und Partizipation zum Erfolg führen. Das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger erwarten, das ist das, was die Politik liefern muss.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Bundesrepublik Deutschland mit dem Standortauswahlgesetz auf dem richtigen Weg ist. Ich bin auch davon überzeugt, dass man aus den vielen fürchterlichen Ereignissen in der Geschichte der Kernenergie gelernt hat, an diese Technologie mit Vorsicht und mit Transparenz heranzugehen. Und ich bin davon überzeugt, dass die Bundesrepublik Deutschland mit diesem Standortauswahlgesetz Vorreiter für viele andere Länder in der Welt sein kann: Vorreiter beim Ausstieg aus der Kernenergie, aber vor allen Dingen Vorreiter bei der Suche nach einem Endlager.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bosse. - Es folgt jetzt für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Gero Hocker. Herr Hocker, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr! Sie haben maximal 17 Minuten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank für den Hinweis. Aber es werden keine 17 Minuten. Da kann ich Sie und das Hohe Haus beruhigen.

Herr Minister Wenzel, die Regierungserklärung, die Sie heute abgegeben haben, folgt einem roten Faden, einem einfachen Muster, das Ihre Partei, das Ihre Fraktion seit vielen Jahrzehnten beherzigt: Immer dann, wenn die Umfragewerte für Ihre Par

tei im Keller sind - wie es gegenwärtig in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen der Fall ist -, immer dann, wenn Sie aus Landtagen herausgekegelt werden - wie kürzlich im Saarland -, greifen Sie ganz tief in die Mottenkiste, holen Ihren politischen Joker hervor und versuchen, die Kernenergie und die Fragen der Endlagerung für Ihre politischen Ziele zu instrumentalisieren. Aber ich sage Ihnen: Häufig genug sind die Zusammenhänge, die Sie da konstruieren, nur konstruiert, und es wird Ihnen nicht gelingen, politischen Honig daraus zu saugen.

(Zustimmung bei der FDP)

Ich nenne drei Beispiele. Vor fünf Tagen haben Sie, Herr Minister, und Ihr Haus in einer Presseerklärung verkündet, dass im Zwischenlager in Gorleben auffällige Fässer gefunden wurden, die jetzt einer „vertieften Inspektion“ unterzogen werden müssen. - Es ist kein Zufall, dass genau diese Meldung, dass es dort auffällige Fässer gibt, Ihr Haus schon in einer Pressemitteilung im Jahr 2014 verlassen hat. - Ist der Minister eigentlich noch da?

(Jörg Bode [FDP]: Der sucht ein Fass!)

- Na gut. Wer lange sucht, der wird irgendwann auch was finden.

Im Jahr 2013, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, deklarierte Claudia Roth die 16 000 Toten, die in Japan aufgrund einer Naturkatastrophe gestorben und zu einem überwiegenden Anteil ertrunken sind, schlichtweg in Opfer der Kernenergie um - weil die Umfragewerte gerade im Keller waren!

Das dritte Beispiel - und damit haben Sie, Herr Minister, in meinen Augen den Vogel abgeschossen -: Im März 2014 haben Sie im Rahmen einer Gedenkveranstaltung die zivilen Opfer des Reaktorunfalls in Tschernobyl in eine Reihe mit den Kriegstoten aufgrund der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und auf Nagasaki gestellt.

(Jörg Bode [FDP]: Ungeheuerlich!)

Herr Minister Wenzel, es gibt einen Unterschied zwischen zivilen Opfern aufgrund eines Unfalls mit einer Technologie und bewusst herbeigeführten Kriegsopfern. Wenn Geschichtsvergessenheit noch einer Definition bedurfte, so haben Sie diese Definition an jenem Tag geliefert.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Minister, die Kernenergie in Deutschland befindet sich in der Abwicklung. In fünf Jahren wird

das letzte Kernkraftwerk in Deutschland vom Netz gehen. Ich sage Ihnen: Es wird Ihnen nicht gelingen, Ihre gegenwärtig schlechten Umfragewerte aufzubessern, indem Sie wie ein Zauberer das weiße Kaninchen aus dem Hut der Kernenergie hervorzaubern. Das mag vielleicht in LüchowDannenberg funktionieren. Aber in jedem anderen Landkreis wirft man Ihnen doch mittlerweile vor, dass Sie einen toten Gaul reiten und das Gespür dafür verloren haben, was die Menschen in Deutschland und in Niedersachsen bei Ihrer grünen Energiepolitik gegenwärtig umtreibt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie und Ihre Partei wären gut beraten, sich der Herausforderungen anzunehmen, die die Energiewende, die ja maßgeblich Ihre Handschrift trägt, mit sich bringt, anstatt sich permanent und in gewisser Weise sentimental die Vergangenheit zurückzuwünschen, in der Sie sich mit immer neu erfundenen Schreckens- und Angstszenarien Zustimmung haben erarbeiten können.

(Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann übernimmt den Vorsitz)

Ich sage Ihnen ganz ausdrücklich: Kümmern Sie sich endlich um die Menschen, die aufgrund Ihrer Energiepolitik Angst um ihr Eigentum haben, die sich Sorgen um ihre Gesundheit machen, die sich Sorgen um ihre Heimat machen, die sich Sorgen um den Artenschutz und die Vielfalt der Natur machen - und die sich, Herr Minister, nicht zuletzt auch Sorgen um die nächste Stromrechnung machen, die sie im Oktober oder im November 2017 ereilen wird. Denn wahrscheinlich werden sie wieder Hunderte von Euro nachzahlen müssen, und außerdem werden die Abschlagszahlungen für die nächsten zwölf Monate festgesetzt.

Das ist das Ergebnis Ihrer grünen Energiepolitik, Herr Minister Wenzel. Darauf brauchen Sie Antworten. Aber die haben Sie leider nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nun zur Sache.

(Volker Bajus [GRÜNE]: Ausnahms- weise mal zur Sache! - Miriam Staudte [GRÜNE]: Darauf warten wir ja schon! - Weitere Zurufe)

- Es ist erstaunlich, wie bestimmte Mechanismen immer wieder wie ein Uhrwerk ablaufen. Verehrte Frau Kollegin Staudte, machen Sie sich keine Sorgen. Sie sind doch lange genug in diesem Hohen

Hause und wissen, dass ich auch bei der Energiepolitik immer schnell zum Punkt komme.