Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Ich habe doch überhaupt nicht von Gewalttaten gesprochen!)

Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Für die Landesregierung hat nun Herr Innenminister Pistorius das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Spannungsfeld zwischen der Wahrung individueller Freiheitsrechte und dem Ausmaß der Sicherheitsbestimmungen und -vorkehrungen prägt aktuell - wer wüsste das in diesem Hohen Hause nicht? - viele innenpolitische Debatten. Es ist unsere Pflicht als Politikerinnen und Politiker, dass wir genau abwägen, wie wir die Sicherheit der Menschen gewährleisten können, ohne die Rechte des Einzelnen oder die Rechte von Minderheiten oder einzelner Bevölkerungsgruppen zu beschneiden. Das ist häufig ein äußerst schmaler Grat.

Mit dem uns vorliegenden Entwurf zur Änderung des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes werden wir dieser Herausforderung gerecht. Wir stärken das Versammlungsrecht der Bürgerinnen und Bürger, ohne dadurch die Einsatzkräfte und die Sicherheits- und Ordnungsbehörden in der Praxis vor Probleme zu stellen.

Nehmen wir die Änderung der Einstufung von Verstößen gegen das Vermummungsverbot, das hier gerade wieder sehr kontrovers diskutiert wurde. Bei der Einstufung der Vermummung als Ordnungswidrigkeit ist keinesfalls beabsichtigt, eine Vermummung zu verharmlosen oder Strafen dafür herabzusetzen;

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

denn die Ahndung einer unerlaubten Vermummung bleibt mit einem Bußgeld von bis zu 3 000 Euro auf dem Niveau einer vergleichbaren Geldstrafe.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Unser Ziel ist es vielmehr - und auch das ist bereits deutlich geworden -, die Polizei in die Lage zu versetzen, eine eigene Abwägung zwischen Einschreiten und Deeskalieren vornehmen zu können und minderschwere Verstöße zum Zwecke der Deeskalation nicht sofort ahnden zu müssen. Wir erweitern so durch das Opportunitätsprinzip im

Ordnungswidrigkeitenrecht die Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten der Polizei.

(Zuruf von der CDU: Sie erschweren es!)

Und das ist der stärkste Vertrauensbeweis, den man unserer Polizei aussprechen kann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Des Weiteren bietet der Gesetzentwurf Erleichterung für die Menschen, die Demonstrationen oder Kundgebungen anmelden möchten. Die Angabe der persönlichen Daten wird auf das Notwendige reduziert. Dazu zählen eine Erreichbarkeit oder eine Anschrift. Die Anmelderin oder der Anmelder erhalten dabei in dem neuen Gesetz die Möglichkeit, die Büroadresse oder die Adresse eines Zweitwohnsitzes anzugeben. Die Grundlage dafür hat der Innenausschuss jüngst mit der Formulierung geschaffen, dass „eine für den Schriftverkehr mit der zuständigen Behörde geeignete Anschrift“ angegeben werden muss. Das ist gerade für jene Menschen hilfreich, die z. B. aus beruflichen Gründen selten zu Hause sind.

Eine weitere Änderung im Gesetzentwurf ist die Aufhebung der sogenannten Bannmeile rund um den Landtag. Ich hatte schon an anderer Stelle deutlich gemacht, dass ich durchaus Verständnis für die Bannmeilenregelung habe und man hier durchaus zu unterschiedlichen Bewertungen kommen kann. Ich bin mir aber sicher, dass die Funktionsfähigkeit des Landtages auch ohne eine Bannmeilenregelung hinreichend geschützt wird und werden kann, und zwar mit den allgemeinen versammlungsrechtlichen Instrumentarien.

Seitdem das Parlament in diesem Übergangsplenarsaal tagt, dessen Haupteingangsbereich bekanntermaßen an der Marktkirche nicht von der bisherigen Bannmeilenregelung umfasst ist, ist es nicht zu gravierenden Störungen gekommen. Aus diesem Grund ist es für uns vertretbar, diese Regelung im Versammlungsgesetz zu streichen.

Lassen Sie mich noch etwas hinzufügen: Ich finde die Debatte um den Fortbestand der Bannmeilenregelung reichlich übertrieben und emotionalisiert.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Schön, dass das ein Nichtparlamentarier sagt! Schön, dass das die Exekutive sagt!)

Es hat in den letzten Jahren bislang keine Erfahrungen gegeben, die uns glauben machen müss

ten, dass es ohne Bannmeilenregelung nicht funktioniert.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich habe Vertrauen in die demokratischen Kräfte in diesem Land, ich habe Vertrauen in die Versammlungsbehörden, und ich habe Vertrauen in die niedersächsische Polizei. Wir werden mit Demonstrationen vor dem Haus von wem auch immer so wie heute und in den letzten Monaten und Jahren leben können. Die entsprechenden Regelungen reichen aus, um hier für Sicherheit und Ordnung zu sorgen.

(Jens Nacke [CDU]: Er war noch kei- nen Tag Parlamentarier!)

Meine Damen und Herren, zu einer lebendigen Demokratie gehört eine aktive Zivilgesellschaft, die ihre Meinung und Haltung auch in Versammlungen und Kundgebungen ausdrückt. Daher hatten wir im Koalitionsvertrag beschlossen und den Mut dazu, das Versammlungsrecht bürgerfreundlicher und transparenter zu gestalten. Das neue Gesetz schafft genau diese Bürgerfreundlichkeit, und das im Einklang mit der Prämisse, ein hohes Maß an Sicherheit für die Bevölkerung und das Parlament zu gewährleisten.

Ich bitte Sie daher, dem vorliegenden Gesetzentwurf zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Beratung sehe ich nicht, sodass ich diese schließen kann.

Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf:

Artikel 1. - Hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer ihr folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Artikel 1/1. - Auch hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer ihr folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Artikel 1/2. - Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer ihr folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Artikel 2. - Unverändert.

Artikel 3. - Unverändert.

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist somit in der Fassung der Änderungsempfehlung des Ausschusses beschlossen.

Bevor ich Tagesordnungspunkt 7 aufrufe, hat Herr Abgeordneter Höntsch das Wort zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 unserer Geschäftsordnung. Herr Höntsch, ich gehe davon aus, dass Ihnen der Inhalt des § 76 bekannt ist. Bitte!

Danke schön, Frau Vizepräsidentin. - Zweimal bin ich mit Namen erwähnt worden, einmal vom geschätzten Kollegen Oetjen und einmal von meinem geschätzten Kollegen Nacke. Ich möchte auf beides ganz kurz eingehen.

Lieber Kollege Oetjen, mit Vergleichen mit 1933 ist es immer so eine Sache. Ich bedanke mich für den Hinweis. Natürlich ist das richtig, und mir ist durchaus bekannt, woher das kommt. Aber die Vergleiche sind wirklich schwierig. Wir wehren uns ja auch immer gegen die Verharmlosung von Dingen, die in der damaligen Zeit passiert sind.

(Zuruf von der CDU: Wo ist die per- sönliche Erklärung?)

- Die persönliche Erklärung ist die, dass ich dem widerspreche, was Jan Oetjen gesagt hat.

(Ulf Thiele [CDU]: Das ist keine per- sönliche Erklärung! Sie geben ein Statement ab! - Weitere Zurufe von der CDU)

Keine Aufregung, liebe Kollegen und Kolleginnen! - Herr Höntsch, bitte fahren Sie fort!

Ich würde die Deutschnationale Volkspartei und die Zentrumspartei von 1933 nicht in irgendeiner Form mit der Opposition hier im Niedersächsischen Landtag vergleichen wollen. Sie sind weiter.

(Jörg Hillmer [CDU]: Was soll das heißen? In welche Richtung? - Weite- re Zurufe von der CDU)

Sie müssen jetzt auf den persönlichen Bezug zu sprechen kommen, Herr Kollege!

Kollege Nacke meinte, dass das, was ich zur Polizei und zum Schutz dieses Landtages geäußert habe, ein Gefühl ist. - Das ist kein Gefühl. Das, was ich gesagt habe, beruht auf Erfahrung, auf Zusammenarbeit, auf regelmäßigen Praktika bei unseren Polizisten, und es ist eine Tatsache.

(Jörg Hillmer [CDU]: Was war das denn? - Weitere Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Höntsch.

Wir fahren jetzt fort. Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 7: Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes über Mitwirkungs- und Klagerechte von Tierschutzorganisationen - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 17/5329 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung - Drs. 17/7687 - Schriftlicher Bericht - Drs. 17/7763

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf mit Änderungen anzunehmen.