Michael Höntsch
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Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass wir in der inklusiven Schule zunehmend Bedarf an sonderpädagogischer Kompetenz haben, frage ich die Landesregierung, was sie dort in der Aus- und Weiterbildung vorhat.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich als Abgeordneter der SPD-Fraktion kann nicht erkennen, dass wir eine Integrationspauschale auf den Weg bringen müssten. Dieser Antrag suggeriert, es gebe bis heute kaum eine oder keine finanzielle Unterstützung seitens des Landes für die Integration Geflüchteter in den Städten und Gemeinden. Gleich mehrere Fakten sprechen gegen die von der Fraktion der FDP beantragte Integrationspauschale:
Der Landtag hat mit den Stimmen von SPD und Grünen im Dezember 2016 einen Nachtragshaushalt beschlossen, mit dem den Kommunen schon im vergangenen Jahr und in den Jahren 2017 und 2018 zusammen 1 Milliarde Euro zusätzlich gewährt worden ist, um die großen Herausforderungen bei der Aufnahme, Unterbringung und schließlich auch Integration von Flüchtlingen bewältigen zu können.
Die Landesregierung und auch die Fraktionen von SPD und Grünen mahnen von jeher an, unsere Kommunen finanziell so auszustatten, dass sie in der Lage sind, alle ihnen übertragenen Aufgaben zu bewältigen. Dazu gehört auch das Thema der Integration von zu uns geflüchteten Menschen. Da sind wir uns sehr einig, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Auch das Land muss - das habe ich erwähnt - seinen Beitrag leisten, allerdings nicht alleine. Auch der Bund ist gefragt und muss zu seiner Verantwortung stehen.
Letztendlich ist die Bundesregierung, allen voran der Bundesinnenminister und die Kanzlerin, in der
Verantwortung. Denn dort wird über die Aufnahme und die Verteilung auf die Länder - und damit indirekt auch auf die Kommunen - entschieden. Von „Wir schaffen das“ hin zu einem „Die schaffen das schon“ - das ist leider die jüngste Entwicklung.
Lassen Sie uns gemeinsam dafür werben, die Einwanderung endlich auf sichere Füße zu stellen, wie es die Bundesratsinitiative zu Beginn des Jahres vergeblich gefordert hat! Themen wie Migration und Flucht sind in unserer Bevölkerung mit Ängsten verbunden. Wir wissen das. Mit diesen Ängsten spielt man aber nicht.
Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das die Integration in unsere Gesellschaft regelt. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz losgelöst von unserem Asylrecht.
Schon heute leben viele hoch qualifizierte Menschen unter uns, die aus der Sicht der Wirtschaft dringend benötigt werden. Leider werden uns viele davon wieder verlassen müssen, weil sie nach dem bestehenden Asylrecht keine Bleibeperspektive haben. Das Nein des Bundesrates hat Zukunftschancen nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für unsere Gesellschaft verwirkt.
Und noch eines: Die Landesregierung steht zu ihrer Verantwortung für die Kommunen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung hat Rot-Grün die Kommunen in der Vergangenheit unterstützt und wird dies auch in der Zukunft tun, gerade auch diejenigen, die aktuell unter ganz besonderem Druck standen und stehen. Da sind wir verlässlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wir werden Ihren Antrag ablehnen.
Erlauben Sie mir nun am Ende meiner Ausführungen, ein paar Worte des Dankes und des Abschiedes loszuwerden. Ich stehe hier zum letzten Mal. Ich werde dem kommenden Landtag - nach fünf Jahren engagierter Arbeit im Parlament und im Wahlkreis - nicht mehr angehören. Es war eine spannende und eine schöne Zeit, sozusagen die Hoch-Zeit meines Berufslebens.
Ich kann nicht verhehlen, dass es mich geschmerzt hat, nicht wieder dabei sein zu können. Das war eine schwere, eine bittere politische Niederlage. Ich habe aber die Kraft gefunden, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Das ist, glaube ich, ganz gut so.
Ich erinnere mich noch gut an die Ansprache unseres verehrten Präsidenten, Herrn Busemann, der davon sprach, welch große Ehre es sei, diesem Parlament angehören zu dürfen. Sie werden sich erinnern. Auch mich hat es mit Stolz erfüllt, die Treppe zum Portikus emporsteigen zu dürfen.
Ich habe hier in diesem Parlament Freunde und darüber hinaus angenehme menschliche Kontakte gefunden - natürlich auch zu beiden Oppositionsparteien -, an die ich mich gerne erinnern werde.
Ich habe zeit meines politischen Lebens meist frank und frei meine Meinung gesagt. Das war auf meinen Wegen nicht immer hilfreich und hat mir oft Schwierigkeiten bereitet, aber es ging nicht anders. Schon mein Vater kritisierte das einst heftig an mir. Ich denke mir, er wäre heute trotzdem stolz.
Meine lieben Kolleginnen und meine lieben Kollegen, ich möchte Sie heute an unser Versprechen erinnern: Wir wollen uns für unsere freiheitliche Demokratie stark machen. Wir wollen der Jugend, aber auch allen anderen ein Vorbild sein.
Mir wurde immer gesagt, der parlamentarische Streit und auch die Polemik seien das Salz in der Suppe. Mir persönlich war diese Suppe hier mitunter versalzen. Ich mag die Hoffnung aber nicht aufgeben, dass wir - ich muss jetzt sagen: dass Sie - da besser werden können.
Auch mein Herzensanliegen möchte ich heute hier allen Fraktionen im Hause noch einmal darlegen: Bitte nehmen Sie das Problem des Antisemitismus ernst! Denn es ist ernst. Wir haben hier immer viel über Gewalt gesprochen. Ich kann die Auseinandersetzungen eigentlich kaum zählen, in denen wir uns um rechte wie linke Gewalt gestritten haben. Diese Debatten sind sicherlich wichtig und auch nötig. Bei allem Dissens aber sollte uns die Solidarität mit unseren jüdischen Mitbürgern immer einen.
Das muss immer Konsens sein, und das muss immer Konsens bleiben. Ich sage mit dem nötigen Selbstbewusstsein: Wir sind besser als jedes andere Land in der Erinnerungskultur aufgestellt, gerade auch in der Landeshauptstadt Hannover
und in der Region. Unsere Gedenkstätten sind ganz wunderbare Orte, wenn ich das - ohne missverstanden zu werden - so sagen darf, ob Ahlem oder Bergen-Belsen. Diese unsere Vergangenheit muss uns anspornen, uns umso mehr auch den Lebenden zuzuwenden. Hate speech und offener Judenhass müssen unsere gemeinsame Ablehnung, unseren gemeinsamen Widerstand erfahren. Wenn dort Gesetze nicht ausreichen - das scheint so zu sein -, dann muss die Politik handeln.
Ich wünsche Ihnen allen im Übrigen eine Zukunft in diesem Parlament ohne AfD.
Verehrter Herr Präsident Busemann, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Hanne, ich behalte Sie alle in guter Erinnerung und freue mich, wenn Sie es mir nachtun. Auf jeden Fall werde ich die Landespolitik weiterhin aufmerksam verfolgen und mich auch ohne Mandat zu Wort melden.
Danke schön.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich in meinen nun folgenden Ausführungen auf das Thema Bannmeile fokussieren. Zu den anderen Punkten, wie Vermummung, sind nach meinem Dafürhalten im Plenum und auch im Ausschuss die Argumente hinreichend ausgetauscht worden.
Unser verehrter Herr Landtagspräsident hat im letzten Jahr hier eine leidenschaftliche Fürrede zur Beibehaltung der Bannmeile gehalten. Sie ist uns allen in Erinnerung geblieben. Auch heute werden Sie vielleicht noch dazu Stellung nehmen. Ich habe Sie vorhin auf einer Demonstration, auf einer Kundgebung in der Bannmeile, die es zurzeit nicht gibt, gesehen. Ihre Rede ist uns, wie gesagt, in Erinnerung geblieben. Es war Ihnen eine Herzensangelegenheit, Ihren persönlichen Standpunkt zu verdeutlichen.
Ich erlaube mir an dieser Stelle, für die Fraktion der SPD eine gegenteilige Position einzunehmen. Ja, es ist gut, dass wir heute im Plenum noch einmal darüber die Debatte führen. Ständig und überall wird beklagt, dass sich die sogenannten etablierten Parteien angeblich nicht mehr unterscheiden. Nun haben wir hier ganz offensichtlich einen Unterschied; das ist doch schön.
Ich möchte ganz deutlich sagen: Beide Positionen haben ihre Berechtigung.
Zur Demokratie, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, gehört aber auch der Respekt vor der Meinung des anderen. Auch wir, die wir für die Abschaffung der Bannmeile sind, haben gute Gründe. Wir sind deshalb kein Sicherheitsrisiko für das zukünftige Unbeschadetsein von Parlamentarierinnen und Parlamentariern in diesem Hause.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Terrorismus auf der Welt hat auch etwas mit dem Sicherheitsgefühl und dem Bedürfnis nach Sicherheit zu tun. Insbesondere der Terrorismus in den europäischen Metropolen hat uns alle tief getroffen. Er ist aus der Krisenregion dieser Welt vor unserer Haustür angekommen.
Seit dem Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz scheint nichts mehr zu sein, wie es war. Dennoch ist auch wieder Normalität in das Leben der Berlinerinnen und Berliner eingekehrt.
Ähnliches erlebten wir auf unserer Reise des Innenausschusses nach Brüssel in der vergangenen Woche. An der U-Bahn-Station Maelbeek gleich gegenüber vom Hotel haben wir ein Blumengebinde niedergelegt. Die Pendler hasteten vorbei. Keine Soldaten waren mehr zu sehen, keine Polizei. Der Alltag hat die Stadt wieder, und das ist auch gut so; das muss so sein.
Im Februar vergangenen Jahres waren wir mit dem Wissenschaftsausschuss in Israel. Ich erinnere mich gut: Am Abend standen wir zwischen Tel Aviv und Jaffa exakt an der Stelle, an der 14 Tage später ein amerikanischer Tourist einer Messerattacke zum Opfer fiel.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich finde das ganz wichtig: Wenn uns beispielsweise Terroristen unser Verhalten diktieren, dann haben wir bereits verloren.
Das kann im Umkehrschluss nicht bedeuten, sorglos und fahrlässig zu werden - natürlich nicht! Wir sollten aber, nein, wir müssen streng darauf achten, dass die Menschen und natürlich auch wir Politikerinnen und Politiker nicht vor lauter Furcht erstarren. Wir haben Verantwortung.
Politikerinnen und Politiker aller demokratischen Parteien betonen zu Recht, dass es keine absolute Sicherheit, keinen absoluten Schutz gibt. Wir können nicht alle unsere öffentlichen Plätze zumauern. Selbst wenn wir dies täten, blieben die Vorstädte, die Kommunen und die kleinen Gemeinden ein nicht zu schützendes Ziel.
Wenn ich als Abgeordneter der Landeshauptstadt mein Auto stehen lasse, dann fahre ich aus der List mit der U-Bahn zum Landtag. Vier Stationen sind es vom Lister Platz bis hierher. In Sankt Petersburg sind vorgestern in der U-Bahn Bomben explodiert.
Ich kann auch in der Station Hauptbahnhof aussteigen und den Rest zu Fuß gehen. Ich komme dann an der Stelle vorbei, an der das Mädchen Safia einen Polizisten lebensgefährlich verletzt hat. Oder ich komme an den Stellen vorbei, an denen Beamte, die Woche für Woche in gewalttätige Auseinandersetzungen mit Hooligans von Zweit- oder Drittligisten geraten, sozusagen ihren Kopf hinhalten - für uns, für die Gemeinschaft.
Wir, die wir hauptamtlich zum Wohle Niedersachsens arbeiten, haben der Gesellschaft gegenüber eine Vorbildfunktion - und dies in vielerlei Hinsicht. Unsere Aufgabe ist es, für ein Optimum an Sicherheit zu sorgen. Darüber hinaus stehen wir in der Verpflichtung, ein gesellschaftliches Klima der Angst nicht durch eigenes Verhalten zu befördern.
Mit dem beschlossenen und nunmehr fast umgesetzten Beschluss zum Umbau des Niedersächsischen Landtages haben wir ein Zeichen der Offenheit, ein Zeichen der Transparenz gesetzt. Das war zumindest das Ziel. Es war die Absicht der Architekten und des Bauherrn, unsere Arbeit sichtbarer zu machen. Nicht zuletzt sollen dies die neu
en großen Fenster am Platz der Göttinger Sieben symbolisieren.
Eine Beibehaltung der Bannmeile macht unser Parlamentsleben nicht sicherer. Wir tagen seit drei Jahren ohne sie. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Plenarsitzungen zumindest kurzfristig erheblich zu stören. Nichts ist passiert. Natürlich muss das nicht heißen, dass dies immer so sein wird.
Die Bannmeile sollte in früheren Zeiten die Abgeordneten vor Beeinflussung und vor Beeinträchtigung ihrer Arbeit von außen schützen. Wir Landtagsabgeordnete sind selbstbewusst. Wir werden auch künftig im Leineschloss genügend Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein haben.
Wir empfangen doch auch Lobbyisten im Parlament bei Kaffee und Gebäck. Da werden wir uns doch vor Bürgerinnen und Bürgern vor dem Landtag nicht fürchten.
Die Aufhebung der Bannmeile ist Ausdruck von Kraft und Stärke dieses Parlaments, Ausdruck und Vertrauen in die Fundamente unserer demokratischen Ordnung. Die Demokratie in unserem Land ist gefestigt. Daran ändern Wahlerfolge der AfD nichts, auch keine Auseinandersetzungen von Autonomen mit der Polizei in Universitätsstädten. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Gesellschaft all dies gut einordnen kann und damit auch fertig wird.
Eine unangemeldete Demonstration gelangt schnell vor den Portikus. Eine angemeldete Demonstration lässt sich im Vorfeld einschätzen. Geeignete Maßnahmen können von erfahrenen Menschen vorbereitet werden. Dazu bedarf es natürlich auch unseres Vertrauens in die Menschen, die sich beruflich um unsere Sicherheit kümmern, nämlich unsere Polizei. Wir, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen von Rot-Grün, haben dieses Vertrauen, und das sollten auch Sie haben.
Wir haben uns im Schatten der Marktkirche nicht abgeschottet. Wir haben dies auch im Leineschloss nicht nötig. Die Bannmeile ist ein Relikt aus vergangenen Tagen.
Weil hier heute mit viel Empathie diskutiert wird, erlaube ich mir, den ehemaligen norwegischen Ministerpräsidenten Stoltenberg zu zitieren, der
eine eindrucksvolle Antwort auf Terror, Gewalt und Gefahren gegeben hat:
„Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.“
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Frau Vizepräsidentin. - Zweimal bin ich mit Namen erwähnt worden, einmal vom geschätzten Kollegen Oetjen und einmal von meinem geschätzten Kollegen Nacke. Ich möchte auf beides ganz kurz eingehen.
Lieber Kollege Oetjen, mit Vergleichen mit 1933 ist es immer so eine Sache. Ich bedanke mich für den Hinweis. Natürlich ist das richtig, und mir ist durchaus bekannt, woher das kommt. Aber die Vergleiche sind wirklich schwierig. Wir wehren uns ja auch immer gegen die Verharmlosung von Dingen, die in der damaligen Zeit passiert sind.
- Die persönliche Erklärung ist die, dass ich dem widerspreche, was Jan Oetjen gesagt hat.
Ich würde die Deutschnationale Volkspartei und die Zentrumspartei von 1933 nicht in irgendeiner Form mit der Opposition hier im Niedersächsischen Landtag vergleichen wollen. Sie sind weiter.
Kollege Nacke meinte, dass das, was ich zur Polizei und zum Schutz dieses Landtages geäußert habe, ein Gefühl ist. - Das ist kein Gefühl. Das, was ich gesagt habe, beruht auf Erfahrung, auf Zusammenarbeit, auf regelmäßigen Praktika bei unseren Polizisten, und es ist eine Tatsache.
Verehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich sage heute ehrlichen Herzens ein Dankeschön an die Adresse der CDUFraktion für diese Große Anfrage zu den „Reichsbürgern“. Nun hatte ich zwar eigentlich vermutet, Sie würden einmal etwas zum Linksextremismus fragen, aber umso besser, wenn sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, wo die großen Gefahren für unser demokratisches Gemeinwesen verortet werden müssen.
Die „Reichsbürger“ sind in aller Munde, sie sind ein Thema in den politischen Debatten. Was hat dazu geführt? - Es war ein Mord. Hierdurch hat die große Mehrheit der Bevölkerung zum ersten Mal überhaupt etwas von der Existenz dieser Menschen gehört. Jetzt, wo wir alle genauer hinschauen, hören wir von Gerichtsvollziehern, die das Problem schon lange kennen. Dem Pressespiegel konnten wir einen ganz furchtbaren Fall in Barbis entnehmen, wo ein Polizeibeamter mit Säure übergossen worden ist.
Die „Reichsbürger“ weigern sich, Steuern zu zahlen. Sie erklären ihre Grundstücke zu eigenen
staatlichen Territorien, sie haben eigene Ausweispapiere und fahren mit selbst erstellten Fahrerlaubnissen.
Die „Reichsbürger“ sind kein neues Phänomen. Es gibt sie im Prinzip seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Die älteren Semester unter uns können sich sicherlich noch an tagespolitische Forderungen erinnern, die durchaus und gerade heute noch bei den „Reichsbürgern“ Konjunktur haben. Das hängt natürlich auch mit dem historischen Kontext zusammen.
ln meiner Jugend stand am Eingang der Kleinstadt ein Schild mit der Aufschrift: „Dreigeteilt? Niemals!“ Mein Erdkundelehrer nannte die Ostverträge „Schandverträge“. Er nannte jene, die sie einforderten, Vaterlandsverräter und wies immer darauf hin, dass wir keinen Friedensvertrag haben. - Dies ist eine wichtige Argumentation, die auch die „Reichsbürger“ immer wieder benutzen.
Warum sage ich das an dieser Stelle? - Ich erinnere daran, weil diese Auseinandersetzungen zu unserer Geschichte gehören und weil ich deutlich machen will, dass die Aussagen dieser Leute heute keinerlei Originalität besitzen. Es ist alles schon einmal dagewesen, wenn auch in einem anderen historischen Kontext. Es ist nur lange her, und wir alle haben wohl gedacht, es hätte sich längst biologisch erledigt. Aber weit gefehlt!
Es ist, wie gesagt, der Mord, der jetzt aufrüttelt, und dies natürlich zu Recht. Dieser Mord macht deutlich, was wir bereits in unseren Debatten zu Hate-Speech diskutiert haben. Überall und ganz offensichtlich nicht nur im Internet wird der Abstand zwischen dem Aufruf zur bösen Tat und der eigentlichen bösen Tat geringer. Das muss alle Demokratinnen und Demokraten beunruhigen.
Hören wir einmal zu, was „Reichsbürger“ uns zu sagen haben - ich zitiere -: „Deutschland ist eine GmbH; das weiß jeder.“ - „Frau Merkel ist eine Halbjüdin, und eigentlich hat hier die RothschildBank das Sagen.“ - „Wir haben übrigens keinen Friedensvertrag; das wissen die meisten Menschen nicht, und deshalb sind wir auch noch nicht souverän.“ - „Es ist das Ostküstenkapital, das die Völker Europas unterjocht.“
Ach ja, und - ich kann mir das an dieser Stelle nicht verkneifen - immer wieder reden diese Leute
von den Chemtrails, mit der die Regierungen die Bevölkerung besprüht.
Wenn es diese „Reichsbürger“ nicht so verdammt ernst nehmen würden, wir könnten uns ausschütten vor Lachen. Dann wäre es damit getan, hier und da einmal ein Bußgeld zu verhängen, und dann hätte sich der Fall erledigt.
So einfach aber ist das nicht. ln ihrer scheinbar lustigen Variante sind sie schon in den Sendeanstalten der Republik angekommen, sie finden statt, bekommen sozusagen ein Millionenpublikum, das sich bei den Reden der selbsternannten Könige, Reichsverweser oder Statthalter belustigt auf die Schenkel schlägt. Dies ist eine Begleiterscheinung, die man in den Fernsehräten einmal diskutieren müsste.
Aus der Antwort der Landesregierung geht hervor, dass die „Reichsbürger“ in der Regel einzeln agieren und nur wenig vernetzt sind. Wir werden weiterhin genau hinschauen müssen, damit dies auch so bleibt.
Verehrter Herr Landtagspräsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wahrscheinlich sind die meisten unter uns überzeugt davon, persönlich keine „Reichsbürger“ zu kennen. Wer das glaubt, der irrt. „Reichsbürger“ sind überall anzutreffen, sowohl auf dem Land als auch in unseren Klein- und Großstädten. Eine Radtour in diesem Frühjahr, vorbei an den Kleingärten, kann uns eines Besseren belehren. Der Gartenfreund, die Gartenfreundin an sich ist ein Mensch wie Sie und ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Mensch mit Nachbarn. Nur, dass es immer wieder Nachbarn gibt, die eine ganz eigentümliche Fahne in der Gartenkolonie hissen. Worum handelt es sich? - Richtig! Um die Reichskriegsflagge.
Wikipedia können wir entnehmen:
„Die Verwendung des Deutschordenskreuzes in Flaggen stammt aus der Zeit der Kreuzzüge. Ein schwarzes Kreuz auf weißem Grunde bildete das Abzeichen der Ritter des Deutschen Ordens. Als solches wurde dieser Kreuzbalken in die Flagge des Norddeutschen Bundes sowie in die Kriegsflaggen des Kaiserreichs und der NS-Zeit übernommen... Die Reichskriegsflagge wurde erstmals am Hauptquartier der Wehrmacht in der Bendlerstraße in Berlin gehisst… In Deutschland ist die Verbreitung und Darstellung der Kriegsflagge des Dritten Reiches mit Hakenkreuz strafbar gemäß
§ 86 und § 86 a StGB. Versionen der Kriegsflagge ohne Hakenkreuz sind in der Öffentlichkeit erlaubt, können aber polizeilich beschlagnahmt werden, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet erscheint.“
Aber wann ist sie gefährdet? - Ich glaube, auch da müssen wir ran und genau hinschauen.
„Reichsbürger“ - ein Randphänomen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich mache es mal ganz brandaktuell mit einem Beispiel aus dieser schönen Landeshauptstadt deutlich. Hier eine Stellungnahme der Wohnungsbaugenossenschaft Gartenheim aus dem Februar, also von vor ein paar Tagen. Ich erlaube mir, hier zu zitieren:
„Noch vor wenigen Jahren brüllten wir vor Lachen über die Bemerkung eines Außenministers, der unsere Gesellschaftsentwicklung als ‚römisch-dekadent‘ bezeichnete, nun können andere eigentlich nur noch über unsere Gesellschaft lachen. Hier ist weniger die ‚überrannte‘ Bevölkerung gemeint, die zwischen angeordneter Willkommenskultur und einem natürlichen, faschistoiden Reflex zwischen ‚wir schaffen das‘ und der Angst ‚wie soll es weitergehen‘ völlig zerrissen erscheint. Faktisch sind wir nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch ein ‚besetztes‘ Land. Spötter bezeichnen uns gerne auch als ‚Vasallen-Republik‘ der USA.“
„Reichsbürger“ - ein Randphänomen? Sie sehen: keineswegs. Hier muss die sogenannte Zivilgesellschaft in Hannover aktiv werden.
Nehmen wir die Zahl derer, die sich Behörden gegenüber so verhalten, wie hier mehrfach beschrieben, dann gibt es sicherlich nicht so viele. Ihr Gedankengut allerdings ist auf fruchtbaren Boden gestoßen. Bei der Sekte der Ludendorffer eigentlich schon immer und auch bei den neuen Rechten, wie z. B. den Identitären, finden wir durchaus Versatzstücke ihrer Ideologie.
Verehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen jetzt ein paar Sätze vorlesen, die ich aus Songtexten entnommen habe. Sie sprechen für sich, und ich denke, eine Kommentierung muss nicht ausführlich sein.
Ich zitiere - ich sage gleich, darin kommen zwei Wörter vor, die nicht parlamentarisch sind; aber es ist ein Zitat, und ich bitte mir das nachzusehen -:
„Wie die Jungs von der Kleinherzbank, die mit unserer Kohle zocken. Ihr wart sehr, sehr böse, steht bepisst in euren Socken. Baron Tothschild gibt den Ton an und er scheißt auf euch Gockel. Der Schmock is’n Fuchs und ihr seid nur Trottel.“
Nicht nur Antisemitismusforschern ist bekannt, dass die Rothschilds das klassische Bild des Judenhasses verkörpern. Die Nationalsozialisten bedienten sich ihrer, um ihre Vernichtungspolitik zu rechtfertigen.
Nun ja, und wer ist der Schmock? - Ihn beschrieb schon Gustav Freytag in seinem Roman „Die Journalisten“: Schmierig, hinterhältig und natürlich jüdisch. Er verkörpert alles Schlechte, was ein menschlicher Charakter nur zeigen kann.
Nun, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Sie fragen sich wahrscheinlich: Von wem spricht der Höntsch da? - Ich will das Rätsel gerne lösen. Es handelt sich um den Sänger Xavier Naidoo. Er erreicht ein Millionenpublikum und hat unzählige Tonträger verkauft. Er trat auf zusammen mit Querfrontlern wie Jürgen Elsässer und sprach auf dem Alexanderplatz von Deutschland als einem besetzten Land.
„Reichsbürger“ - wirklich eine Randerscheinung? Ich bin da sehr skeptisch. Es war die einzig richtige Entscheidung der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, ihn seinerzeit vom ESC zurückzuziehen.
Was blieb, waren skandalöse Solidarisierungen und Ehrenerklärungen von zahlreichen Prominenten aus Funk und Fernsehen. Politische Bildung? - Fehlanzeige.
Und schon schließt sich der Kreis. Diese rote Landesregierung geht die Probleme an: mit dem Programm gegen Rechts, mit Aussteigerprogrammen, mit Opferberatung und mit der Wiederbegründung der Landeszentrale für politische Bildung. Gern greifen wir auch den Hinweis der Opposition, die die Landeszentrale abgeschafft hat, auf, dass wir in der Landeszentrale die Tätigkeiten besser koordinieren. Das machen wir gerne.
Zuletzt bleibt die Frage, wie wir mit der Tatsache umgehen, dass diese Menschen oft über Waffen verfügen. Dieser Innenminister, Boris Pistorius,
schaut dort genau hin und schöpft alle rechtlichen Möglichkeiten aus. Diese Waffen werden per Erlass seit etlichen Wochen Zug um Zug eingezogen.
So kritisch ich grundsätzlich Gesetzesverschärfungen begleite oder einschätze, desto fester bin ich davon überzeugt: Wir dürfen es auf keinen Fall zulassen - darin sind wir uns alle einig -, dass durch diese Fanatiker Menschen in Niedersachsen zu Schaden kommen. - Sollte es dafür noch Hindernisse geben, müssen diese beseitigt werden.
Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich wiederhole mich gerne. Das Thema „Kampf gegen Rechts“ - genau darum ging es auch hier wieder - muss das Herzensanliegen aller Demokratinnen und Demokraten sein.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich vor Monaten hier vorne die Aussprache mit dem Satz begann: „Lassen Sie uns über die Opfer rechter Gewalt sprechen“, kam erwartungsgemäß der Zwischenruf: Was ist mit den Opfern linker Gewalt? - Ich möchte das im Rahmen der Haushaltsdebatte noch einmal aufgreifen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben jegliche politisch motivierte Gewalt im Fokus, ohne Ausnahme.
Aber ich möchte und muss offensichtlich noch einmal festhalten: Es ist eine rechte Blutspur, die der sogenannte NSU durch Deutschland gezogen hat. Mittlerweile gibt es eine hohe Anzahl von Todesopfern, die mutmaßlich rechten Tätern zugeordnet werden können.
Es ist kein Aufruf linker Gruppen bekannt, Flüchtlingsheime anzugreifen. Weder hat die Grüne Jugend in Salzhemmendorf gezündelt, noch haben Jusos oder Kommunisten Autos in Barsinghausen angesteckt.
Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: Die Gefahr für unser demokratisches Gemeinwesen kommt vom rechten Rand.
Es wäre schön, könnte hierüber endlich auch in diesem Haus einmal Einigkeit herrschen.
Ich höre die Frage: Was ist mit Göttingen?
- Richtig.
Reden wir bitte zu einem vereinbarten Termin an anderer Stelle auch einmal über die von Ihnen regelmäßig angezeigte linke Gewalt. Dann werden wir uns auch da schnell einig werden können. Denn niemand auf dieser Seite des Hauses hält etwas von brennenden Autos und verprügelten Burschenschaftlern. Daraus aber den Untergang oder auch nur eine Gefährdung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung abzuleiten, ist abersinnig.
In unserer Haushaltsdebatte heute geht es noch einmal um das Programm der Landesregierung gegen rechts. Ich sage von dieser Stelle aus: Das ist aus vielerlei Gründen und gerade jetzt notwendig. Die Anschläge auf Flüchtlingsheime, die zunehmenden körperlichen Gewaltakte gegen Menschen und der sogenannte Hate Speech - all das sollte uns aufrütteln.
Neueste Meldungen sprechen von ca. 500 Reichsbürgern in Niedersachsen. Jüngste Zeitungsmeldungen von vorgestern weisen auf den Ankauf von gefährlichen Schreckschusspistolen gerade aus dieser Personengruppe hin.
Nein, das möchte ich jetzt nicht. Ich möchte zu Ende sprechen.
Niedersachsen ist nicht Sachsen. Niedersachsen will und muss konsequent und nachhaltig jeder Entwicklung in diese Richtung hin einen Riegel vorschieben. Dabei geht es sowohl um das Bemühen, Menschen zum Aussteigen aus der rechten Szene zu bewegen, als auch um die Stärkung des demokratischen Engagements der Bürgerinnen und Bürger, die wir gewöhnlich als Zivilgesellschaft bezeichnen. Auf diesem Feld ist noch viel zu tun, sind doch breite Teile unserer Bevölkerung wenig gegen die Agitation von rechts sensibilisiert.
Nur zu oft hört man, das Treiben von Nazis dürfe man durch Gegendemonstrationen nicht auch noch aufwerten. Ich mag mir aber nicht ausmalen, wie das erste August-Wochenende in Bad Nenndorf heutzutage ohne den aktiven Widerstand der Initiative vor Ort aussehen würde.
Es waren in der Folgezeit nämlich die Menschen vor Ort, die es den neuen Nazis mehr und mehr unerträglich gemacht haben, ihren Trauermarsch abzuhalten.
Wir brauchen die Wachsamkeit und die Fantasie unserer Bürgerinnen und Bürger. Wir brauchen darüber hinaus auch ihren Mut. Denn der gehört mitunter dazu, will man sich dem braunen Treiben entgegenstellen.
Steine fliegen in Wohnhäuser und Schlafzimmerfenster, Drohbriefe und -mails erreichen die Menschen. Gut, dass wir mittlerweile die schon angesprochene Opferberatung auf den Weg bringen.
Was uns aber tatsächlich umtreiben sollte, ist die Tatsache, dass rassistisches und zunehmend antisemitisches Gedankengut auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist bzw. dort ist.
Vieles wäre an dieser Stelle noch zu sagen und notwendig.
Ich bin 62 Jahre alt und war zehn Jahre lang Bezirksratsmitglied und fünf Jahre lang Abgeordneter im Stadtparlament. Dort habe ich Parlamentarismus ein wenig gelernt. Ich habe gelernt, auch einmal den Kompromiss zu schätzen, gelernt, respektvoll miteinander umzugehen.
All das ist derzeit im Niedersächsischen Landtag unterentwickelt. Und das schmerzt. Vor allen Dingen ist es auch ein fatales Zeichen nach draußen, wenn wir uns hier im Parlament wie die Brüllaffen benehmen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, so Sie das Fest begehen, besinnliche Weihnachten.
Verehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zunächst möchte ich mich bei Minister Pistorius und den Beamtinnen und Beamten im Innenministerium bedanken. Durch den vorliegenden Entwurf bekommen wir ein modernes Versammlungsrecht in Niedersachsen.
Ich habe - das muss ich nach dieser emotionalen Debatte jetzt als Einstimmung sagen - seit ein paar Jahren einen Zettel hinter dem Spiegel, auf dem steht:
„Unsere Antwort wird sein: mehr Offenheit, mehr Demokratie. (Jens Stoltenberg)“
Alle politischen Umbrüche in Deutschland sind durch politische Versammlungen vorbereitet und begleitet worden. Nicht nur diese Umbrüche sind mit politischen Versammlungen eng verbunden. Auch jede gesellschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik ist durch politische Versammlungen begleitet worden.
Bei bestimmten Demonstrationen schüttele ich den Kopf. Ich kann die Aufrufenden und ihre Veranstaltungen kaum ertragen. Trotzdem weiß ich, dass eine liberale Demokratie es aushalten muss, wenn ihre Gegnerinnen und Gegner demokratische Freiheiten nützen, um ihre Vorstellungen von Staat und Gesellschaft zu verbreiten. Das ist eben das Wesen der Demokratie.
Demonstrationen sind aber auch ein besonders wichtiges Mittel von gesellschaftlichen Gruppen, die nicht die parlamentarische Bühne nutzen können oder wollen. Das gilt für die Parlamente, aber auch für die Kreistage und Räte.
Dabei muss nicht zwangsläufig immer gegen parlamentarische Mehrheiten gearbeitet werden. Gut erinnere ich mich an Anti-Irakkrieg-Demonstrationen mit Hunderttausenden von Menschen auf den Straßen. Diese Menschen stützten den damaligen Kurs der Bundesregierung, während die Opposition nach Washington fuhr.
Demonstrationen sind natürlich nicht immer per se progressiv. Aber auch dieses Beispiel zeigt ganz gut: Demonstranten können auch mal recht haben.
Politische Versammlungen sind also ein wesentlicher Teil unserer demokratischen Kultur, unseres demokratischen Lebens. Ehrlich gesagt, verwundert es mich deswegen auch, wenn mancher mit stolzer Brust verkündet, er habe noch nie an einer Demonstration teilgenommen.
Kommen wir vor diesem Hintergrund also zu den Details. Wir werden das Verbot des Vermittelns von Gewaltbereitschaft durch paramilitärisches Auftreten in einer Versammlung präzisieren. Das Recht auf friedliche Versammlung aus Artikel 8 des Grundgesetzes hört natürlich dort auf, wo eine Versammlung nicht mehr friedlich ist.
Ich konnte aber lesen, dass die Kolleginnen und Kollegen von der FDP befürchten, mit dieser Regelung könnten nun alle Uniformen und noch viel mehr verboten werden. Der Kollege Dürr lässt sich gegenüber der Neuen Presse vom 12. August 2016 wie folgt ein:
„Uniform sei Uniform: ,Krankenschwestern werden dann in Zukunft auch nicht mehr demonstrieren können.‘ Das Gleiche gelte für Müllwerker.“
Ich frage mich ernsthaft, wie man auf diese Deutung kommen kann. Zum einen ist diese Interpretation des neuen § 3 Abs. 3 des Versammlungsgesetzes erkennbar falsch. Nicht das Tragen von Uniformen wird durch die neue Fassung verboten, sondern das Vermitteln von Gewaltbereitschaft,
insbesondere durch das Tragen von Uniformen.
Man kann - das ist nicht ganz überraschend - auch ohne das Tragen von Uniformen Gewaltbereitschaft ausstrahlen. Umgekehrt ist das Tragen von Uniformen oder Uniformteilen allein nicht bereits ein Grund, von der Vermittlung von Gewaltbereitschaft durch Versammlungsteilnehmer auszugehen. Zu besichtigen ist das häufig bei Schützenfesten.
Zuletzt sei angemerkt, dass weder die Berufskleidung von Pflegepersonal noch die Berufskleidung von Müllwerkerinnen und Müllwerkern eine Uniform im Sinne des Versammlungsgesetzes ist. Entgegen Ihren Behauptungen gegenüber der Neuen Presse sind Arbeitskämpfe also regelmäßig nicht betroffen. Aber das wissen Sie auch, glaube ich.
Die durch die Landesregierung vorgeschlagene Änderung ist letztendlich rechtspolitisch angezeigt. Ich bin mir daher sicher, dass wir sie am Ende des Verfahrens hier beschließen werden.
Zum Vermummungsverbot: Unser Gesetzentwurf wird u. a. sicherstellen, dass Versammlungen künftig friedlicher verlaufen bzw. friedlicher verlaufen können.
Wir können und sollten Situationen auf Demonstrationen - das ist mir ganz wichtig - nicht hier aus dem Parlament heraus bewerten. Das kann die Polizeiführung vor Ort viel besser. Dort sitzt nämlich der Sachverstand, Herr Adasch. Dort können die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden: Verursacht eine im Zweifel gewaltsame Beendigung der Vermummung eine Eskalation, oder sind in der konkreten Situation vor Ort keine weiteren Rechtsgüter gefährdet?
Auf meinen Begleitungen von Polizeikräften bei Demonstrationen - das tue ich sehr häufig - treffe ich hoch engagierte Polizistinnen und Polizisten. Ich traue diesen Menschen zu, Situationen geschickt zu lösen. Wir wollen ihre Optionen erhöhen und die Dinge nicht an einen Straftatbestand hängen, der ihre Optionen unnötig verkürzt. Wir von Rot-Grün vertrauen unserer Polizei.
Verehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Bannmeile: Das war zum Schluss doch recht emotional. Ich kann das verstehen. Trotzdem hier eine andere Haltung: Die Einführung der Bannmeile war umstritten. Ihre Abschaffung ist es auch. Das verwundert mich. Dieser Landtag wird es aushalten, wenn Bürgerinnen und Bürger ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit - wie schon die letzten Jahre - hier an der Marktkirche vor unserer Tür wahrnehmen. Wir haben keinen Anlass, uns als gewählte Volksvertreter so klein zu machen.
Natürlich werde ich mich über die Demonstrationen, die die Kulisse des Landtages nutzen, nicht immer freuen, wie ich mich auch nicht über jede Demonstration freue. Frauke Petry z. B. wird am 10. September 2016 vor dem Neuen Rathaus in Hannover sprechen. Ich will das nicht und würde nicht wollen, dass sie vor diesem Landtag spricht.
Aber sie muss es dürfen; denn auch das Versammlungsrecht von Rechtsextremen und Nationalisten steht über meinem persönlichen Bedürfnis, diese Menschen nicht ertragen zu müssen.
Auch steht diesem Recht auf Versammlungsfreiheit eben nicht die Funktionsfähigkeit des Hauses entgegen. Nicht zuletzt dank des Tunnels und der hannoverschen Polizei werden wir auch zukünftig als Abgeordnete in der Lage sein, unseren Aufgaben nachzukommen. Folglich gibt es keinen Grund, das Recht auf Versammlungsfreiheit durch die Bannmeile einzuschränken.
Die Landesregierung hat einen wohldurchdachten Entwurf vorgelegt. Wir sollten ihn mit Sachkenntnis und sachlich diskutieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Opposition, eines von ganzem Herzen am Ende: Die Freiheit wird nicht geschützt, indem man versucht, sie
einzuschränken. Die Demokratie zeigt ihre Stärke durch Toleranz und Freizügigkeit. Rüsten Sie bei Ihren Attacken auf diesen Innenminister ab - um der Demokratie willen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ausschuss für Inneres und Sport empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Diese Beschlussempfehlung kam einstimmig zustande.
Die mitberatenden Ausschüsse für Rechts- und Verfassungsfragen sowie für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes haben sich dieser Empfehlung einstimmig angeschlossen, allerdings jeweils bei Enthaltung des Ausschussmitglieds der FDPFraktion.
Der Gesetzentwurf wurde direkt an die Ausschüsse überwiesen. Eine Vertreterin des Ministeriums für Inneres und Sport stellte im Innenausschuss die Grundzüge des Gesetzentwurfs vor. Der Gesetzentwurf bezieht sich auf die Befugnisse der Polizei und des Verfassungsschutzes, bei Anbietern von Telekommunikationsdiensten Auskünfte über die Bestandsdaten ihrer Kunden einzuholen.
Die gesetzliche Regelung dieser Befugnisse wurde vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts notwendig. Im Jahre 2013 wurden die Befugnisse in das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie in das Niedersächsische Verfassungsschutzgesetz aufgenommen. Allerdings wur
den sie befristet bis zum 1. Juli 2015. Im Jahr 2015 wurde die Befristung der Befugnisse bis zum 1. Juli 2016 verlängert. Durch den Gesetzentwurf sollen die Befugnisse, die sich in der Praxis bewährt haben, der Polizei und dem Verfassungsschutz nunmehr dauerhaft zur Verfügung stehen.
Die Vertreterin des Innenministeriums wies im Innenausschuss darauf hin, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2016 zum BKA-Gesetz auf die in diesem Gesetzentwurf entfristeten Regelungen keine Auswirkung habe. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst schloss sich dieser Bewertung an.
Der Gesetzentwurf fand daraufhin im federführenden Ausschuss für Inneres und Sport einhellige Zustimmung, und auch in den mitberatenden Ausschüssen gab es keine Gegenstimmen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die letzten Tage und Wochen haben deutlich gemacht, dass es in unserem Land eine deutlich spürbare Unzufriedenheit mit der sogenannten etablierten Politik gibt. Gemeint sind wir im Übrigen alle, und zwar ausnahmslos. Darum ist es auch eine vordringliche Aufgabe, dass wir uns nach Möglichkeit alle mit großer Ernsthaftigkeit diesem Thema widmen.
Ich möchte Sie heute um diese Ernsthaftigkeit bitten. Die Menschen sehen unsere Plenardebatten. Es gibt Schulklassen, es gibt Kurse. Sie verfolgen den Livestream und erleben, wie gestern nicht einmal ein Ministerpräsident in diesem Parlament sprechen kann, ohne dass permanent dazwischengerufen wird.
Das ist Demokratie zum Abgewöhnen.
Dirk Altwig schreibt heute in der NP:
„Aber auch noch zwei Tage nach den Wahlerfolgen der rechten AfD in Hessen steckt die Landespolitik im albernen Spiel von Regierung gegen Opposition fest. Merkt im Landtag noch jemand, wie wenig das mit den Problemen zu tun hat, die dieses Land gerade hat?“
Ich bin dafür, dass er nicht recht behält.
„Tauschen wir die Politiker aus, bevor sie das deutsche Volk austauschen!“ - das hing am Freitag hier an einer Säule im Landtag. Diesen Aufkleber fand ich hier. Das mag für manche lustig klingen. Die Verfasser meinen das aber ernst.
Ich muss heute nicht erneut über Anschläge sprechen. Es sind neue dazu gekommen. Auch gab es erneut NPD- und andere Aufmärsche. Im Internet - wir haben das später noch auf der Tagesordnung - wird weiter gehetzt und auch zum Mord an Asylbewerbern aufgerufen.
Ich stimme unserem Ministerpräsidenten ausdrücklich zu, wenn er, wie gestern, davon spricht, dass das geplante NPD-Verbot nie offenkundig notwendiger war als genau jetzt und heute.
Und noch eines wird deutlich: Die rechte Propaganda von Nazis, Pegida und auch AfD leistet einen ganz entscheidenden Beitrag zum zunehmenden Klima der Gewalt gegen Flüchtlinge und Andersdenkende. Die Kommunalwahl in Hessen konnte nur diejenigen wirklich erschrecken, die die Augen in den vergangenen Monaten fest zugemacht hatten.
Ein Ergebnis ist auch offenkundig: Dort, wo die besorgen Bürgerinnen und Bürger nicht AfD wählen konnten, haben sie ebenfalls zweistellig NPD gewählt.
Der AfD ist gelungen, was der NPD nie gelang - der Einbruch in das bürgerliche Lager. Ein Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz, der Oberstleutnant ist, seit Sonntag ein Ratsherr in Wiesbaden, der stellvertretender Personalratsvorsitzender beim BKA ist, und in Niedersachsen führt diese Partei ein ehemaliger Medienmann vom NDR.
Dennoch zerfließen die Übergänge zu den Neonazis inhaltlich auch hier. Der kommende Sonntag wird vermutlich - wir hoffen es alle nicht - ein Fanal. Nur zeigen uns kluge Analysten, dass es nichts nutzt, wenn wir den Anhängern dieser Rechts-Entwicklung vorwerfen, rechts zu sein. Es ist egal. Es bewirkt kein Umdenken. Sie fühlen sich als Opfer und bauen an der Wagenburg. Wir alle müssen argumentativ in die kommenden Debatten überzeugen, gerade auch in den bevorstehenden Auseinandersetzungen zur Kommunalwahl.
Den Hardcore-Neonazi werden wir nicht überzeugen. Ich hoffe sehr darauf, dass das Bundesverfassungsgericht die NPD bald aus dem Verkehr zieht und den Nazis die materielle Basis nimmt.
Ich setze darüber hinaus auch weiterhin große Hoffnungen in unsere Aussteigerprogramme und die Umsetzung unserer Strategie gegen rechts. Die Nachbarin und der Nachbar aber, die sich von uns abgewandt haben, dürfen wir um der Demokratie willen nicht verloren geben. Gesprächen mit ihnen haben wir uns zu stellen. Dabei hilft es nicht, ihre politischen Führer zu diskreditieren. Wir müssen ihre Inhalte auseinandernehmen.
Im Übrigen: Inhaltliche Konzessionen an die Rechten führen in der Regel dazu, dass die Menschen das Original wählen.
Es kann nicht unsere Aufgabe sein, sie am Ende tatsächlich zu AfD-lern oder zu noch Schlimmerem zu machen.
Ich hoffe, das kann ein Konsens unter uns sein. Ich verbinde diese Hoffnung mit einer Bitte an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, eine Erika-Steinbach-Debatte hinsichtlich der Koalitionsmöglichkeiten mit der AfD an keiner Stelle in Niedersachsen zuzulassen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun haben wir es doch noch geschafft: Wir haben einen gemeinsamen Entschließungsantrag. Darüber freue ich mich. Unsere Meinungsverschiedenheiten bleiben selbstverständlich bestehen. Sie können auch von Formulierungen nicht überdeckt werden. Das Entscheidende ist aber, dass wir uns heute darin einig sind, gemeinsam gegen rechts und gegen rechte Gewalt vorzugehen.
Als ich am 15. Dezember 2015 an dieser Stelle zum ersten Mal zu diesem Thema gesprochen
habe, habe ich mit den Worten begonnen: „Lassen Sie mich heute über Opfer rechter Gewalt sprechen.“ Ich habe zwar nicht in das Protokoll geschaut; aber ich habe noch den Zwischenruf im Ohr: Und was ist mit den Opfern linker Gewalt? - Ich greife das heute gerne einmal ganz kurz auf. Auf einen entsprechenden Entschließungsantrag würde ich warten. Wir haben überhaupt keine Angst vor dieser Debatte. Aber alles zu seiner Zeit! Heute geht es um etwas ganz anderes.
Zuallererst möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Justizministerium bedanken. Mit der Vorstellung des Landesprogramms im Rechtsausschuss war ich sehr zufrieden. Ich freue mich auf die Umsetzung.
Zur Verdeutlichung der Problematik möchte ich hier noch ein paar Zahlen referieren. In der ersten Hälfte 2015 stieg die Zahl der rechten Straftaten in Niedersachsen im Vergleich zum Vorjahr um 72 %. Um 462 % stieg die Zahl der Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte von 2014 bis 2015 in Deutschland. In absoluten Zahlen ist das eine Entwicklung von 199 auf 924 Fälle. Die letzte und erschreckendste Zahl steht für den Anstieg der Zahl der Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte. Waren es 2014 bundesweit sechs Anschläge, sind es im vergangenen Jahr beschämende 76 gewesen. Diese Zahlen zeigen: Während Deutschland für fast alle Menschen ein sicheres Land ist, wird es für manche Menschen unsicherer. Rechte Gewalt - ich muss sagen: rechter Terror - bedroht einen Teil der Menschen in diesem ansonsten friedlichen und auch sicheren Land.
Woher kommt es, dass Hunderte Täter und Täterinnen beginnen, vor lauter Hass ein Haus anzuzünden? Wie kommt man darauf? - Dieser Hass ist durch eine völlig veränderte öffentliche Debatte in Deutschland verursacht und wird jeden Tag ausgeweitet und verfestigt.
Vorläufiger Höhepunkt der Debatte in unserem Land ist der Schusswaffengebrauch. Die Europaabgeordnete Storch will auf Menschen schießen lassen. Das sagt sie zumindest. Ich kann nicht in Frau Storchs Kopf schauen, aber ich befürchte, dass nicht nur die Unfähigkeit, das Menschenbild des Grundgesetzes zu verstehen, Vater bzw. Mutter dieser PR-Aktion war. Ich bin mir sicher: Hier sollte gezielt provoziert werden, um mit sehr schmutzigen Mitteln auf Wählerfang zu gehen, wobei sie genau weiß, dass diese Art des Wählerfanges zeitgleich auch die öffentliche Debatte vergiftet. So etwas vergiftet die öffentliche Debatte,
und diese Vergiftung bringt Wählerstimmen für Rechtsaußen. Frau Storch hat also den Gebrauch von Schusswaffen benutzt, um daraus politisch Kapital zu schlagen. Da waren wir aber alle sofort empört - von der CSU bis hin zu Frau Wagenknecht. Frau Storch, so geht das nicht. Damit hatten auch alle recht. Sie musste sich entschuldigen. Sie konnte die Schuld weniger oder gar nicht erfolgreich auf ihre Maus schieben.
Der derzeitige Rechtspopulismus von NPD und AfD und anderen ist der Nährboden für den rechten Terror, der gerade über unser Land schwappt. Dieser Rechtspopulismus ist der Nährboden für Gewalt. Gerade wir Abgeordnete dürfen diesen Nährboden nicht düngen. Unsere Aufgabe ist, ihn auszutrocknen. Rechtspopulismus darf von niemandem von uns bedient werden.
Vor 14 Tagen hat hier ganz in der Nähe, im beschaulichen Ronnenberg, ein besorgter Bürger unter seinem richtigen Namen in einem sozialen Netzwerk formuliert - vorausgeschickt: es ging um ein Foto einer Baugrube, um die Suche nach einem Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg -: „Asylanten rein und sprengen“. - Die Anzeigen gegen den Mann laufen; meine eigene Anzeige ist dabei.
Aber was passiert da mitten unter uns? Wie kommt es zu dieser Verrohung? Warum machen Menschen so etwas sogar unter Nennung ihres eigenen Namens? Warum denken sie, so etwas gehe? - Diese rechte Gewalt passiert nicht nur in scheinbar fernen ostdeutschen Provinzen. Dieser Terror findet in unseren Wahlkreisen statt. Und vielerorts werden daraus die richtigen Schlüsse gezogen.
Niedersachsen ist dabei in mancher Hinsicht zum Glück noch privilegiert. Von den 32 Anschlägen auf Flüchtlingswohnheime in diesem Jahr hat der Anschlag in Barsinghausen in Niedersachsen stattgefunden und danach gleich ein zweiter. Aber gerade Barsinghausen macht vor, wie man auf rechten Terror reagieren sollte oder wie man besser nicht auf ihn reagieren sollte. Dass viele Hundert Bürgerinnen und Bürger aus Barsinghausen wenige Tage nach dem ersten Anschlag auf die Straße gingen, war die Reaktion, die ich mir wünsche und die wir uns alle für eine Demokratie wünschen sollten.
Es gab aber auch andere Reaktionen in Barsinghausen. Jemand sah sich berufen, am Rande der
Demo gegen den rechten Terror „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ zu brüllen. Darauf fällt dann eine angemessene Reaktion schwer. Der Bürgermeister reagierte an diesem Tag mit der Feststellung, er sei gegen jeglichen Extremismus, egal ob von links, rechts oder in Form des Islamismus. Das kann ich als Reaktion auf diesen Brandanschlag nicht so stehen lassen.
Das ist ungefähr so, als wenn die Feuerwehr zu einem brennenden Haus gerufen wird und zuerst Sandsäcke in den Türrahmen aufstapelt und auf die Frage nach dem Warum antwortet, na ja, es brenne zwar, aber Lawinen und Überschwemmungen seien doch auch nicht so schön.
Das ist zwar sachlich richtig. Richtig wäre es aber, wenn die Feuerwehr sich darauf konzentrieren würde, den Brand zu löschen.
Hierin liegen auch unsere Unterschiede, meine Damen und Herren. Barsinghausen war nicht Schauplatz islamistischer oder kommunistischer Anschläge. Diese Stadt war Schauplatz eines mutmaßlich rechtsextremen Anschlags. Als Politik müssen wir das klar benennen.
Wer mit gefühlter linker oder abstrakter islamistischer Gefahr daherkommt, verwischt die gesellschaftliche Debatte, die wir unbedingt führen müssen.
Tagtäglich begehen weder Linke noch Islamisten in Deutschland Anschläge. Täglich begehen aber Rechtsradikale in Deutschland Anschläge.
Nach dem versuchten Mord in Form eines Brandanschlages auf die Unterkunft in Salzhemmendorf betonten anfangs viele Einwohner, es gebe im Landkreis Hameln und auch im Dorf keine rechte Szene. Das würde bedeuten, dass der Landkreis Hameln in Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal hat.
So ist es aber leider nicht. Ich kann gut verstehen - hören Sie gut zu! -, dass man sich die Existenz rechter Strukturen einfach nicht vorstellen mag. Allein es gibt sie.
Wer die Berichterstattung über den Prozess gegen die Angeklagten aus Salzhemmendorf verfolgt, der kann lesen, dass auch die Täter sich nicht als rechts verorten lassen wollen. Das ist insoweit legitim. Sie verteidigen sich vor einem Gericht. Gleichzeitig kommt vor Gericht aber zum Vorschein, dass Hakenkreuze, Hitlerverehrung und der Wunsch nach dem Verbrennen von Menschen vorkamen. Einer der Täter war im Dorf dafür bekannt, etwas gegen Ausländer zu haben. Rechtsextrem will aber keiner von ihnen gewesen sein. Der Täter war Feuerwehrmann. Der Jugendwart musste auch eine Woche später gehen, weil man ihm NPD-Kontakte nachweisen konnte.
Warum aber fällt es uns so schwer zu sagen, Nazis, Rechte sind überall, auch bei uns? Vielleicht ist es manchmal so schwer, weil etwas daraus folgen muss, was schwerfällt. Wer erkennt, dass es rechte Einstellungen und rechtes Verhalten gibt, der muss aufstehen und sagen: Keinen Fußbreit diesen Leuten! Nicht woanders und nicht bei uns.
Wer das sagt, muss als Politiker antifaschistische Arbeit unterstützen und wird sich nicht überall beliebt machen.
In meinem schönen Wahlkreis Hannover-Mitte lebe ich nicht unter einer Glaskuppel. Hier liegt unser Landtag, hier leben Flüchtlinge und Menschen aus insgesamt über 120 Nationen. Selbstverständlich treffe ich auch auf Menschen, die sich Sorgen machen. Da kommt schon einmal jemand ins Büro, reißt die Tür auf und sagt: Jetzt reicht es aber langsam mit den ganzen Ausländern! - Und ich? Was sage ich dazu? Lächele ich jovial und gebe ihm das Gefühl, er habe ja recht? - Nein, ich halte dagegen und versuche, mit ihm zu sprechen.
Wir sollten unsere Haltung zur Flüchtlingsfrage und zu Fragen von rechtsextremer Gewalt nicht von denen abhängig machen, die damit drohen, uns nicht wieder zu wählen. Angst ist auch hier ein sehr schlechter Ratgeber.
Manchmal denke ich mir, wir reden so lange darüber, dass die Stimmung im Land kippt, bis sie tatsächlich kippt. Damit sollten wir aufhören.
Dieses Land wird dank Rot-Grün seinen Teil dazu tun, rechten Strukturen in Niedersachsen ganzheitlich zu begegnen - mit Opferhilfe, mit Aussteigerprogrammen und weiteren Dingen. Ich bin stolz darauf. Noch stolzer wäre ich aber darauf, wenn die Entwicklung der letzten Monate dazu führen würde, dass in allen Städten und Gemeinden in Niedersachsen Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker, aber auch wir mehr darüber nachdenken, was wir dazu beitragen können.
Ich war am gestrigen Tag auf einem Symposium in der Friedensstadt Osnabrück. Veranstalter waren die Universität, der Lehrstuhl für Islamische Theologie, und die Polizeidirektion. Eines wird immer wieder deutlich: Wir haben umfangreiche Statistiken über Gewalt, über tätliche Angriffe, über Brandanschläge. Nahezu unbekannt sind Statistiken über Bürgerengagement, über Nachbarschaftshilfe. - Es ging in Osnabrück um Flüchtlinge, aber auch um rechte Gewalt und auch um Ängste. Der Vertreter der SCHURA erklärte in seinem Beitrag: Ja, wir haben Angst, wenn jetzt so merkwürdige Parteien einen so großen Zulauf bekommen. - Er führte aus, dass es wir, die demokratischen Parteien, seien, die mit dafür Verantwortung trügen, weil wir keine Zuversicht ausstrahlten.