Protokoll der Sitzung vom 15.12.2015

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsident!)

Tagesordnungspunkt 15: Mitteilungen des Präsidenten

Ich darf angesichts des gut besetzten Plenarsaals schon an dieser Stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.

Es ist auch schon eine gewisse Euphorie spürbar. Das liegt möglicherweise daran, dass heute jemand Geburtstag hat.

Geburtstag hat heute der Ministerpräsident und Abgeordnete Stephan Weil.

(Beifall)

Lieber Herr Weil, ich übermittle Ihnen im Namen des ganzen Hauses herzliche Glückwünsche. Gesundheit und Wohlergehen für das vor Ihnen liegende neue Lebensjahr! Ein Ständchen hat es vorhin schon gegeben; das hat funktioniert - ich denke, alles andere auch.

Meine Damen und Herren, zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 16, der Aktuellen Stunde. Anschließend nehmen wir mit dem Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Haushalt und Finanzen und der Allgemeinpolitischen Debatte die Haushaltsberatungen auf. Nach der Mittagspause folgt die Aussprache über die Einzelpläne „Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien und Regionalentwicklung“, „Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration“, „Inneres und Sport“ und schließlich „Kultus“.

Die heutige Sitzung soll gegen 20.30 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin Frau Twesten mit.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich heute entschuldigt von der Fraktion der

CDU Frau Karin Bertholdes-Sandrock, Herr Christian Calderone und Herr Ulf Thiele, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Heiner Scholing und von der Fraktion der FDP Herr Horst Kortlang.

Vielen Dank, Frau Twesten. - Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 16: Aktuelle Stunde

Für diesen Tagesordnungspunkt sind mir vier Themen benannt worden, deren Einzelheiten Sie der Tagesordnung entnehmen können. Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich bei allen Beteiligten - natürlich auch bei der Landesregierung - als bekannt voraus.

Ich eröffne die Besprechung zu

a) Und ewig zahlt der Steuerzahler - Länder einig, der Bund soll zahlen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/4791

Hierzu spricht der Abgeordnete Christian Grascha. Herr Grascha, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am 3. Dezember traten 16 Ministerpräsidenten vor die Presse und erklärten: „Wir haben uns beim Finanzausgleich geeinigt.“ Geberländer, Nehmerländer, ostdeutsche Länder, Stadtstaaten, Schuldenländer - alle waren glücklich.

Doch die Sache hatte einen Schönheitsfehler. Man hat sich zwar geeinigt, aber bezahlen sollen es Dritte, nämlich der Bund und der Steuerzahler.

(Jörg Bode [FDP]: Unglaublich!)

Im Geschäftsleben funktioniert ein Vertrag zulasten Dritter nicht - in der Politik ist er zumindest falsch und unaufrichtig. Sehr geehrter Herr Weil, was Sie mit Ihren Ministerpräsidentenkollegen hier abgeliefert haben, ist bestenfalls Stückwerk.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Alle sind glücklich, alle kriegen mehr. Ich frage mich nur, warum Sie für diese Lösung zwei Jahre gebraucht haben. Ich will es einmal so sagen: Meine Frau und ich haben zwei Töchter. Wenn sich meine beiden Töchter ohne ihre Eltern zusammengesetzt und über ihr Taschengeld diskutiert hätten, dann hätten sie sich wahrlich schneller geeinigt. Genauso ist es hier auch: eine kinderleichte Lösung! Aber dafür braucht man eigentlich keine zwei Jahre, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Der Länderfinanzausgleich - eine kinderleichte Lösung!)

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat am 6. Dezember einen Kommentar über den neuen Finanzausgleich mit dem Titel „Staatspolitisches Nullsummenspiel“ überschrieben. Zu Recht; denn hier hat man mit dem Taschenrechner eine Lösung schöngerechnet. Alle haben ein Plus, aber eine strukturpolitische Verbesserung, eine Weiterentwicklung des Föderalismus ist das nun wahrlich nicht. Im Gegenteil, Herr Ministerpräsident: Sie haben mit dieser Einigung dem Föderalismus einen Bärendienst erwiesen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Anstatt dass der Föderalismus gestärkt und mehr Transparenz, mehr Eigenverantwortung für die Länder eingeführt wird, werden die Länder nun unter das Patronat des Bundes gestellt. Aus 12 Nehmerländern und 4 Geberländern werden nach der Abschaffung des Länderfinanzausgleichs nun 16 Nehmerländer von Gnaden des Bundes.

Man hätte die Reform des Föderalismus dazu nutzen müssen, Anreize zu schaffen, z. B. für eine bessere Standortpolitik mit eigenen Steuerhebesätzen oder für eine sparsame Haushaltspolitik ohne neue Schulden.

Meine Damen und Herren, der Finanzminister hat den Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss erklärt, was er von diesem sogenannten Wettbewerb hält. Er erklärte dort, dass sich die Politiker schon irgendwie für neue Arbeitsplätze einsetzen würden. - Wenn das zutreffen würde, Herr Finanzminister, dann wäre doch das sozialistische Wirtschaftsmodell der DDR ein Erfolgsmodell gewesen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Das Schönste an dieser Einigung ist allerdings das Wort „Forschungs-Bundesergänzungszuweisung“. Damit hat man bei jedem Gesellschaftsspiel schon mal super Karten. Meine Damen und Herren, an diesem Wort erkennt man, dass die Einigung wirklich Stückwerk ist. Der Bund fördert heute leistungsstarke Forschung an bestimmten Standorten. Jetzt sollen leistungsschwache Länder einen Ausgleich für die Förderung der Spitzenforschung bekommen. Allerdings nicht, um die Forschungsausgaben zu erhöhen - das hat der Finanzminister ja mit Blick auf Begehrlichkeiten im eigenen Kabinett sofort betont -, sondern das sollen Ausgaben für den allgemeinen Haushalt sein.

Meine Damen und Herren, als ich das zum ersten Mal gehört habe, habe ich mich gleich an die Familienpolitik erinnert: Einen Ausgleich dafür zu bekommen, dass man eine Leistung nicht in Anspruch nimmt, und diesen Ausgleich auch nicht für den entsprechenden Zweck ausgeben zu müssen, heißt in der Familienpolitik „Betreuungsgeld“. Sie haben so ein „Betreuungsgeld“ für die Länder eingeführt. Solch eine Einigung macht das System aber nicht einfacher, sondern es ist absurder und komplizierter geworden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Bei dieser Kritik, Herr Ministerpräsident, wird es geradezu zur Randnotiz, dass Sie unheimlich schlecht für das Land Niedersachsen verhandelt haben.

(Lachen bei der SPD)

Niedersachsen ist in der Liste der Bundesländer auf den letzten Platz gefallen, und Sie lassen sich mit einer erhöhten Quote bei der Förderabgabe abspeisen, obwohl Sie wissen, dass Ihr eigener Koalitionspartner an der Energiegewinnung in Niedersachsen überhaupt kein Interesse hat. Im Gegenteil, Ihr Koalitionspartner will die Energieindustrie in Niedersachsen plattmachen. Deswegen wird es Zeit für einen Politikwechsel nach der nächsten Wahl.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Das, was ich an dieser Einigung besonders schlimm finde, ist, dass der Solidaritätszuschlag eine Ewigkeitsklausel bekommt. Die Politik begeht hier massiven Wortbruch.

Meine Damen und Herren, es ist der Steuerzahler, der diese Einigung auf Dauer bezahlen muss. Das fördert die Politikverdrossenheit, und deswegen ist es falsch.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von Helge Limburg [GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Grascha. - Herr Limburg, bitte keine Dialoge! Es soll jetzt nur einer reden. Aber der kommt auch aus Ihrer Fraktion, das ist nämlich Herr Heere. Bitte sehr!

(Helge Limburg [GRÜNE]: Na gut! - Pet- ra Tiemann [SPD]: Ausnahmsweise!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 3. Dezember 2015 haben sich die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der Länder auf einen Kompromiss zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab 2020 geeinigt. Meinen herzlichen Dank an Stephan Weil und ganz besonders auch an Finanzminister Peter-Jürgen Schneider und das Fachreferat für die Vorbereitungen und die vielen intensiven Verhandlungen im Hintergrund.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist erfreulich, dass Niedersachsen mit zusätzlichen Mitteln über 450 Millionen Euro profitiert. Zudem werden die für Niedersachsen anfallenden 222 Millionen Euro Entflechtungsmittel fortgeschrieben, die zukünftig in die Umsatzsteuerverteilung einbezogen werden.

Wenn die FDP das nun kritisch kommentiert und zum Teil auch mit entsprechenden Worten durch den Kakao zieht, dann lassen Sie sich eines in aller Ernsthaftigkeit sagen: Dass in dieser komplizierten Gemengelage und den sehr langwierigen Verhandlungen überhaupt der Gordische Knoten durchschlagen wurde, ist ein Wert an sich.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zu- ruf von der FDP)