Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen eines: Vor dem Hintergrund der Worte der Umweltministerin, dass Getränkeverpackungen ohnehin schon eine positive Umweltbilanz besitzen, und vor dem Hintergrund, was ein solches zusätzliches Recyclingsystem insbesondere für kleine und mittelständische Einzelhandelsbetriebe - so es sie denn überhaupt noch gibt - bedeuten würde, glauben wir, dass das in keinem Verhältnis zu dem zusätzlichen ökologischen Nutzen stehen würde, den ein solches Mehrwegsystem spenden würde.
Wenn Sie es mit Mittelstandspolitik tatsächlich ernst meinen, dann sollten Sie sich sofort von den Plänen der Bundesregierung distanzieren, eine Mehrwegpflicht für Getränkeverpackungen einzuführen. Ich würde Ihnen vorschlagen, dass Sie diesen Vorschlag wegschmeißen und ihn am besten nicht recyceln.
Vielen Dank, Herr Dr. Hocker. - Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Kollege Bajus.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, unsere Politik zeichnet vor allen Dingen aus, dass wir diese auf der Basis von Sachlagen machen und nicht auf der Basis von veralteten und zugleich falschen Zeitungsüberschriften, wie wir das gerade wieder hören konnten.
In der Tat: Deutschland ist im Mülltrennen geradezu weltmeisterlich. Das ist wohl wahr und zeugt nicht nur vom hohen Umweltbewusstsein unserer Bevölkerung, sondern verweist zugleich auf ein Dilemma: Wir können nämlich nicht nur stolz darauf sein, sondern wir haben auch noch das Problem, dass wir zugleich Europameister im Verpackungsmüllproduzieren sind: über 200 kg pro Kopf, und das jedes Jahr.
Bevor wir also über Recycling, Mehrweg und Pfand sprechen, müssen wir feststellen: Wir haben zu viel Müll und zu wenig Anreize zu seiner Vermeidung.
Zu den Müllbergen kommt noch hinzu: Die Hälfte des gesammelten Verpackungsmülls wird verbrannt. Wertstoffe werden also verfeuert statt genutzt - und das, obwohl doch Rohstoffe immer knapper werden.
Meine Damen und Herren, das ist absurd. Da müssen wir uns fragen: Wie können wir das besser machen? Wie können wir mehr Müll vermeiden? Wie können wir mehr Recycling und eine bessere Verwertung organisieren? Wie können wir also mehr Mehrweg statt Einweg organisieren?
Das hätte die Bundesregierung mit einem Wertstoffgesetz auch schon lange angehen müssen, mit hohen Recyclingquoten und entsprechenden Anreizen, mit einem System, das Verpackungen und stoffgleiche Nichtverpackungen gemeinsam erfasst und verwertet, das das widersinnige Duale System endlich ablöst und ein System schafft, in dem Quarkbecher und - von mir aus - Quietscheentchen aus Kunststoff in dieselbe Tonne gehören, in dem die Organisationsverantwortung bei den Kommunen liegt und das die Rosinenpickerei der privaten Entsorgungswirtschaft beendet.
- Herr Oesterhelweg, Sie selber haben mit uns gemeinsam, mit Kommunen und Umweltverbänden Ende 2015 hier im Landtag genau dafür gestimmt und gefochten. Leider hat Berlin nicht auf uns gehört, sondern statt einem vernünftigen Wertstoffgesetz jetzt ein Verpackungsgesetz vorgelegt, das mehr Probleme schafft, als es löst, und damit die Chance vergibt, endlich substanziell für mehr Verbraucher- und Umweltfreundlichkeit zu sorgen, für weniger Müll und für mehr Recycling.
Das, meine Damen und Herren, hat der Bundesrat völlig zu Recht kritisiert. Er hat sich dafür ausgesprochen, die verwirrenden Pfandregelungen für Einwegverpackungen endlich zu vereinheitlichen. Die Pfandpflicht soll sich eben nicht mehr an sachfremden Kriterien wie Größe oder Inhalt, sondern allein an der Art der Verpackung und ihrer Umweltfreundlichkeit und Recyclierbarkeit orientieren. Einwegpfand muss für alle Einwegflaschen und Getränkedosen gelten. Die bisherigen Ausnahmen sind doch total verwirrend: Frucht- und Gemüsenektare ohne Kohlensäure sind pfandfrei, mit Kohlensäure nicht. Wo bitte ist da die Logik? Es heißt doch „Verpackungsgesetz“, nicht „Getränkegesetz“!
Die FDP glaubt nun aber offensichtlich genau das. Sie stellt sich hier hin und ruft: „Kein Pfand auf Milchtüten“, obwohl es doch darum gar nicht geht.
Noch einmal zur Erklärung: Der Bundesrat hat gefordert, dass sich die Pfandpflicht an der Umweltschädlichkeit der Verpackung orientiert. Nicht gefordert hat er Pfand auf Milch oder Milchtüten. So schwer ist das nicht zu verstehen.
Übrigens: Getränkekartons - das hat Herr Dr. Hocker gerade zu Recht formuliert -, lassen sich recht gut recyceln, und sie gelten als ökologisch vorteilhafte Verpackungen. Pfand auf Getränkekartons hat deswegen niemand gefordert.
Meine Damen und Herren von der FDP, an Ihrem Antrag ist einzig die zweite Hälfte der Überschrift richtig: „Verpackungsgesetz muss überarbeitet werden“. Das stimmt, dem schließen wir uns an. Der Rest an Ihrem Antrag ist unsinnig und sachlich einfach falsch. Deswegen, um Herrn Dr. Hocker hier zu zitieren: Ab in die Tonne mit diesem Antrag, da hilft auch kein Recycling.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Bajus hat zum Thema schon gut ausgeführt. Ich denke, die FDP macht hier Politik nach dem Motto: „Ich habe eine Lösung anzubieten, jetzt muss ich nur noch ein Problem
für diese Lösung konstruieren.“ Dieses konstruierte Problem heißt: Pfand auf Milchtüten. - Aber dieses Problem existiert überhaupt nicht! Kollege Bajus hat eben schon deutlich gemacht: Das hat nie jemand gefordert.
Aber der Reihe nach, meine sehr geehrten Damen und Herren: Als ich mich mit dem Thema befasst habe, wurde ich an eine Situation mit meiner kleinen siebenjährigen Tochter erinnert. Als wir beim samstäglichen Einkauf die Pfandflaschen zusammengesucht und geguckt haben, was denn so in die gelbe Tonne gehört, die es bei uns in Braunschweig gibt, hat meine Tochter die Frage gestellt: Warum gibt es im Supermarkt für manche Plastikflaschen Geld zurück und für andere nicht? - Es war zu sehen, dass es beispielsweise für Apfelschorle in PET-Flaschen Geld zurück gibt - weil Apfelschorle bepfandet ist -, für Apfelsaft in PETFlaschen aber nicht.
Die Logik, die dahinter steckt, ist weder einer Siebenjährigen noch auf andere Weise irgendwie zu erklären. Das Verpackungsgesetz orientiert sich tatsächlich am Inhalt und nicht an der Umweltschädlichkeit der Verpackung. Das war, wie ich finde, völlig zu Recht Gegenstand der Kritik des Bundesrates.
An diesem Umstand hat sich auch nach dem neuen Verpackungsgesetz, das in der letzten Woche im Bundestag verabschiedet wurde, nichts geändert. Die Bepfandung orientiert sich weiterhin am Inhalt und nicht an der Umweltschädlichkeit der Verpackung. In dem Gesetz wird zwar die Pfandpflicht auf weitere Getränke ausgeweitet - auf Fruchtschorlen, Getränke mit 50 % Molkegehalt usw. -, aber an dem Grundsatz, dass das Getränk entscheidend ist und nicht die Verpackung, hat man festgehalten. Von daher besteht also ohnehin keine Gefahr, dass Milchtüten und Weinflaschen zukünftig bepfandet werden.
Milch kommt ohnehin in umweltfreundlichen Verpackungen daher - auch das hat der Kollege Bajus schon ausgeführt -, in sogenannten TetraPaks, Getränkekartons. Immer häufiger wird Biomilch in Mehrwegglasflaschen oder in sogenannten Polyethylen-Standbeuteln, die auch relativ umweltfreundlich sind, verkauft. Von daher bestand, wie schon erwähnt, die Gefahr des Pfandes auf Milchtüten nicht. Die Kernforderung der Länderkammer fand im Gesetz dann eben keine Berücksichtigung.
Zu begrüßen ist an dem Gesetz, dass die Kommunen durch die Einrichtung einer zentralen Stelle nun mehr Spielraum bei der Gestaltung ihrer Ver
packungssammlung vor Ort haben. Es bleibt abzuwarten, ob das Ziel des Gesetzes erreicht werden kann, eine Mehrwegquote von über 70 % zu erreichen. Wir hoffen, dass das gelingt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Kein Pfand auf Milchtüten - Verpackungsgesetz muss überarbeitet werden“ - die Grünen haben ja netterweise angedeutet, dass sie zumindest der zweiten Hälfte dieser Überschrift zustimmen können. Deswegen sehe ich da auch noch ein bisschen Bewegung, was die heutige Beschlussfassung angeht.
Der Bundestag hat das Ziel beschlossen: Die Recyclingquote soll nach oben. Da mag das eine oder andere dabei sein, was dem einen oder anderen nicht vollkommen schlüssig erscheint.
Die Ablehnung im Bundesrat ist wiederum eine ganz andere Sache. Ich bin mir nicht sicher, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ob Sie mit Ihrer Politik tatsächlich zur Müllvermeidung beitragen, die unser gemeinsames Ziel sein sollte. Wir fordern Sie jedenfalls auf - da stehen wir an der Seite der FDP -, sich im Bundesrat für eine vernünftige Lösung einzusetzen, die dem Thema mit all seinen Facetten gerecht wird.
Ich höre sehr gerne, dass Sie kein Milchtütenpfand und kein Weinflaschenpfand wollen. Aber als generelle Aussage für dieses Thema gilt doch: Egal, worum es sich im Einzelfall handelt - Pfand-, Mehrweg- und Recyclingsysteme müssen erstens ökologisch sinnvoll, zweitens einfach, praktikabel und verbraucherfreundlich und drittens ökonomisch leistbar und vertretbar sein.
Mit der übrigens von CDU-Bundesminister Klaus Töpfer zur Regierungszeit Helmut Kohls auf den Weg gebrachten Verpackungsordnung sind vor vielen Jahren die richtigen Weichenstellungen
vorgenommen worden. Ich persönlich erinnere mich noch gut an den 11. Dezember 2002, als ich dazu im Landtag eine Rede halten durfte. Das war meine erste Rede, und das war natürlich in vielerlei Hinsicht eine interessante Erfahrung.
Erster Punkt: ökologisch sinnvoll. 2002 habe ich darauf hingewiesen, und ich wiederhole mich gerne: Damals hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen mehr Wert darauf gelegt, stärker zwischen ökologisch vorteilhaften und ökologischen nachteiligen Verpackungen und Systemen zu unterscheiden.
In der Tat haben sich diese Recyclingsysteme bewährt. Wir sind in Deutschland - so auch Bundesministerin Hendricks - Vorreiter. Die Recyclingquoten sind gut und werden hoffentlich immer besser. Die Ökobilanzen sind ebenfalls gut und werden, was die Einwegverpackungen angeht, auch immer besser. Vollkommen zu Recht - so zitiert es auch die FDP im Antrag - meint Frau Hendricks, dass diese Verpackungen in der Ökobilanz nicht schlechter abschneiden als Mehrwegglasflaschen. Warum sehen das auf der linken Seite des Hauses einige anders? - Darüber kann man nur spekulieren.
- Ich höre im Augenblick, Herr Kollege Bajus, nur Ihre Zwischenrufe. Und wenn Ihnen die Ohren klingeln, dann liegt das möglicherweise am Echo. Sie müssten mir mal zuhören, dann könnten Sie sich Ihre Zwischenrufe sparen.