Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Im Jahr 2017 - und im Grunde genommen schon Ende 2016 - steht die MHH im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, wie einige Schlagzeilen verdeutlichen:

- „Wissenschaftsministerium räumt Mängel bei der MHH-Planung ein“ (Rundblick, 7. Februar 2017),

- „Prüfer greifen bei MHH ein: Landesrechnungshof fordert für Milliardenprojekt unabhängige Bau- und Betriebsgesellschaft. Entsteht das neue Klinikum am Stadtfelddamm?“ (Hannoversche All- gemeine Zeitung, 20. Februar 2017),

- „MHH auf dem Krankenbett“ (Neue Presse, 21. Februar 2017),

- „MHH: Schaden täglich größer“ (Neue Presse, 27. Februar 2017).

Am 16. Februar 2017 schrieb die HAZ unter der Überschrift „Warten auf den Masterplan: Wie es zu den Baupannen an der MHH kommen konnte - und wie nun alles besser werden soll“:

„Man kann sich das nur schwer vorstellen: Da baut das Land Niedersachsen auf dem Gelände der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ein zentrales Laborgebäude für 30 Millionen Euro - und dann steht es mehr als zwei Jahre lang ungenutzt da. Weil die Stromversorgung nicht ausreichend ist. Oder: Da plant die Hochschule eine neue Radiologie, sechs Jahre lang. Gebaut wird: nichts. Kosten: knapp mehr als 1 Million Euro.“

Die HAZ fragt weiter:

„Wie kann das passieren?“

Im Ausschuss für Wissenschaft und Kultur teilte die Landesregierung auf Antrag der CDU-Landtagsfraktion am 6. Februar 2017 mit, dass das seit 2014 leer stehende MHH-Laborgebäude zusätzlich zu den Baukosten aufgrund von veränderten Planungen 5 Millionen Euro teurer werde. Allein der Leerstand verursache jährlich 460 000 Euro Kosten, ohne dass das Gebäude bisher genutzt werde.

Für die Planung einer neuen Zentralen Notaufnahme sind laut Ministerium für Wissenschaft und Kultur bislang 3,8 Millionen Euro Planungskosten einschließlich der „Honorare für Interimsmaßnahmen“ entstanden, die sich derzeit „in der Ausführung“ befänden (Drucksache 17/7365 vom 3. Fe- bruar 2017).

Inzwischen hat der Landesrechnungshof einen vollständigen Neubau des MHH-Zentralklinikums und die Einsetzung einer unabhängigen Bau- und Betriebsgesellschaft für Bauvorhaben ins Gespräch gebracht, wie mehrere Medien im Februar 2017 berichteten. Danach sei die bisherige „Masterplanung“ der MHH „nicht ausgereift“ (Rundblick vom 17. Februar 2017). Die „Kommunikation und

damit die Zusammenarbeit“ zwischen dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur, der MHH und dem Staatlichen Baumanagement, das dem Finanzministerium untersteht, sei danach „mit erheblichen Reibungsverlusten, Fehlinformationen und Missverständnissen belastet“.

Am 18. Januar 2017 informierte die Landesregierung auf Antrag der CDU-Landtagsfraktion über einen Investitionsbedarf für die MHH im Volumen von rund 1 Milliarde Euro. Das Finanzministerium teilte mit, es ziehe die Einrichtung eines Sondervermögens in Betracht.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie oft hat die Hausspitze des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur - Ministerin/Minister und/oder Staatssekretärin/Staatssekretär - in den Jahren 2010 bis 2016 persönliche Gespräche mit Präsidiumsmitgliedern der MHH geführt? Ich bitte, die Anzahl der persönlichen Gespräche - ohne Begegnungen auf Konferenzen, Landeshochschulkonferenz etc. - für jedes Jahr einzeln anzugeben.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Mit Uhr- zeit!)

- Bezüglich der Uhrzeit kommt vielleicht nur 8 bis 17 Uhr infrage.

2. Wie und wann hat sich Ministerpräsident Stephan Weil, der seinen Wahlkreis in der Landeshauptstadt Hannover hat, in Bezug auf bauliche Maßnahmen an der MHH seit 2013 eingebracht?

3. Wie und wann ist die Hausspitze des Finanzministeriums an Entscheidungen im Zusammenhang mit baulichen Maßnahmen an der MHH persönlich beteiligt gewesen?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Siemer.

(Unruhe)

- Wenn Ruhe eingekehrt ist, wird die Wissenschaftsministerin Frau Dr. Heinen-Kljajić für die Landesregierung antworten. - Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Situation an der MHH war in den vergangenen Jahren aufgrund der Versäumnisse der Vorgängerregierung äußerst schwierig.

(Marco Brunotte [SPD]: Aha! - Almuth von Below-Neufeldt [FDP]: Das ist schon vier Jahre her! - Zuruf von Dr. Stephan Siemer [CDU])

So wurden ab dem Jahr 2011 Jahresfehlbeträge zwischen 15,8 Millionen Euro und 30 Millionen Euro erwirtschaftet. Dies führte dazu, dass seit 2011 die Geschäftstätigkeit der MHH defizitär war und im Ergebnis ein Bilanzverlust von über 110 Millionen Euro aufgebaut wurde.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Was? Schwarz-gelbe Schuldenpolitik!)

Zudem erfolgten durch die MHH über mehrere Jahre Verstöße gegen das Haushaltsrecht. Die Personalausgaben der MHH überstiegen über mehrere Jahre die gesetzlichen finanziellen Obergrenzen gemäß den entsprechenden Haushaltsplänen. Die MHH führte Personaleinstellungen durch, obwohl weder freie Planstellen noch Haushaltsmittel zur Verfügung standen.

Die ehemalige Hausspitze des MWK mag Gespräche geführt haben. Ihrer Verantwortung für den größten Landesbetrieb ist sie nicht gerecht geworden.

Angesichts dieser Fehlentwicklungen hat sich die jetzige Landesregierung in konsequenter und umfangreicher Weise mit der wirtschaftlichen Situation der MHH befasst,

(Christian Grascha [FDP]: Seitdem ist alles gut, nicht wahr?)

wodurch sich die Ergebnissituation der MHH grundlegend verbessert hat.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das MWK forderte die MHH auf, einen umfassenden Katalog mit konkreten Maßnahmen und Zeitpunkten zu erstellen, um die wirtschaftliche Situation der MHH zu konsolidieren. Die MHH erstellte daraufhin einen Aktionsplan mit umfangreichen Einsparmaßnahmen, der alle Bereiche der MHH in Forschung, Lehre, Krankenversorgung und Verwaltung umfasste. Begründet in den unzureichenden Ergebnisauswirkungen des Aktionsplans, erging Ende 2015 erneut eine Aufforderung des MWK an die MHH, den Aktionsplan zu überarbeiten und zu aktualisieren. Im Ergebnis stand Anfang 2016 das Strukturkonzept MHH 2020.

Die durch das MWK festgestellten haushaltsrechtlichen Überschreitungen wurden durch das MWK

gegenüber der MHH gerügt. Das MWK stieg mit der MHH in einen tiefgreifenden Dialog zum Abbau dieser Überschreitungen ein.

Um die Handlungsfähigkeit der MHH für notwendige Berufungen zu erhalten, wurde in Absprache mit dem niedersächsischen Finanzministerium der MHH die Überschreitung der finanziellen Obergrenze bzw. des Ermächtigungsrahmens ausnahmsweise gestattet. Zugleich verpflichtete sich die MHH zur Reduzierung des Überschreitungsbetrages bis 2022.

Seit Ende 2015 wird durch das MWK die Ergebnissituation der MHH analysiert und intensiv im Dialog mit der MHH diskutiert. Durch den regelmäßigen Dialog über die wirtschaftliche Situation kann kurzfristig auf negative Entwicklungen und deren wirtschaftliche Auswirkungen eingegangen werden.

Dieser begonnene Prozess hat zu einer deutlichen Ergebnisverbesserung geführt. So konnte das Jahresergebnis 2015 gegenüber dem Jahr 2014 deutlich verbessert werden und belief sich auf minus 1,5 Millionen Euro. Das Jahresergebnis 2016 wird nach ersten vorläufigen Auswertungen und Analysen deutlich positiv ausfallen und somit mit einem Jahresüberschuss abschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Aktuell hat der Landesrechnungshof dem MWK bestätigt, dass es seiner Aufsichtspflicht ab Mitte 2013 deutlich intensiver nachgekommen ist, seitdem Konsolidierungskonzepte vereinbart hat und deren laufende Umsetzung begleitet. Dies finden Sie in der vorläufigen Prüfungsmitteilung des Landesrechnungshofes mit dem Titel „Finanzierung und wirtschaftliche Situation der Medizinischen Hochschule Hannover“.

Die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation der MHH ist insbesondere unter Berücksichtigung der vorherrschenden Rahmenbedingungen deutlich hervorzuheben.

Die besonderen Aufgaben und Leistungen der Universitätskliniken in dem DRG-Fallpauschalensystem werden nicht ausreichend vergütet. Dies betrifft beispielsweise die Hochschulambulanzen, seltene Erkrankungen, die hohen Vorhaltekosten der Notfallversorgung sowie die Extremkostenfälle. Diese Finanzierungslücke trägt maßgeblich zur wirtschaftlichen Lage der Medizinischen Hochschule Hannover bei und ist systembegründet.

Die Niedersächsische Landesregierung setzt sich daher auf Bundesebene kontinuierlich und erfolgreich für die Universitätskliniken ein. So hat es im Zusammenhang mit der Verabschiedung der Bundesgesetze - GKV-Versorgungsstärkungsgesetz und Krankenhausstrukturgesetz - intensive Verhandlungen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und im Oktober auch direkte Gespräche zwischen dem Bundesgesundheitsminister und meiner Wenigkeit als eine der Vertreterinnen der KMK gegeben. Hier konnten wichtige Elemente zur besseren Finanzierung der Universitätskliniken erreicht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Silke Lesemann [SPD]: Sehr gut!)

Ministerpräsident Weil brachte das Thema Finanzausstattung der Universitätskliniken in der Ministerpräsidentenkonferenz ein, in der es ausführlich erörtert wurde.

Unter der Federführung von Niedersachsen beschlossen die Länder am 8. Juli 2016 im Bundesrat einen gemeinsamen weitreichenden Entschließungsantrag zur nachhaltigen Finanzierung der Universitätskliniken. In dem Antrag wurde die Bundesregierung aufgefordert, sich bis Anfang Oktober 2016 für finanzielle Verbesserungen einzusetzen und gegebenenfalls die einschlägigen Gesetze nachzubessern bzw. einen Fallpauschalenzuschlag für Hochschulkliniken und Maximalversorger einzuführen. In dem Entschließungsantrag wird eine Reihe von Themenfeldern der nicht auskömmlichen Finanzierung der Universitätskliniken aufgeführt.

Aufgrund der schleppenden Umsetzung der bundesgesetzlichen Bestimmungen zugunsten der Universitätskliniken fanden im Januar 2017 erneute Verhandlungen der Wissenschaftsseite mit dem Bundesministerium für Gesundheit statt, in denen erforderliche Nachbesserungen der Gesetze erörtert wurden. Der konsequente Einsatz von Niedersachsen hat sich gelohnt; denn am 10. März 2017 beschloss der Bundesrat Gesetzesänderungen für die bessere Finanzierung der Hochschulambulanzen, die auf Vorschlägen des MWK beruhen.

Die Gebäude und Infrastrukturen der MHH sind inzwischen über 40 Jahre alt. Sie befinden sich zum großen Teil in einem dringend sanierungsbedürftigen Zustand. Die überalterte Bausubstanz führt zu einer Vielzahl von sicherheitsbedingten Mängeln in den Bereichen Brandschutz, Sanitär- und Raumlufttechnik sowie Elektro- und Medizin

technik. Viele Installationen stammen aus der Errichtungszeit der 60er- und 70er-Jahre und entsprechen nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen und anerkannten Regeln der Technik. Es besteht ein Gefahrenpotenzial, welches sich jederzeit in konkrete Gefahren mit unbekanntem Schadens- und Haftungspotenzial wandeln kann.