Protokoll der Sitzung vom 07.04.2017

Ihre Energiewende des Jahres 2017, Herr Minister Wenzel, ist ein Schildbürgerstreich und nicht mehr.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir glauben, dass es im Jahre 2017 eines Gleichklanges bedarf, um diesen Irrsinn da draußen zu beenden: In Berlin müsste man endlich dazu kommen, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz abgeschafft wird. In Niedersachsen müsste, wenn man diesem Problem wirklich Einhalt gebieten wollte, der unsägliche Windkrafterlass zurückgenommen werden. Und, meine Damen und Herren, § 35 des Baugesetzbuchs müsste abgeschafft werden. Die Privilegierung müsste nach 20 Jahren endlich ein Ende finden!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. - Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Ralf Borngräber für die SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Borngräber!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun will die FDP-Fraktion in Person von Dr. Hocker also einen wichtigen Eckpfeiler der Erneuerbaren, die Erzeugung von Strom aus Windkraft, beschneiden. So geht es jedenfalls aus der Überschrift des Antrags hervor, den Sie auf lediglich einer halben Seite formulieren.

(Dr. Gero Hocker [FDP] spricht mit Abgeordneten der FDP)

- Herr Dr. Hocker, ich bitte um Aufmerksamkeit.

Sie schreiben und begründen außerordentlich kurz, dass und warum Sie den § 35 - und dann steht da: - Absatz 1 Nr. 7 des Baugesetzbuchs streichen wollen. Aber was steht dort eigentlich? Gelegentlich macht es ja Sinn, sich das einmal selbst durchzulesen. Ich zitiere die entsprechende Passage aus dem Baugesetzbuch:

„§ 35 Bauen im Außenbereich

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es...“ - aufgemerkt, jetzt kommt Nr. 7 - „7. der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität“. (Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN: Oh! - Lachen bei der SPD - Volker Bajus [GRÜNE]: Falsch abge- schrieben!)

Ja, verehrte Kolleginnen und Kollegen, nun bin ich doch etwas verwirrt.

Meine Damen und Herren von der FPD, lieber Herr Hocker, was wollen Sie denn nun wirklich? Peinlicher geht es eigentlich nicht! Wer hat Ihnen eigentlich diesen Antrag aufgeschrieben?

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wollen Sie die regenerative Windkraft beschränken oder das Atomwirtschaftsprivileg streichen? Was wollen Sie eigentlich wirklich? Oder war da vielleicht ein Freud’scher Formulierungslapsus der Vater des FDP-Gedankens? Wollen Sie vielleicht im Umkehrschluss zurück zur Atomkraft? - Alles unklar bei Ihnen, meine Damen und Herren von der FDP, alles unklar! Aber der geneigte Leser liest natürlich die Überschrift und denkt sich: Na ja, da ist denen ein heftiger Fehler unterlaufen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ausbau der erneuerbaren Energien ist spätestens seit der energiepolitischen Doppelvolte der Kanzlerin - erst mal wieder rein in die Kernenergie und nach Fukushima wieder raus -, nach Jahrzehnten der energiepolitischen Spaltung unseres Republik endlich breiter gesellschaftlicher Konsens geworden. Ich füge hinzu: Das war gut so, meine Damen und Herren.

Das Ziel einer emissionslosen und kernspaltungsfreien Energiewirtschaft setzte und setzt nach wie vor einen massiven Umbau unserer Energieerzeugung, -verteilung und -speicherung voraus. Dazu gehört selbstverständlich weiterhin ein massierter Ausbau der Onshore- und Offshoreenergieerzeugung an geeigneten Standorten im gesamten Bundesgebiet; onshore, füge ich hinzu, besonders in einigen süd- und ostdeutschen Bundesländern. Auch für das Repowering veralteter Windkraftanalgen braucht es weiterhin die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 - Herr Dr. Hocker. Vielleicht berichtigen Sie das - des Baugesetzbuchs.

Mit den verschiedenen Novellen des Baugesetzbuchs wurden mit dem § 35 Abs. 3 Satz 3 ein Planungsvorbehalt sowie im Jahre 2014 mit dem § 249 Abs. 3 BauGB - „Sonderregelungen zur Windenergie“ - eine Länderöffnungsklausel in das Baugesetzbuch aufgenommen. Der Hintergrund für diese Novelle war damals u. a. der Koalitionsvertrag in Berlin und die Petition 49690 des Deutschen Bundestags. Das dortige Petitionsverfahren wurde damals abgeschlossen, weil dem Anliegen der Petenten in Teilen entsprochen werden konnte. Der Ausschuss hatte 2014 festgestellt - ich zitiere auszugsweise -,

„dass bei der Umsetzung der Energiewende dem Ausbau der Windenergie an Land eine zentrale Bedeutung zukommt. Für das Erreichen der insoweit angestrebten Ausbauziele kann daher auf die Außenbereichsprivilegierung von Windenergieanlagen nicht verzichtet werden.“

In der Landtagsdrucksache 17/4089 können Sie nachlesen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der FDP-Fraktion, dass zahlreiche Landkreise und kreisfreie Städte in Niedersachsen regen Gebrauch von raumplanerischen Steuerungen für den Ausbau der Windenergie machen. Regelungen in Flächennutzungsplänen steuern seitdem genauso wie Regelungen in regionalen Raumordnungsprogrammen den Zubau und den Umbau der Energieerzeugung aus Windkraft auch in Niedersachsen. Und auch das ist gut so, meine Damen und Herren!

Ich stelle abschließend fest:

Erstens. Ihr Antrag ist mit heißer Nadel gestrickt und fehlerhaft.

Zweitens. Der Antragsteller muss seinen energiepolitischen Kompass dringend kalibrieren.

Drittens. Der Antrag richtet sich gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland und besonders gegen niedersächsische Interessen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Viertens. Der Antrag richtet sich gegen die Interessen des heimischen Handwerks und der Industrie.

Fünftens. Der Antrag unterläuft die Klimaschutzstrategien des Landes und des Bundes.

Sechstens. Der Antrag der FDP-Fraktion, über eine Bundesratsinitiative die Windkraftprivilegierung zu streichen, ist mithin überflüssig.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Borngräber. - Jetzt hat sich Volker Bajus für Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Borngräber hat schon auf den entscheidenden Punkt hingewiesen: Der Antrag ist nicht nur schlecht gemacht, sondern es ging der FDP offensichtlich nur um die Überschrift.

Folgender Widerspruch drängt sich doch auf, wenn wir nur 24 Stunden zurück denken. Gestern haben wir hier einen Energieantrag der FDP diskutiert, in dem es um die Förderung von „Power-to-Gas“Anlagen ging, also um die Umwandlung von Ökostrom in Gas zum Zwecke der Speicherung. Heute legt die FDP nun einen Antrag vor, mit dem sie genau das - den Ökostrom, namentlich den Ausbau der Windenergie - de facto stoppen will.

Liebe Kollegen von der FDP, was wollen Sie denn nun? Energiewende - ja oder nein? Ökostrom - hopp oder topp? Welche Energie wollen Sie denn in Gas umwandeln und speichern? Wenn nicht Windstrom, was denn dann? Etwa die heiße Luft, die in Ihren Anträgen zum Thema Energiepolitik immer wieder zum Tragen kommt?

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Oder ist es die Energie aus Atomstrom oder Kohlestrom? Das wäre zweifelsohne energetisch absolut ineffektiv und somit komplett sinnfrei, entspräche aber doch Ihrer energiepolitischen Linie, die wir hier heute einmal mehr erleben dürfen.

Klimawandel? - Daran haben Sie Zweifel! Windkraft und Netzausbau? - Ist für Sie die Vernichtung von Anwohnervermögen! Fracking und Erdbeben? - Muss man um der Wirtschaft willen akzeptieren! - Dann eben die Windkraft stoppen!

Meine Damen und Herren, man sagt ja, knapp daneben ist auch vorbei. Aber hier ist es nicht mal knapp vorbei, sondern hier ist gleich das Thema komplett verfehlt.

Ich muss Sie kurz unterbrechen. Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Hocker?

Gerne! Dann hat er die Chance, Lösungsvorschläge vorzulegen. Ich bitte darum.

Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Kollege Bajus, dass ich die Gelegenheit erhalte, diese Zwischenfrage zu stellen.

Sie haben eben erläutert, dass ich mich sozusagen an die Spitze der Bewegung der Trassenausbaugegner setze und wir bei diesem Thema stets argumentieren, ein Stromleitungstrassenbau führe zu Landschaftsvernichtung. Können Sie mir mit einem Zitat von mir einen einzigen Beleg dafür geben, dass ich eine solche Aussage in dieser oder anderer Form in diesem Plenum oder an irgendeiner anderen Stelle getätigt habe?

Bitte schön, Herr Bajus!

Herr Hocker, ich glaube, das Plenarprotokoll ist voll davon, wie Sie hier - - -

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Nicht ein ein- ziges Mal!)

- Lassen Sie mich mal - - -

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Unerhört! Nicht ein einziges Mal!)

Das Plenarprotokoll ist voll davon, wie Sie hier - - -

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Das ist die Unwahrheit! Das ist unglaublich! - Gegenruf von Petra Tiemann [SPD]: Lassen Sie ihn doch mal den Satz zu Ende bringen!)