Protokoll der Sitzung vom 17.05.2017

(Beifall bei den GRÜNEN - Gerd Lud- wig Will [SPD]: Das ist richtig!)

Ein zweites Vorurteil: Es dauert viel länger, mit Tempo 30 durch die Stadt zu kommen. Das ist minimal. Der ADAC, der ja in diesen Fragen eher andere als unsere Positionen teilt, hat bei Testfahrten auf einer 3,5 km langen Strecke eine Verzögerung von etwa zwei Minuten Reisezeit festgestellt. Andere Tests lagen sogar bei noch geringeren Reduzierungen - alles Ergebnisse, die volkswirtschaftlich nicht relevant sind.

Deshalb könnten wir uns eigentlich darin einig sein: Wir tun etwas für die Sicherheit und fördern Tempo 30, statt überflüssige ideologische Grabenkämpfe zu führen.

Das Bundesverkehrsministerium aber lehnt weitergehende Änderungen der Straßenverkehrsordnung - mit Ausnahme der gerade beschlossenen - mit der Begründung ab, das würde die Kommunen in ihrer Entscheidungshoheit einschränken. Fakt ist doch aber: Das starre Korsett der Straßenverkehrsordnung beschränkt jetzt die Entscheidungsfreiheit der Kommunen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Das wollen wir ändern. Mit unserem Modellversuch wollen wir weitere Möglichkeiten und Argumente schaffen, Temporeduzierungen zu ermöglichen. Damit treffen wir den Nerv vieler Kommunen und vor allen Dingen vieler Betroffener, die unter Lärm und Schadstoffen leiden. Immer mehr Menschen wollen ihre Stadt für sich und nicht für die Autos entwickeln. Es geht um mehr Lebensqualität. Das ist die Rückmeldung, die wir von vielen Menschen erhalten haben.

Deshalb bin ich der Überzeugung: Wir brauchen eigentlich viel mehr als ein Modellprojekt Tempo 30. Viele Menschen und Kommunen sind in dieser Frage schon sehr viel weiter.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Westphely. - Auch auf Ihre Rede hin gibt es eine Kurzintervention des Kollegen Bode. Bitte.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Erstmal bedanken für die Aufklärungsarbeit!)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Westphely, in Städten sind ungefähr schon 70 % der Straßen Tempo-30-Zonen bzw. verkehrsberuhigt. Wenn Sie mehr wollen, wollen Sie komplett Tempo 30. Sie wollen also den Verkehr in den Städten lahmlegen. Das sollten Sie dann hier auch so offen und ehrlich sagen.

(Beifall bei der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]: Sie haben nicht zugehört! - Helge Limburg [GRÜNE]: Immer diese Polemik!)

Niemand von uns ist doch gegen diese Änderung gewesen, dass vor Schulen und Kindergärten Tempo 30 angeordnet und damit ein weiterer Bei

trag zur Verkehrssicherheit geleistet werden kann. Darum geht es auch gar nicht in diesem Antrag.

In dem Antrag geht es darum, den Sinn und den Zweck von Hauptverkehrsstraßen zu erhalten mit dem Ziel, dass der Verkehr durchgeleitet wird und die entsprechenden Emissionen möglichst reduziert werden.

Sie aber wollen den Menschen schlicht und ergreifend ein anderes Lebensbild vorschreiben.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Diese hoh- len Phrasen immer!)

Sie haben endlich einmal die Maske fallen gelassen, als Sie hier gesagt haben: GTI-Fahren ist so etwas wie ein Faxgerät.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn jemand Autofahren oder GTI-Fahren möchte, dann will ich, dass er das auch darf. Ich will nicht, dass das verboten wird.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Darf er auch! Er darf auch ein Faxgerät ha- ben!)

Sie wollen das Auto, Sie wollen den GTI verbieten. Das sind doch die Tatsachen

(Heiterkeit bei und Zurufe von der FDP)

und die Konsequenzen, die Sie ausrufen. Sie sagen hier: Je weniger Geschwindigkeit wir auf der Straße haben, desto geringer ist das Verkehrsrisiko und desto geringer sind die Emissionen. - Das ist der Weg zurück zur Postkutsche, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Dann haben wir noch weniger Geschwindigkeit. Dann ist die Verkehrssicherheit noch höher. Nein, wir wollen nicht mit Ihnen in die Vergangenheit zurück. Wir wollen das Land in die Zukunft führen. Das werden wir dann im Januar gemeinsam mit den Wählern auch tun.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Bode. - Frau Kollegin Westphely antwortet Ihnen.

Herr Bode, ich will Ihnen nicht das Autofahren und auch nicht das Benutzen des Faxgerätes verbieten, wenn Sie das gern machen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das können Sie tun, wie Sie es mögen. Aber Sie sollten einmal anerkennen, dass auch an den Hauptverkehrsstraßen Menschen wohnen.

(Jörg Bode [FDP]: Sie wollen die Emissionen da erhöhen! Das ist Poli- tik gegen die Anwohner!)

Häufig sind gerade das die Wohnungen, die nicht die teuersten sind.

(Zuruf von Jörg Bode [FDP])

Herr Kollege Bode, seien Sie fair! Frau Westphely hat Ihnen zugehört. Sie hören jetzt bitte Frau Westphely zu!

Genau deswegen müssen wir versuchen, auch für die an den Hauptverkehrsstraßen wohnenden Menschen bessere Lebensbedingungen zu schaffen, nicht aber nur für die Menschen in den Vororten oder in den verkehrsberuhigten Zonen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Miriam Staudte [GRÜNE]: Die FDP wohnt im Vorort!)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung hat Herr Wirtschaftsminister Lies das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht einmal zur Versachlichung: Das Projekt wird nicht auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Es beginnt Ende Juni.

Ich will es an der Stelle noch einmal deutlich sagen - Herr Bode kennt das ja -: Es ist kein besonders großes Referat. Es ist eine extrem sachkompetente Mitarbeiterin. Die ersetzt man nicht so einfach durch eine andere Kollegin, einen anderen Kollegen, der diese Aufgaben dann wahrnimmt; denn wir wollen ja das Vorhaben voranbringen.

Ich will auch noch offen sagen: Ein ganz großer Teil der Arbeit des Referats besteht darin, dass in Hülle und Fülle - ich kenne das ja noch - Anfragen gestellt werden, wie Geschwindigkeitsbegrenzungen möglich sind. Es ist ja nicht so, dass sich unser Haus nicht damit beschäftigen muss. An ganz vielen Stellen fragen die Menschen an: Wie gelingt es denn, hier und dort auf 30 km/h zu reduzieren, auf der Autobahn auf 120 km/h zu reduzieren? - Das ist ein Hauptthema.

Deswegen ist es dort, glaube ich, gut aufgehoben, und es ist auch richtig, auf die sachkompetente Mitarbeiterin zu setzen, damit ein solches Projekt erfolgreich umgesetzt werden kann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Zweite ist: Das Projekt setzt genau darauf, eben nicht eine pauschale Regelung zu treffen. Man hätte ja sagen können: Wir machen ein Projekt und wollen überall Tempo 30. - Das machen wir nicht, wir machen keine pauschale Regelung. Das Projekt setzt vielmehr an einer Stelle an, an der wir vor der Herausforderung stehen, dass es Beispiele dafür gibt, wo es sinnvoll ist, die Geschwindigkeit zu reduzieren.

Wir haben das gerade - Sie haben es beschrieben - bei Kindergärten, Schulen und Seniorenheimen geschafft. Das klingt zwar logisch, aber es gilt ja erst seit einem oder einem halben Jahr. Das ging vorher gar nicht. Vorher gab es keine Möglichkeit, vor einem Kindergarten die Geschwindigkeit auf Tempo 30 zu reduzieren, es sei denn, es ist ein Unfallschwerpunkt. Das heißt: Wenn dort Kinder verunglückt sind, kann ich im Nachhinein die Geschwindigkeit reduzieren.

Mit unserer Initiative - das will ich noch einmal betonen -, auf die wir auch im Koalitionsvertrag gemeinsam mit der CDU in Berlin gesetzt haben, dass nämlich die Vereinbarkeit von Mensch und Verkehr hergestellt wird - es muss doch in unserer Gesellschaft beides möglich sein -, haben wir dafür gesorgt, dass wir gemeinsam mit dem Bundesverkehrsminister eine Lösung gefunden und die rechtliche Grundlage dafür geschaffen haben. Die gab es vorher nicht. Man muss das nur wissen, finde ich. Vorher musste erst ein Unfall passieren, und dann konnte man Tempo 30 einführen. Heute können wir präventiv Maßnahmen ergreifen, um die Geschwindigkeit zu reduzieren und die Verkehrssicherheit damit eindeutig zu steigern.

Das, meine Damen und Herren, gilt für die anderen beiden Bereiche, die untersucht werden müssen, genauso:

Wann bringt es etwas bei den Lärmimmissionen? - Heute muss eine Geschwindigkeitsreduzierung zu einer Lärmreduzierung um 3 dB führen. Damit fällt diese Möglichkeit für viele Bereiche aus, obwohl sie eine signifikante Reduzierung der Lärmbelastung brächte. Also müssen wir doch untersuchen: Inwieweit bringt die Lärmreduzierung an bestimmten Stellen wirklich eine Verbesserung für die Menschen?

Wann bringt es etwas bei den Emissionswerten? - Auch da, glaube ich, gibt es keine pauschale Lösung. Es wird am Ende eben nicht die Erfahrung sein, dass Tempo 30 an jeder Stelle die Emissionen reduziert. Wir wollen im Rahmen des Modellprojekts ja gerade unterschiedliche Strukturen untersuchen - einen sehr städtischen Bereich, einen weniger urbanen Bereich -, um auf diese Weise Grundlagen zu schaffen.

Eine der größten Herausforderungen besteht eigentlich darin, die Straßenverkehrs-Ordnung zu verändern. Das ist ein extrem langer Prozess. Einfach „wir wollen das mal“ geht da nicht. Das geht nur mit harter, intensiver Arbeit.

Diese Arbeit wollen wir aus Niedersachsen beflügeln, indem wir dieses Modellprojekt machen: Wir messen vorher. Wir messen im Verfahren. Wir analysieren das über ein Gutachten. Wir stellen fest, an welchen Stellen wir die StraßenverkehrsOrdnung verändern müssen, um die rechtlichen Grundlagen für eine Temporeduzierung zu schaffen. - Das ist die Zielsetzung, die wir damit verbinden.