Protokoll der Sitzung vom 14.06.2017

(Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Thiele, ich glaube, so richtig neue Argumente hat es jetzt gerade nicht gegeben, wenn ich mich an unsere erste Debatte erinnere. Vielleicht mit dem einen Unterschied, dass Herr Toepffer überrascht war, dass SPD und Grüne in Sachen A 20 und A 39 unterschiedliche Einstellungen haben. Das hat mich jetzt wieder überrascht. Bei genauer Betrachtung der politischen Diskussion hätte man das schon vorher mit der hinreichenden Sensibilität wahrnehmen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Gerd Ludwig Will [SPD])

Das wollte ich nur am Rande gesagt haben. Denn wenn ich jetzt einfach auf den Antrag zurückkomme, darf ich für die Landesregierung feststellen: Hier ist gar nichts zu missbilligen. Das ist ein völlig normaler politischer Prozess gewesen, und den sollten wir nicht mit Disziplinarverfahren vergleichen. Deswegen bitte ich herzlich darum, diesen Antrag abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Ende der Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 17/7674 ablehnen will, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? -

Das Erste war die Mehrheit. Der Beschlussempfehlung des Ausschusses wurde gefolgt.

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 22: Abschließende Beratung: Stärkung der Männergesundheit durch mehr Prostatakrebs-Früherkennung - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/7591 - - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration - Drs. 17/8232

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag in geänderter Fassung anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen

Wir kommen zur Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich Dr. Pantazis für die SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege! - Entschuldigung! Die FDP hat den Antrag eingebracht. Frau Bruns, Sie haben das Wort. Dann machen wir es in der Reihenfolge.

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Pro Jahr gibt es nach Angaben des Robert Koch-Instituts über 60 000 Neuerkrankungen bei Prostatakrebs. Damit steht mit 11 % das Prostatakarzinom hinter Lungen- und Darmkrebs an dritter Stelle der zum Tode führenden Krebserkrankungen. Beschäftigt man sich mit den zukünftigen Zahlen, prognostiziert das Krebsregister Niedersachsen von 2010 bis 2020 einen Anstieg um 15 %. Bis 2030 findet sich sogar ein Anstieg von 28 % wieder.

Im Frühstadion ist dieser Krebs jedoch gut heilbar. Je früher der Krebs entdeckt wird, desto besser ist die Heilungschance. Nach fünf Jahren leben noch ca. 93 % der Patienten. Wichtig ist jedoch der Zeitpunkt der Erkennung.

In Deutschland haben Männer ab 45 die Möglichkeit einer Untersuchung. Doch hier haben wir schon das erste Problem. Im Gegensatz zu Frauen, bei denen die Brustkrebsfrüherkennung zu jedem Besuch beim Frauenarzt gehört, lässt die Motivation der Männer hier zu wünschen übrig, oder höflicher gesagt: Da ist noch deutlich Luft nach oben.

Männer reden nicht gern über Krankheiten, abgesehen vom Männerschnupfen, den wir alle ausgiebig kennen und über den auch immer geredet wird

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist eine ernsthafte Erkrankung, Frau Kollegin!)

- ich erlaube mir das jetzt einfach; das müsst ihr einfach mal so hinnehmen -, schon gar nicht, wenn es sich dabei um ein urologisches Problem handelt. Eine internationale Befragung zeigte, dass nahezu alle Männer mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom körperliche Beschwerden hatten und haben, aber immerhin die Hälfte versucht, sie weiterhin zu ignorieren. Sogar auf Nachfrage des Arztes würden viele Patienten sogar immer noch die Schmerzen verneinen, obwohl sie sich schon lange selbst mit Analgetika behandeln.

Wir müssen hier tätig werden und Männer mehr motivieren, von sich aus über ihre Beschwerden zu reden. Deswegen ist es wichtig, die Aufklärung über Prostatakrebs zu stärken.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD sowie Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es muss ähnlich wie beim Brustkrebs ein Bewusstsein für dieses Thema geben. Dazu gehören gezielte Werbemaßnahmen in dem Bereich ebenso wie ein Erinnerungs- und Einladungssystem, das wir auf den Weg bringen wollen.

Ich möchte an dieser Stelle meinen Dank an alle Fraktionen ausdrücken, dass wir das gemeinsam beschließen und dass wir gemeinsam das Anliegen erkennen. Ich kann Ihnen sagen: Das ist wieder ein schönes Beispiel für den sehr gut arbeitenden Sozialausschuss. Das ist gut so, und weiter so!

Vielen herzlichen Dank an alle.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Jetzt hat Dr. Pantazis für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir zunächst einen Dank und ein Lob an die Antragsteller, die FDP-Fraktion, auszusprechen, die das Augenmerk auf die Stärkung der Männergesundheit durch mehr Prostatakrebs-Früherkennung gelegt hat. Für meine Fraktion kann ich erklären, dass die Zielrichtung des hier vorliegenden Antrags überhaupt nicht strittig sein kann. Im Gegenteil: Im Interesse

einer breiten Öffentlichkeitswirksamkeit begrüße ich es auch als Arzt ausdrücklich, dass es uns im federführenden Ausschuss gelungen ist, uns interfraktionell auf einen gemeinsam getragenen Text zu verständigen; denn es handelt sich um ein zunehmend relevantes medizinisch-epidemiologisches Thema. Warum das so ist, verdeutlicht die bestehende Faktenlage. Sie hatten ja schon einige Sachen angesprochen.

In der Bundesrepublik erkranken pro Jahr ca. 60 000 Männer an Prostatakrebs. In Niedersachsen sind es aktuellen Recherchen zufolge ca. 6 500 Neuerkrankungen pro Jahr. Auch aufgrund der fortschreitenden demografischen Entwicklung ist der Prostatakrebs mit einem Anteil von mittlerweile 25 % der Neuerkrankungen relativ häufig vertreten - Tendenz steigend.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen in diesem Zusammenhang allerdings zur Kenntnis nehmen, dass die Inanspruchnahmeraten bei der Krebsfrüherkennung von Männern altersabhängig teilweise auf einem geradezu besorgniserregenden Niveau verharren. Während immerhin 67 % der Frauen zu der gesetzlichen Krebsfrüherkennung gehen, beträgt der Anteil der zur Inanspruchnahme berechtigten Männer, die tatsächlich zur Krebsfrüherkennung gehen, immer noch nicht mehr als 40 %. Auch hier handelt es sich nach Auskunft des Sozialministeriums um eine altersabhängige Gesamtrate; denn Männer sind ab dem Alter von 45 Jahren zur Krebsfrüherkennung im Sinne eines opportunistischen Screenings - Sie haben es angesprochen, Frau Kollegin - lediglich berechtigt. Hier kommen die Inanspruchnahmeraten in den ersten Jahren nicht über 20 % hinaus und steigen lediglich auf immerhin 55 % bei Männern über 70 Jahren.

Diese Raten belegen eindrucksvoll eines: Bei steigender Inzidenz und mäßiger Inanspruchnahme der Krebsfrüherkennung herrscht Handlungsbedarf. Genau hier setzt der vorliegende Antrag an und findet daher unsere uneingeschränkte Unterstützung.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)

Gilt es doch, in Anbetracht des bestehenden Handlungsbedarfs die Aufklärung zu stärken, Wissenslücken zu schließen und das Bewusstsein zu bilden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, diese allumfassende Aufklärungsarbeit kann - und dieser Punkt erscheint uns in diesem Zusammenhang

wichtig und zwingend erwähnenswert - auch durch eine stärkere Unterstützung von Prostataselbsthilfegruppen erreicht werden. Nicht nur das, entscheidend wird sein, die Krankenkassen bei diesen Bemühungen originär mit einzubinden, weswegen der hier vorliegende Antrag im ersten Punkt diesbezüglich auch angepasst worden ist.

Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang in der Kürze der Zeit auf zwei Aspekte einzugehen.

Erstens. Untersuchungen haben ergeben, dass es zielgruppenspezifisch sehr unterschiedliche Inanspruchnahmen, auch was ein mögliches Einladungswesen - Sie hatten es gerade angesprochen - für betroffene Männer im Bereich Prostatakrebs-Früherkennung betrifft, gibt. Dies gilt vornehmlich für bildungsfernere Schichten und sozioökonomisch schlechter gestellte Gruppen. Hier bedarf es unserer Ansicht nach gezielter zielgruppenspezifischer Maßnahmen.

Zweitens. Die bestehende niedrige Inanspruchnahme von Prostatakrebs-Früherkennungsuntersuchungen durch Männer hat mehrere Gründe: erstens Angst vor einem positiven Befund, zweitens eine andere Einstellung im Gegensatz zu Frauen von Männern gegenüber dem eigenen Körper und drittens - ich denke, das ist der Hauptgrund - die bestehende Scham vor der medizinischen Untersuchung an sich, hier respektive der digitalen rektalen Untersuchung. Insbesondere die letztgenannte bestehende Hemmschwelle könnte durch die in Punkt 4 des vorliegenden Antrages genannte Maßnahme überwunden werden; denn durch forcierte Erforschung spezieller Tumormarker wäre es beispielsweise möglich, das aktuell bestehende Dilemma des nicht sensitiven PSA-Tests zu beheben.

Jüngste Forschungsergebnisse wie die Bestimmung des Proteins S100A9 oder des Stoffwechselproduktes Sarkosin stimmen bereits hoffnungsvoll.

In diesem Sinne bitte ich Sie alle abschließend, hier und heute ein geschlossenes und zugleich deutliches öffentlichkeitswirksames Zeichen für die Stärkung der Männergesundheit durch mehr Prostatakrebs-Früherkennung zu setzen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP sowie Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Es hat sich Petra Joumaah für die CDU-Fraktion gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es schafft nur der Sozialausschuss, dass wir jetzt fast identische Redebeiträge hören. Wir alle sind von der Richtigkeit und Wichtigkeit dieses Antrags absolut überzeugt, den die FDP eingebracht hat.

Wie gesagt: Die beiden großen Anliegen, die darin angesprochen werden, sind außerordentlich wichtig; denn - das alles haben wir eben schon gehört - wir müssen Männer offensichtlich verstärkt über Prostatakrebs aufklären, um sie dann zu motivieren, die angebotenen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen auch wahrzunehmen. Es besteht tatsächlich großer Handlungsbedarf.

Ich finde es übrigens befremdlich, dass jetzt gerade so viele Männer zum Kaffeetrinken gegangen sind. Auch darüber sollten wir vielleicht einmal nachdenken.

(Heiterkeit und Beifall - Ulrich Water- mann [SPD]: Keine Diskriminierung, bitte!)

- Doch, lieber Uli Watermann, bei Prostatakrebs ist einfach nur euer Geschlecht betroffen.

Wir haben eben gehört: Nur 40 % der zur Inanspruchnahme berechtigten Männer gehen zu dieser Vorsorgeuntersuchung. Was ich ganz schlimm finde - Dr. Pantazis ist schon kurz darauf eingegangen -: Die Untersuchung wird ab dem 45. Lebensjahr angeboten, sie wird aber in dieser Altersgruppe von nur 20 % der Männer überhaupt angenommen. Das ist wirklich dramatisch und fahrlässig. Im Alter werden es dann etwas mehr Männer. Ich fürchte, das ist aber auch damit zu begründen, dass dann die ersten Beschwerden kommen und man sagt: Ich muss vielleicht doch mal zur Vorsorge gehen.

Die Zahlen, die wir soeben gehört haben - bundesweit 60 000 Neuerkrankungen im Jahr und hier in Niedersachsen 6 500 -, sprechen für sich. Es muss ganz viel getan werden, um die Männer zu motivieren. Da ist Handlungsbedarf vorhanden, und dafür gibt es natürlich unsere Zustimmung.