Protokoll der Sitzung vom 16.08.2017

Jetzt erhält das Wort zur Kurzintervention Frau Kollegin Emmerich-Kopatsch, SPD-Fraktion.

(Unruhe)

- Ich bitte um Ruhe im Plenarsaal.

(Jens Nacke [CDU]: Das ist auch dann kein Wirtshaus, wenn Herr Tan- ke so rumläuft wie in einem Wirtshaus und sich so benimmt! Du müsstest dich mal selber im Spiegel sehen! - Gegenruf von Detlef Tanke [SPD] - Unruhe)

- Einen Moment, bitte! - Herr Kollege Nacke, Herr Kollege Tanke, vielleicht tragen Sie das außerhalb des Plenarsaales aus. Hier bitte ich jetzt um Ihre Aufmerksamkeit für die Kollegin Emmerich-Kopatsch.

(Zuruf von Detlef Tanke [SPD])

- Herr Kollege Tanke, bitte!

Frau Präsidentin! Herr Nacke, ich finde, der Hinweis, einmal in den Spiegel zu gucken, ist auch bei anderen Leuten manchmal angebracht. Manchem würde auch gut zu Gesicht stehen, sich ab und zu auch einmal selbst zu hören.

Es mag ja sein, dass man, wenn man aus dem Ammerland kommt, in einer solchen Debatte leichtfüßig darüber hinwegholpert und Sachen sagt, die den Betroffenen nicht gerecht werden.

(Ulf Thiele [CDU]: Was hat das Am- merland damit zu tun?)

- Ich meinte die Grafschaft Bentheim.

(Ulf Thiele [CDU]: Was hat die Graf- schaft Bentheim damit zu tun?)

Herr Kollege Hilbers ist mit der Forderung nach einem Nachtragshaushalt den Menschen, die in den Landkreisen Gandersheim, Alfeld, Hildesheim, Goslar, Wolfenbüttel betroffen waren, nicht gerecht geworden. Ich kann nur hoffen, dass niemand der Betroffenen, die jetzt Hab und Gut verloren haben, die keinen Kredit mehr erhalten, weil sie den Kredit vom letzten Hochwasserschaden noch abbezahlen, oder die keine Versicherung bekommen, weil ihnen schon dreimal Versicherungssummen ausgezahlt wurden und sie jetzt nicht mehr versichert werden können, unserer Debatte - ich sage ausdrücklich „unserer“ - im Livestream zusehen.

Es ist absolut unangemessen, so mit den Sorgen, den Nöten und den Ängsten der Menschen umzugehen und daraus einen Wahlkampfklamauk zu machen, anstatt zu sagen: „Wir wollen ausschließlich eines, nämlich gemeinsam mit der Landesregierung den Betroffenen helfen. Jetzt ist es egal, ob wir schwarz, rot, gelb oder grün sind. Wir helfen und das schnell.“

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der SPD: So ist es!)

Alle anderen Bemerkungen erübrigen sich absolut. Ob hier jemand wie im Wirtshaus rumläuft oder nicht: Ich hoffe nur, niemand hat diese seltsamen und unangepassten Sprüche gehört.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Auf die Kurzintervention antwortet nun Herr Kollege Hilbers. Bitte! - Und ich darf um Ruhe bitten.

(Volker Bajus [GRÜNE]: Einmal Res- pekt zeigen!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe eben unmissverständlich klargestellt, dass das Interesse, den Menschen zu helfen, bei uns vorrangig ist und dass wir das Interesse, einen vernünftigen Nachtragshaushalt vorlegen zu können, dem unterordnen. Nicht mehr und nicht weniger habe ich gesagt.

Man hätte bei der Vorlage dieses Zahlenwerkes aber durchaus, weil die Regierung viel mehr Vorlaufzeit hatte, entsprechende Maßnahmen unterbringen können. Ich finde, das darf man der Vollständigkeit halber sagen.

(Gerald Heere [GRÜNE]: Das ist doch widersprüchlich!)

Unser Handeln macht deutlich: Trotz dieser Kritik und weil wir die Hilfe viel höher bewerten, nehmen wir dieses nicht zum Anlass, das Zahlenwerk a) anzuhalten oder b) sogar abzulehnen. Also: Das Zahlenwerk wird platziert, das Zahlenwerk wird laufen gelassen.

Wenn wir das Zahlenwerk allerdings selbst aufgestellt hätten, hätten wir ambitionierter und umfangreicher einige Dinge mit geregelt, die auch dringend zu regeln gewesen wären. Dass Sie das nicht getan haben, diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Johanne Mod- der [SPD]: Dann wäre es aber keine Soforthilfe gewesen, Herr Hilbers! So- forthilfe ist etwas anderes!)

Vielen Dank. - Wir fahren fort. Das Wort für die Landesregierung hat nun Herr Finanzminister Schneider. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte einleitend feststellen, dass mich der Verlauf der Debatte schon sehr überrascht hat. Ich bin davon ausgegangen - so beginnt auch mein Redetext -, dass ich mich hier bei allen Beteiligten dafür bedanken kann, dass wir es in einem ungewöhnlichen, in einem sehr schnellen Verfahren gemeinsam auf den Weg gebracht haben, den Menschen zu helfen. Hier steht: „Ich möchte mich bei allen Beteiligten ausdrücklich bedanken.“ Das gilt im Kern natürlich immer noch.

Aber das, was sich dann hier als Debatte entfaltet hat, tut uns insgesamt nicht gut, meine Damen und Herren. Das ging los mit der Aussage von Herrn Hocker, an der Flut habe der Umweltminister Schuld. Wenn es so schlicht wäre, dass die jeweiligen Umweltminister Schuld hätten, wenn irgendwo Überflutungen stattfinden, dann hätten Herr Dr. Birkner und Herr Sander an der Elbeflut 2013

Schuld gehabt, weil sie vorher Umweltminister waren.

(Zuruf von der FDP: Das hat keiner gesagt!)

Eine solche Behauptung wäre abenteuerlich, und ich stelle sie natürlich ausdrücklich nicht auf. Solche simplen Dinge sollten wir uns angesichts der Gemengelage, vor der wir jetzt stehen, ersparen: Auf der einen Seite muss schnell geholfen werden, aber auf der anderen Seite wissen wir, dass eine Reihe von Schäden eine längere Zeit zur Untersuchung und zur Beseitigung brauchen wird.

Zurück zum eigentlichen Anlass: Auch die Landesregierung dankt den Helferinnen und Helfern - ich will ausdrücklich sagen: auch den Spenderinnen und Spendern - sehr dafür, dass sie hier eingesprungen sind.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir sind auf der Ebene der Regierung in einer Sondersitzung am 3. August 2017 zusammengekommen und haben diesen Nachtragshaushalt beschlossen, ein Soforthilfeprogramm. Herr Hilbers hat gesagt, wir hätten einen langen Vorlauf gehabt. Das haben wir nicht, weil wir nicht wussten, dass eine Flut kommt. Es ist eine etwas abenteuerliche Idee zu behaupten, wir hätten hier einen langen Vorlauf gehabt.

Wir haben ein Soforthilfeprogramm beschlossen. Wir haben mangels näherer Erkenntnisse zunächst einmal einen Betrag von 25 Millionen Euro gegriffen. Woher kommt der? - Bei der Elbeflut haben wir für Soforthilfe 12 Millionen Euro gebraucht, und dann haben wir den doppelten Betrag genommen. Die weitere Erkundung der Sachverhalte vor Ort hat ergeben - der Umweltminister hat das im Haushaltsausschuss vorgetragen -, dass die Aufstockung der Soforthilfe auf 50 Millionen Euro, auch wenn sie zum größeren Teil noch in diesem Jahr abfließen wird, vermutlich noch nicht das letzte Wort sein. Das habe ich auch von Anfang an gesagt.

Es geht um die finanzielle Soforthilfe für die Geschädigten, um die Unterstützung bei der Beseitigung von Schäden an der kommunalen Infrastruktur, aber auch um die Erstattung von Einsatzkosten nach dem Katastrophenschutzgesetz. Das sind weit überwiegend freiwillige Leistungen. Deswegen ist aus Sicht des Finanzministeriums Rechtssicherheit über einen Nachtragshaushalt zu schaffen gewesen. Das Notbewilligungsrecht wäre dort nicht

hinreichend gewesen. Deshalb an dieser Stelle noch einmal: Herzlichen Dank für die rasche Beratung!

Damit haben wir jetzt die haushaltsrechtliche Möglichkeit, sehr schnell zu Auszahlungen zu kommen. Die 50 Millionen Euro stehen bereit. Wir haben sie in einer Titelgruppe zusammengefasst, sodass zwischen den einzelnen Ausgabepositionen Umschichtungen problemlos möglich sind. Im Übrigen sind nicht verbrauchte Mittel auf 2018 übertragbar.

Die Schadenshöhen in den einzelnen Bereichen - in den Privathaushalten, in gewerblichen Unternehmen, bei Land- und Forstwirtschaft, im Bereich der kommunalen Infrastruktur - sind noch nicht abschließend erhoben. Das wird sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen, aber das ist nicht ungewöhnlich.

Ich darf an das Elbehochwasser erinnern. Herr Hilbers hat hier gerade u. a. die Sondervermögen kritisiert. Bei der Fluthilfe nach dem Elbehochwasser ist ein Sondervermögen - ein Fonds, durch Bund und Länder finanziert - geschaffen worden, um die Überjährigkeit der Zahlungen sicherstellen zu können. Dieser Aufbauhilfefonds liefert einige Erkenntnisse. Zum Beispiel sind von den Mitteln, die in diesem Fonds bereitgestellt wurden - für Niedersachsen anerkannte Schäden: 96 Millionen Euro -, bis heute, vier Jahre nach dem Hochwasser, 35 Millionen Euro abgeflossen. In den Bereichen der Landwirtschaft und der kommunalen Infrastruktur sind die Schäden auch nach vier Jahren bei Weitem noch nicht alle beseitigt und infolgedessen nicht abgerechnet. Das muss man wissen, wenn man hier über die Veranschlagung solcher Mittel redet.

Ich denke, dass wir mit den 50 Millionen Euro ausreichend Vorsorge für das laufende Haushaltsjahr und vermutlich auch für einen Teil der Regulierung im nächsten Haushaltsjahr getroffen haben.

Dass es uns möglich ist, das über den Zinstitel abzufangen, ist natürlich sehr erfreulich. Seine Höhe basiert letztlich auf einer Schätzung im November letzten Jahres - das ist fast ein Jahr her -, die dem Vorsichtsprinzip folgte. Sicher zu prognostizieren, ob die Zinsen so niedrig bleiben, war immer schwierig. Deswegen war hier das Vorsichtsprinzip anzuwenden.

Meine Damen und Herren, die Richtlinie zu Soforthilfen für Privathaushalte ist in Kraft getreten. Seit Montag dieser Woche können Bürgerinnen und Bürger Anträge bei ihrer Kommune stellen.

Die weiteren Hilfsprogramme sind in Vorbereitung. Eine Richtlinie des Sozialministeriums zu den über die Soforthilfen hinausgehenden Hilfen für Privathaushalte ist in Arbeit. Dabei spielt das Thema Elementarschadenversicherung eine Rolle.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Gutes Thema, Herr Minister!)

Da haben die kommunalen Spitzenverbände um Beteiligung gebeten; das wird natürlich gemacht. Es ist eine nicht ganz einfache Frage, die da zu bewältigen sein wird.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das hat Herr Wenzel eingestanden!)

Die Richtlinie des Wirtschaftsministeriums zu Hilfen für Unternehmen wird bald endabgestimmt sein. Ich gehe davon aus, dass wir das in wenigen Tagen hinbekommen.

Das Gleiche gilt für die Schadensermittlung in Land- und Forstwirtschaft. Das wird auch wie nach den Erfahrungen der Flut 2013 abgewickelt. Die rechtlichen Regelungen werden parallel erarbeitet.