Protokoll der Sitzung vom 20.09.2017

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Das ist jetzt nicht so einfach! - Jan- Christoph Oetjen [FDP]: Meta, mach es kurz! Es ist alles schon gesagt!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe gerade gesagt: Dat is nich so ganz einfach, na Angelika und na Klaus-Peter to proten und noch maal up dat Thema torüggtokomen. Aber ich glaube, heute ist ein ziemlich besonderer Tag. Heute gelingt es uns, einen wirklich umfassenden Katastrophenschutz rund um die niedersächsischen Atomanlagen auf den Weg zu bringen, und wir tun das gemeinsam. Wir setzen damit in Niedersachsen umfassend die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission um und ziehen damit die Lehren aus den bitteren mensch- und umweltzerstörenden Erfahrungen in Fukushima 2011.

Der Katastrophenschutz ist keine konkret abgrenzbare Aufgabe der Gefahrenabwehr wie der Brandschutz oder die Verbrechensbekämpfung. In Niedersachsen sind die Landkreise und kreisfreien Städte mit ihren Katastrophenschutzbehörden dafür zuständig. Sie sind verantwortlich für die planerische Vorbereitung und die Bekämpfung der Katastrophen vor Ort. Diese Aufgaben erledigen unsere Landkreise und kreisfreien Städte mit Bravour. Sie stellen sich immer wieder neuen Herausforderungen, immer in enger Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen vor Ort. Danke dafür an alle Hauptamtlichen, aber auch an alle ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer und an die, die das vor Ort organisieren und koordinieren!

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Bei Großschadenslagen, bei denen es besonders auf massiven Personaleinsatz ankommt, wie bei Sturmfluten oder Überschwemmungen und auch - Klaus-Peter Bachmann hat es gesagt - bei der Waldbrandbekämpfung, wird deutlich, dass es sich hier um ein kompliziertes Organisationsprinzip handelt, das im Katastrophenfall von null auf hundert funktionieren muss. Das ist wirklich eine organisatorische Herkulesaufgabe.

Am 19. Januar haben wir die Anhörung im Innenausschuss durchgeführt, auch unter dem Eindruck der Hochwasser- und anderer Ereignisse. Dort haben die kommunalen Spitzenverbände sehr deutlich Regelungen eingefordert, um die Landkreise mit atomaren Anlagen im Falle eines Falles zu unterstützen.

Ich glaube, wir sind gemeinsam genau den richtigen Weg gegangen. Dazu gehört der wichtige Aspekt, die Schulung und Ausbildung von Personal, das in Notfallsituationen tätig werden muss, deutlich zu verstärken. Ebenso werden zukünftig externe Notfallpläne und ihre Anschlusspläne in angemessenen Zeiträumen, spätestens nach drei Jahren, überprüft und erprobt.

Zukünftig werden die Evakuierungsradien rund um kerntechnische Anlagen vergrößert. Das bedeutet, dass die bisherige Zentralzone von bisher 2 km auf 5 km erweitert. Sechs Stunden nach einem Reaktorunglück muss dieser Bereich evakuiert sein. Ebenso wird die Mittelzone auf 20 km verdoppelt und muss nach 24 Stunden menschenleer sein. Auch die Außenzone wird auf 100 km verdoppelt, und die Menschen in der Außenzone müssen mit Jodtabletten versorgt werden. All das haben wir in den Gesetzentwurf aufgenommen.

Wir haben, wie eingangs gesagt, weitere Standorte mit kerntechnischen Anlagen - wie Gorleben, die Asse oder Schacht Konrad - und auch die Zwischenlager - z. B. Unterweser - in die niedersächsische Katastrophenschutzplanung aufgenommen. Das war eine Forderung der betroffenen Kommunen und deren Bürgerinnen und Bürger, der wir uns gerne angeschlossen haben, und sorgen damit im Katastrophenfall für ein neues Sicherheitsniveau für Mensch und Umwelt.

Dann sei mir noch ein Satz zu dem erlaubt, was wir neu gemacht haben. Bis jetzt hat ja immer ein interministerieller Krisenstab als Berater Empfehlungen ausgesprochen. Wir haben jetzt eine kom

plett neue Zuständigkeit. Das Land übernimmt die Zuständigkeit weit über die alten AKW hinaus, das Land übernimmt die Kosten und erfüllt auch die technischen Voraussetzungen. Klaus-Peter hat das eben noch einmal dargestellt. Wir müssen zukünftig gemeinsam mindestens 6 Millionen Euro jährlich zur Verfügung stellen, damit wir das als Land gewährleisten können.

In diesem Sinne verabschieden wir heute ein gutes Gesetz für mehr Sicherheit für Menschen und Umwelt, für Niedersachsen. Danke. Ich sage auch Danke an die Kollegen, die dieses Gesetz gemeinsam mit auf den Weg gebracht haben, auch dafür dass wir in diesen Bereichen immer so intensiv gemeinsam gearbeitet haben und auch insgesamt eine gute Zusammenarbeit hatten. Danke, Angelika Jahns, danke, Klaus-Peter Bachmann, danke, Herr Fredermann, und danke, Jan-Christoph Oetjen!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank. - Die nächste Wortmeldung kommt von Jan-Christoph Oetjen für die FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Oetjen!

Vielen Dank. - Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch für meine Fraktion möchte ich zu Beginn der Beratung des Katastrophenschutzgesetzes ganz herzlich all denen danken, die im Katastrophenschutz ehrenamtlich tätig sind. Wir wissen, dass wir bei Katastrophenlagen oder Großschadenereignissen, wie wir sie jetzt auch beim Hochwasser hatten, nicht ohne ehrenamtliche Helferinnen und Helfer auskommen würden. Deswegen an dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank auch von unserer Fraktion!

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Mit der Verabschiedung des Katastrophenschutzgesetzes setzen wir die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission und die Seveso-III-Richtlinie um. Das ist von den Kolleginnen und Kollegen schon gesagt worden. Das ist alles sehr richtig. Es ist viel Technisches dabei.

Ein bemerkenswerter Punkt ist, dass das, was hier von allen gelobt wird, nämlich die kerntechnischen Anlagen in die Verantwortung des Landes zu übernehmen, anders ist, als es das Land ursprüng

lich geplant hat. In dem Gesetzentwurf, den die Landesregierung eingebracht hat, war das nicht vorgesehen; danach hätte weiterhin die alte Regelung fortbestanden. Wir folgen jetzt den Empfehlungen insbesondere auch des Niedersächsischen Landkreistages. Ich halte das für sehr wichtig.

Das ist in der Tat - wie es der Kollege Fredermann gesagt hat - ein Paradigmenwechsel. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, stellen Sie sich doch einmal vor, dass bei einem Unfall in einer kerntechnischen Anlage die Federführung beim jeweiligen Landkreis liegen würde! Ich glaube, es liegt auf der Hand, dass wir hier das Land stärker in die Verantwortung nehmen.

Aber ich möchte auch einen Blick über das Katastrophenschutzgesetz hinaus werfen. Herr Kollege Bachmann hat gerade schon gesagt, dass wir natürlich hoffen, dass das gar nicht erst eintritt. Aber das Land baut jetzt diese eigene Kompetenz auf, die es zurzeit in diesem Bereich, zumindest was die Mannstärke angeht, nicht hat. Ich glaube, dass wir uns Gedanken darüber machen müssen, ob wir im Katastrophenschutz bei bestimmten Ereignissen, die keine kerntechnischen Anlagen betreffen, nicht ebenfalls das Land stärker in die Pflicht nehmen müssen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir eine Situation wie beim Hochwasser haben, von der eine ganze Reihe von Landkreisen betroffen ist, und wenn die Hilfestellung, die von den Nachbarlandkreisen geleistet werden kann, nicht mehr ausreicht, sondern Kreisbereitschaften der Feuerwehren aus unterschiedlichen Landesteilen angefordert werden müssen und das Rote Kreuz aus unterschiedlichen Landesteilen anrückt, um vor Ort zu helfen, dann müssen wir uns darüber Gedanken machen, ob wir in solchen Fällen nicht auch das Land stärker in die Federführung und in die Pflicht nehmen.

Wir haben einen großen Investitionsstau bei den Fahrzeugen. Das ist auch schon angesprochen worden. Ich glaube, dass wir hier alle gemeinsam gesamtstaatlich mehr Anstrengungen unternehmen müssen. Es kann nicht sein, dass die Fahrzeuge zum Teil Jahrzehnte dort stehen und einen hohen Reparaturbedarf haben, der vor Ort erfüllt werden muss. Wir müssen irgendwann entscheiden, stärker in neue Fahrzeuge zu investieren. Wir schieben hier einen Investitionsstau vor uns her, den wir irgendwann abarbeiten müssen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

Abschließend: Die technischen Umsetzungen beim Brandschutzgesetz finden genauso unsere Zustimmung wie das, was im Katastrophenschutzgesetz geändert wird. Insofern bitte ich Sie namens der FDP-Fraktion um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP, bei den GRÜ- NEN und Zustimmung von Klaus- Peter Bachmann [SPD])

Vielen Dank, Jan-Christoph Oetjen. - Jetzt hat sich der Innenminister zu Wort gemeldet. Herr Minister Pistorius, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem heutigen Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes schaffen wir einen echten Paradigmenwechsel in der Zuständigkeit der Katastrophenbekämpfung. Das Land wird künftig eine zentrale Rolle bei der Leitung aller Einsatzlagen spielen, die durch Unfälle in kerntechnischen Anlagen entstehen.

Gleichzeitig werden nicht nur, wie bisher, die Kernkraftwerke Teil der Gefahrenbetrachtung sein, sondern auch alle Einrichtungen, die kerntechnisches Material verarbeiten oder zwischen- oder endlagern. Das hat zur Folge, dass in neuen Gebieten Katastrophenschutzpläne erstellt werden und so ein höheres Sicherheitsniveau für die Bürgerinnen und Bürger erreicht wird.

Die Anpassungen im Katastrophenschutzgesetz basieren auf den Ergebnissen der Bund-LänderArbeitsgruppen zu den Folgen aus dem Reaktorunfall in Fukushima. Dabei wurde deutlich, dass eine Neustrukturierung der Zuständigkeiten für den Fall eines kerntechnischen Unfalls notwendig ist.

Ich bin sehr froh, meine Damen und Herren, dass über die Parteigrenzen hinweg bei diesem wichtigen Thema in den letzten Wochen Einigkeit erzielt werden konnte.

Für die geleistete Arbeit und die Vorbereitung der Gesetzesänderungen möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich den Mitgliedern des Ausschusses, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses, dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst, den mitwirkenden Organisationen im Kata

strophenschutz und natürlich den kommunalen Spitzenverbänden herzlich danken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Folge dieser Gesetzesänderungen wird auch das Innenministerium mit seinem Einsatzstab im Katastrophenschutz eine neue Rolle übernehmen. Der Staat wird künftig anstelle der bisherigen kommunalen Träger die Leitungsaufgaben in einem entsprechenden Ernstfall übernehmen.

Klar ist aber auch: Es wird auch weiterhin nicht ohne die bewährten Strukturen auf der Ebene der unteren Katastrophenschutzbehörden gehen. Wir werden deshalb weiterhin die gute und bewährte Partnerschaft zwischen Land und Kommunen pflegen und im Katastrophenschutz noch enger zusammenarbeiten als bisher.

Als Land werden wir nicht nur für den Sonderfall eines kerntechnischen Unglücks, sondern ebenso für andere besondere Einsatzlagen eine verstärkte Aus- und Fortbildung im Katastrophenschutz an einer zentralen Ausbildungseinrichtung des Landes anbieten. Diese neuen Fortbildungen - so viel kann ich schon jetzt sagen - werden bereits im kommenden Jahr beginnen.

Mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfs wird im Innenministerium umgehend ein umfassender Planungs- und Strukturierungsprozess eingeleitet, der die Übernahme der Einsatzverantwortung ab dem 1. Januar 2018 sicherstellen wird.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus werden mit der heutigen Beschlussfassung europarechtliche Vorgaben des Gefahrenstoffrechts nach der sogenannten Seveso-III-Richtlinie umgesetzt. Hinzu kommt eine Änderung des Niedersächsischen Brandschutzgesetzes zugunsten der Kommunen. Der bisherige § 29 Abs. 1 Satz 2 Brandschutzgesetz zum Gebührenrecht führt nach der verwaltungsrechtlichen Auslegung zu erheblichen Einnahmeverlusten bei den Kommunen. Mit der Änderung des Paragrafen können die Kommunen nunmehr für alle nicht unentgeltlichen Einsätze eine Erstattung von Kosten in Form von Gebühren und Auslagen erheben. Damit schaffen wir eine einheitliche, rechtssichere und kommunalfreundliche Verfahrensweise, wie sich das für eine kommunalfreundliche Landesregierung wie unsere gehört.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich, dass Sie nunmehr dem Gesetzentwurf einstimmig zustimmen wollen. Das ist ein starkes

Signal für einen funktionierenden Katastrophen- und Brandschutz in unserem Land.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch zwei Worte zu den beiden ausscheidenden Abgeordneten sagen.

Als ich Klaus-Peter Bachmann als jungen Abgeordneten 1994 hier in Hannover kennenlernte, konnten wir beide nicht ahnen, in welcher Rolle wir uns heute wiederfinden würden. Ich habe es, ehrlich gesagt, auch nicht für möglich gehalten, dass diesem Landtag ein Klaus-Peter Bachmann einmal nicht mehr angehört. Aber solche Dinge passieren im Leben.

Ich will mich bei dir, lieber Klaus-Peter, für die großartige Zusammenarbeit über all die Jahre herzlich bedanken. Ich habe viele Termine bei der Feuerwehr mit dir besonders genossen und kenne deinen Stellenwert, den du dort hast. Ich freue mich, dass du in deinen Ehrenämtern verbleiben wirst.

Liebe Angelika, wir haben uns erst in dieser Legislaturperiode kennengelernt. Wir brauchten keine Aufwärmphase. Wir kamen sofort miteinander klar.

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN)

- Ich weiß überhaupt nicht, was es da zu lachen gibt. Angelika und ich haben uns immer blendend verstanden - abgesehen von inhaltlichen Fragen!

(Heiterkeit)

Ich darf dir herzlich für die konstruktive und harte Auseinandersetzung danken, die wir führen konnten, die aber immer fair geblieben ist - jedenfalls fast immer. Das gehört aber auch dazu. Ich wünsche dir alles Gute - und vielen Dank für die großartige Zusammenarbeit!

(Beifall bei der CDU)

Danke.