Protokoll der Sitzung vom 20.09.2017

Wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen möchten, darf ich Sie bitten, sich von Ihrem Platz zu erheben. - Das war einstimmig. Damit ist das Gesetz beschlossen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 15: Abschließende Beratung: Entwurf eines Niedersächsischen Architektengesetzes (NArchtG) - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 17/7446 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 17/8701 - Schriftlicher Bericht - Drs. 17/8740

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf mit Änderungen anzunehmen.

Im Ältestenrat waren sich die Fraktionen einig, auf eine allgemeine Aussprache zu verzichten und stattdessen eine ergänzende mündliche Berichterstattung vorzusehen. Ich höre dazu keinen Widerspruch und erteile jetzt der Abgeordneten Maaret Westphely für die Berichterstattung das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der federführende Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr empfiehlt

Ihnen einstimmig, den Gesetzentwurf mit den aus der Beschlussempfehlung ersichtlichen Änderungen anzunehmen. Der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration hat sich dieser Empfehlung im Rahmen der Mitberatung einstimmig angeschlossen, der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen ebenfalls.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung wurde direkt an den Ausschuss überwiesen und dort von einer Vertreterin des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in seinen Grundzügen vorgestellt. Der Gesetzentwurf dient im Wesentlichen der Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen. Ziel dieser Reform sind eine einfachere Anerkennung von Berufsqualifikationen und eine verbesserte berufliche Mobilität.

Der Gesetzentwurf enthält aber auch einige Neuregelungen, die mit der genannten Richtlinie zusammenhängen. Ein Punkt ist die Aufgabe des Staatsangehörigkeitsprinzips im Rahmen des Anerkennungsverfahrens. Es soll also nicht mehr auf die Staatsangehörigkeit der betreffenden Person ankommen, sondern darauf, in welchem Staat die Berufsqualifikation erlangt wurde. Ferner eröffnet der Entwurf die Möglichkeit der Einrichtung einer behördlichen Verbraucherschlichtungsstelle nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz. Der Entwurf enthält zudem Regelungen zum Thema Berufshaftpflichtversicherung.

Eine weitere Änderung betrifft die stellvertretenden Vorsitzenden des Eintragungsausschusses und des Schlichtungsausschusses der Architektenkammer. Sie sollen zukünftig statt einer Entschädigung eine Vergütung erhalten, und das berufsgerichtliche Verfahren gegen Architekten soll nicht mehr in jedem Fall gebührenfrei sein.

Das Architektengesetz ist im Laufe der Jahre unübersichtlich geworden, weil es immer wieder Änderungen gegeben hat. Der Gesetzentwurf dient auch dazu, das Gesetz grundlegend strukturell zu überarbeiten. Dabei wurde darauf geachtet, den Entwurf möglichst eng an das Musterarchitektengesetz anzulehnen, das die Bundesländer erstellt haben.

Die Vertreterin des Wirtschaftsministeriums wies abschließend darauf hin, dass einige Anregungen - z. B. von der Architektenkammer oder auch von den Berufsverbänden - noch erörterungsbedürftig seien, was einige Zeit in Anspruch nehmen werde. Diese Anregungen seien nicht in die aktuelle No

velle aufgenommen worden, da gegen die Bundesrepublik seit März 2016 ein EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen der Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie laufe.

Die noch erörterungsbedürftigen Punkte sollten daher im Anschluss im Rahmen einer weiteren, kleinen Novelle behandelt werden. Dazu gehörten z. B. die Mindeststudienzeit bei den sogenannten kleinen Fachrichtungen wie Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtentwicklung und das Thema Berufshaftpflichtversicherung für Gesellschaften.

Der federführende Ausschuss hat zu dem Gesetzentwurf eine schriftliche Anhörung ausgewählter Verbände durchgeführt. Im Anschluss stieß der Gesetzentwurf auf einmütige Zustimmung.

Die Empfehlungen des Ausschusses verfolgen überwiegend den Zweck, das Gesetz in seiner Struktur und im Wortlaut seiner Vorschriften präziser und verständlicher zu fassen. Einige Empfehlungen dienen auch zur Vermeidung von Verstößen gegen die europäische Berufsanerkennungsrichtlinie sowohl im Bereich der Niederlassungsfreiheit als auch insbesondere im Bereich der Dienstleistungsfreiheit.

Diese Empfehlungen möchte ich hier nicht in allen Details wiedergeben, sondern verweise insoweit auf meinen schriftlichen Bericht in der Drucksache 17/8701.

Ich freue mich, dass wir im Ausschuss zu einer einvernehmlichen Beschlussempfehlung gekommen sind, und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Westphely.

Wir kommen jetzt wie vereinbart zur Einzelberatung. Ich rufe auf:

Erster Teil. - Hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer dieser Änderungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Zweiter Teil. - Auch hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer dieser Änderungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich wiederum um ein Handzeichen. - Gegen

stimmen? - Stimmenthaltungen? - Gibt es nicht. Das ist ebenfalls so beschlossen.

Dritter Teil. - Hierzu liegt ebenfalls eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer dieser Änderungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist einstimmig so beschlossen.

Vierter Teil. - Auch hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer dieser Änderungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist ebenfalls einstimmig so beschlossen.

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich, sich jetzt von seinem Platz zu erheben. - Das ist einstimmig so beschlossen.

Herr Präsident, damit können Sie den Architekten noch etwas mit auf den Weg geben. Da haben Sie heute Abend ja noch einen kleinen Auftritt.

(Heiterkeit)

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung: Entwurf eines Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/8707

Der Gesetzentwurf wird eingebracht von Frau Dr. Thela Wernstedt für die SPD-Fraktion. Bitte schön, Frau Wernstedt!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gleichstellungspolitik hat lange ein angestaubtes Negativimage gehabt. Harte, verletzende Auseinandersetzungen um den § 218 in den Siebzigern sind noch im Gedächtnis, ebenso die autonome Frauenbewegung, die sich Freiräume gegen und unabhängig von männlich dominierten öffentlichen und privaten Räumen erkämpfte, das Öffentlichmachen von Gewalt gegen Frauen und Wege heraus aus Gewaltbeziehungen. Es ist inzwischen 40 Jahre her, und vieles hat sich bewegt.

Meine Generation ist in den Achtzigern mit großen Bildungschancen ins Erwachsenwerden gestartet

und glaubte, die große, laute Politik nicht mehr zu brauchen. Das Frauenwahlrecht war lange von der SPD erkämpft. Die Gleichstellung im Grundgesetz besteht seit 1949. Berufschancen konnten ergriffen werden. Was blieb also zu tun? - Eigentlich war alles da: Das eigene Leben in die Hand zu nehmen, eine Familie zu gründen, Geld zu verdienen und mit Partner und Kindern seinen Weg zu gehen.

Blöd nur, dass es zwar gute Ausbildungsmöglichkeiten in den Neunzigern gab, aber weniger Arbeitsplätze. Blöd auch, dass es keine Kindertagesstättenplätze gab. Ärgerlich auch, dass damals viele junge Männer nach wie vor die Einstellung hatten, dass Kinder und Haushalt Frauenarbeit seien. Man fühlte sich modern, sprach viel über die eigenen guten Überzeugungen und ließ den Alltag laufen wie die Großväter.

Und da es keine Kinderbetreuung gab, die Steuerklassen nach wie vor so sind wie in den 50erJahren und die männlichen Berufsnetzwerke nach wie vor sehr gut funktionieren, fand sich meine Generation in der alten Rollenteilung wieder oder hat vor lauter Arbeit und der Anstrengung, immer besser als die männliche Konkurrenz sein zu müssen, keine Familie gegründet und ist trotz großer Leistungsbereitschaft und hohen Qualifikationen irgendwann in der Karriereleiter stecken geblieben.

Da war sie plötzlich spürbar, die gläserne Decke, und mit ihr die Erkenntnis, dass zwar die großen Dinge erkämpft sind, die Sache mit der Gleichstellung aber nach wie vor nicht richtig funktioniert. Also musste man genau hinsehen: Wie funktionieren Karrierenetzwerke? Wer kann darauf aufpassen, dass Frauen trotzdem nicht zu kurz kommen?

Diejenigen, die in den Neunzigerjahren schon älter waren, hatten das verstanden und Druck gemacht. Die rot-grüne Regierung unter Ministerpräsident Schröder richtete Anfang der Neunziger erstmals ein Frauenministerium in Niedersachsen ein und verabschiedete 1994 das erste Gleichberechtigungsgesetz.

Eine wesentliche Neuerung war, eine eigene Berufsgruppe zu schaffen, die zukünftig in Kommunen und Landesbehörden darüber wachen sollte, dass Gleichstellung verwirklicht wird und nicht im feinen Geäst der informellen Netzwerke hängen blieb: die Gleichstellungsbeauftragten. Es ging darum, explizit Frauenförderung zu machen.

Die Neunzigerjahre waren wirtschaftlich schwierig. Der Fall des Eisernen Vorhangs mit der deutschen

Wiedervereinigung, Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien, Migrationsbewegungen nach Deutschland und eine zunehmende Arbeitslosigkeit machten auch dem niedersächsischen Landeshaushalt schwer zu schaffen. Wie so oft wurde bei den Frauen gekürzt und das neue Ministerium ins Sozialministerium eingegliedert. Aber immerhin, die Sache der Frauenförderung und damit das Erreichen der Gleichstellung hatten einen festen Ort für die wachsende Fachexpertise im Land.

Mit dem Verlust der Regierungsmehrheit 2003 hatte die Frauenförderung im Lande Niedersachsen nur noch eine kurze Atempause. Längst waren die Vordenker am Werk, die hinter der Frauenförderung eine Benachteiligung der Männer zu erblicken meinten. Gern wurden verhaltensauffällige Grundschüler, die entsprechend schlechte Zensuren nach Hause brachten, als Beleg dafür genommen, dass in den Schulen eine heimliche Benachteiligung der Jungen stattfinde; denn die Mädchen hätten ja ohnehin viel bessere Zeugnisse. Jungenförderung müsse im frühen Kindesalter her, sonst würden die Männer später ins Hintertreffen geraten. - Oh Graus!

Die Frage, warum die Mädchen trotz guter Noten, hoher Leistungsbereitschaft und Qualifikation in unserer Leistungsgesellschaft in Teilzeit, schlecht vergüteten Berufen und im unteren Drittel der Karriereleitern hängen blieben, geriet - welch ein Zufall! - völlig aus dem Blick.

Unter dem Deckmäntelchen der Gleichstellung wurde die Frauenförderung zurückgedreht. Besonders die Sozial- und Frauenministerin Ursula von der Leyen machte sich hier einen Namen. Sie sorgte dafür, dass nicht nur die Zahl der Gleichstellungsbeauftragten insgesamt reduziert und ins Ehrenamt abgedrängt wurde. Nein, das reichte nicht. Nun musste auch noch eine andere Schwerpunktsetzung her. Die Gleichstellungsbeauftragten sollten sich nur noch um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kümmern. So wurde dem Frauenfördergesetz von 1994 klammheimlich der Boden unter den Füßen weggezogen und das mit dem Deckmäntelchen der Gleichstellung kaschiert. Mit diesem Argumentationsmuster operiert die CDU noch heute.

Ich stelle hier für meine Fraktion noch einmal explizit klar: Auch unser Ziel ist die Gleichstellung von Männern und Frauen. Sie sollen gleiche Chancen eines guten Aufwachsens, gleiche Chancen einer guten Schulbildung und später einer beruflichen oder akademischen Weiterbildung ha

ben. Sie sollen in ihren Berufen gleichermaßen vorankommen können. Was der oder die Einzelne daraus macht, ist dann von den eigenen Entscheidungen und der eigenen Lebenshaltung abhängig. Auch wir halten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Männer und Frauen für ein außerordentlich wichtiges politisches Anliegen. Dafür braucht es mehr Kinderbetreuung.

Die Gleichstellungsbeauftragten heute sollen viel stärker in die strategische Ausrichtung des Behördenhandelns eingreifen und mitgestalten. Gleichstellung ist das Ziel - und kein Argument gegen Frauenförderung.

Mit diesem Gesetzentwurf, den wir in der 17. Wahlperiode sehr gründlich beraten haben, kommen wir diesem Ziel ein Stück näher. Die Hindernisse sind kleinteiliger geworden, aber immer noch wirkungsvoll, um Frauen die gleichen Berufs- und Lebenschancen zu verbauen. Daher haben wir eine Reihe von Details verankert. Bei Lichte besehen, ist das Ganze gar nicht verstaubt, sondern sehr lebendig und aktuell für Frauen und für Männer.