Protokoll der Sitzung vom 30.10.2013

Wer dem Gesetz in der Schlussabstimmung zustimmen möchte, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, dass das Erste die Mehrheit war und das Gesetz somit beschlossen ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir sind damit am Ende der Vormittagssitzung angekommen. Die Sitzung wird planmäßig um 14.30 Uhr fortgesetzt.

Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung der Sitzung von 12.49 Uhr bis 14.30 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen. Wir wollen mit der Nachmittagssitzung beginnen. Ich hoffe, Sie hatten alle eine schöne Mittagspause. - Es war wohl nicht so begeisternd.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 6: Abschließende Beratung: a) Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Niedersächsisches Tariftreue- und Vergabegesetz) - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/259 - b) Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zur Sicherung von Tariftreue und Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Niedersächsisches Tariftreue- und Vergabegesetz) - Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drs. 17/606 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 17/811 - Schriftlicher Bericht - Drs. 17/847

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Änderungen anzunehmen und den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU abzulehnen.

Wir kommen jetzt zur mündlichen Berichterstattung. Das Wort hat der Kollege Gerd Ludwig Will, SPD-Fraktion. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr empfiehlt Ihnen in der Drucksache 17/811, den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen in geänderter Fassung anzunehmen. Dem haben die Ausschussmitglieder

der beiden Fraktionen zugestimmt, die den Gesetzentwurf eingebracht haben. Die Ausschussmitglieder der Fraktionen der CDU und der FDP haben dagegen gestimmt. Entsprechend verlief auch die Abstimmung am Ende der Mitberatung im Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen beendete seine Mitberatung ohne förmliche Abstimmung.

Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ist bereits in erster Beratung in der Plenarsitzung am 19. Juni 2013 besprochen worden, sodass auf eine Darstellung der Auffassungen der Fraktionen hierzu verzichtet werden soll.

Die wesentlichen Änderungen des Gesetzentwurfs gegenüber dem bisherigen Landesvergabegesetz, das bis zum 31. Dezember 2013 befristet ist, bestehen darin, dass das neue Tariftreue- und Vergabegesetz ab 1. Januar 2014 unbefristet gelten wird, dass die Anwendungsuntergrenze von 30 000 auf 10 000 Euro herabgesetzt wird, dass erstmals der öffentliche Personennahverkehr einbezogen wird, dass neben der Tariftreueerklärung ein vergaberechtlicher Mindestlohn von 8,50 Euro je Stunde eingeführt wird,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

dass umweltbezogene und soziale Vergabekriterien erstmals in das Landesrecht aufgenommen werden und dass ein paritätisch besetzter Beirat zur Feststellung der anwendbaren Tarifverträge eingerichtet wird.

Meine Damen und Herren, am 26. August 2013 wurde vom federführenden Wirtschaftsausschuss eine öffentliche Anhörung der betroffenen Verbände und öffentlichen Stellen durchgeführt. Insgesamt sind von diesen Verbänden und Stellen 22 - meist recht ausführliche - schriftliche Stellungnahmen eingegangen, die auch zu Änderungen des Gesetzentwurfs beigetragen haben.

Der später eingebrachte und direkt an die Ausschüsse überwiesene Gesetzentwurf der CDUFraktion für ein Niedersächsisches Tariftreue- und Vergabegesetz - Drucksache 17/606 - ist in die bereits fortgeschrittenen Beratungen einbezogen worden. Hierzu schlägt der Ausschuss mit den Stimmen der Ausschussmitglieder der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Ablehnung vor. Dagegen gestimmt haben die Ausschussmitglieder der Fraktion der CDU, während sich das

Ausschussmitglied der FDP-Fraktion hier der Stimme enthalten hat.

In der abschließenden Beratung des Wirtschaftsausschusses trug ein Ausschussmitglied der CDUFraktion vor, dass die Anhörung gezeigt habe, dass große Teile der niedersächsischen Wirtschaft mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen nicht einverstanden seien; der Gegenentwurf seiner Fraktion greife die wesentlichen Kritikpunkte auf. Dem widersprach ein Ausschussmitglied der Fraktion der Grünen und verwies darauf, gerade die Absenkung der Anwendungsuntergrenze des Gesetzes auf 10 000 Euro habe die Zustimmung vieler Verbände gefunden. Ein Ausschussmitglied der SPD-Fraktion erklärte, dass zu dem später eingebrachten Gesetzentwurf der CDU-Fraktion keine Verbandsstellungnahmen vorlägen; daher könne eine Zustimmung der Verbände zu diesem Gesetzentwurf nicht unterstellt werden. Das Ausschussmitglied der FDP-Fraktion führte aus, der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sei nicht praktikabel und werde auch nicht so wirken, wie sich die einbringenden Fraktionen das vorstellten. Europarechtlich sei der Gesetzentwurf bedenklich, und Deckungsvorsorge für die zu erwartenden Mehrkosten sei im Haushaltsentwurf 2014 nicht getroffen worden.

(Zustimmung von Christian Dürr [FDP])

Zur Einbringung des CDU-Fraktionsentwurfs führte ein Ausschussmitglied dieser Fraktion aus, grundsätzlich befürworte seine Fraktion das Vorhaben, das geltende Landesvergabegesetz nicht zum Jahresende auslaufen zu lassen, sondern eine Anschlussregelung zu schaffen. Allerdings lehne seine Fraktion die Einbeziehung des öffentlichen Personennahverkehrs, die Absenkung der Anwendungsuntergrenze auf nur 10 000 Euro, den vergaberechtlichen Mindestlohn sowie die Aufnahme der „vergabefremden Kriterien“ ab, weil damit für kleinere Betriebe die Abgabe von Angeboten erheblich erschwert werde. Der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion sehe als Untergrenze des Anwendungsbereichs den Betrag von 20 000 Euro - statt der geltenden 30 000 Euro - vor. Damit werde ein angemessener Ausgleich zwischen der Absicherung der Arbeitnehmer und dem Wettbewerbsgedanken erreicht.

Ein Ausschussmitglied der SPD-Fraktion begründete die Ablehnung dieses Gesetzentwurfs vor allem mit der Nichterfassung des öffentlichen Personennahverkehrs und der in § 10 des CDU-Ent

wurfs vorgesehenen Kontrollpflicht für alle zukünftigen Vergaben mit entsprechenden bürokratischen Folgen; hier setze seine Fraktion auf eine „Vertrauenskultur“. Ein Ausschussmitglied der Fraktion der Grünen nannte daneben die Mindestlohnregelung und die ILO-Kernarbeitsnormen als unverzichtbare Mindestinhalte der Neuregelung.

Das Ausschussmitglied der FDP-Fraktion begründete seine Stimmenthaltung bezüglich des CDUFraktionsentwurfs damit, dass der Anwendungsbereich mit 20 000 Euro zu weit gezogen werde; besser sei eine Untergrenze von 50 000 Euro. Außerdem sollte von einer Kontrollpflicht abgesehen werden. Abgesehen davon sei der CDU-Fraktionsentwurf in Ordnung.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen baut nicht auf dem geltenden Landesvergabegesetz auf, sondern auf einem früheren Gesetzentwurf der SPD-Fraktion in der 16. Wahlperiode, teilweise auch auf Regelungen anderer Bundesländer, sodass auch die dem Entwurf beigegebene Begründung die Abweichungen vom derzeit geltenden befristeten Vergaberecht meist nicht erläutert. Ein nicht unerheblicher Teil der vom Ausschuss empfohlenen Änderungen zielt auf eine Abstimmung der neuen Formulierungen untereinander sowie auf eine Annäherung an die bisherige Regelungssystematik. Die einzelnen Vorschläge hierzu werden in dem ausführlichen schriftlichen Bericht für die Rechtsanwendung näher erläutert, der bereits als Drucksache vorliegt.

Meine Damen und Herren, die sachlich wichtigsten Änderungsvorschläge sind Verfahrenserleichterungen bei der Wertung unangemessen niedriger Angebote - hier wird die Prüfungspflicht auf den Baubereich beschränkt, § 8 Satz 2 -, bei den Nachweisanforderungen für Nachunternehmer - hier wird die Betragsgrenze von 5 000 auf 3 000 Euro abgesenkt, § 14 Abs. 3 -, bei der Anwendung der zusätzlichen umweltbezogenen und sozialen Vergabekriterien - hier wird der Ermessensspielraum der öffentlichen Auftraggeber durch eine Kannregelung erweitert, §§ 11 und 12 - und bei der Pflicht zur Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen in § 13, die von einer entsprechenden Verordnungsregelung abhängig gemacht wird.

Meine Damen und Herren, ebenfalls von erheblicher Bedeutung ist die vorgesehene Erweiterung der Regelung für den Beirat, der sich mit den maßgeblichen Tarifverträgen befassen soll. Dieser Beirat soll paritätisch von den Tarifpartnern besetzt werden. Zudem werden die Aufgaben der Service

stelle erweitert, und es wird in dem neuen § 17/1 die Evaluation der Neuregelung bis Ende des Jahres 2015 vorgeschrieben. Diese Evaluation soll vor allem Aufschluss darüber geben, ob die genannten Zusatzkriterien so verantwortungsbewusst angewendet werden, wie dies in der Begründung des zweiten Änderungsvorschlags der Koalitionsfraktionen zu § 13 und in der zu § 1 aufgenommenen Ergänzung des Gesetzeszwecks ausgeführt wird. Danach soll das Gesetz auch „die umwelt- und sozialverträgliche Beschaffung durch die öffentlichen Hände fördern“.

Im schriftlichen Bericht wird auch dargestellt, dass die Neuregelung über die Tariftreue im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs - § 5 Abs. 3 - und die erwähnte Mindestlohnregelung - § 6 Abs. 1 - europarechtlichen Bedenken begegnen. Diese Bedenken nimmt die Ausschussmehrheit in der Erwartung in Kauf, dass der Europäische Gerichtshof seine Auffassung aufgrund der jüngeren Rechtsentwicklung noch einmal überprüft und dass sich die praktische Bedeutung dieser Frage durch eine allgemeine bundesrechtliche Mindestlohnregelung demnächst erledigen könnte.

Am Ende des schriftlichen Berichts wird auch das Beratungsergebnis zu der Frage weitergegeben, inwieweit die neuen Regelungen zusätzliche Kosten auslösen und wie etwaige Kosten insbesondere für die Kommunen ausgeglichen werden sollen. Im Gesetzentwurf wird dazu ausgeführt, dass mit Mehrkosten gerechnet werde. Deren Umfang - einschließlich der Mehrkosten aus womöglich höheren Angebotspreisen - sei allerdings nicht vorhersehbar. Daran hat sich nach Auffassung der Ausschussmehrheit auch durch die von den kommunalen Spitzenverbänden nachgereichte grobe Kostenschätzung nichts geändert.

Ein Antrag der Ausschussmitglieder der CDU-Fraktion im mitberatenden Rechtsausschuss, die von den Koalitionsfraktionen, dem Fachministerium erklärte Absicht einer Kostenprüfung und eines Kostenausgleichs in den neuen § 17/1 mit aufzunehmen, wurde dort von der Ausschussmehrheit abgelehnt. Ausschussmitglieder der SPD-Fraktion und der Fraktion der Grünen erklärten aber im abschließenden Beratungsdurchgang im Wirtschaftsausschuss, dass sie an der in der Begründung des Gesetzentwurfs erklärten Absicht festhielten, später aufgrund der gewonnenen Erfahrung mit den kommunalen Spitzenverbänden über die Kostenentwicklung zu sprechen, um zu prüfen, ob der Umfang der Mehrkosten bei der Umsetzung

der Gesetzesvorschriften erheblich sei und eine Kostendeckung erfordere.

Meine Damen und Herren, damit schließe ich die mündliche Berichterstattung und bitte Sie namens des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, der nun empfohlenen Fassung des Gesetzentwurfs zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Will, für die ausführliche Berichterstattung.

Wir kommen jetzt zur Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Ronald Schminke von der SPD-Fraktion. Herr Schminke, Sie haben das Wort.

(Björn Thümler [CDU]: Bitte ein biss- chen weniger enthusiastisch!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute beschließen wir mit der Novellierung des Landesvergabegesetzes, dass die Kriterien „gute Arbeit“ und „Tariftreue“ in Niedersachsen wieder zählen, und wir beenden gleichzeitig den unhaltbaren Zustand, dass bei Submissionen viel zu oft die Ehrlichen zu Verlierern wurden und die Konkurrenz mit Niedriglöhnen den Auftrag bekam. Wir beerdigen heute das System der alten und abgewählten Landesregierung von CDU und FDP, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU und von der FDP: Oh!)

Wir haben Verbände, Gewerkschaften, Städte und Kommunen, Kirchen und andere Organisationen dialogorientiert eingebunden. Vorschläge zu dem Gesetzentwurf wurden in einer Anhörung mündlich und schriftlich fixiert eingebracht. Die Vorschläge sind nach ausführlichen Beratungen und rechtlicher Prüfung durch den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst eingearbeitet worden.

Unser Dank gilt an dieser Stelle - ich glaube, da können Sie zustimmen - dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst. Es war eine Fleißarbeit, die wohl von allen Beteiligten - gleich welcher Fraktion - gewürdigt werden kann. Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die wichtigsten Eckpfeiler des Landesvergabegesetzes sind Tariftreue und Mindestlohn. Bei Baugewerken gelten weiterhin der Tariflohn und der für allgemeinverbindlich erklärte Mindestlohn, wie er im Entsendegesetz per Rechtsverordnung festgelegt ist.

Neu im Landesvergabegesetz ist, dass wir auch den Bereich ÖPNV aufgenommen haben.

(Gabriela König [FDP]: Das ist schlimm!)

CDU und FDP wollten das partout nicht. Aber wir, Frau König, wollen das, und wir machen das!