Protokoll der Sitzung vom 30.10.2013

Ich selbst habe im letzten Herbst während des Wahlkampfs bei einem längeren Besuch ein Gespräch mit Herrn Winterkorn und auch mit den Betriebsräten geführt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Grundsätzlich - ich weiß, es wird Sie an dieser Stelle besonders freuen, das von mir zu hören - sind Grüne weder gegen Autos noch gegen die Konzerne, die Autos herstellen. Da können Sie sich beruhigt zurücklehnen, Herr Toepffer.

Ich will Ihnen aber auch die ganze Wahrheit dazu sagen. Es ist eine Sache, die Dominanz des PkwIndividualverkehrs in Deutschland zu kritisieren und zu problematisieren. An diesem Punkt werden Sie natürlich auch in Zukunft mit uns rechnen können.

Aber - und das ist mir sehr wichtig; denn ich komme selbst aus einer Ecke, die abends ab viertel nach acht vom ÖPNV abgehängt ist - wir stellen uns nicht gegen die Erfordernisse an Mobilität in einem Flächenland wie Niedersachsen, in dem der ÖPNV noch nicht jeden entfernten Winkel optimal rund um die Uhr versorgt. Das darf ich Ihnen auch zur Beruhigung sagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das VW-Gesetz sichert und stärkt ein Unternehmen, das nicht nur für die Region und die vielen Beschäftigten im Unternehmen - und auch in den Zuliefererbetrieben - von großer Bedeutung ist. Es hat zweifellos auch eine wirtschaftliche Bedeutung über Niedersachsen hinaus.

Wir haben erleben können, dass das VW-Gesetz das Unternehmen weniger anfällig für Angriffe von außen und für feindliche Übernahmen macht. Es sichert somit auch den Standort hier bei uns in Niedersachsen. Für die Beschäftigten - nicht nur im Unternehmen, sondern auch in den Zulieferbetrieben - ist das in den letzten Jahren von vorrangiger Bedeutung gewesen. So habe ich das auch aus den Gesprächen mit den Betriebsräten mitgenommen.

Das Gesetz ermöglicht nicht nur die Mitsprache in diesen Punkten, sondern es macht auch möglich, dass der Nachhaltigkeitsanspruch, den das Unternehmen an sich selbst stellt und der nachweislich der Umwelt zugute kommt, unterstützt werden kann. Ein starkes Unternehmen mit der Möglichkeit zu langfristigen Planungen kann es sich nämlich leisten, innovative Entwicklungen auch in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz zu finanzieren. Das ist für unser aller Zukunft wichtig, nicht nur hier in Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Volkswagen investiert in klimafreundlichere Mobilität. VW investiert so viel Geld wie kaum ein anderes Aktienunternehmen in ökologisch verträgliche, ressourcensparende und intelligente Fahrzeuge. Auch darüber habe ich mich im Gespräch mit den Ingenieuren auseinandergesetzt. Das wird u. a. auch durch das VW-Gesetz ermöglicht und begünstigt.

(Glocke des Präsidenten)

Innovativ ist es - das darf ich am Rande bemerken -, im 21. Jahrhundert Mobilität auf eine Zukunft auszurichten, in der knapper werdende Ressourcen andere Mobilität erforderlich machen.

Das Vorhaben von Martin Winterkorn, das sparsamste Auto der Welt zu bauen, unterstützen wir Grüne selbstverständlich.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir freuen uns, mit VW ein Unternehmen in Niedersachsen zu wissen, das unterstützt werden kann und dem wir politisch auch in diesen Dingen den Rücken stärken werden. Damit können Sie bei uns Grünen sicher rechnen in den nächsten Jahren.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Piel. - Vielleicht findet sich ja nach dieser Rede jemand, der auch Fischbeck an den ÖPNV anschließen wird, wer weiß?

(Heiterkeit)

Zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Jörg Bode, FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Tanke, das Thema Volkswagen ist in der Historie des Niedersächsischen Landtags immer mit großer Einmütigkeit und Geschlossenheit behandelt worden. Ich denke, es ist vollkommen richtig, dass das - wie es scheint - auch in Zukunft so fortgeführt wird.

Ich finde es auch sehr begrüßenswert, dass der Europäische Gerichtshof ein aus unserer Sicht ganz logisches und entscheidendes Urteil zum Volkswagengesetz getroffen hat. Die Regelungen, die im Volkswagengesetz enthalten sind, sind natürlich in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union absolut zulässig und können individuell - so, wie sie damals von der Bundesregierung auf den Weg gebracht worden sind - für Aktiengesellschaften festgelegt werden. Insofern war es absolut folgerichtig, dass hier diese Entscheidung getroffen worden ist.

Ich glaube, dass das der entscheidende Punkt ist. - Herr Tanke, Sie haben es ja bereits angedeutet.

Darin besteht eine große Leistung von Christian Wulff, für die wir ihm immer dankbar sein müssen. Er hat es nämlich geschafft, über die Grundlagenvereinbarung die kritisierten Regelungen aus dem Gesetz herauszunehmen, in die Satzung zu über

tragen und abschließend mit dieser Entscheidung des EuGH komplett dem Zugriff der Europäischen Kommission zu entziehen.

Das war eine Leistung - nicht nur bezogen auf die Verhandlung der Grundlagenvereinbarung, sondern auch bezogen auf die Überzeugungsarbeit bei Stamm- und Vorzugsaktionären, die diesen Regelungen auf der Hauptversammlung fast einstimmig zugestimmt haben -, die Volkswagen in ruhigeres Fahrwasser gebracht hat, auch was die gesellschaftsrechtliche Aufstellung angeht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dafür sollten wir wirklich dankbar sein, und wir sollten es nicht leichtfertig vergessen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir dürfen aber auch nicht darüber hinwegschauen - Herr Tanke, Sie haben das ebenfalls angedeutet -, dass Volkswagen heute nicht im Wesentlichen wegen des VW-Gesetzes so gut da steht. Volkswagen befindet sich deshalb weltweit in einer gefestigten Situation, weil man in einer schwierigen Zeit ein perfektes Management-Team zusammengestellt hat, das meiner Meinung nach sensationelle strategische Entscheidungen hinsichtlich internationale Aufstellung, Modellpolitik und Gesamtstrategie getroffen hat, die am Ende alle erfolgreich waren.

Volkswagen steht auch deshalb so gut da, weil sich die Mitarbeiter des Volkswagenkonzerns weltweit hinter diese Strategie gestellt haben und sie auch selbst gelebt haben.

(Beifall)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nur wenn das passiert, kann ein Unternehmen so dastehen, wie es VW gelingt. Eine Managementstrategie, die von den Mitarbeitern gelebt und umgesetzt wird - und die auch vom Kunden akzeptiert und nahezu geliebt wird -, ist der beste Schutz vor Übernahmen, Wirtschaftskrisen und anderem.

Wenn man Produkte hat, die in der ganzen Welt mit wachsender Begeisterung gekauft werden - durchaus auch mit unterschiedlicher Entwicklung an den einzelnen Märkten -, ist man solide und sicher aufgestellt, und Arbeitsplätze sind gesichert. Auch das Land profitiert davon - nicht nur durch Steuereinnahmen, sondern auch durch den Vermögenszuwachs, durch die Anteile, die es hält.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man darf nicht vergessen, dass die Entscheidung des EuGH für das Land Niedersachsen auch finanziell sehr

wichtig war. Wäre die Sperrminorität anders ausgefallen, hätte unser Aktienpaket von einem Tag auf den anderen einen ganz anderen Gegenwert gehabt. Die Bürger Niedersachsens sind also nicht ärmer geworden an dem Tag, sondern der EuGH hat das Vermögen des Landes Niedersachsen erhalten. Deshalb war es ein guter Tag. Ich hoffe und gehe fest davon aus, dass VW uns noch viel Freude machen wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Zu Wort gemeldet hat sich jetzt der Ministerpräsident. Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, dass sich der Landtag heute die Zeit nimmt, nach elf Jahren Bilanz zu ziehen. Ich finde, wenn man elf Jahre gemeinsam gekämpft hat, ist es auch richtig, am Ende gemeinsam zu sagen: Wie schön, dass wir gewonnen haben! - Einen herzlichen Glückwunsch an das Land Niedersachsen können, glaube ich, wir alle miteinander spenden.

(Lebhafter Beifall)

Ich will mich ausdrücklich dem Dank anschließen, den unterschiedliche Redner an unterschiedliche Adressen gerichtet haben. Das war alles richtig. Ich schließe mich dem gerne persönlich an.

Lassen Sie mich noch eine Gruppe hinzufügen: In dieser unendlich langen Zeit wurde auch Arbeit am juristischen Hochreck geleistet. Deswegen darf man den Kolleginnen und Kollegen im Bundesministerium und in der Landesverwaltung, die daran gearbeitet haben, sagen: Sie haben sich mit diesem Teil Ihres Berufslebens wirklich um das Land Niedersachsen verdient gemacht.

(Lebhafter Beifall)

Vielleicht lohnt es aber, noch einen Gedanken auf die Haltung der Europäischen Kommission zu verwenden, und zwar in zweierlei Richtung. Ich habe mich eigentlich immer gefragt: Worin besteht eigentlich das Interesse der Europäischen Kommission, das VW-Gesetz anzugreifen? Hat Europa keine anderen Sorgen?

Wir befinden uns in einer Zeit, in der sich große Teile der europäischen Automobilindustrie in existenziellen Problemen befinden. In dieser schwie

rigen Situation ragt VW - das darf man wirklich sagen - wie ein Leuchtturm empor. Der europäischen Automobilindustrie ist durch dieses Verfahren ganz bestimmt nichts Gutes getan worden. Das sollte die Europäische Kommission meines Erachtens noch einmal sehr nachdrücklich bedenken. Die industriepolitischen Prioritäten müssen da meines Erachtens anders gesetzt werden.

(Lebhafter Beifall)

Zweitens. Juristisch ging es im Kern nicht zuletzt um die Frage: Welches Interesse wiegt eigentlich höher - das Interesse eines starken Kapitaleigentümers, eine beherrschende Stellung in diesem Unternehmen erwerben zu können, oder das Interesse eines Unternehmens, aber auch eines Staates, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass es ein System von Checks and Balances gerade in einem solchen Unternehmen geben muss? - Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in dieser Frage empfinde ich auch ganz grundsätzlich als eine richtige Entscheidung. Es muss auch auf einem liberalen europäischen Markt möglich sein, wirtschaftliche Macht zu beherrschen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der Kollege Tanke hat schon einen dritten Gesichtspunkt angedeutet. Eines darf man sicherlich sagen: Durch das Vorgehen der Kommission ist der europäische Gedanke in der Norddeutschen Tiefebene sicherlich nicht noch sympathischer geworden. Im Gegenteil, Skepsis gegenüber Europa ist durch dieses Vorgehen eher noch geschürt worden. Wir haben nicht zuletzt das Problem, dass die großartige europäische Idee immer wieder in den Herzen und in den Köpfen der Europäerinnen und Europäer verankert werden muss. Ich würde mir sehr wünschen, dass die Kommission aus dem abschließenden Urteil des EuGH an dieser Stelle die richtigen Konsequenzen zieht. Ich glaube, der EuGH hat sich an dieser Stelle um Europa verdient gemacht.

(Lebhafter Beifall)