Am Montag hieß es in einer großen niedersächsischen Tageszeitung: „Rot-Grün fiebert der Machtübernahme entgegen“. Dann frage ich mich ernsthaft, meine Damen und Herren: Hat Ihnen das Fieber derart die Sinne vernebelt, dass Sie nicht in der Lage waren, bei der Abfassung der Regierungserklärung irgendeinen wegweisenden Gedanken zu Papier zu bringen, der dieses Land weiter nach vorne bringt?
(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Sie haben sie nicht verstanden!)
Unter Politik verstehe ich das Aufzeigen von Lösungsansätzen. Sie, Herr Weil, haben wie immer viel geredet, aber nichts gesagt.
Vieles von dem, was wir in den letzten Monaten in dem einen oder anderen Interview schon einmal von Ihnen gehört haben, haben Sie auch gestern fast wortgleich zum Ausdruck gebracht. Und dort, wo Sie einmal etwas konkreter geworden sind, wie in der Bildungspolitik, geht es gänzlich in eine falsche Richtung.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]: Na ja! Wa- rum sind Sie denn abgewählt wor- den?)
Deswegen wollen wir in den nächsten Minuten doch einmal einen Blick auf das werfen, was Sie auf 96 Seiten Papier festgeschrieben haben.
Dabei bleibt der Eindruck, dass es vor allem darum geht, unliebsame Dinge zu vertagen. Bei Ihnen - das muss man konstatieren - bricht eine wahre „Kommissionitis“ aus. Sie wollen laut Ihrem Koalitionsvertrag nicht weniger als 20 verschiedene Kommissionen, runde Tische und dergleichen einrichten.
Sie finden dort interessante Sachen: eine paritätisch besetzte Kommission zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes, eine gemeinsame Finanzkommission, eine Fachkommission Inklusion, eine Fachkommission Pflege, eine Kinderkommission, eine Verbraucherkommission, eine Kommission, die im Dialog mit Verbänden und gesellschaftlichen Gruppen Leitlinien für einen neuen Umgang zwischen Politik und Wirtschaft aufstellen soll,
und schließlich, meine Damen und Herren, einen runden Tisch mit Vertretern der Energiewirtschaft usw. usf.
Ich sage Ihnen: Wer derart in „Kommissionitis“ verfällt und von runden Tischen spricht, der muss sich die Frage gefallen lassen, wann er selber mal arbeiten will, meine Damen und Herren.
Herr Weil, ich sage es Ihnen ganz offen: Kraftvolles Regieren sieht anders aus. Anpacken und besser machen - das galt nur vor der Wahl. Liegen lassen, später machen - das ist die neue rot-grüne Wirklichkeit in Niedersachsen, meine Damen und Herren.
(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]: Das habe ich fast wortgleich heute schon mal gehört!)
Sie, meine Damen und Herren auf der linken Seite des Hauses, haben eine große Dialogbereitschaft angekündigt. Allerdings verkennen Sie, dass das, was Sie geschrieben haben, kein Mensch verstehen kann. Man könnte sagen: Kauderwelsch, mehr ist es nicht.
In Ihrem Programm liest man von „Racial Profiling“, „Gender Budgeting“ und „gelabelten Angeboten“. Das sind nur einige Beispiele für Ihr verschwurbeltes Kauderwelsch.
(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ich kann mir vorstellen, dass Sie das nicht ver- stehen! - Ina Korter [GRÜNE]: Wollen Sie wissen, was das ist?)
Wenn jemand versucht, Ihren Koalitionsvertrag zu lesen, dann kann er feststellen, dass ihm ein pseudomoderner Anstrich verpasst werden sollte - ein inflationärer Gebrauch von Anglizismen, ein reines Polit-Denglisch, z. B. „Feedback-Kultur“.
Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, meine Damen und Herren: Das ist und bleibt ein Dokument des Rückschritts - viel Klientel-Sprech, wenig Klartext.
(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Herr Thümler, kennen Sie Google?)
Dafür, meine Damen und Herren, haben Sie sich schon eine Auszeichnung erworben, nämlich die Auszeichnung, „Sprachpanscher des Jahres“ zu sein. Diese Plakette verleihen wir Ihnen gerne.
Dieses Kauderwelsch macht im Übrigen deutlich, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, dass Sie weit weg sind von den wirklichen Problemen und den Realitäten der Menschen in Niedersachsen. Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man darüber lachen.
Man kann auch sagen: Sie verwenden diesen Sprech immer an den Stellen - sozusagen als Synonym -, an denen sich Rot und Grün nicht wirklich grün gewesen sind. Sie verkleistern damit Ihre
Unstimmigkeiten. Das werden wir Ihnen auf keinen Fall durchgehen lassen, meine Damen und Herren, da werden wir Sie stellen.
Erstes Beispiel: Vor der Wahl hat der SPDLandesvorsitzende betont, dass ihm die Stärkung der kommunalen Ebene und die kommunale Selbstverwaltung besonders am Herzen lägen.
Nach der Wahl war aus seinem Munde zu diesem Thema nichts Konkretes zu hören, auch gestern nicht, meine Damen und Herren.
Darum stellt sich die Frage: Was ist denn jetzt das Ziel bei den kommunalen Entschuldungshilfen? Was passiert mit den Kommunen, die derzeit noch über den Zukunftsvertrag verhandeln und diesen zum Abschluss bringen wollen? - Meine Damen und Herren, darauf hat es gestern von Ihnen keine konkreten Antworten gegeben, und das ist enttäuschend.
Sie lassen damit die kommunalen Entscheidungsträger ratlos zurück, ja, Sie verspielen gar eine Menge Vertrauen, das Sie erst hätten gewinnen müssen.
Anpacken und besser machen - das galt vor der Wahl. Liegen lassen, später machen - das ist die Wirklichkeit von Rot-Grün in Niedersachsen, meine Damen und Herren.
Zweites Beispiel: Vor der Wahl hat der SPD-Landesvorsitzende eine neue Regionalstrukturpolitik angekündigt. Dazu sollte - das waren große Worte - das Landwirtschaftsministerium bisheriger Art völlig umgekrempelt werden.
In den Koalitionsverhandlungen hat ihn dann offenbar der rechte Mut verlassen, einen wirklich großen Wurf vorzulegen. Fakt ist: In der Strukturpolitik wird nichts besser; es wird für das Land lediglich teurer. Für diesen Bereich wurde das Pöstchen einer weiteren Staatssekretärin geschaffen - eine reine Versorgungsstelle mit ungeklärten Zuständigkeiten, meine Damen und Herren.
Sie schaffen zudem in der Fläche vier neue rotgrüne Versorgungsstatthalter mit B-6-Besoldung. Hierbei soll vor allem die Befriedigung von Parteifreunden im Vordergrund stehen.
(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Wir machen endlich das weg, was Sie kaputt gemacht haben! - Weitere Zu- rufe von der SPD und von den GRÜ- NEN)
Ich kann nur wiederholen: Anpacken, besser machen - das galt bei Ihnen vor der Wahl. Liegen lassen, später machen - das ist Ihre neue Wirklichkeit in Niedersachsen, meine Damen und Herren.