Protokoll der Sitzung vom 31.10.2013

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie am heutigen Reformationstag namens des Präsidiums ganz herzlich willkommen heißen und wünsche Ihnen einen guten Morgen.

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsi- dent!)

Ich eröffne die 20. Sitzung im 9. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 17. Wahlperiode.

Tagesordnungspunkt 13: Mitteilungen des Präsidenten

Ich darf im Einvernehmen mit den Schriftführern die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.

Ich weiß ja, dass Sie immer an Personenstandsänderungen interessiert sind: Gemeinsam mit Ihnen will ich gerne unserer Kollegin, die Sie noch unter dem Namen Kathrin Rühl kennen, zu ihrer Eheschließung gratulieren. Sie heißt jetzt Kathrin Wahlmann. Herzlichen Glückwunsch, Frau Wahlmann!

(Beifall)

Das ist erst vor wenigen Tagen geschehen. Ein paar Tage zuvor hat auch unser Kollege Markus Brinkmann geheiratet. Ebenfalls herzlichen Glückwunsch!

(Beifall)

Sie merken, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es gibt im Landtag noch Leute, die sich trauen.

Zur Tagesordnung: Wir hatten gestern vereinbart, die unter Tagesordnungspunkt 14 b vorgesehene Anfrage der Fraktion der FDP morgen vor den Mündlichen Anfragen zu behandeln.

Im Gegenzug soll heute vor den Tagesordnungspunkten 15 und 16 noch der ursprünglich für morgen vorgesehene Tagesordnungspunkt 27 - „Grundwasser und Böden schützen - ein wirksames Düngemanagement in Niedersachsen einführen“ - behandelt werden. Danach setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.

Die heutige Sitzung soll gegen 18.05 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr der Schriftführer mit.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für heute haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Herr Ministerpräsident Weil, Herr Innenminister Pistorius ab ca. 12.30 Uhr sowie Herr Wirtschaftsminister Lies, von der Fraktion der CDU Herr Kollege Lammerskitten und Herr Kollege McAllister und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Hamburg.

Danke schön. - Meine Damen und Herren, wir gehen jetzt über zum

Tagesordnungspunkt 14: Dringliche Anfragen

Nachdem die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ihre Anfrage „Nach oder neben den Hells Angels: Haben nun die ‚Black Jackets’ die Hoheit am Steintor in Hannover gewonnen?“ in der Drucksache 17/856 zurückgezogen hat, behandeln wir noch die Anfragen der Fraktion der FDP und der Fraktion der CDU.

Wie gesagt, wir haben uns gestern darauf verständigt, die unter Tagesordnungspunkt 14 b vorgesehene Anfrage der FDP-Fraktion morgen gleich nach den Mitteilungen des Präsidenten, also vor den Mündlichen Anfragen, zu behandeln.

Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus. Ich weise, wie üblich, besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie darum, sich stets schriftlich zu Wort zu melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen wollen.

Ich rufe sodann den Punkt c auf:

Ist die Geschichte des mit rot-grüner Mehrheit verabschiedeten Prostitutionsgesetzes eine Geschichte voller Missverständnisse? - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 17/855

Wer möchte diese Anfrage vortragen? - Frau Kollegin Jahns, Sie haben das Wort. Bitte sehr!

Guten Morgen! - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Prostitutionsgesetz wurde eine gesetzliche Grundlage geschaffen, die die zivil-, arbeits- und sozialrechtlichen Beziehungen zwischen Prostituierten und ihren Kunden bzw. ihren Arbeitgebern regelt.

Intention des Gesetzes war es, die rechtliche Stellung der Prostituierten zu stärken. Damit sollte den bereits damals in diesem Bereich oftmals vorherrschenden kriminellen Begleiterscheinungen die Grundlage entzogen werden. Mit dem Zugang zu den Sozialversicherungssystemen sollte neben dem individuellen Vorteil für die Prostituierten auch ein gesellschaftlicher Vorteil erzielt werden. Durch die Einzahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung sollten die abhängig beschäftigten Prostituierten ihre Existenzsicherung bei Krankheit, Arbeitslosigkeit oder im Alter mitfinanzieren, ohne auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen zu sein. Und schließlich wurde mit der Streichung des § 180 a Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch ermöglicht, dass Betreiberinnen und Betreiber von Prostitutionsstätten straffrei für gute und hygienische Arbeitsbedingungen sorgen können, die von den zuständigen Behörden dann auch überwacht werden können.

Bereits vor sechs Jahren hatte die Bundesregierung in ihrem Abschlussbericht „Untersuchung über die Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes“ eine Zielverfehlung des Gesetzes festgestellt. Zwar sei es für Prostituierte seit Einführung des Gesetzes leichter, Zugang zur Sozialversicherung zu bekommen, und darüber hinaus auch möglich, rechtlich gegen Freier und Bordellbesitzer vorzugehen. Doch der Bericht zeigte, dass dies in der Praxis kaum genutzt wird: Nur etwa 1 % aller Prostituierten besitzt laut den Untersuchungsergebnissen einen Arbeitsvertrag, und von den 87 % der Krankenversicherten sei mindestens ein Drittel statt unter der eigenen Berufsbezeichnung lediglich als beitragsfrei mitversicherte Familienangehörige angemeldet. Des Weiteren fehlen die obligatorischen Prüfungen für das Betreiben von Prostitutionsstätten fast gänzlich.

Ob das mit rot-grüner Mehrheit verabschiedete Prostitutionsgesetz inzwischen in höherem Maße dazu beigetragen hat, dass in Niedersachsen regulierte Arbeits- und Marktstrukturen für das Prostitutionsgewerbe vorhanden sind, ist fraglich.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie hoch ist der Anteil der Prostituierten in Niedersachsen, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt und somit entsprechend der Intention des Prostitutionsgesetzes nicht auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen sind?

2. Wie wird in Niedersachsen sichergestellt, dass in den Prostitutionsstätten einschließlich der Wohnmobilprostitution gute und hygienische Arbeitsbedingungen vorhanden sind?

3. Welche Initiativen plant die Landesregierung zur Reformierung des Prostitutionsgesetzes?

Danke schön.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Dr. Jahns. - Für die Landesregierung antwortet unsere Sozialministerin, Frau Rundt. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße es sehr, dass mit dieser Dringlichen Anfrage ein Thema wieder aufgegriffen wird, das in der Vergangenheit allerdings viel zu wenig parlamentarische Aufmerksamkeit erlangt hat. Das Prostitutionsgesetz trat in der Tat zum 1. Januar 2002 in Kraft und fällt damit in die Zeit der rot-grünen Bundesregierung. Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes waren viele Erwartungen verbunden, und zwar von ganz unterschiedlichen Seiten. Es sollte nicht nur die Sittenwidrigkeit von sexuellen Dienstleistungen beendet werden, sondern vor allem sollte auch eine deutliche Verbesserung der sozialen Absicherung der Prostituierten, ihrer Arbeitsbedingungen, selbst ihrer Ausstiegsmöglichkeiten erreicht werden.

2007 wurde eine Evaluation des Gesetzes vorgelegt. Hier wurde deutlich, dass viele der Erwartungen, die mit dem Gesetz verbunden waren, nicht erfüllt worden sind. Nur wenige Prostituierte erhielten tatsächlich einen Arbeitsvertrag. Der Zugang zur Sozialversicherung, Kranken- und insbesondere Rentenversicherung wurde kaum genutzt. Der Umgang mit den Behörden war weiter schwierig.

Diese Evaluation fällt bekanntlich in die Zeit der Regierung Merkel. Nun lag es an der schwarzgelben Regierung in Berlin, aus der Evaluation die richtigen Schlüsse zu ziehen und letztlich eine Änderung des Gesetzes vorzubereiten. Was ist in

dieser Hinsicht auf Bundesseite geschehen? - Nichts. Eckpunkte wurden angekündigt, aber bis heute nicht vorgelegt. Das Prostitutionsgesetz, eine Geschichte von Missverständnissen? Dazu lautet die ganz eindeutige Antwort: Nein. Das Prostitutionsgesetz ist eine Geschichte von Untätigkeit der schwarz-gelben Bundesregierung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Bil- lig, aber typisch! - Ulf Thiele [CDU]: Was wird das denn jetzt?)

Das ist der richtige und der aktuelle Befund. Seit 2007 hat es die Bundesregierung versäumt, eine Neuregelung in Angriff zu nehmen, die die Rahmenbedingungen für Prostituierte und ihren Schutz wirklich verbessert. Dabei hat es an Forderungen und Vorschlägen vonseiten der Länder und an die Bundesregierung nicht gemangelt, die politisch wirklich richtungweisend sind und die auf Behebung rechtlicher Defizite bei der Umsetzung des Prostitutionsgesetz abzielen. Dabei geht es z. B. um Verbesserung der Meldepflichten, um Aufsichtsbefugnisse bei Prostitutionsstätten sowie um die Einführung einer entsprechenden Erlaubnispflicht.

Die Forderungen liegen aufgrund von Beschlüssen der zuständigen Fachministerkonferenzen und des Bundesrats auf dem Tisch. Jetzt liegt es an der nun neuen Bundesregierung, entsprechend tätig zu werden, wobei man auf der anderen Seite auch vor Aktionismus warnen muss. Es bedarf nämlich eines breiten Ansatzes der Reglementierung von Prostitution. Hierin sind sich alle Fachleute einig.

Einigkeit besteht auch darin, dass es keine einfachen und keine Patentlösungen gibt. Prostitution ist Realität. Sie hat sehr unterschiedliche Erscheinungsformen. Sie hat unterschiedliche Ausprägungen. Sie reicht von frei gewählter Prostitution über Beschaffungsprostitution bis hin zu Zwangsprostitution und Menschenhandel. Sie umfasst Straßenprostitution, Prostitution in Bordellbetrieben und Wohnungsprostitution bis hin zum Escortservice.

Zu keinem Augenblick dürfen wir aber die Bekämpfung von Zwangsprostitution und vor allem Minderjährigenprostitution aus dem Auge verlieren. Ein größtmöglicher Schutz von Prostituierten vor Gewalt und Ausbeutung sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Prostitutionsausübung bleiben unsere Eckpunkte.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich vermute sogar, dass es hierüber im Landtag einen Konsens gibt, und so dürfte es auch als wichtiges aktuelles und politisches Signal aus Niedersachsen an die Koalitionäre in Berlin verstanden werden, wenn wir uns darauf verständigen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Es liegen keine Kenntnisse über den Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Prostituierten in Niedersachsen vor.

(Jens Nacke [CDU]: Das gibt es doch gar nicht!)

Statistische Angaben hierfür stehen letztlich nicht zur Verfügung, weil die Sozialversicherungsträger kein eigenes statistisches Erfassungsmerkmal hierfür vorgesehen haben, sondern diese Beschäftigten unter einer Sammelbezeichnung führen, die auch noch andere Tätigkeiten umfasst.

Zu Frage 2: Hier ist teilweise der Arbeitsschutz zuständig. Eine Abfrage bei den Staatlichen Gewerbeaufsichtsämtern, die für diejenigen Prostituierten in Beschäftigungsverhältnissen zuständig sind, konnte aufgrund der sehr kurzen zur Verfügung stehenden Zeit noch nicht vorgenommen werden.

Unabhängig von hygienischen Arbeitsbedingungen in den Prostitutionsstätten - einschließlich der Wohnmobilprostitution - spielt die Prävention im Hinblick auf sexuell übertragbare Krankheiten eine Rolle. Es obliegt dem kommunalen öffentlichen Gesundheitsdienst, auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes bezüglich sexuell übertragbarer Krankheiten Beratungen und Untersuchungen anzubieten und diese im Zusammenhang mit anderen medizinischen Einrichtungen sicherzustellen. Für Personen, deren Lebensumstände eine erhöhte Ansteckungsgefahr für sich oder andere mit sich bringen, werden diese auch aufsuchend angeboten und können im Einzelfall die ambulante Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt des Gesundheitsamtes umfassen, soweit dies zur Verhinderung der Weiterverbreitung der sexuell übertragbaren Krankheiten erforderlich ist.