Was wurde im Wahlkampf nicht alles angekündigt! Alle Ressourcen sollten im Bildungssystem bleiben, die Schule sollte entlastet werden, in der frühkindlichen Bildung hieß es „Qualität statt Quantität“, die Volksinitiative Kita wurde laut und deutlich unterstützt, und die dritte Kraft in der Krippe wurde angekündigt, kleinere Klassen, kleinere Gruppen in den Kitas, einfach - wie ich es heute schon mehrfach gehört habe - ein gerechteres Bildungssystem. Eine Ministerin und die Abgeord
neten von SPD und Grünen sprechen in jeder Rede vollmundig von dem neuen politischen Schwerpunkt „Bildung“
und werden auch nicht müde, von einer der größten Zukunftsoffensiven in der Geschichte unseres Landes zu sprechen.
(Beifall bei der SPD - Johanne Mod- der [SPD]: Jawohl! - Petra Tiemann [SPD]: Das hat er gut erkannt!)
Dann wollen wir Sie einmal mit der Realität konfrontieren. Anscheinend gibt es nämlich bei all diesen Versprechungen und Ankündigungen ein Problem. Es gibt das Problem, dass die Menschen das nicht verstehen. Die Menschen verstehen nicht den guten Willen von Rot-Grün, sie zeigen keine Dankbarkeit für diese große Zukunftsoffensive, sondern sie demonstrieren zu Tausenden auf den Straßen dieses Landes gegen Ihre Politik.
Es ist die Frage: Verstehen die Menschen nicht die neue Form dieser Politik, die neue Kultur des Dialoges oder, wie es die Ministerin bei der Haushaltseinbringung bezeichnete, den neuen Stempel rot-grüner Bildungspolitik? - Oh doch, sie verstehen es. Sie verstehen es viel besser, als diese neue Regierung erwartet hätte. Die Lehrerinnen und Lehrer, die Schülerinnen und Schüler, die Eltern, die Menschen in Niedersachsen haben die unglaubwürdigen Aussagen von Rot-Grün bereits lange entlarvt, und zu Recht demonstrieren sie gegen diese Politik der Einsparungen in der Bildung.
Jetzt haben Sie die Verantwortung und könnten zeigen, wie Sie etwas verbessern wollen. Sie haben eine solide Haushaltsbasis und die besten Steuereinnahmen in der Geschichte unseres Landes, wobei das alles in der Vergangenheit bei Ihnen ohnehin nichts galt. Bildung durfte ja noch nie finanzpolitisch diskutiert werden.
Der breite politische Konsens zur Umsetzung der Inklusion wird verlassen und mit Ankündigungen von SPD und Grünen zur Abschaffung weiterer Förderschulen eine erhebliche Verunsicherung geschaffen. Bei Stellenkürzungen erleben wir Verschiebungen zulasten der Gymnasien und zuguns
ten der Gesamtschulen. An jedem Gymnasium werden vermutlich zum nächsten Schuljahr drei bis sechs Lehrkräfte fehlen.
Überhaupt erleben wir eine Politik, die nicht das gesamte Bildungssystem im Blick hat, die sich feindlich zu den Gymnasien richtet, Oberschulen vernachlässigt und KGSen gar nicht berücksichtigt.
Der ProReKo-Prozess zur Weiterbildung an unseren berufsbildenden Schulen steht still, und vom neuen Schwerpunkt berufliche Bildung ist nichts zu spüren. Es gibt kein Gesamtkonzept für das Abitur, nur einen Schnellschuss für G 9 an den Integrierten Gesamtschulen. Die Gymnasien haben nun wirklich nichts von Ihnen zu befürchten, hat der heutige Ministerpräsident Stephan Weil im Wahlkampf gesagt. Die Wirklichkeit sieht heute anders aus: Stück für Stück wird das Gymnasium demontiert.
Es bleibt festzustellen: Die neue Kultusministerin Frauke Heiligenstadt hat in wenigen Monaten Ärger auf allen Ebenen ihres Ressorts ausgelöst. Wir erleben eine Chaospolitik.
An vielen Beispielen lässt sich der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit deutlich machen. Im Bereich der frühkindlichen Bildung gab es von Ihnen in den vergangen Jahren nur Kritik. Der Krippenausbau ging nicht schnell genug voran, und Sie malten schwarze Bilder, dass Niedersachsen den Rechtsanspruch nicht erfüllen wird. Sie haben unser Land in den letzten Jahren und hin zum Wahlkampf systematisch schlechtgeredet. Daneben wurden Sie nicht müde, immer wieder zu fordern: Qualität vor Quantität.
„Eine SPD-Landesregierung wird deshalb ein Konzept zur Aus- und Weiterbildung der Erzieherinnen und Erzieher vorlegen, den Personalschlüssel in Krippen verbessern und Kita-Gruppengrößen für Kinder von drei bis sechs Jahren reduzieren.“
- Weiter heißt es in dem Artikel, der Personalschlüssel solle verbessert und auf maximal fünf Kinder pro Erzieherin und Erzieher gesenkt werden.
Zunächst das Entscheidende: Der zugesagte Rechtsanspruch wurde erfüllt. Mich wundern sehr die lobenden Worte unserer neuen Kultusministerin zu diesem Erfolg, der dann plötzlich ihr Erfolg sein sollte.
Aber wo finden wir jetzt Ihre Forderungen und Ankündigungen im Haushalt wieder? - Sie hatten doch bereits im Jahr 2008 einen eigenen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Qualität in Tageseinrichtungen für Kinder in den Landtag eingebracht. Die Konzepte müssten also lange fertig sein.
In der Plenardebatte machten Sie damals, am 11. Dezember 2008, hier im Landtag deutlich, man müsse die Einrichtungen mit dem entsprechenden Personal ausstatten. Im Protokoll stehen dann Beifall bei der SPD und der Zwischenruf von Johanne Modder: „Jawohl!“
Ich finde, dieser Zwischenruf von meinem geschätzten Kollegen Heinz Rolfes ist heute aktueller denn je.
Wir zeigen Ihnen heute mit unseren Haushaltsvorschlägen den Weg für mehr Qualität statt Quantität. Sie haben im Haushalt 2014 zusätzliches Geld für die Errichtung neuer Krippenplätze vorgesehen. Dabei stehen derzeit noch rund 20 Millionen Euro, auch aus Landesmitteln, zur Verfügung, und die Antragslage ist nahezu null. Es stehen also ausreichend finanzielle Mittel für weitere Krippenplätze auch im Jahr 2014 zur Verfügung. Wir schlagen daher vor, diese Mittel für ein neues Landesprogramm zur Qualitätssteigerung im Bereich der frühkindlichen Bildung umzuwandeln und eine Anreizfinanzierung für eine dritte Kraft aufzunehmen. Hierfür sollen 6,5 Millionen Euro investiert werden.
Auch der Haushalt 2014 macht deutlich: Sie haben kein Konzept für Ihre zukünftige Bildungspolitik, und Sie haben vor allem kein Konzept, um Ihre jetzigen Pläne zu finanzieren. Da ist es vielleicht das Einfachste, die Lehrerinnen und Lehrer selbst für Ihre Versprechungen heranzuziehen. Eine Unterrichtsstunde sollen Gymnasialkräfte pro Woche mehr arbeiten, und die ausdrücklichen Zusagen von der SPD-Kultusministerin Jürgens-Pieper für eine Altersermäßigung sollen ausgesetzt werden. Jürgens-Pieper hat eigens eine solche Arbeitszeiterhöhung für den Zeitraum der Rückerstattung bis zum Jahr 2023 an Gymnasien ausgeschlossen. Man kann auch sagen: Die Roten haben es ihnen gegeben, und die Roten haben es ihnen wieder genommen.
Es ist einfach unfair, zu behaupten, unsere Lehrerinnen und Lehrer arbeiten im Ländervergleich weniger als andere. Sie wissen, dass dies nicht richtig und die einfache Unterrichtsverpflichtung aufgrund verschiedener Rahmenbedingungen mit Anrechnungs- und Entlastungsstunden nicht vergleichbar ist. Sie wollen dies auch gar nicht erst sachlich diskutieren. In unserem Antrag „So nicht, Rot-Grün“ hatten wir die Landesregierung und die Mehrheitsfraktionen aufgefordert, eine neue empirisch belegbare wissenschaftliche Arbeitszeituntersuchung über die tatsächliche Arbeitszeit durchzuführen. Sie lehnen das ab, Sie wollen diese Debatte einfach nicht.
Also machen die Schulen es selbst wie z. B. die KGS in Neustadt, die in der letzten Woche ihre Aktion „Gläserne Schule“ vorgestellt hat. 14 Tage lang wurde hier die Arbeitszeit von Lehrkräften minutengenau protokolliert. Bei einem Gymnasial
lehrer mit einer Unterrichtsverpflichtung von 23,5 Stunden kam hier eine Arbeitszeit von 47,8 Stunden heraus, bei einem Realschullehrer mit einer Unterrichtsverpflichtung von 26 Stunden eine reale Arbeitszeit von 45,9 Stunden - und dies alles in einer sehr klausurarmen Zeit.
Es gibt im Übrigen für die gesamte EU eine Arbeitszeitrichtlinie mit einheitlichen Mindestanforderungen. Danach darf eine wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt von 48 Stunden einschließlich Überstunden nicht überschritten werden. Ich vermute, Ihre Politik bietet hier genügend Anlass zur Klage.
Rot und Grün und Frau Ministerin Heiligenstadt haben innerhalb kürzester Zeit Dinge vollbracht, die niemand für möglich gehalten hätte. Nicht nur, dass Lehrer, Eltern und Schüler gemeinsam demonstrieren, nein, auch die GEW und der Philologenverband gehen Hand in Hand auf die Straße. Wer hätte das erwartet? - Herzlichen Glückwunsch, Frau Ministerin. Was für eine Bildungsoffensive!