Protokoll der Sitzung vom 13.12.2013

Vielen Dank, Herr Kollege, auch für Ihre netten Wünsche. - Aber es gibt noch weitere Redner. Zunächst spricht Herr Innenminister für die Landesregierung. Bitte, Herr Minister Pistorius!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das NPD-Verbotsverfahren hat mich in den letzten Wochen und Monaten, wie Sie sich denken können, qua Amt als Vorsitzender der IMK außerordentlich intensiv beschäftigt.

Mir ist eine Quelle - nicht aus dem NPD-Verfahren, sondern aus der Berichterstattung - in besonderer Erinnerung geblieben. Das ist ein Zitat - ich will es sinngemäß wiedergeben - aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2009 zu einem anderen Sachverhalt. Damals hatte das Gericht festgestellt, dass unser Grundgesetz, unsere Verfassung, quasi als ein Gegenentwurf zur faschistischen Ideologie des vergangenen

Jahrhundert gesehen werden muss und dass es kraft Struktur und Inhalt geradezu darauf ausgerichtet ist, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und künftig Verletzungen der Menschenwürde in dieser oder anderer Form zu verhindern.

(Lebhafter Beifall)

Wer sich das auf der Zunge zergehen lässt und dann über ein NPD-Verbotsverfahren spricht, der kann nach meiner Auffassung natürlich zu jedem Ergebnis kommen. Ich für meinen Teil kann nur zu dem Ergebnis kommen: Eine Partei, die sich - durch öffentlich zugängliche Quellen beweisbar - jeden Tag durch Tun, Sprechen, Veröffentlichen und vieles mehr außerhalb unserer Verfassung stellt und gleichzeitig jedes Jahr über ihre Mitgliedschaft in zwei Landesparlamenten noch Millionen von Steuergeldern über die Parteienfinanzierung erhält, muss mit einem Verbotsantrag in Karlsruhe landen, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Die NPD ist in den vergangenen Jahren immer wieder, jede Woche - vor Wahlen mehr als zu anderen Zeiten -, dadurch aufgefallen, wie sehr sie gegen Juden, Andersdenkende, Muslime, Homosexuelle und Flüchtlinge hetzt, wo immer sich eine Gelegenheit bietet. Schneeberg ist ein Beispiel, Hellersdorf ein anderes. Aber gerade erst heute Morgen musste die NPD im mecklenburg-vorpommerischen Landtag den Plenarsaal wegen hetzerischer Äußerungen im Rahmen einer Flüchtlingsdebatte verlassen. Ich finde es unerträglich, dass eine solche Partei immer noch in deutschen Parlamenten sitzt, meine Damen und Herren.

(Starker Beifall)

Lassen Sie uns das NPD-Verbotsverfahren einen Augenblick auch vor dem historischen Hintergrund betrachten. Es ist noch keine sechs Wochen her, dass wir der Reichspogromnacht an ihrem 75. Jahrestag gedacht haben, dieses schrecklichen Ereignisses, das Ausgangspunkt für eine systematische Ermordung von Millionen von Menschen war.

Die NPD hat sich in den letzten Jahren immer wieder auf erschreckende Art und Weise geäußert und die Opfer dieser Zeit, aber auch unserer Zeit täglich verhöhnt.

Das alles kann man in diesem Verbotsantrag nachlesen, der inzwischen öffentlich ist.

Eine Zwischenbemerkung an Herrn Fredermann: Es wäre schlicht unmöglich gewesen, alle Ausschüsse in Deutschland vor Einbringung dieses Antrags zu informieren. Das war schlicht nicht zu koordinieren. Deswegen war der Weg so zu gehen.

Der Antrag, der fast 300 Seiten lang ist, stützt sich auf offizielle, nachlesbare Quellen, die jedermann zugänglich sind. Da ist nichts Geheimes drin. Das spricht für sich. Ich erspare uns die Zitate.

Ich bin der festen Überzeugung, dass ein NPDVerbotsantrag ein starkes Signal von Demokratie ist, ein starkes Signal eines Rechtsstaates, der sich wehren muss. Wo bitte steht geschrieben, dass man sich gegen eine solche Partei, die so weit außerhalb unserer Verfassung steht, erst dann wehren muss oder darf, wenn sie über 10 % oder 5 % kommt? - Ich kann das nirgendwo finden. Die Geschichtsforschung konnte bis heute den Zeitpunkt nicht definieren, zu dem die Weimarer Republik verlorenging, weil es so war, wie es war, meine Damen und Herren. Deswegen ist es richtig, einer Partei den Riegel zu einem Zeitpunkt vorzuschieben, zu dem noch Zeit genug dafür ist.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der CDU)

Deswegen ist es egal, dass die NPD zurzeit keine nennenswerten Ergebnisse bei Wahlen erzielt. Das ist egal, buchstäblich egal, weil sie auf andere Weise versucht, mehr oder weniger erfolgreich, je nach Region, in die Gesellschaft vorzudringen, gerade in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen. Sie schafft es über die Mitarbeiter, die sie über die Parteienfinanzierung in den Parlamenten bezahlt und die in der Fläche Basisarbeit für diese rassistische, fremdenfeindliche Partei betreiben. Damit muss es ein Ende haben.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der CDU sowie Zustim- mung bei der FDP)

Ich sage Ihnen, wir alle, die wir hier sind, sind Demokraten genug, um zu akzeptieren, dass jeder eine eigene Sicht auf einen Verbotsantrag haben kann und darf. Artikel 21 des Grundgesetzes ist nicht umsonst selten zur Anwendung gekommen; denn eine wehrhafte Demokratie muss einiges aushalten können. Ja, wir können die NPD aushalten - noch. Aber wollen wir zulassen, dass die Gesellschaft von diesen Menschen weiter gespalten wird, mit Steuergeldern unterstützt?

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Nein!)

Niemand unterliegt der Illusion, ein erfolgreicher Verbotsantrag erledigt das Problem für uns. Niemand glaubt, dass ein erfolgreicher Verbotsantrag uns gemeinsam von der gesellschaftspolitischen Pflicht entbindet, weiter jeden Tag jeder rechtsextremistischen Bedrohung und jedem rechtsextremistischen Gedankengut mit Nachdruck entgegenzutreten. Das wissen wir, und das werden wir tun.

Aber, meine Damen und Herren, egal, wie man sich hinsichtlich des Parteiverbotsantrages entscheidet: Mich hat im vergangenen Jahr geärgert, dass sich, als wir über ein Parteiverbot gesprochen haben, Bundesregierung und Bundestag nicht angeschlossen haben. Das ist zu respektieren. Wenn dann aber gleichzeitig im Raum steht, die Mittel für Aussteigerprogramme oder für Präventionsprojekte zu kürzen, dann ist das ein fatales Signal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das eine ist eine Frage der persönlichen Betrachtung eines Verbotsverfahrens als solches. Aber das andere ist die unbestreitbare Pflicht, präventiv alles zu tun, was möglich ist.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss eine Bemerkung zu der Frage machen: Müssen wir eigentlich, wenn wir über Rechtsextremismus diskutieren - so wie hier gerade -, immer auch gleich über Linksextremismus diskutieren? - Die Diskussion führen wir. Aber wir können doch die Diskussion auch einmal führen, ohne immer gleich die andere Seite zu nennen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Niemand - mich eingeschlossen - verharmlost Linksextremismus oder religiös motivierten islamistischen Terrorismus oder Extremismus. Das ist überhaupt nicht die Diskussion. Aber wir reden heute über Rechtsextremismus. Die Augen, Herr Fredermann und meine Damen und Herren, müssen wir nach allen Seiten hin offen haben, und die Dioptrien sollten etwa gleich schwach oder gleich stark sein; lieber stärker als schwächer.

Wenn wir das beherzigen, uns gegenseitig tief in unsere hübschen Augen schauen und uns sagen, wie wichtig Prävention beim Rechtsextremismus ist, der nämlich durch sein fremdenfeindliches Gedankengut ganz andere Wirkung entfaltet, dann können wir gelassen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entgegensehen. Vor Gericht und auf hoher See, meine Damen und Herren - das wissen wir -, sind wir alle in Gottes Hand. Aber einen solchen demokratisch und politisch für richtig erachteten Schritt aus Angst vor einer Niederlage nicht zu gehen, wäre ein Zurückweichen der Demokratie und des wehrhaften Rechtsstaates.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, bei allem Respekt vor Ihrem Antrag: Er kommt zu spät, weil der Verbotsantrag eingereicht ist.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist nicht wahr! Er war längst gestellt!)

Wir sind uns einig in der Frage der Prävention. Ich persönlich würde mich freuen, wenn Sie Ihren Antrag heute zurückziehen könnten; denn dies würde unterstreichen, dass wir uns im Ziel und auch in der Bewertung dessen einig sind, worauf es ankommt, nämlich das eine zu tun, ohne das andere zu lassen.

In diesem Sinne bedanke ich mich fürs Zuhören und bitte um Entschuldigung für die Überziehung der Redezeit; aber das musste einmal gesagt werden.

Danke schön.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich schließe nun die Beratung und komme zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der FDP in der Drs. 17/176 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Ausschussempfehlung wurde mit großer Mehrheit gefolgt.

(Zustimmung bei der SPD)

Nun erteile ich Herrn Kollegen Busemann das Wort zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 unserer Geschäftsordnung. Bitte!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich, auch wenn wir alle in die verdiente Weihnachtspause wollen, zu Wort gemeldet, weil ich schon daran interessiert bin, dass der Umgang hier miteinander gepflegt, im Einklang mit der Geschäftsordnung und stilvoll geschieht und dass auch der Umgang zwischen Plenum und Präsidium zweifelsfrei und geklärt bleibt.

Ich darf daran erinnern, dass hier gestern eine Dringliche Anfrage zum Thema: „Ist der Verbraucherschutz bei dieser Landesregierung in guten Händen?“ behandelt worden ist. Seitens der CDU wurde die Anfrage vorgetragen, und die Landesregierung hat darauf geantwortet. Danach gab es, wie es sich gehört, die üblichen Zusatzfragen. Während der Behandlung dieser Anfrage wurde die Sitzung teilweise von mir als Präsident, teilweise vom Kollegen Bachmann geleitet. Wir haben die Sitzungsleitung sozusagen während der Behandlung der Dringlichen Anfrage übergeben.

Im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte heute Morgen hat sich der Kollege Tonne zu dem gestrigen Ablauf wie folgt eingelassen - ich zitiere ihn -:

„Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich rückblickend die gestrige Diskussion über die Dringliche Anfrage anschaut, dann wird man feststellen müssen: Sie haben eine Anfrage zum Verbraucherschutz gestellt und haben dann die Anfrage mit missbräuchlichen Nachfragen erst einmal unzulässig ausgeweitet. Das wurde leider zugelassen.“

Ich darf an dieser Stelle festhalten, meine Damen und Herren, Herr Kollege Tonne: Kein Abgeordneter, welcher Fraktionszugehörigkeit auch immer, hat missbräuchliche Nachfragen gestellt, und kein Präsident - gemeint war wahrscheinlich ich; faktisch hätte es aber auch der Kollege Bachmann sein können - hat insofern unzulässigerweise Nachfragen zugelassen. Es ist mir schon wichtig, das festzustellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Jens Nacke [CDU]: Jetzt ist eine Ent- schuldigung fällig!)

Meine Damen und Herren, angesichts des Vorwurfs habe ich den GBD heute Vormittag gebeten,

den Ablauf auch von der rechtlich-sachlichen Seite zu prüfen. Der GBD hat mir entsprechend einen Vermerk zur Verfügung gestellt - ich darf Ihnen einige Sätze davon zur Kenntnis geben -, in dem er noch einmal darauf abhebt, er als GBD sei gebeten worden zu prüfen, ob der Präsident im Rahmen der Sitzungsleitung verpflichtet war, im Rahmen der Dringlichen Anfrage - Landtagsdrucksache 17/1006 - „Ist der Verbraucherschutz bei dieser Landesregierung in guten Händen?“ die den Gammelfleischskandal in Bad Bentheim betreffenden Zusatzfragen zurückzuweisen. Er weist darauf hin - das ist die Rechtslage -: Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 4 unserer Geschäftsordnung müssen die Zusatzfragen zur Sache gehören und dürfen die ursprüngliche Frage nicht auf andere Gegenstände ausweiten.

Sodann beschreibt der GBD noch den Hintergrund der Fragestellung - es ging um Bad Bentheim, wie Sie sich erinnern - und sagt dann folgenden Kernsatz:

„Vor diesem Hintergrund stehen nach unserer Auffassung auch die Fragen, die den Fall Bad Bentheim und seine Behandlung durch die niedersächsischen Behörden betreffen, in dem notwendigen Sachzusammenhang zu dem Gegenstand der Dringlichen Anfrage. Denn sie thematisieren einen aktuellen in der öffentlichen Diskussion befindlichen Lebensmittelskandal und seine Behandlung durch niedersächsische Behörden.“

Ich darf feststellen, meine Damen und Herren: Weder haben sich die Fragesteller missbräuchlich verhalten, noch wurde von der jeweiligen Sitzungsleitung fehlerhaft geleitet.

Herr Kollege Tonne, das möchte ich Ihnen ausdrücklich noch einmal so sagen. Ich stelle es Ihrem Rechts- und Stilempfinden anheim, ob Sie die Sache bereinigen oder nicht.