Protokoll der Sitzung vom 13.12.2013

2. Warum hat der Innenminister die Stadt Wolfsburg und den Landkreis Helmstedt nicht bereits früher darüber informiert, dass deren Planungen die regionalpolitische Balance und Entwicklungsperspektiven des Oberzentrums Braunschweig nicht berücksichtigen und daher nicht von der Landesregierung unterstützt werden?

3. Welche Rolle sollen die geplanten Landesbeauftragten bei Strukturreformen „von unten“ haben?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hiebing. - Die Landesregierung antwortet. Herr Innenminister Pistorius, bitte! Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg und der Landrat des Landkreises Helmstedt wandten sich erstmals im Herbst 2012 mit dem gemeinsamen Vorschlag an die Öffentlichkeit, die Stadt Wolfsburg und den Landkreis Helmstedt durch Eingemeindung aller Städte, Samtgemeinden und Gemeinden des Landkreises Helmstedt in die kreisfreie Stadt Wolfsburg zu fusionieren. Der Vorschlag findet bis heute bei den betroffenen Gemeinden, in der regionalen Presseberichterstattung und in der Öffentlichkeit Unterstützung. Im Mittelpunkt der diesbezüglichen Diskussionen stehen die Verbesserung des Entwicklungspotenzials der Stadt Wolfsburg sowie die äußerst prekäre finanzwirtschaftliche Lage des Landkreises Helmstedt und einiger seiner Gemeinden.

Allerdings wurden vor Ort auch Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer derartigen Fusion geäußert. Deshalb gaben beide Kommunen bei den Professoren Lothar Hagebölling und Veith Mehde die Anfertigung eines Gutachtens „zu den rechtlichen Aspekten einer Fusion des Landkreises Helmstedt mit der Stadt Wolfsburg zu einer kreisfreien Stadt Wolfsburg auf freiwilliger Basis und den einer solchen Fusion nahe kommenden Lösungen“ in Auftrag.

Die Ergebnisse des Gutachtens wurden am 6. Februar 2013 in Wolfsburg der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Gutachter halten die beschriebene Eingemeindungslösung für eher nicht verfassungskonform. Dagegen komme - bei Zurückstellung anderer verfassungsrechtlicher Bedenken - die Bildung eines Gemeindeverbandes aus der Stadt Wolfsburg und den Städten, Samtgemeinden und Gemeinden des Landkreises Helmstedt in Betracht. Die verbandsangehörige Stadt Wolfsburg könnte und sollte in dem Gemeindeverband einen Sonderstatus, vergleichbar dem der Landeshauptstadt Hannover in der Region Hannover, bekommen. Eine zusätzlich zur Gemeindeverbandsbildung angestrebte Vergrößerung der Stadt Wolfsburg durch Eingemeindung einer oder mehrerer Nachbargemeinden würde allerdings nach Meinung der Gutachter die auch gegen eine Gemeindeverbandsbildung bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken vergrößern.

Meine Damen und Herren, mit Schreiben vom 21. Februar 2013 zeigten die Stadt Wolfsburg und der Landkreis Helmstedt dem Innenministerium die beabsichtigte Aufnahme von Verhandlungen über einen Zusammenschluss beider Gebietskörperschaften an. Die entsprechenden Vertretungsbeschlüsse wurden im März 2013 gefasst. Mit Schreiben vom 25. Februar 2013 zeigten darüber hinaus die Stadt Wolfsburg und die Stadt Königslutter am Elm dem Innenministerium an, Verhandlungen auch speziell über einen Zusammenschluss ihrer Gebietskörperschaften aufnehmen zu wollen.

Wichtiges Anliegen des Landkreises Helmstedt und seiner Samtgemeinden und Gemeinden im Zusammenhang mit einem Zusammenschluss von Landkreis Helmstedt und Stadt Wolfsburg ist es, eine Entschuldungshilfe nach dem Zukunftsvertrag zu erlangen. Mit diesem Ziel stellten der Landkreis selbst sowie alle Städte, Samtgemeinden und Einheitsgemeinden im Landkreis Helmstedt fristwahrend, d. h. rechtzeitig vor dem 31. März 2013, entsprechende Anträge an das Land. Dabei handelt es sich in einem Fall um eine beabsichtigte Eigenentschuldung und im Übrigen um beabsichtigte Zusammenschlüsse von Samtgemeinden, Einheitsgemeinden oder Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden.

Seit Mai dieses Jahres werden intensive politische und fachliche Gespräche zwischen dem Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg, dem Landrat des Landkreises Helmstedt und Vertretern der Landesregierung geführt. Die Landesregierung begrüßt und unterstützt das Zusammenschlussvorhaben von Stadt Wolfsburg und Landkreis Helmstedt und ist bereit, bei der Klärung weiterer Fragen und der bestmöglichen Ausgestaltung eines solchen Vorhabens mitzuwirken.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Aufgrund der bisher geführten Gespräche sind sich alle Beteiligten, meine Damen und Herren, darin einig, dass eine Fusion von Stadt Wolfsburg und Landkreis Helmstedt insgesamt aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht durch Eingemeindungen, sondern „nur“ durch Gemeindeverbandsbildung nach dem Beispiel der Region Hannover erfolgen könne. Dieses Modell beinhaltet jedoch die Übertragung wesentlicher Aufgaben, die heute von der Stadt Wolfsburg wahrgenommen werden, auf den Gemeindeverband.

Alternativ zu diesem Modell könnten einzelne Eingemeindungen in die Stadt Wolfsburg zweckmäßig sein und in Betracht kommen. Durch solche Ein

gemeindungen würden sehr viel weiter gehende Fragen aufgeworfen. In diesem Fall müssten die gesamten Strukturen im Raum Braunschweig/Wolfsburg betrachtet werden. Insoweit hat das Land in den Gesprächen auf seine Verantwortung in dieser Frage hingewiesen. Diese Gesamtverantwortung erfordert es, bei dem jetzt für das Zusammenschlussvorhaben Wolfsburg/Helmstedt erreichten Erörterungsstand andere Kommunen und kommunale Akteure im Raum Braunschweig in die konkrete Ausgestaltung der anzustrebenden Lösung einzubeziehen.

(Zustimmung bei der SPD)

Der Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg und der Landrat des Landkreises Helmstedt haben daraufhin das Land gebeten, in den weiteren Abstimmungsgesprächen eine moderierende Rolle zu übernehmen und diese zeitnah zu beginnen.

Meine Damen und Herren, anders als der Presseberichterstattung im Raum Braunschweig zu entnehmen war, gehen demzufolge die Gespräche über den bestmöglichen Zuschnitt der kommunalen Grenzen im Raum Wolfsburg/Helmstedt mit der Stadt Wolfsburg und dem Landkreis Helmstedt weiter und treten „lediglich“ in ein neues Stadium ein. Von einem Ende der Gespräche kann keine Rede sein.

(Ulf Thiele [CDU]: Was haben Sie ei- gentlich veranlasst?)

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Landesregierung begrüßt es, wenn Kommunen zur Steigerung ihrer Leistungskraft zu freiwilligen Fusionen bereit sind. Sie wird diese Kommunen bei ihren Vorhaben unterstützen, begleiten und beraten. Im Einzelfall ist sie zudem bereit, derartige Prozesse zu moderieren, so auch im Fall der beabsichtigten Fusion der Stadt Wolfsburg mit dem Landkreis Helmstedt; ich verweise auf die Vorbemerkung.

Ungeachtet dessen trägt für kommunale Gebietsänderungen immer der Gesetzgeber die letzte Verantwortung. Das impliziert die wichtige Rolle der Abgeordneten des Niedersächsischen Landtags und ihrer Fraktionen für die Umsetzung solcher Vorhaben. Eines politischen und ausdrücklich wiederholten Dialogangebotes der Landesregierung quasi als Handlungsvoraussetzung bedarf es in diesem Zusammenhang also nicht, weil die Gespräche bereits geführt werden.

(Angelika Jahns [CDU]: Sie haben es getan!)

Im Übrigen verweise ich auf die Vorbemerkungen.

Zu 2: Wie in den Vorbemerkungen dargestellt, werden die Gespräche zwischen den Vertretern des Landes und der Stadt Wolfsburg sowie dem Landkreis Helmstedt seit mehreren Monaten geführt. Im Rahmen der Gespräche ist eine Vielzahl komplexer Fragestellungen zu berücksichtigen. Alle diese Fragestellungen werden zwischen den Beteiligten auch weiterhin in intensiven Gesprächen erörtert werden. Dass die Bildung neuer Gebietskörperschaften immer auch die regionale Balance berücksichtigen muss, meine Damen und Herren, habe ich im Übrigen bereits in einem Interview mit der Braunschweiger Zeitung vom 5. Juli 2013 betont.

Zu 3: Die neuen Landesbeauftragten für regionale Landesentwicklung werden zusammen mit dem Innenministerium die zu Fusionen bereiten Kommunen unterstützen oder im Einzelfall, wenn erbeten, solche Vorhaben auch moderieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Zu einer Zusatzfrage hat sich die Kollegin Angelika Jahns von der CDUFraktion gemeldet. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass es bei der Stadt Wolfsburg und beim Landkreis Helmstedt den Antrag auf eine gemeinsame Sitzung gibt, frage ich die Landesregierung: Ist der Innenminister bereit, zu einer gemeinsamen Sitzung des Verwaltungsausschusses der Stadt Wolfsburg und des Kreisausschusses des Landkreises Helmstedt zu kommen, um Rede und Antwort zu diesen Fusionsplänen zwischen den beiden Kommunen zu stehen?

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Jahns, bislang liegt mir

eine solche Einladung nicht vor. Ich habe lediglich über die Presse von diesem Wunsch erfahren.

Ich füge hinzu, dass ich mich nicht in der Rolle sehe, vor kommunalen Gremien Rede und Antwort zu stehen. Ich habe ein Dialogangebot gemacht. Ich befinde mich mit allen Akteuren im Gespräch. Dem ist nichts hinzuzufügen. Wenn eine Einladung kommt, werde ich darüber entscheiden, ob ich teilnehme.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Eine weitere Zusatzfrage wird vom Kollegen Ansgar-Bernhard Focke von der CDU-Fraktion gestellt. Herr Focke!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass Politik wie auch Verwaltung der Stadt Wolfsburg eine Fusion und Fusionsgespräche mit der Stadt Braunschweig abgelehnt haben, ob die Landesregierung diese Äußerungen der Stadt Wolfsburg ernst nimmt.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Focke, als langjähriger Kommunalpolitiker und jetziger Innenminister ist es selbstverständlich, dass ich jede Äußerung einer kommunalen Gebietskörperschaft ernst nehme.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Herr Schiesgeries, Sie haben das Wort für eine weitere Zusatzfrage.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie steht die Landesregierung zu der Aussage, die der Wolfsburger SPDFraktionsvorsitzende, Herr Hans-Georg Bachmann, in den Wolfsburger Nachrichten vom 9. November 2013 gemacht hat? Dort heißt es, Herr Innenminister:

„Jetzt ergreifen zwei Partner die Initiative und bekommen Knüppel zwischen die Beine geworfen.“

Ich bitte um eine Antwort.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Pistorius!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es verbietet sich für die Landesregierung, Presseerklärungen von Fraktionsvorsitzenden kommunaler Gebietskörperschaften hier im Plenum zu kommentieren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Ich werde Sie daran erinnern, Herr Minis- ter, wenn es sich um eine CDU- Pressemitteilung handelt! - Zuruf von der CDU: Das war aber nichts!)

Die nächste Frage wird gestellt vom Kollegen Bernd-Carsten Hiebing, CDU-Fraktion.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)