Tagesordnungspunkt 22: Abschließende Beratung: Volksinitiative gemäß Artikel 47 Niedersächsische Verfassung; hier: „Volksinitiative für bessere Rahmenbedingungen in den niedersächsischen Kindertagesstätten“ - Unterrichtung - Drs. 17/814 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - Drs. 17/1450 neu - Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/1516
Zu dieser Volksinitiative liegt Ihnen die Unterrichtung des Landtagspräsidenten in der Drucksache 17/1024 vor.
Zum Abschluss der Befassung mit der Volksinitiative, zu der der Landtag verpflichtet ist, weil die Initiatoren die nach Artikel 47 unserer Verfassung erforderliche Zahl von mindestens 70 000 Unterstützungsunterschriften erreicht haben, liegt nun die Beschlussempfehlung des Kultusausschusses vor, mit der Ihnen der Kultusausschuss empfiehlt, zu dem Anliegen der Volksinitiative einen mit „Anliegen der Kita-Volksinitiative ernst nehmen - Qualität in Krippen und in Kindertageseinrichtungen verbessern“ überschriebenen Beschluss zu fassen und die Behandlung der Volksinitiative im Landtag damit abzuschließen.
Der Änderungsantrag der Fraktion der CDU geht dahin, unter der Überschrift „Anpacken und nicht liegen lassen: Qualität in der frühkindlichen Bildung ausbauen - Förderung der dritten Kraft in Krippen“ einen von der Beschlussempfehlung abweichenden Beschluss zu fassen.
Ich eröffne die Beratung zu diesen Drucksachen. Wir beginnen mit der mehrheitlichen Beschlussempfehlung des Kultusausschusses. Dazu spricht als Erster für die Koalitionsfraktionen der Kollege Uwe Santjer. Herr Kollege Santjer, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Tag ist ein guter Abschluss für die Erfolgsgeschichte der Volksinitiative für bessere Rahmenbedingungen in Kindertagesstätten. Aus ihr geht eine Entschließung hervor, der sich endlich einmal damit beschäftigt, wie die Kindertagesstättenlandschaft in Niedersachsen am Ende aufgestellt sein muss.
Nach meiner Recherche ist das für dieses Haus etwas Besonderes, weil die Entschließung von den Regierungsfraktionen kommt. In den letzten elf Jahren haben SPD und Grüne immer wieder bessere Bedingungen in Kindertagesstätten gefordert.
- Wir können hieraus gerne eine Podiumsdiskussion machen. Dann können wir beide uns nebeneinander setzen.
(Kai Seefried [CDU]: Ich bin gespannt, was jetzt passiert! - Gegenruf von Claus Peter Poppe [SPD]: Einfach zuhören!)
Da kann ich Ihnen nur sagen, dass ich es ziemlich bedauerlich finde, dass es nicht gelungen ist, dazu einen seriösen Finanzierungsvorschlag zu machen.
Letztendlich wird Ihnen jetzt der Spiegel vorgehalten. In den zehn Jahren, in denen Sie in der Regierungsverantwortung waren, haben Sie, wenn wir darüber gesprochen haben, ob es bessere Bedingungen geben soll, uns immer wieder vorgeworfen, dass wir dazu überhaupt keine Finanzen bereit
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Reinhold Hilbers [CDU]: Was Sie hier machen, ist der Bruch eines Wahlversprechens! - Weitere Zurufe von der CDU - Unruhe - Glo- cke des Präsidenten)
Es mutet ein Stück weit makaber an, dass Sie auf der einen Seite Dinge fordern, die das Land Niedersachsen am Ende jährlich 140 Millionen Euro kosten, während Sie auf der anderen Seite die Regierungsfraktionen und die Landesregierung immer wieder darauf hinweisen, dass die Schuldenbremse so wichtig sei, dass man sie am besten schon morgen einhalten müsste. Da passt etwas nicht zusammen.
Sehr geehrte Damen und Herren, da muss ich zugeben: Auch wenn sie nicht meine politische Position ist - wie könnte sie! -, finde ich die Position der Kollegen von der FDP seriöser. Sie sagen, dass sie für bessere Rahmenbedingungen in den Kindertagesstätten einiges zu opfern bereit seien, z. B. die Wiedereinführung der Studiengebühren. Da nehme ich auf jeden Fall mehr Realitätssinn wahr als bei der CDU.
Das Kindertagesstättengesetz - darauf hat die Volksinitiative hingewiesen - ist über 20 Jahre alt. Es ist zu einer Zeit entwickelt worden, als Kinder noch andere Arten von Betreuung und andere Arten von Bildungsbegleitung brauchten. Damals, glaube ich, war das Gesetz gut. Aber die Wirklichkeit hat sich weiterentwickelt; die Bedürfnisse im Bereich der Kindertageseinrichtungen haben sich verändert. Nur das Gesetz wurde nicht weiterentwickelt. Ich glaube, das ist einer der Gründe dafür, dass diese Volksinitiative letztendlich so erfolgreich war.
Vierzehn Volksinitiativen hat es in Niedersachsen gegeben. Vier haben die erforderlichen 70 000 Unterschriften vorlegen können. In diesem Fall waren bis Januar sogar über 110 000 Unterschriften zusammengekommen. Ich habe einen Riesenrespekt vor dem, was die Initiatoren geleistet haben.
Sie haben sich an die Initiative „Kinder sind mehr wert“ angelehnt. Da ging es um gute Bedingungen, um bessere Bedingungen. Ich erinnere mich, dass fast alle Abgeordnete von SPD und Grünen in diesem Hause diese Initiative unterstützt haben.
Mit am wichtigsten ist den Initiatoren natürlich der Personalschlüssel. Aber sie sagen auch: Das muss am Ende in ein vernünftiges Kindertagesstättengesetz münden.
Die Unterstützer, diese über 110 000 Menschen - wahrscheinlich sind es noch viel mehr, wenn man weitere Initiativen mitzählt -, zeigen, was im Bildungsbereich Kindertageseinrichtungen liegen geblieben ist. Ja, es ist gelungen, den quantitativen Ausbau anzufassen. Aber er ist noch nicht zu Ende. Wir mussten mit der Zukunftsoffensive Bildung gleich 5 000 neue Krippenplätze schaffen und dafür noch einmal 80 Millionen Euro in die Hand nehmen. Das hätten wir uns natürlich gerne erspart.
wenn wir den Fokus - ich glaube, das gehört zu realistischer Politik dazu - einfach einmal auf das wirklich Wesentliche richten,
dann müssen wir uns fragen: Was ist in den Kindertageseinrichtungen los? Was hat sich angesammelt? Wir müssen feststellen, dass siebeneinhalb Stunden Vorbereitungszeit für eine Gruppe mit 25 Kindern und zwei Erziehern überhaupt nicht mehr ausreichen können.
In viel zu geringem Maße gibt es Leitungsfreistellungen. Wir haben immer mehr Bürokratismus. Die besten Leute, die wir in den Einrichtungen haben, haben immer weniger Möglichkeiten, pädagogisch einzuwirken, weil wir sie mit vielen Aufgaben an den Schreibtisch fesseln.
(Christian Dürr [FDP]: Wir haben in der letzten Periode doch über die Standards diskutiert! Ihre Fraktion war doch auch da! - Zuruf von der CDU: Was tun Sie dagegen? - Gegenruf von der SPD: Hören Sie doch einmal zu! - Christian Dürr [FDP]: Aber Sie regieren! Das wissen Sie schon! - Un- ruhe - Glocke des Präsidenten)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Santjer, Sie sind der erste Redner in dieser Debatte. Alle übrigen Fraktionen kommen auch noch dran. Deswegen besteht keine Notwendigkeit, die Rede durch Zwischenrufe zu kommentieren. Tragen Sie Ihre Anliegen hier vorne vor. Es ist sehr störend, wie das im Moment abläuft. Lassen Sie den Kollegen Santjer bitte in Ruhe reden.
Herr Präsident, ich danke Ihnen herzlich. Ich möchte aber hinzufügen, dass ich die Reaktionen nachvollziehen kann. Es sind viele Emotionen hier im Raum. Wenn man ein Stück Straße gefahren ist, zurückblickt und merkt, was man alles liegen gelassen hat, dann würde auch mir das ein oder andere einfallen.
Ich will einige wenige Dinge aufführen, woran es fehlt. Es fehlt an Bindungszeit durch zu große Gruppen, an Fortbildungen und an Raum. Vor 20 Jahren gab es noch nicht so viele Kinder, die ihr Mittagessen in den Einrichtungen zu sich genommen haben. Momentan ist alles sehr provisorisch geregelt, was Küchen, Speiseräume und Differenzierungsräume angeht. Es fehlen Ganztagsplätze, es mangelt an Integration vor Ort, und es fehlt an entsprechender Bezahlung.
Es gibt sogar Einrichtungen, die im Zweitkraftbereich ganz anders bezahlen als im Erstkraftbereich; obwohl man in der Praxis gar nicht mehr feststellen kann, wer Erst- und wer Zweitkraft ist. Es ist ein Dilemma, was wir da vorgefunden haben. Es fehlt an guten Ausbildungsbedingungen, es fehlt an Fachpersonal, und es fehlt an Regelungen für Vertretungen. Ich könnte noch weitere Punkte aufführen.
- Ja, sehr geehrte Damen und Herren, es ist schmerzhaft, wenn man hört, was alles nicht geleistet wurde.
Wir haben ein schwieriges Feld übernommen. Wollten wir die notwendigen Maßnahmen umsetzen, dann müssten wir jährlich 500 Millionen Euro in die Hand nehmen.