Protokoll der Sitzung vom 27.06.2014

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 39. Sitzung im 15. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 17. Wahlperiode. Gemeinsam mit den Schriftführern wünsche ich Ihnen einen guten Morgen.

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsident!)

Ich sehe, Sie haben den gestrigen Abend gut überstanden. Gemeinsam haben „wir“ 1 : 0 gewonnen. Möge es so weitergehen!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, angesichts der guten Präsenz darf ich bereits jetzt die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.

Tagesordnungspunkt 30: Mitteilungen des Präsidenten

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt 31: Mündliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort, mit Ausnahme des Tagesordnungspunktes 40, den wir bereits gestern behandelt haben.

Die heutige Sitzung soll gegen 16.55 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin Frau Twesten mit.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Frau Sozialministerin Cornelia Rundt, von der Fraktion der CDU Herr Frank Oesterhelweg von ca. 9.30 Uhr bis 13.30 Uhr, von der Fraktion der SPD Frau Johanne Modder ab 10 Uhr und Frau Kathrin Wahlmann, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Julia Willie Hamburg und von der FDP-Fraktion Frau Almuth von Below-Neufeldt und Herr Jan-Christoph Oetjen.

Danke schön, Frau Twesten. - Meine Damen und Herren, wir gehen gleich über zum

Tagesordnungspunkt 31: Mündliche Anfragen - Drs. 17/1605

Die für die Fragestunde geltenden Regelungen unserer Geschäftsordnung setze ich als bekannt voraus.

Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich stelle fest: Es ist jetzt 9.07 Uhr.

Meine Damen und Herren, es steht an die

Frage 1: „Hier regiert der Apparat“ - Ist die Justizministerin in ihrem Amt überfordert?

Diese Frage wird von Kolleginnen und Kollegen der CDU gestellt. Zum Vortrag der Frage hat sich die Kollegin Mechthild Ross-Luttmann gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf die mündliche Anfrage mit der Überschrift „Hier regiert der Apparat - Ist die Justizministerin in ihrem Amt überfordert?“ verlesen:

„Hier regiert der Apparat“ schreibt die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) in einem Kommentar am 5. Juni 2014 zu dem Verhalten des Justizministeriums im Fall des Sicherungsverwahrten Reinhard Rühs, der während eines Freigangs ein 13-jähriges Mädchen missbraucht haben soll und daraufhin auf der Flucht war.

„Karrieren im Angebot“ titelte die HAZ am 12. April 2014 über den Referatsleiter des Justizministeriums, der Klausuren des juristischen Staatsexamens verkaufte.

„Fall Edathy - Neue Pannen bei Ermittlungen. Trotz Immunität kam es zu Ermittlungen“ schreibt die Braunschweiger Zeitung am 10. Mai 2014 über die Ermittlungen gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wegen des Verdachts der Kinderpornografie.

Die Neue Presse hatte bereits am 3. April 2014 geschrieben: „Die niedersächsische Justiz sorgte in den vergangenen Monaten immer wieder bundesweit für Furore - allerdings immer mit negativen Schlagzeilen.“

Wir fragen die Landesregierung:

1. Was würde die Landesregierung in den Fällen Edathy, des mutmaßlich korrupten Referatsleiters des Justizministeriums und des mutmaßlich rückfälligen Sicherungsverwahrten der JVA Lingen im Rückblick anders machen?

2. Welche Maßnahmen wurden in diesen Fällen von der Justizministerin veranlasst?

3. Welche Fehler sieht die Landesregierung in diesen Fällen?

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ross-Luttmann. - Für die Landesregierung antwortet Frau Justizministerin Niewisch-Lennartz. Bitte sehr, Frau Justizministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die CDU stellt im Titel ihrer Mündlichen Anfrage einen Begriff in den Mittelpunkt, der mir bereits bei dem Presseartikel Sorgen gemacht hat.

(Angelika Jahns [CDU]: Uns auch! - Weitere Zurufe von der CDU)

„Hier regiert der Apparat“ - welche Assoziationen löst dieser Begriff aus? - Mit „Apparat“ bezeichnet man in der Regel die Stasi.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

Mit diesem Begriff belegt man den Parteiapparat der ehemaligen DDR. Der Begriff „Apparat“ nimmt Bezug auf eine Maschine, aus der der Mensch, wenn er hineingerät, nicht heile bzw. als gleichmäßig plattgedrücktes Element wieder herauskommt.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Ungeheuerlich! - Un- ruhe)

Frau Ministerin, einen Moment, bitte! - Ich bitte rechts und links und sonst überall um Ruhe! Sonst warten wir solange, bis die Ruhe hergestellt ist. - Bitte sehr!

Mich hat dieser Begriff in dem erwähnten Zeitungsartikel besonders irritiert, weil er von einem Redakteur kam, den ich eigentlich besonders schätze. Man sieht daran, welche Effekte Ihre Attacken gegen die Justiz haben. Die Justiz ist „der Apparat“? - Die Justiz ist die dritte Gewalt in diesem Land!

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Dirk Toepffer [CDU]: Aber Sie gehören zur zweiten! - Chris- tian Dürr [FDP]: Wir reden über Ihre politische Verantwortung, Frau Minis- terin!)

Die Justiz ist eine Gewalt, die selbst keine Gewalt ausübt. Und ich bin stolz darauf, lange Richterin und Teil dieser Justiz gewesen zu sein. Es gibt keinen Grund, sich dafür zu genieren, dass man vom Fach ist und deswegen die Justiz kennt.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Es geht um Ihre politische Ver- antwortung, nicht um die Justiz! Pein- lich! Sie sind nicht die Justiz, Sie sind die Exekutive!)

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie beziehen sich in Ihrer Frage auf drei Vorgänge, die mich, die niedersächsische Justiz, den Niedersächsischen Landtag und die Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten intensiv beschäftigt haben. Diese drei Vorgänge waren häufig Gegenstand der Debatte hier im Hohen Haus, aber auch im Rechtsausschuss. Wir haben uns intensiv darum bemüht, Sie zu unterrichten, und ich meine, das ist uns auch vollumfänglich gelungen.

Ich will gleichwohl zum einen die drei Vorgänge in den wesentlichen Punkten in Erinnerung rufen und zum anderen, soweit erforderlich, die Mitglieder dieses Hohen Hauses auf den neuesten Stand bringen und damit zugleich Ihre Fragen beantworten.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das wäre schön!)

Wir beginnen mit dem Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy.

Das Verfahren war bereits seit Februar dieses Jahres Gegenstand diverser parlamentarischer Unterrichtungen und Debatten im Hohen Haus. Wie Sie wissen, hat dieses Verfahren seinen Ur

sprung in Kanada. Im Jahre 2010 gab es ein Ermittlungsverfahren gegen einen Betrieb, der Fotosets und Filme von nackten oder weitgehend unbekleideten vorpubertären Kindern in fast 100 Staaten verkauft hatte. Im Mai 2011 kam es dort zu Durchsuchungen und zur Verhaftung des Firmeninhabers.

Im November 2011 erhielt das Bundeskriminalamt umfangreiches Datenmaterial, das über 800 deutsche Besteller betraf. Mit der Auswertung begann das BKA im Juni 2012. Die Ergebnisse wurden in Abstimmung mit der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main rechtlich bewertet. Sie wurden in Kategorien eingeteilt - Kategorie I: kinder- oder jugendpornografisch, Kategorie II: nicht tatbestandlich. Erste Personenüberprüfungen fanden Anfang November 2012 statt und betrafen bundesweit 443 Besteller, davon 34 in Niedersachsen.

Mitte Oktober 2013 wurden alle 16 Landeskriminalämter um Mitteilung personenbezogener Erkenntnisse zu den Bestellern gebeten. Das Landeskriminalamt Niedersachsen leitete die ihm zugegangenen und 16 Personen in Niedersachsen betreffenden Informationen noch am selben Tag den örtlichen Polizeidienststellen zu. Darunter befand sich erstmalig auch eine Erkenntnisanfrage zum damaligen Bundestagsabgeordneten Edathy. Diese Anfrage wurde an die Polizeiinspektion Nienburg weitergeleitet.

Ende Oktober 2013 erhielt die Generalstaatsanwaltschaft Celle den Vorgang betreffend den damaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy und leitete ihn an die Staatsanwaltschaft Hannover weiter. Dort ging er Anfang November ein.

Innerhalb der Staatsanwaltschaft ist seither der Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung gewaltdarstellender, pornografischer und sonst jugendgefährdender Schriften für das Verfahren zuständig. An dieser Zuständigkeit hat die Aufsichtsbehörde, die Generalstaatsanwaltschaft in Celle, aus guten Gründen nichts geändert, und ich habe hier aus ebenso guten Gründen nicht eingegriffen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)