Mit dem Stopp der Erkundung in der Amtszeit Jürgen Trittins mussten seinerzeit Standortzwischenlager errichtet werden. Hiergegen gab es schon damals erhebliche Vorbehalte von Kommunalpolitikern und der Bevölkerung vor Ort. Auf diese Vorbehalte wird auch die Verbringung von Castoren an andere Standorte in Deutschland stoßen. Die Politik steht vor der Herkulesaufgabe, die möglichen Standortkommunen davon zu überzeugen, dass die Castoren aus Großbritannien und Frankreich hier nicht auf unbestimmte Zeit, bis zum Sankt-Nimmerleinstag, lagern. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt: Wie überwindet man den Widerstand, mit dem man an den infrage kommenden Zwischenlagerstandorten Brunsbüttel und Philippsburg zu rechnen hat? Und: Welchen Beitrag leistet die Niedersächsische Landesregierung dabei?
Der grüne Umweltminister in Kiel hatte Anfang letzter Woche ein großzügiges Angebot unterbreitet, alle Castoren sollten nach Brunsbüttel. Inzwischen ist die schleswig-holsteinische Landesregierung in dieser Frage deutlich zurückhaltender und stellt gegenüber dem Bund Bedingungen, die von sachfremden Erwägungen geleitet werden.
Ich sage Ihnen, Herr Ministerpräsident, eines ganz deutlich: Sie können sich nicht einfach auf die Zuschauertribüne zurückziehen und den Bundesumweltminister in dieser Frage allein auf dem Platz stehen lassen.
Ihre bisherige Amtsführung nach dem Prinzip „liegenlassen, später machen“ funktioniert in dieser Frage nicht. Ach nein, sorry, ich meine natürlich Ihre Erledigungsblockade, meine Damen und Herren. Im Gegenteil! Unser Land Niedersachsen würde Schaden nehmen, wenn Sie hier nicht kraftvoll vorangehen und auch an der Seite von Peter Altmaier weiter kämpfen.
Die Gegner eines möglichen Kompromisses in Kiel haben sich inzwischen lautstark artikuliert - ich zitiere -:
Das ist die kraftvoll vorgetragene Aussage vom SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Ralf Stegner. Mit Blick auf die ablehnende Haltung von Herrn Stegner, Herr Weil, wäre es sinnvoll, von Landesvorsitzendem zu Landesvorsitzendem ein vertrauliches Gespräch zu führen und auch Herrn Stegner davon zu überzeugen, dass er seine Haltung aufgeben muss.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Es gibt viele offene Fragen, denen Sie sich ernsthaft stellen müssen. Aus niedersächsischer Sicht sind es vor allem zwei Fragen, die von ganz zentraler Bedeutung sind.
Erstens. Was wäre für unser Bundesland wirklich gewonnen, wenn ein Teil der Castortransporte am Ende doch wieder nach Niedersachsen rollt, wenn auch an andere Standorte? Die Landesregierung kann nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, dass ein Teil der Castoren am Ende beim KKU Unterweser, in Grohnde oder Lingen zwischengelagert wird.
Ich bin Ihnen übrigens dankbar, dass Sie zumindest für das Kernkraftwerk Unterweser über dpa haben verlauten lassen, dass Sie ausschließen, dass dort Castoren eingelagert werden, die aus La Hague oder Sellafield kommen. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie das auch heute von hier aus deutlich sagen. Ich hätte mir ebenso gewünscht, dass Sie das gleichzeitig für die Standorte Lingen und Grohnde ausschließen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Ja, für ei- gentlich alle! - Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Das ist Geschichtsklitte- rung!)
- Nein, das ist keine Geschichtsklitterung, gnädige Frau, sondern Ihr Umweltminister Wenzel ist im Weser-Kurier damit zitiert worden ist, dass Unterweser in Betracht käme.
Auch dieser Realität müssen Sie sich einfach stellen, und Sie können nicht sagen: Der böse Peter Altmaier ist es. - In dieser Frage sitzen wir alle in einem Boot. Da sitzen wir schon immer. Das Problem ist, Sie haben es noch nicht verstanden. Das ist das Problem, meine Damen und Herren.
Es bleiben die Fragen: Welche Auswirkungen hätte das auf den geplanten Rückbau des Kernkraftwerks Unterweser? Welche Auswirkungen hätte das überhaupt auf den geplanten Rückbau kerntechnischer Anlagen?
Zweitens. Was tut die Landesregierung für den Fall, dass die geplante Enquete-Kommission einen anderen Erkundungsstandort in Niedersachsen in den Fokus der Endlagersuche rückt? Die Neue Osnabrücker Zeitung sprach in ihrer gestrigen Ausgabe bereits von einem möglichen Pyrrhussieg und gab in diesem Zusammenhang zu bedenken - ich zitiere -:
„So oder so ist Niedersachsen in Sachen Endlager nicht aus dem Schneider. Das Bundesland ist reicher als jedes andere an Gestein, das für die Lagerung für Atommüll geeignet scheint.“
Wenn Sie sich die Mühe machen würden, meine Damen und Herren, einmal über die Grenze zu schauen, wie diese Ankündigungen in den Niederlanden wirken - im Übrigen komplett durch das ganze Parteienspektrum in den Niederlanden von der rechten bis auf die linke Seite -, würden Sie sehen, dass dort Resolutionen gegen den Standort Wahn ins Feld geführt werden, die sich gewaschen haben. Bürgerinitiativen machen sich bereit, den Kampf gegen eine Endlagersuche am Standort Wahn aufzunehmen. Ich kann Ihnen sagen: Das gilt für Standorte wie Bad Zwischenahn und andere genauso.
Ich sage Ihnen ganz offen: Nicht nur die Bürger im Wendland, sondern auch die Menschen in Kleinensiel, in Lingen, in Grohnde, in Wahn, in Lichtenhorst, in Höfer bei Celle, in Bad Zwischenahn haben einen Anspruch darauf, dass man ihre Interessen vertritt.
Meine Damen und Herren, Deutschland braucht ein Endlager. Die dauerhafte dezentrale Lagerung von Atommüll ist keine zukunftsfähige und vor allen Dingen keine sichere Lösung. Wenn Sie sich Ihrer Verantwortung für ganz Niedersachsen stellen und wenn Sie das Prinzip „liegenlassen, später machen“, das Prinzip des „Sorry, nein“, also Ihr entscheidendes Zögern in dieser für die Landespolitik so zentralen Frage, außer Kraft setzen, dann haben Sie unsere volle Unterstützung.
Vielen Dank, Herr Thümler. - Nur ein Hinweis an die CDU: Die Redezeit hat 15:59 Minuten betragen. Man muss also die erlaubte Redezeit nicht voll ausschöpfen, um alles zu sagen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mich dem Beitrag von Herrn Thümler widme, möchte ich im Namen meiner Fraktion unserem Ministerpräsidenten Stephan Weil und unserem Umweltminister Stefan Wenzel ganz herzlich für ihre Positionierung, für ihre konsequente Haltung und für ihre unbeirrbare Verhandlungsführung in den letzten Wochen und Monaten danken.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jörg Hillmer [CDU]: Mei- nen Sie jetzt die Position vor der Wahl oder die nach der Wahl? - Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Das ist die Konsequenz der SPD!)
Ein dickes Dankeschön gebührt ihnen, weil sie trotz etlicher Angriffe auch aus diesem Hause und schwerer Vorwürfe dem Endlagersuchgesetz in seiner ursprünglichen Form nicht sofort zugestimmt haben, sondern an dieser Stelle hart geblieben sind und die Interessen Niedersachsens vehement vertreten haben.
Wissen Sie, Herr Thümler, was ich mich die ganze Zeit gefragt habe? - Ich habe mich gefragt: Was wollen Sie eigentlich, und wo stehen Sie jetzt eigentlich?
Ich gebe Ihnen den dringenden Rat: Gucken Sie sich noch einmal das Endlagersuchgesetz an, das unter der alten Landesregierung Zustimmung gefunden hätte - dann wären nämlich Castortransporte nach Gorleben gegangen -,
und gucken Sie sich an, wie die Interessen Niedersachsens vertreten worden sind - nämlich gar nicht, überhaupt nicht!
Sie sollten dem Hohen Hause heute einmal erklären, ob Sie jetzt zu dem Kompromiss stehen, ob Sie Altmaier und Merkel unterstützen oder ob Sie noch nicht ganz wissen, wo Sie stehen wollen.
Sie haben vorhin gesagt: Wir sitzen alle in einem Boot. - Ja, aber zumindest meine Fraktion und, glaube ich, auch die Grünen steigen bei Ihnen garantiert nicht ins Boot.
Meine Damen und Herren, seit 35 Jahren beschäftigt und belastet uns die Frage der Endlagerung unseres Atommülls - bundespolitisch, aber insbe
sondere natürlich konkret hier in Niedersachsen. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen: Wir haben bis heute keine Lösung dieses Problems. Dieses Erbe unseren Kindern, Enkeln, Urenkeln und vielen weiteren Generationen zu hinterlassen, ist nach meiner tiefsten Überzeugung nicht zu verantworten. Auch deshalb ist die Bedeutung des Atomausstiegs - des Ausstiegs aus dieser Risikotechnologie - mit allen seinen Folgen nicht hoch genug zu bewerten.