Unser Bundesland war von Beginn an und in all den Jahren der alleinige Lastenträger, was die Rückstände der Kernenergienutzung in Deutschland angeht. Endlich, nach 35 Jahren, ist in dieser Frage das Denkverbot über Landesgrenzen hinaus aufgebrochen. Mit dem Spitzentreffen von Bund und Ländern am 9. April haben wir die politische Wende eingeschlagen, die viele Beteiligte noch am Vorabend für nicht möglich gehalten hatten.
Meine Damen und Herren, dieser hart erkämpfte Kompromiss ist das Ergebnis unzähliger Gespräche, Telefonate und Abstimmungen. Er ist der vom Ministerpräsidenten beschriebene Weg zu einer rationalen Endlagersuche in Deutschland. Allerdings stehen wir - das muss uns bewusst sein - ganz am Anfang dieses Weges. Das nun vorliegende, maßgeblich von Niedersachsen ausgehandelte Ergebnis ist ein großer Erfolg der neuen Landesregierung. Niedersachsen hat klug und erfolgreich verhandelt.
Ich will an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich hervorheben, was uns sehr wichtig ist: Wir setzen auf einen öffentlichen und transparenten Prozess. Wir wollen endlich die Fehlentscheidungen der Vergangenheit korrigieren. Wir wollen die Erfahrungen anderer Länder mit einbringen, dabei die Grundsatzfragen der Lagerung radioaktiven Mülls nachvollziehbar klären und auf dieser Grundlage die Eignungs- und Ausschlusskriterien für die langfristig sichere Lagerung radioaktiven Mülls erarbeiten.
Der Bund-Länder-Kompromiss vom 9. April umfasst aber noch mehr. Schon die Meldung „Keine weiteren Castortransporte nach Gorleben“ halte ich
Diese Nachricht bedeutet für unser Land und für das Wendland - nach 35 Jahren Widerstand, Unsummen aus Landesmitteln, unzähligen schwierigen Polizeieinsätzen, aber auch kräftezehrenden Einsätzen der Widerständler - ein langes, tiefes Aufatmen und eine unbeschreibliche Erleichterung.
Es gibt eine politische Einigung. Da steht jetzt der Bundesumweltminister, Herr Altmaier, in der sehr großen Verantwortung, dass es keine weiteren Transporte nach Gorleben geben wird. Natürlich ist dies - das hat die Berichterstattung der letzten Tage gezeigt - der schwierige Part in dieser Einigung, weil jetzt kurzfristig die Modalitäten dieser Einigung zu klären sind. Ich kann an dieser Stelle Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, nur auffordern, auf Ihre Freundinnen und Freunde in den von Ihnen noch regierten Ländern einzuwirken, sich hier nicht in eine Blockadehaltung zu begeben.
Sie müssen insbesondere wegen Ihrer Positionierung in der Atompolitik auch diese Frage der Zwischenlagerung beantworten. Das Ganze, meine Damen und Herren, hat auch etwas mit Ihrer Glaubwürdigkeit zu tun.
Wenn ich nun höre und lese, welche Kostenschätzungen für andere potenzielle Zwischenlager und das Endlagersuchverfahren im Raum stehen, dann kann ich nur sagen: Auch die Beteiligung der Energieversorgungsunternehmen muss neu gedacht werden. Die Energieversorgungsunternehmen müssen endlich in die finanzielle Verantwortung genommen werden. Ich stelle diese Frage hier ganz bewusst: Können wir den Bürgerinnen und Bürgern wirklich noch länger zumuten, den atompolitischen Irrweg weiter aus öffentlichen Kassen zu finanzieren, wenn auf der anderen Seite die großen Energieversorger Milliardengewinne einfahren, die sie den Atommeilern zu verdanken haben?
Meine Damen und Herren, die Einstellung der Erkundung und Erforschung bringt endlich Sicherheit vor fadenscheinigen Pseudoaktivitäten der Atomlobby in der Region. Diese Manöver, die auf Zeitschinderei aus sind, dienen nur dem Prinzip Hoffnung, dass die alte Politik doch noch zu Gorleben steht. Ich erinnere mich hierbei noch an die irritierende Idee des damaligen Umweltministers, Herrn Dr. Birkner, ein Untertagelabor zu Forschungszwecken zu unterhalten. Das ist noch gar nicht so lange her.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist für mich die Einsetzung der Bund-Länder-Kommission. Diese Kommission soll aus 24 Mitgliedern bestehen: jeweils sechs Vertreterinnen und Vertreter aus Bund und Ländern, vier aus der Wissenschaft, jeweils zwei von Umweltverbänden, Religionsgemeinschaften, Wirtschaft und Gewerkschaften. Dieser Bund-Länder-Kommission kommt eine ganz zentrale Bedeutung auf diesem zugegebenermaßen schwierigen Weg zu. Wir müssen sehr sorgfältig nicht nur die Mitglieder der Kommission auswählen und benennen, sondern auch den Auftrag der Kommission beschreiben.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Endlagersuche sorgen wir mit unserem Vorschlag aus Niedersachsen für einen sorgfältigen, ergebnisoffenen und nachvollziehbaren Prozess. Diese BundLänder-Kommission kann dazu beitragen und mithelfen, dass wir ein Stück des verloren gegangenen Vertrauens in die Politik zurückgewinnen, und kann für einen breiten, gesamtgesellschaftlichen Konsens sorgen. Helfen wir also alle mit, dass dieser Schritt gelingen kann!
Wir stehen auch gegenüber unseren Nachkommen in einer sehr großen Verantwortung. Die BundLänder-Kommission soll möglichst bis Ende 2015 konkrete Vorschläge für Such- und Ausschlusskriterien, Sicherheitsanforderungen und Abwägungskriterien bezogen auf unterschiedliche geologische Formationen erarbeiten. Erst auf der Basis dieser
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu einem anderen Kernstück der neuen Vereinbarung kommen. Bislang läuft das Standortsuchverfahren am Bundestag vorbei. Die Regierung kann das bisher alleine ohne Beteiligung des Parlaments entscheiden. Künftig werden Bundestag und Bundesrat jeden einzelnen Schritt - von der Suche über die Auswahl, die Erkundung und den Bau eines Lagers - beraten und beschließen. Hierbei ist ganz entscheidend, dass sich das Parlament bei seinen Entscheidungen auf die Bund-LänderKommission stützen kann. Dass sie das tun wird, hat der Ministerpräsident vorhin schon ausgeführt.
Meine Damen und Herren, daher ist die Besetzung der Bund-Länder-Kommission von großer Bedeutung für den ganzen Prozess. Es wird entsprechend darauf ankommen, kompetente, qualifizierte und glaubwürdige Menschen in diese Kommission zu berufen, die auch bereit sind, konsensual miteinander an diesem Jahrhundertprojekt zu arbeiten.
Ich will an dieser Stelle zwei Punkte der Einigung nicht unerwähnt lassen, weil sie auch die Frage der Glaubwürdigkeit bei dieser Endlagersuche deutlich machen:
Zweitens. Auf Beleihung privater Gesellschaften mit hoheitlichen Aufgaben wird während des Verfahrens verzichtet.
Meine Damen und Herren, die oben genannten Punkte sind für mich wichtige Anliegen, die die Grundlage für unser angestrebtes Ziel darstellen: ein breiter Konsens und eine große Akzeptanz in der Zivilgesellschaft bei dem Endlagersucherverfahren, das dann möglichst den sichersten Standort hervorbringen mag.
Mit Blick auf die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses in Berlin - wir alle haben heute schon die Zeitungen lesen können - muss ich sagen, dass ich doch etwas erstaunt bin. Die Ausführungen von Herrn Thümler unterstreichen das noch einmal. Aus dem Verhalten des Bundesumweltministers und der Bundeskanzlerin in den letzten Wochen schlussfolgere ich zumindest, dass sie aus den Fehlern von Gorleben lernen wollen. Das ist löblich. Ihre Parteikollegen im PUA wollen aber - ich gehe fast davon aus, auch die entsprechenden Fraktionen hier im Niedersächsischen Landtag - offenbar immer noch die Aufklärung verhindern,
In ihrer Bewertung kommt die schwarz-gelbe Koalition zu dem Schluss: 30 Jahre Gorleben-Erkundung - Sicherheit stets an erster Stelle. Bei der Standortauswahl Gorleben ist immer alles richtig und tadellos gelaufen. - Wer glaubt Ihnen das eigentlich noch? Ich finde das völlig absurd. Vor allem stellen Sie sich bitte die Frage: Ist das auch wirklich klug? Das sind die Schlachten von gestern. Sie belasten tatsächlich und wirklich akut den gesellschaftlichen Konsens bei der Endlagersuche.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Das kann man doch nicht ernsthaft vertre- ten!)
Wir, die Regierungsfraktionen im Niedersächsischen Landtag, sind nach wie vor der Überzeugung, dass Gorleben als Atommüllendlager ungeeignet ist und aufgegeben werden muss.
(Jens Nacke [CDU]: Frau Modder, Ih- re ganze Rede war von gestern, und jetzt sagen Sie so etwas! Das ist un- glaublich!)
- Herr Nacke, machen Sie eine Kurzintervention! Dann können Sie alles das, was Sie dazwischenrufen, hier sagen.
Meine Damen und Herren, wenn der Bundesrat am 5. Juli diesem Standortsuchgesetz zustimmt, dann haben wir einen noch nie da gewesenen Kompromiss bei der atomaren Endlagerfrage in Deutschland. Dieser Kompromiss trägt im Bewusstsein der Gesamtverantwortung über Partei- und Ländergrenzen hinweg. Darauf können wir, meine Damen und Herren, dank der geschickten und souveränen Verhandlung der neuen Landesregierung auch stolz sein.
Meine Damen und Herren, es ist richtig Bewegung in die bisherige Blockadehaltung der anderen Bundesländer gekommen. Auf einmal ist auch von - man höre und staune - „Lastenausgleich“ die Rede. Für die noch ausstehenden Castoren aus Sellafield und La Hague gibt es erste leichte Signale aus Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein. Diese leichten Signale gilt es aufzunehmen. Es gibt aber auch entgegengesetzte Botschaften aus anderen Bundesländern.
Ich will betonen: Niedersachsen hat genug Lasten zu tragen und ausreichend Verantwortung übernommen. Wir lehnen es daher ab, dass seitens des Bundesumweltministers mit Unterweser erneut ein niedersächsischer Standort ins Auge gefasst wird. Deswegen bedarf es auch der Bereitschaft aus Ihren Reihen, aus den Reihen von CDU und FDP. Ein Wegducken schwarz-gelber Landesregierungen ist hier nicht hilfreich.
Von daher mein dringender Appell an dieses Hohe Haus und die Parlamente in den anderen Bundesländern: Lassen Sie uns den Kompromiss gemeinsam tragen und miteinander den so wichtigen politischen Neustart in der Frage der Endlagersuche beginnen! Es wäre ein wichtiges Signal auch in unsere Gesellschaft, dass hier eine Verständigung möglich ist. Gehen wir diesen Weg gemeinsam! Ich glaube, das wäre ein sehr gutes Signal.